29. Dezember 2024
Augustus als Werkzeug
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Der römische Kaiser Augustus steht im Evangelium wie der Landpfleger Pontius Pilatus im Credo. Das gibt seinem Namen Bestand bis zum Ende der Zeit. Trotz seiner gewonnenen Schlachten, seiner weisen Regierung und der Fülle seiner Macht über die Länder des mittelländischen Meeres wäre heute sein Name bei zahllosen Menschen vergessen, wie sein prunkvolles Grabmal bis auf den letzten Stein vernichtet ist. Das Evangelium hat ihm so einen Dank abgestattet für die Dienste, die er unbewusst bei der Menschwerdung Christi geleistet hat. An seinem Namen haftete der äußere Friede, der über die damalige Welt ausgebreitet war. Christus ist nicht unter Waffenlärm geboren. Gewiss, es war die Pax Romana, der römische Friede, gegründet auf die Macht der Legionen, die den Völkern am Rande des Reiches Ruhe gebot. Aber trotzdem war es ein Friede, den ein gewaltiger Herrscher bewusst wollte, indem er sich versagte, sein Reich bis an unbekannte Ufer auszudehnen. Augustus brachte den Kaiserfrieden, in der eine neue Weltreligion entstehen konnte. So war Augustus ein Werkzeug der Vorsehung Gottes. Kaiser Augustus hieß von Haus aus Gaius Octavius. Er wurde am 23. September 63 v. Chr. in Rom geboren. Gaius Julius Caesar, der am 15. März 44 v. Chr. ermordet wurde, adoptierte ihn testamentarisch. Der römische Senat verlieh ihm am 16. Januar 27 v. Chr. den Beinamen Augustus als Dank für die Wiederherstellung der Republik. Seitdem nannte er sich: Imperator Caesar Divi Filius Augustus. Zum ersten Mal bezeichnet sich ein Römer als Sohn eines Gottes, des vergöttlichten Caesar, vom Senat seit dem 1. Januar 42 v. Chr. sanktioniert.
„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.“ So beginnt der Evangelist Lukas (2,1) den Bericht über die Geburt Jesu. Das Ereignis spielt in Judäa, einem Vasallenstaat in der römischen Provinz Syrio, die im Jahre 64 vor Christus durch Pompejus in das römische Weltreich eingegliedert wurde. Als der Kaiser sein Edikt erließ, wonach alle Menschen seines Reiches in ihrer Heimatstadt aufgezeichnet werden sollten, wollte er einen Überblick über die Bevölkerung und die Finanzkraft seines Reiches gewinnen. Sein Finanzminister war bei jenem Erlass Pate gestanden. Aber eine unsichtbare Hand ordnete die Fäden der Weltregierung damals und heute. Er, der Kaiser in Rom, musste mithelfen, dass das fromme Paar aus Nazareth zur rechten Zeit nach Bethlehem kam, um eine alte Prophezeiung zu erfüllen. Wir sehen selten die geheimnisvollen Absichten Gottes so klar, wie bei jenem anscheinend so irdischen und aus der Steuerpolitik herausgeflossenen Edikt des Kaisers Augustus. Hier hat die göttliche Offenbarung den Schleier gelüftet.
Auch heute regieren die Mächtigen dieser Erde in der Welt herum, dass uns manchmal schwindelig wird. Überfälle mit Drohnen und Raketen, Eindringen in fremde Länder, Zerstörung von Städten und Regionen, Unsicherheit in ganzen Ländern und selbst auf dem Meer. Wir begleiten mit Ängsten die Konferenzen, Botschaften, Rüstungen und Waffenexporte. Die ungezügelte Machtpolitik ist ein drückendes Problem, hinter dem wir wenig Sinn und keinen Hoffnungsschimmer für die Zukunft sehen. Aber wir sollten nicht vergessen, dass einer geheimnisvoll und für uns nicht fassbar mitregiert, wie damals beim Edikt des Kaisers Augustus. Das soll uns ruhiger machen in unserer unruhigen Zeit. In einigen Generationen, wenn der Welt noch so viel Zeit gegeben ist, wird die Kirchengeschichte unserer Tage aufgezeichnet werden. Vielleicht werden die Herrscher von heute unter einem ganz anderen Vorzeichen beschrieben werden, als wir das jetzt ahnen. Künftige Menschen werden wissen, wo heute Wege bereitet, Berge abgetragen und Täler aufgefüllt werden und wie Krummes dennoch gerade wird. Die Mächtigen unserer Tage sind doch irgendwie Werkzeuge des Herrn, kleine Knechte, die heute oft selbst nicht wissen, warum dieses oder jenes geschieht. Auch heute noch gehen die Prophezeiungen des Evangeliums auf die seltsamste und einfachste Weise in Erfüllung. Vielleicht durch ein uns nebensächlich erscheinendes Edikt des chinesischen Machthabers Xi Jinping, wie damals durch die Steuermaßnahme des Kaisers Augustus das Prophetenwort über Bethlehem. Ganz sicher steht auch über unserer Zeit das Wort des Herrn: „Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende.“
Gott wirkt die Geschichte und ist so der Herr der Geschichte. Das Leben der Völker steht unter seiner Leitung, sofern sie sich von ihm leiten lassen. Sie empfangen seinen Segen und werden von ihm zur Rechenschaft gezogen. Jedes Volk hat seine geschichtliche Aufgabe. Jedes spielt in der Geschichte seine ihm von Gott zugewiesene Rolle. Isaias war es gegeben, in dem weltgeschichtlichen Augenblick, wo das assyrische Eroberervolk das alte Staatengefüge des vorderen Orients zerschlug, um sein eigenes Imperium zu bauen, in dem furchtbaren Zerstörungswerk einen weitschauenden Plan Gottes wahrzunehmen. Er sieht, wie Gott die Geschichte zu dem von ihm gewollten Ziele hinführt, indem er Kyros, dem König der Perser, wie einen Meteor aufsteigen sieht, ihm unerhörte Siege verleiht und so durch ihn seine Zeit heranreifen lässt. Gott erreicht sein Ziel auch über die Untreue und den Verrat der Menschen. Gerade wenn ihm die Menschen entfliehen wollen, müssen sie ihm und seinen Absichten dienen. Auch wenn sie Böses tun, müssen sie, ohne dass sie es wissen und wollen, Gottes Heilsplan zur Erfüllung bringen. Das deutlichste und erschreckendste Beispiel ist er Hohepriester Kaiphas. Als Prophet, d.h. als Verkündiger einer göttlichen Heilsbotschaft, spricht er das Wort, es sei besser, wenn einer stirbt, als dass das ganze Volk zugrunde geht. Er sucht so mit politischen Erwägungen das Todesurteil gegen Christus zu begründen. Aber der Heilige Geist, der ihn als sein Werkzeug benutzt, lässt ihn diese Worte sprechen, um einen ganz anderen Sinn damit zu verbinden. Kaiphas begeht als Prophet ein unausdenkbares Verbrechen. Aber in seinem Verbrechen wirkt Gott das Heil (Joh 11,49-52). Heilsgeschichte gibt es nicht ohne den Dialog zwischen Gott und dem Menschen. Die Erfahrung Gottes geschieht im Glauben. Bei der Heilsgeschichte ist die besondere von der allgemeinen zu unterscheiden. Die besondere Heilsgeschichte ist der von Gott gewollte, ordentliche, die allgemeine Heilsgeschichte ist der von Gott ermöglichte außerordentliche Heilsweg. Das Zweite Vatikanische Konzil hat richtig ausgeführt, dass nach Gottes Plan alle Menschen der Erde seiner Kirche eingegliedert werden sollen. Gleichzeitig lehrt es, dass Gott Menschen, die das Evangelium ohne ihre Schuld nicht kennen, auf Wegen, die er weiß, zum Glauben führen kann, ohne den es unmöglich ist, ihm zu gefallen (Ad Gentes7). So bleibt Gott wahrhaftig und gerecht.
Gott ist der Herr der Heilsgeschichte, er ist aber ebenso der Herr der Weltgeschichte, wenn auch jeweils in anderer Weise. Heilsgeschichte und Weltgeschichte koexistieren. Weltgeschichte und Heilsgeschichte durchdringen und umschlingen sich. Die Abgrenzung der Heilsgeschichte von der Weltgeschichte besteht darin, dass Gott durch sein Wort die menschliche Geschichte als Heilsgeschichte erklärt und durch die Erklärung zugleich als solche schafft. Heilsgeschichte unterscheidet sich von der Weltgeschichte durch das Wort Gottes, das eigene und eigenartige Formen hervorbringt. Der Psalmist spricht: „Was toben die Heiden und schmieden Pläne voll Wahnwitz. Der Erde Herrscher treten zusammen wider den Herrn. Der im Himmel thront, lächelt und spottet ihrer.“ Gott ist der souveräne Herr Himmels und der Erde. Über Gottes Weltplan steht kein unabwendbares Schicksal, dem er unterworfen wäre; kein Gesetz, dem er sich beugen müsste. Er bestimmt ihn aus freiem Entschluss. Er will ihn, weil er ihn will. Nicht die Sterne stehen über Gott, sondern Gottes Licht leuchtet über allen Sternen.
Amen.