Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
19. Januar 2025

Ehe

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Als ich vor 74 Jahren den priesterlichen Dienst begann, hatte ich in jedem Jahr am zweiten Sonntag nach Erscheinung des Herrn die Belehrung der Bischöfe über das Sakrament der Ehe zu verlesen. Diese Übung hat nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil aufgehört. Ist sie überflüssig? Oder ist sie notwendiger denn je? Denn die Unwissenheit über die Ehe ist erschreckend groß.

I.

Ohne Gott kommt eine gültige Ehe nicht zustande. Der erste Spender des Ehesakramentes ist unser Herr Jesus Christus. Das Jawort, das zwei Menschen sich geben, ist nur der menschliche Dienst, das werkzeugliche Mittun an der Mitteilung der Gnade, die von Christus her geschieht. Die Ehe kommt nur durch Gott zustande, der die Kirche als Vollstreckerin des Willens Christi an ihrem Zustandekommen beteiligt. Die Kirche stellt fest, ob den Ehewilligen die Fähigkeit, eine Ehe zu schließen, zukommt. Die Kirche nimmt die Erklärung ihres Ehewillens entgegen und macht dadurch das gesprochene Jawort zum wirksamen Zeichen der sakramentalen Gnade. Die deutsche Zivilehe ist eine versuchte Eheschließung ohne Gott. Sie begründet ein bürgerliches Verhältnis. Der Ehewillige steht vor dem Standesbeamten als Staatsbürger. Vor dem Priester steht er als Getaufter, fähig, in Mitwirkung mit der Kirche den sakramentalen Bund zu schließen. Nun ist leider in den letzten Jahrzehnten etwas geschehen, was diese klare Lösung verdunkelt. Die Kirche räumt die Möglichkeit ein, dass von der Pflicht, vor dem katholischen Pfarrer und zwei Zeugen die Ehewillenserklärung abzugeben, dispensiert wird. Wer diese Dispens erlangt hat, kann und muss in Deutschland seine Ehe auf dem Standesamt schließen. Nicht in der protestantischen Kirche. Denn dort werden keine Ehen geschlossen. Die evangelische Trauung ist keine Eheschließung, sondern eine Segnung der bereits geschlossenen Ehe. Der Protestant schließt die Ehe nicht in der Kirche, sondern auf dem Standesamt. Die allein standesamtlich geschlossene Ehe ist für den Protestanten auch ohne die kirchliche Trauung eine vollgültige Ehe.

Nun ist in den letzten Jahrzehnten nicht nur die sakramentale Ehe, sondern auch die standesamtliche Verbindung in Misskredit geraten. Viele Menschen verzichten nicht nur auf die sakramentale Ehe, sondern auch auf den standesamtlichen Akt. Wesen und Rang der Ehe sind ihnen verlorengegangen. Ich verstehe, dass heute viele junge Leute, die sich mögen, zusammenleben ohne staatlichen Trauschein und ohne den sakramentalen Segen der Kirche. Wer keinen Glauben mehr hat, wem die Ehe ein beliebig eingehbarer und auflösbarer Vertrag ist, der verzichtet ganz auf Standesamt und Kirche. Das ist konsequent. Die Krise der Ehe, der Eheauffassung, der Ehebegründung ist eine Krise des Glaubens. Wer nicht weiß, was Ehe ist, kann sie auch nicht wollen. Dann ist es besser, wenn er auf sie verzichtet. In jedem Falle gilt: Ohne Gott kommt keine Ehe zustande.

II.

Ohne Gott wird eine Ehe nicht geführt. Die Ehe ist ein Sakrament nicht nur in ihrem Entstehen, sondern auch in ihrer Fortdauer. Solange die Ehegatten leben, so lange ist ihre Gemeinschaft ein geheimnisvolles Gnadenzeichen Christi und der Kirche. Ehesakrament bedeutet ein lebenslanges Geöffnetsein für das Einströmen göttlicher Wirkkräfte in die Gemeinschaft zweier Menschen. 1. Das Ehesakrament bewirkt die Vermehrung der heiligmachenden Gnade. Es heiligt die Ehegatten und gibt ihnen übernatürliche Kraft zur Erfüllung der Pflichten ihres Standes. 2. Das Ehesakrament verleiht das Anrecht auf helfende Gnaden, die sie sooft erlangen, als sie ihrer zur Erfüllung der Standespflichten bedürfen. Der Ehestand macht dem Leben verströmenden Christus ähnlich. Er teilt lebenslang Ansporn und Kraft mit, ein Leben zu führen, das in der Christusähnlichkeit verbleibt. Von Christi Band geeint, ist ihre Ehe unzerreißbar; sie kann nicht gelöst werden, weil Gott selbst für ihre Festigkeit einsteht. Darum kann der eheliche Mensch es wagen, sich für das ganze Leben zu binden. Darum wird er auch die letzte Energie aufzuwenden verstehen, die Ehe auch in der Krise zu retten.

Diese Einheit ist ein Leben lang so mächtig, dass einer nicht nur des anderen Last tragen soll, sondern auch des anderen Gnadenmittler sein darf. In jedem Gebet eines ehelichen Menschen tritt zugleich sein Partner mit vor Gott hin. Eheleute sind geweiht zu gemeinsamer Verantwortung, zu gegenseitiger Hilfe und zum Wachsen aneinander in der Erfüllung ihres Lebens. Es gibt in der gottgewollt gelebten Ehe nichts, was nicht Abbild des sich mitteilenden Christus zu sein vermöchte. Das menschlich Schönste an der Ehe, nämlich die Freude aneinander, und jene wundersame Liebe, in der eines das andere mehr liebt als sich selbst, ist Echo und Widerschein der Liebe, die das Wesen Gottes ist. Das Glück der Eheleute aneinander ist der Wellenschlag aus der Tiefe, in der die Liebe Gottes die eheliche Gemeinschaft durchdringt. Man unterscheidet die begehrende, die schenkende und die dienende Liebe. Die höchste ist die dienende Liebe. Sie muss die schenkende Liebe durchdringen und die begehrende Liebe zügeln, wenn die Ehe gelingen soll. Die wahre Liebe bildet die Tugenden aus, ohne die eine Ehe nicht gelingen kann. Wahre Liebe will Dauer, setzt keine Bedingungen, kennt kein Ende. Wahre Liebe fordert Treue bis zum Tode. Dostojewski sagte auf dem Sterbebett zu seiner Frau: „Vergiss nie, Anja, dass ich dich immer geliebt und auch nicht in Gedanken betrogen habe.“ Kaiserin Maria Theresia, die 16 Kinder geboren hat, verstand etwas von Ehe. Von ihr stammt das Wort: „Alles Glück der Erde besteht im gegenseitigen Vertrauen und Entgegenkommen. Die törichte Liebe vergeht bald. Aber man muss einander achten und dienen.“

Als Luther sich von der Kirche trennte, trennte er sich auch vom göttlichen Gebot der Unauflöslichkeit der Ehe. Damit fand er den Beifall vieler Männer, die ihre Frauen loswerden wollten. Sie traten seiner Gemeinschaft bei und konnten nach Scheidung eine neue Verbindung eingehen. Daraus erklärt sich der Erfolg dieser Bewegung. Daraus erklärt sich die bleibende Anziehung des Protestantismus. So ist es in den folgenden Jahrhunderten geblieben. Wenn katholischen Christen die Ehescheidung versagt wurde, traten sie zum Protestantismus über. Ich erwähne zwei Beispiele. Johann Strauß, der Walzerkönig. Er ließ sich von seiner Frau scheiden. In Österreich gab es damals für katholische Christen nicht die vom Staat gebotene Möglichkeit, als Geschiedener wieder zu heiraten. Strauß hatte ein Verhältnis mit einer evangelisch getauften Jüdin. Er begab sich nach Coburg, fiel dort zum Protestantismus ab und heiratete die Frau. Cosima Wagner war die Tochter von Franz Liszt und Marie Gräfin d’Agoult. Mit 20 Jahren heiratete sie den Dirigenten Hans von Bülow. Dann lernte sie Richard Wagner kennen und fühlte sich von ihm angezogen. Bülow erinnerte sie daran: „Du bist katholisch.“ Er wies auf das katholische Dogma von der Unauflöslichkeit der Ehe hin. Sie entgegnete: „Dann werde ich eben protestantisch.“ So fiel sie vom katholischen Glauben ab und ging mit Richard Wagner eine bürgerliche Ehe ein, zum großen Schmerz ihres Vaters.

III.

Ohne Gott wird keine Ehe aufgelöst. Aus dem sakramentalen Ehevertrag entsteht das Eheband und der Ehebund, der die Ehegatten lebenslänglich zu einer unteilbaren Lebensgemeinschaft verbindet. Die Ehe ist unauflöslich, weil sie ein Abbild der Vereinigung Christi mit seiner Kirche ist, und diese ist untrennbar. Die unauflösliche Ehe wäre nicht ein Abbild, sondern ein Zerrbild der Vereinigung Christi mit seiner Kirche. Gott hat den Ehevertrag am Altar mitunterzeichnet; er nimmt seine Unterschrift nicht zurück. Dem Staat kommt kein Recht zu, das Band zu lösen, das vor Gott und der Kirche zustande gekommen ist. Sein Richterspruch, mit dem er die Ehe für nichtig erklärt, aufhebt oder scheidet, ist ein Urteil, das vor Gott nicht gilt und im Raum der Kirche nicht Rechtskraft erlangen kann. Es ist eine Anmaßung, dass der Staat Beginn und Ende der Ehe in seine Zuständigkeit genommen hat.

Carl Sonnenschein, der Berliner Großstadtapostel, hat beschrieben, wie ein Herr zu ihm kam, der sich von seiner Frau trennen wollte, die ein ehebrecherisches Verhältnis unterhielt. „Wir sprechen erst von leichten Dingen. Von seiner Geschäftslage. Von seinen Reisen. Dann kommen wir zum Thema. ‚Ich weiß nicht, ob Sie mir raten können, aber ich will mich doch einmal mit jemand aussprechen. Wir sind katholisch getraut. Unser Kind ist jetzt zwölf Jahre alt. Nein, aber es geht nicht mehr. Erst erfuhr ich es. Dann gestand sie. Drei Jahre ein Verhältnis mit einem Herrn. Der bei uns verkehrt. Hinter meinem Rücken. Der mit mir zur Jagd geht. Wir rechneten ab. Wir machten Frieden. Wir schlossen die Akten über diese drei Jahre. Sie versprach heilig. Nun habe ich mich sieben Monate gequält. Ich habe versucht, neu aufzubauen. Aber es geht nicht. Nein, es geht wirklich nicht. Es gibt Gefühle, die man nicht kommandieren kann. Wir müssen auseinander. Die Verwandten haben das schon längst gesagt. ‚Lass sie ihn doch heiraten!‘ Das will sie nun tun. Was soll ich tun?‘“ Sonnenschein entgegnete dem Herrn: „Lassen Sie mich vorab ein Doppeltes sagen. Erstens. Sie wollen nicht meine Meinung, sondern das Urteil der Kirche. Alles Persönliche scheidet aus. Sie wollen nicht, dass ich biege. Sie sind Katholik und kennen Dogma und Ethik. Die Kirche bleibt sich treu. Sie sieht, wie ihr Herr und Meister, nicht auf die Person. Was dem Kommerzienrat billig ist, ist seinem Chauffeur recht. Was der gnädigen Frau gestattet wird, ist ihrem Dienstmädchen erlaubt. Es gibt nur ein Gesetz und keine Ausnahme für die Reichen. Für die Gebildeten. Für die Ästheten.“

„Zweitens. Lassen Sie mich ausdrücklich und mit innerer Bewegung sagen, dass es mir schwerfällt, ein Gesetz zu predigen, das den andern belastet und mir selbst vielleicht erspart bleibt. Es sei ferne, den Pharisäer zu spielen. Ich ahne, wie furchtbar diese Tragik sein kann. Sagen Sie dem Prediger nicht, er habe leicht reden! Das Gesetz wird darum nicht falsch, weil es den, der es auf Anruf verkündet, mit seiner Schwere nicht trifft. Wir sind alle ganz kleine und ganz schwache Menschen. Niemand von uns ist sicher, das große Opfer, wenn es von ihm verlangt wird, zu tragen. Aber auch diese Erwägung scheidet aus. Gesetz bleibt Gesetz. Sind Sie beide religiös? Wirklich religiös? Die Religiosität Ihrer Frau, sagen Sie, ist ererbte Oberflächlichkeit. Ist familiäre Tradition. Ist soziale Rücksicht. In katholischen Ländern überwiegt häufig der Zustand über den Willen. Ihre Frau ist, sagen Sie, nie eine ernste, bewusste, opferbereite Katholikin gewesen. Sonst müsste dieser Konflikt von beiden Seiten überwunden werden können. Wenn ich meiner Eltern gedenke, der Atmosphäre meiner Jugend, des Ernstes und der Größe der Religion, die meine Wiege, meine Schule, mein Wachsen in die Welt umrahmte, dann weiß ich, dass es Wiedergeburt gibt. In der Taukraft des Christentums werden die Dinge innerlich überwunden. Eine Volksmission! Eine Generalbeichte! Eine Osterkommunion! Zwei Menschen nebeneinander. Wie einst auf den roten Kissen des Hochzeitstages. Vor dem Tabernakel. Zwei Christen, die sich verzeihen. Die ihre Pflicht wiederfinden. Das ist Auferstehung. Bei wirklich Religiösen ist der Boden von diesen Kräften durchtränkt. Die ganze Erde ein Mutungsfeld. Aus dem diese Schätze heraufgeholt werden können. Christliche Ehen sind heilbar.“

„Sie fragen mich, ob Ihre sittlichen Kräfte in Ihrem Alter dazu reichen. Schauen wir, statt auf uns, auf die anderen. Die Lungenkranken. Denen keine Ehe gegönnt ist. Die Frühwitwen. Denen wirtschaftliche Not jedes neue Heim zerschlägt. Die Andersveranlagten. Die ein Leben lang ihre Not tragen müssen. Was sollen wir ihnen sagen? Es gibt nur eine Antwort: Opfer. Ohne Opfer hat es nie eine Kultur gegeben. Noch weniger ein ganzes Christentum. Sein Geheimnis beginnt hier. Seine Kraft. Lassen Sie uns beginnen, Christen zu sein.“

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt