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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
Heilige
17. November 2024

Elisabeth

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wer über die Zugbrücke in die Wartburg bei Eisenach in Thüringen geht, dem wird ehrfürchtig und andächtig ums Herz. Hier ging vor 800 Jahren die hl. Elisabeth, die Nichte der hl. Hedwig, ein und aus. Elisabeth war das Kind des ungarischen Königs Andreas und der Königin Gertrud, der Schwester der heiligen Hedwig. Sie wurde geboren 1207 auf der von deutschem Siedlungsgebiet umgebenen Burg zu Sáros-Patak in Nordungarn. Ihre Muttersprache war deutsch. Im Alter von vier Jahren wurde sie mit dem elfjährigen Landgrafen Ludwig von Thüringen verlobt. 1211 wurde sie durch eine thüringische Gesandtschaft von Preßburg in die neue Heimat geleitet. Auf der Wartburg sollte sie in deutscher Umgebung aufwachsen und erzogen werden, um frühzeitig Sitten und Lebensformen ihres künftigen Standes kennenzulernen. Liebreiz und fremdländisches Temperament gewannen dem Kind schnell die Zuneigung seiner neuen Familie und seiner Freunde. Doch zeigte sie Angewohnheiten, die man ihr übelnahm. So war sie warmherzig gegenüber Personen der niederen Stände, und sie hatte eine Vorliebe für das Reiten. Damit erregte sie Anstoß am Hofe. Hätte nicht Ludwig sie gegen alle Anfeindungen und Verdächtigungen in Schutz genommen, wäre Elisabeth vielleicht von Thüringen weggeschickt worden. 1216 starb Landgraf Hermann, Ludwig folgte ihm in der Regierung. Mit 14 Jahren (1221) wurde die Ehe geschlossen. Durch die frühe Heirat brachte sie die Gegner zum Verstummen. Elisabeth war glücklich in ihrer Ehe. Mit ihrem Gatten verband sie mehr als nur der Wille der Eltern und die gemeinsam verbrachte Jugendzeit. Ihre Liebe machte sie frei von manchem Zwang höfischer Etikette. Elisabeth ritt dem heimkehrenden Ehemann entgegen und begrüßte ihn stürmisch jubelnd. Er führte sie zur Burg und duldete es allen Hofleuten zum Trotz, dass sie mit ihm an einer Tafel speiste. Elisabeth gebar in ihrer kurzen Ehe von sechs Jahren einen Sohn und zwei Töchter. Ihr Beichtvater Rüdiger OFM brachte ihr franziskanische Gedanken bei. Sein Nachfolger (1226), der harte Konrad von Marburg, verschärfte mit einem Speisegebot Elisabeths Seelennot und den Gegensatz zum Hof. Doch hätten die Erweise echter Treue Elisabeth nicht genügen können. Ihr Gatte musste es dulden, dass er das Herz seiner Frau zwar ganz besaß, aber nicht allein. Er war groß genug, dem Anspruch Gottes an Elisabeth nie im Wege zu stehen. Er sah es ihr nach, wenn sie nachts bisweilen ihr Lager an seiner Seite verließ und sich auf den kalten Boden legte, nur um seine liebe Nähe aus Liebe zu Gott für eine Zeit zu entbehren. Er tadelte sie nicht, wenn sie hungrig an der Tafel saß, weil sie sich durch ein Gelübde verpflichtet hatte, nichts zu essen, was ihren Untertanen auf ungerechte Weise abgefordert worden war. Er stellte sich mit seiner ganzen Autorität hinter sie, als sie im Hungerjahr 1225 die gräflichen Truhen und Speicher öffnete, um die Armen zu speisen. Diese Haltung Ludwigs erwuchs aus seinem inneren Verständnis mit Elisabeth. Einmal hatte die Landgräfin in Abwesenheit ihres Gatten einen Aussätzigen im Schloss aufgenommen und ihn in Ludwigs Bett gelegt, um ihn bei Tag und Nacht pflegen zu können. Da kehrte der Landgraf unerwartet heim. Man erzählte ihm von der seltsamen Tat Elisabeths, und ein leiser Groll erwachte in ihm. Als er aber dann in sein Gemach kam, öffnete Gott der Herr ihm die inwendigen Augen, und er sah den gekreuzigten Christus in seinem Bett liegen. Da blickte er Elisabeth freundlich an und sprach: „Elisabeth, meine liebe Schwester, solche Gäste sollst du gar oft in mein Bett legen; das ist mir wohl zu Dank.“

Es ist das Geheimnis Elisabeths, wie sie Gottesliebe und Gattenliebe in höchster Vollendung in Einklang brachte. Wie echt und tief ihre eheliche Liebe war, zeigte sich, als ihr Mann auf dem Kreuzzug 1227 einer Seuche erlag. „Ach, Herre Gott, nun ist mir alle Welt tot.“ Mit diesem Schrei irrte sie fassungslos durch die Gemächer der Burg. Schon in jungen Jahren beobachtete Elisabeth, dass Armut, Krankheit und Not die Menschen noch viel weiter trennen können, als die tiefen Gräben, mit denen damals die Burgen der Fürsten umgeben waren. Als Elisabeth einmal, vornehm gekleidet, beim Gottesdienst im Chorgestühl der Eisenacher Kirche betete, da erschien ihr die perlengezierte goldene Krone, die sie trug, wie ein Hohn auf den dornengekrönten Heiland. Sie legte die Krone ab. Als die Schwiegermutter ihr Erstaunen darüber aussprach, antwortete sie: „Fern sei mir, im Angesichte meines Gottes und Königs Jesus Christus als geringes Geschöpf mit eitler Überheblichkeit gekrönt zu erscheinen.“ Dennoch wusste sie ihre Pflichten als Landesfürstin wahrzunehmen. Von Ende 1225 bis in den Sommer 1226 verweilte Landgraf Ludwig bei Kaiser Friedrich II. in Oberitalien. Während seiner Abwesenheit bestellte er Elisabeth als Regentin. Sie war diesem Amt gewachsen.

Seit jenem Tage, an dem sich ihr die unermessliche Tiefe göttlicher Liebe geoffenbart hatte, stieg sie täglich vom Fürstenhof hinab in die Hütten der Armen und Kranken, teilte Nahrungsmittel und selbstverfertigte Kleidungsstücke aus, betete mit den Sterbenden, hüllte die Leichen oft mit eigener Hand in die mitgebrachten Leinentücher und folgte demütig ihrem Sarge. Am Fuße der Wartburg errichtete sie ein Hospital für 28 arme Kranke. Täglich besuchte sie dieselben und brachte ihnen Speise und Trank. Durch Taten der Liebe schlug sie Brücken zu den Elenden und Notleidenden. Ihre Chronik berichtet: Wenn Boten von Kranken mit einer Bitte zu ihr kamen, ging sie zu ihnen, wie weit und beschwerlich der Weg auch war, brachte ihnen alles Notwendige und spendete ihnen Trost.

Das Leben Elisabeths fiel in die Zeit der großen Kreuzzüge. Die Christenheit rüstete Heere aus, um das Heilige Land von den Muslimen zu befreien. Auch Ludwig, der Landgraf von Thüringen, entschloss sich zur Teilnahme. Elisabeth ging mit ihrem Gatten in die Kapelle der Wartburg. Ein Künstler hat das gemalt. Da kniet Landgraf Ludwig mit Elisabeth vor dem Bild der schmerzhaften Mutter. Dort suchten sie Kraft für die schwere Stunde des Abschieds. Elisabeth sprach blutenden Herzens: „Ich will dich nicht zurückhalten. Zieh hin im Namen Gottes.“ In Gottes Kraft hat sie die Schwere des Abschieds ertragen. Aber Schwereres hat Gott von ihr verlangt. Es kam der Bote auf die Wartburg und brachte die Nachricht, dass der Landgraf auf dem Weg zur Einschiffung in Otranto am 11. September 1227 an einem Fieber gestorben sei. Das war das Allerhärteste, was die junge Frau treffen konnte. Sie schrie laut auf vor Schmerz: „Tot ist mir nun die ganze Welt.“ Sie eilte wie verzweifelt durch die Räume der Wartburg. Sie fand sich wieder in dem Gedanken, dass Gott über uns steht, auch wenn wir seine Fügungen nicht begreifen können. Und sie ist wieder stark und kann beten: „Du weißt es, o Gott, ich hätte gern mein ganzes Leben lang mit ihm in Elend und Not leben, hätte mein Brot mit ihm von Tür zu Tür betteln mögen, hättest du, o Gott, es erlaubt. Mir geschehe nach deinem Willen.“ Elisabeth wusste sich als Kind des heiligen Gottes, von dem es heißt: „Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung.“ Die Heiligung aber wird durch nichts so vollkommen erreicht wie durch die Erfüllung des Gebotes der Liebe und durch das Tragen des Kreuzes. So nahm Elisabeth aus diesem schwersten Leid Antrieb zu noch größerer Liebe.

In dieser Liebe, die alles erträgt und alles erduldet, konnte sie auch die folgende Prüfung bestehen. Elisabeth wurde gezwungen, die Wartburg zu verlassen. Aus Furcht vor dem neuen Landgrafen gewährte man ihr kein Obdach. Schließlich erbarmte sich ihrer ein Wirt und wies ihr einen Schuppen als Quartier an. Da läutete um Mitternacht die Glocke vom Kloster her und rief die Mönche zum nächtlichen Gottesdienst. Elisabeth erhob sich von ihrem erbarmungswürdigen Lager, ging in die Kirche und bat die Mönche, das Te Deum zu singen zum Dank für die Trübsal, die man ihr bereitet hatte. Nun war sie arm und verstoßen wie der Herr in Bethlehem. Die thüringischen Großen beraubten sie im Winter 1227/28 ihrer Witwengüter. Sie litt in Eisenach bittere Not. Aber dort war keine Bleibe für sie. Ihre Tante, die Äbtissin Mechthild von Kitzingen, brachte sie 1228 unter die Obhut des Bischofs Ekbert von Bamberg, ihres Onkels von mütterlicher Seite. Von dessen Plan, sie gegen ihren Willen wieder zu verheiraten, befreite sie die Ankunft der Gebeine ihres Gatten und der thüringischen Kreuzfahrer; unter ihrem Schutz kehrte sie nach Thüringen zurück. Aber erst durch Vermittlung des (von Papst Gregor IX. zu ihrem Defensor ernannten) Konrad von Marburg erhielt sie für die entzogenen Witwengüter eine größere Geldsumme und Güter in Marburg. Hier erbaute sie im Winter 1228/29 das Franziskushospital. Dort diente sie als Pflegerin im grauen Gewand des Dritten Ordens des heiligen Franziskus. Hier verzehrte sie ihre geschwächte Lebenskraft in aufopfernder Liebestätigkeit und Entsagung im Dienst der Armen, Kranken und Aussätzigen vollends. Ihre eigenen Kinder hatte sie hergegeben, da sie ihnen die standesgemäße Erziehung nicht zuteil werden lassen konnte.

Am 17. November 1231, im Alter von 24 Jahren, ging Elisabeth heim, erschöpft von körperlichen und seelischen Belastungen, ausgezehrt von Fasten und Nachtwachen. Beim Sterben war sie heiter und fröhlich. Gleich nach ihrem Tod suchten Mühselige Trost und Hilfe an ihrem Grab, das ein weit bekanntes Wallfahrtsziel wurde und über dem die Elisabethkirche gebaut wurde (1235-1283). Papst Gregor IX. nahm sie am 26. Mai 1235 unter die Zahl der Heiligen auf. Die feierliche Erhebung der gänzlich unversehrten Leiche fand am 1. Mai 1236 statt. Kaiser Friedrich II. setzte ihr seine goldene Krone auf das Haupt.

Vor einem so leuchtenden Vorbild tatkräftiger Nächstenliebe müssen wir uns fragen, ob wir dem Geist der ernsten, aufrichtigen, gütigen Liebe nähergekommen sind. Wenn wir auch nicht alle Werke der Nächstenliebe wie Elisabeth vollbringen können, so verlangt doch der Herr von einem jeden Christen: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr tut, wie ich euch getan habe“ (Joh 13,15). O Gott, du hast der heiligen Elisabeth ein waches Herz gegeben für die vielfältige Not der Menschen, in denen sie Christus verehrte. Gib uns den Geist deiner Liebe und leite uns an, zu helfen, wo Menschen in Not sind. Heilige Elisabeth, höre unser Gebet. Gib uns die Güte, die alles versteht, gib uns die Liebe, die nimmer vergeht. Gib uns die Stärke, die alles bezwingt. Gib uns den Glauben, der Mauern durchdringt.

Amen.

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