Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
5. Januar 2025

Wir haben seinen Stern gesehen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

„Wir haben euch nicht als Anhänger ausgeklügelter Fabeln die Macht und die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus kundgemacht, sondern weil wir Augenzeugen seiner Größe waren.“ So schreibt der Apostel Petrus in seinem zweiten überlieferten Brief. Die Weihnacht, das Erscheinen des Sohnes Gottes auf Erden, ist kein Märchen, keine Legende, keine Erdichtung. Die Weihnacht, die Herabkunft des Logos in die Welt der Menschen, ist eine Tatsache, eine Wirklichkeit, ein Geschehen der Geschichte. Sie ist das gewichtigste, das gewaltigste, das unüberholbare entscheidende Ereignis der Geschichte. Wir haben davon Kunde durch Zeugen, also Menschen, welche bei den berichteten Geschehnissen dabei gewesen sind. Gott hat sie gewürdigt, seine Taten zu erleben. Petrus spricht von seiner Augenzeugenschaft, die ihn zum Teilnehmer an dem Christusereignis gemacht hat. Jahrelang war er mit Jesus von Nazareth zusammen. Die einmaligen Geschehnisse waren ihm unvergesslich. Als ein besonderes Erlebnis seiner Augenzeugenschaft erwähnt er die Himmelsstimme am Berge Tabor: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.“ Augenzeuge war er auch und erst recht des auferstandenen und verklärten Christus. „Der Herr ist auferstanden und dem Petrus erschienen!“ Als Zeuge hat er ihn nicht nur gesehen, sondern auch mit ihm gesprochen und sogar gegessen, hat er Aufträge empfangen und Ermächtigungen. „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe!“ Augenzeuge ist, wer ein Ereignis zweifelsfrei selbst erlebt hat. Geschichtliche Tatsachen werden bezeugt durch glaubwürdige Zeugen, die sie erlebt und erfahren haben. Sie sind gesichert durch die Aussagen von Augenzeugen. Einen durchschlagenderen Beweis als die Beobachtungen mit eigenen Augen kann es nicht geben.

Augenzeugen eines von Gott gewirkten Wunders waren auch die Weisen aus dem Morgenland. „Wir haben seinen Stern im Aufgang gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten“ (Mt 2,2). Sterne haben im Advent und zu Weihnachten eine hohe Zeit. In den Wohnungen und auf den Straßen begegnen uns Sterne. Gern und mit stiller Bewunderung schauen wir zu den funkelnden Sternen und Sternbildern über uns auf. Die Vorliebe für Sterne in der Weihnachtszeit hängt mit der biblischen Erzählung von dem Stern zusammen, der anlässlich der Geburt Jesu am Himmel erschien und gottesfürchtigen Männern aus dem Morgenlande zum Wegweiser nach Bethlehem wurde. Die Menschen aller Zeiten haben zu den Sternen aufgeschaut. Sie haben die Wissenschaft der Astronomie und die Kunst der Astrologie erfunden. Astronomie ist die Wissenschaft, die sich mit der Erforschung des Weltalls befasst. Zu den klassischen Teilgebieten der Astronomie gehören die Astrometrie, die sich der Orts- und Bahnbestimmung der Gestirne widmet, und die Himmelsmechanik, welche die Bewegungen der Gestirne unter dem Einfluss der Gravitation berechnet. Schon die frühen Hochkulturen der Ägypter, Babylonier und Chinesen stellten ausdauernde systematische Himmelsbeobachtungen an und konnten astronomische Ereignisse (wie Finsternisse und Planetenbewegungen) vorausberechnen. Die Astronomie diente ihnen zur Bestimmung der Zeit und der Kalender. Die Astrologie war die Kunst der Sterndeutung. Sie sagte vorher oder deutete Ereignisse wie Krieg und Frieden, Katastrophen oder Glück verheißende Tage aus dem Einfluss der Konstellationen der Gestirne. Ihr liegt die Anschauung zugrunde, alle Teile des Weltalls seien durch erfassbare Ähnlichkeit miteinander verbunden. Die abendländische Astrologie nahm ihren Ausgang im Zweistromland, dem heutigen Irak. Sie war dort eine von Priestern geübte Kunst. Aus den Stellungen der Planeten, aus Finsternissen und atmosphärischen Erscheinungen erforschten sie den Willen der Götter. Diese Gabe wurde hoch geschätzt und viel geübt. Die Kirche hatte keine Einwände. Noch im 15./16. Jahrhundert waren viele christliche Gelehrte und Theologen Astrologen, so die Päpste Julius II., Paul III. und Leo X. Verschiedene Gelehrte wie Kepler und Paracelsus entwickelten ideengeschichtlich bedeutsame Lehren über die Beziehung von Seele und Kosmos im Verhältnis zum Lebensschicksal.

Matthäus nennt die Männer, die, von einem Stern geleitet, aus dem Morgenland nach Jerusalem kamen, Magier. Damit sind nach damaligem Sprachgebrauch gelehrte Männer des Ostens gemeint, welche die Sterne beobachteten und ihre Bewegungen deuteten. Sie verbanden Astronomie und Astrologie. Gläubige und Ungläubige, Gelehrte und Ungelehrte haben sich seit 2000 Jahren Gedanken darüber gemacht, wie der Stern der Weisen aus dem Morgenland zu verstehen sei. Die einen sprechen sich für einen Kometen aus. Kometen sind kleine Himmelskörper des Planetensystems, die in Sonnennähe große Mengen flüchtiger Gase und feste Teilchen freisetzen. Zuweilen sind sie mit einem leuchtenden Schweif versehen. Es gibt kleine und große Kometen; es wurden Kometen mit einem Durchmesser von 100 km beobachtet. Besonders bekannt ist der Halleysche Komet. Er besitzt eine Umlaufzeit von 76 Jahren. Seine elliptische Bahn reicht weit über die Neptunbahn hinaus. Er wurde seit mehr als 2000 Jahren beobachtet. Die letzte Annäherung an die Erde war 1986. Seine nächste Wiederkehr ist im Jahre 2061. Nach der Meinung jener, die dieser Hypothese anhängen, sei anlässlich der Geburt Jesu ein Schweifstern am Firmament entlanggezogen und habe die sternkundigen Gelehrten aufmerksam gemacht und auf ihrer langen Reise geführt.

Andere sehen in dem Stern der Weisen eine Nova oder Supernova. Eine Nova ist eine ferne Fixsternsonne, die sich aufgrund inneratomarer Vorgänge aufbläht und ihre Leuchtkraft bis ins Gigantische steigert. „Neuer Stern“ ist freilich eine unangemessene Bezeichnung; denn der Stern befindet sich bereits im All, nur dass er jetzt oben durch eine atomare Katastrophe plötzlich überaus hell aufflammt. Manche solche Nova-Ausbrüche sind in Vergangenheit und Gegenwart beobachtet worden.

Wieder andere Gelehrte verstehen den Geburtsstern von Bethlehem als eine Sternkonstellation, welche die antiken Sterntafeln und Sterntabellen tatsächlich registrieren. Es habe sich dabei um eine Nah- und Engstellung (Konjunktion) der Planeten Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische gehandelt. Diese Deutung erklärt also den Stern von Bethlehem als eine extrem enge Begegnung des Planeten Jupiter mit dem Planeten Saturn am 17. Juni des Jahres 2 vor der Zeitenwende. Jupiter ist der größte und massereichste Planet des Sonnensystems. Er gehört zu den hellsten Objekten am Himmel. Er ist jedes Jahr für mehrere Monate der beherrschende Himmelskörper am Nachthimmel. Johannes Kepler (1571-1630) war ein Gelehrter, in dessen Wesen sich frommer Glaube und naturwissenschaftlicher Scharfsinn verbanden. Er ist der Entdecker der drei Gesetze, nach denen sich die Bewegung der Planeten vollzieht. Das hielt ihn nicht ab, zweimal für den Feldherrn Wallenstein das Horoskop zu stellen. Kepler wusste um die Konjunktion der beiden Planeten Jupiter und Saturn. Er war der Ansicht, dieses Ereignis habe den Stern von Bethlehem nur angekündigt. Der Stern selbst sei ein Wunderstern gewesen.

Die Hypothese von der Konjunktion der Planeten Jupiter und Saturn hat zweierlei für sich. 1. Für das Jahr 7 vor Beginn unserer Zeitrechnung lässt sich eine auffallende Verbindung zwischen Jupiter und Saturn nachweisen. Sie kamen sich damals etwa bis auf eine halbe Vollmondbreite nahe. Das träfe, zeitlich gesehen, genau mit den Ereignissen derjenigen Forscher überein, die der Meinung sind, dass unsere Zeitrechnung sieben Jahre zu spät einsetzt, dass Jesus also im Jahre 7 vor Beginn unserer Zeitrechnung geboren ist. 2. Zum anderen fände sich durch die These von der Jupiter-Saturn-Konjunktion auch eine Erklärung dafür, warum die Magier veranlasst wurden, sich auf den Weg ins jüdische Land zu machen. Saturn galt von alters her als Volks- und Schutzgestirn Israels. Jupiter, der größte der Sonnentrabanten und strahlender Mittelpunkt des Sternenhimmels, galt in der Antike als Königsstern. Wenn nun der Königsstern ganz nahe an den Volksstern Israels herantrat, und zwar im Sternbild der Fische, dem letzten im Tierkreis, welches das Ende der Weltreiche symbolisierte, dann lag für die Sternkundigen in Babylonien, die seit der babylonischen Gefangenschaft der Juden mit der israelitischen Messiaserwartung bekanntgeworden waren, der Schluss nahe: Der ersehnte Befreier und Erretter der Menschheit ist in Israel geboren! So brachen sie auf in den Westen, und so führte sie ihr Weg zuerst an den Königshof des Herodes. So nahm die Geschichte ihren Lauf. Niemand weiß es genau. Aber so könnte es gewesen sein.

Der Stern von Bethlehem ist keine Legende. Er ist keine fromme Ausschmückung. Hinter ihm steht eine reale astronomische Erscheinung. Sie sagt zweierlei: 1. Die göttliche Macht kann auf ihrem Weg zu uns Menschen sichtbare Zeichen setzen. Es kommt nur darauf an, sie wahrzunehmen und sie zu uns sprechen zu lassen. 2. Diese Macht kann dabei den Menschen sogar bei seinem Aberglauben abholen und zur Begegnung mit der Wahrheit des Lebens führen. So verstanden ist der Weihnachtsstern keine vergangene Größe der Antike, sondern eine immer wieder neue sinnbildliche Einladung zu dem, der von sich sagt: „Ich bin der helle Morgenstern.“

Amen.

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