Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
15. September 2024

Die Dogmen der Sittlichkeit und der „Synodale Weg„

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Dogma ist eine von Gott unmittelbar geoffenbarte Wahrheit, welche vom kirchlichen Lehramt klar und ausdrücklich als verbindliche Offenbarungswahrheit festgestellt und verkündigt ist. Eine solche Wahrheit muss um der Autorität des sich offenbarenden Gottes und zugleich um der von Christus gestifteten Autorität der Kirche willen bejaht werden. Das Dogma wird also durch zwei Wesenselemente konstituiert. 1. Es ist von Gott unmittelbar geoffenbart. Dies kann ausdrücklich oder einschlussweise geschehen sein. Einschlussweise ist eine Wahrheit geoffenbart, wenn sie eingebettet ist in ein Gefüge von Wahrheiten, so dass sie sich erst dem zergliedernden Nachdenken deutlich und klar in ihrem Eigen-Sein und Eigen-Sinn darbietet. 2. Das Dogma ist sodann von dem kirchlichem Lehramt als Offenbarungswahrheit und als Gegenstand des Glaubens verkündet, und zwar entweder in einer feierlichen Lehrentscheidung (allgemeines Konzil oder Kathedralentscheidung des Papstes) oder in der regelmäßigen täglichen Lehrtätigkeit der Kirche (Katechismus, Hirtenbriefe, Predigten). Aus dem Wesen des Dogmas ergeben sich folgende Eigenschaften: 1. Göttlichkeit des Ursprungs. Es enthält die durch unmittelbare Einwirkung Gottes dem Menschen zuteil gewordenen göttlichen Selbstmitteilungen. Der Heilige Geist schafft die Dogmen durch die Kirche und in der Kirche. Im Dogma legt die Kirche Zeugnis ab von Christus. In ihm bekennt sich das Volk Gottes zu seinem Herrn. Am deutlichsten bekennt sie sich zu ihrem Herrn durch das Bekenntnis jener Glieder, welche wir die Träger des Lehramtes nennen. In ihrem Wort spricht sich der Glaube des ganzen Volkes Gottes in entscheidender Weise aus. So wird das Dogma zum Glaubensgesetz. Wer sich ihm entzöge, würde in Widerspruch zur Gemeinschaft treten. Er würde aus dem Leben der Gemeinde ausscheiden. Noch immer gilt der Satz des Kirchenrechts: Wer eine kraft göttlichen und katholischen Glaubens zu glaubende Wahrheit beharrlich leugnet, ist ein Häretiker (c.751 CIC). Er zieht sich die Exkommunikation als Tatstrafe, d.h. von selbst eintretende Strafe, zu (c. 1364 §1 CIC). 2. Unwandelbarer Wahrheitsgehalt. Die Dogmen sind der verhältnisentsprechende (inadäquate), unähnlich-ähnliche (analoge), aber wahre und zutreffende Ausdruck der geheimnisvollen Wirklichkeit Gottes. Sie haben daher unwandelbaren und unantastbaren Geltungswert. Sie veralten nicht, sie werden nicht überholt, sie bleiben immer gültig. Da es menschliche Begriffe und Worte sind, in denen Gott sich uns erschließt, bleiben Begriff, Vorstellung und Wort notwendig hinter dem gemeinten Inhalt zurück. Sie gelten von Gott, dem wesentlich von uns Verschiedenen, in anderer Weise, nämlich in einer unähnlich-ähnlichen Weise wie von den sonstigen Dingen. Halten wir fest: Das Dogma ist das Glaubensgesetz. Es ist so verbindlich, wie ein gerechtes Gesetz verbindlich ist. Es ist so notwendig, wie ein Verfassungsgesetz notwendig ist. Die Dogmen verbürgen die Treue des katholischen Glaubens zur Offenbarung Gottes. Das Dogma richtet einen Damm gegen den Irrtum auf. Es grenzt die Offenbarung in scharfer Begrifflichkeit gegen deren menschliche Entstellung ab. So schafft es Eindeutigkeit gegenüber dem Irrglauben.

Es sind zwei Arten von Dogmen zu unterscheiden, die Glaubensdogmen und die Moraldogmen, je nach dem Gegenstand, den sie enthalten. Die Glaubensdogmen treffen Aussagen über jene Teile der göttlichen Offenbarung, die Gott und sein Handeln betreffen. Ein Glaubensdogma ist der Satz: Gottes Wesen ist eines, der göttlichen Personen sind drei. Daraus ergibt sich: Wer Jesus seine göttliche Natur abspricht und ihn zum bloßen „Sachwalter“ Gottes macht, hat sich vom Glauben der Kirche entfernt. Ein Glaubensdogma ist der Satz: Jesus Christus ist in verklärter Leiblichkeit zu ewigem Leben von den Toten auferstanden. Ein Glaubensdogma ist der Satz: Christus wird in der Eucharistie gegenwärtig durch die Verwandlung der Brot- und Weinsubstanz in seinen Leib und in sein Blut.

Die von der Kirche vorgelegte göttliche Offenbarung enthält aber nicht nur spekulative Dogmen, durch welche sie uns lehrt, was Gott ist, was die Geschöpfe sind und welches ihr Verhältnis zu Gott ist. Sie enthält auch praktische oder ethische Wahrheiten oder Gesetze, welche uns lehren, was wir wollen und tun müssen, um Gott zu gefallen und unser seliges Ziel in ihm zu erreichen. Sowohl jene spekulativen als diese praktischen Wahrheiten sind, weil von Gott geoffenbart, wahrhaft Dogmen und als solche mit göttlichem Glauben zu glauben. Die Moraldogmen treffen Aussagen über jene Teile der göttlichen Offenbarung, welche den geoffenbarten Willen Gottes über das Tun und Lassen des Menschen betreffen. Die geoffenbarten sittlichen Wahrheiten sind ebensogut Objekt des übernatürlichen Glaubens wie die geoffenbarten Wahrheiten vom Leben und Wirken des dreieinigen Gottes. Sie sind Dogmen, welche in den Wahrheiten von Gott und seinen Werken ihre Beleuchtung und Begründung finden und mit ihnen in vollkommenem Einklang stehen. Dass wir verpflichtet sind, Gott zu lieben, ist nicht minder eine Glaubenswahrheit, als dass Gott das höchste Gut ist. Dass die ungeordnete Begierde nach Speise und Trank, die Unmäßigkeit im Essen und Trinken von Gott untersagt ist, ist ein moralisches Dogma. Ein moralisches Dogma ist auch der Satz: Geschlechtliche Betätigung ist nur Ehegatten in einer kirchlich gültigen Ehe gestattet. Daraus ergibt sich als logische Folgerung: Jegliche geschlechtliche Betätigung außerhalb der ehelichen Beziehung ist ordnungswidrig, also die Selbstbefriedigung, die voreheliche, die außereheliche geschlechtliche Betätigung, die nicht eheliche geschlechtliche Betätigung, die gleichgeschlechtliche Betätigung. Ich würde von diesem Gegenstand nicht sprechen, wenn nicht der „Synodale Weg“, also die Vereinigung der deutschen Bischöfe mit dem sogenannten Zentralkomitee der Katholiken, die Zerstörung der katholischen Lehre (auch) über diesen Gegenstand betriebe. Wir erleben in Deutschland eine Revolution von oben, also eine von den meisten deutschen Bischöfen unternommene Umwälzung der verbindlichen Lehre der Kirche auf mehreren Gebieten. Ich greife heute aus den mannigfachen Verirrungen jene heraus, die den Missbrauch der geschlechtlichen Anlage des Menschen betreffen.

Es ist ständige Lehre der Kirche, ein Dogma, also unverbrüchliche Wahrheit, dass die geschlechtliche Betätigung allein den Gatten in einer kirchlich gültigen Ehe vorbehalten ist. Der „Synodale Weg“ ersetzt sie durch das Gegenteil und erklärt: Die Ehe ist nicht der einzige legitime Ort für sexuelles Tun. Er spricht von einer polyvalenten Sexualität. Auf dieser Verirrung fabriziert er seine sogenannte Sexualmoral. Sie ist nichts anderes als die Absetzung Gottes als des Gesetzgebers der gesamten sittlichen Ordnung. Die Hauptfunktion der „neuen“ Moral ist, zu bösem Tun ein gutes Gewissen machen. Statt zu lehren: Du musst dein Leben ändern, um dem moralischen Gesetz zu genügen, sagt sie: Wir ändern das Gesetz, damit du nicht dein Leben ändern musst. In dem Text „Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt“ des „Synodalen Weges“ werden die Ziele angegeben, die auf Veränderung angestrebt werden: Die ausnahmslose Verurteilung sogenannter künstlicher Methoden der Empfängnisverhütung sowie der Masturbation, der gleichgeschlechtlichen Sexualität oder der Sexualität zwischen unverheirateten Personen oder nach Scheidung und erneuter ziviler Heirat sowie die Anerkennung der Existenz von Geschlechteridentitäten jenseits der Binarität männlich und weiblich.

Gott hat den Menschen als Mann und Frau geschaffen (Gen 1,27). Die jüdische wie die christliche Religion kennt weder ein drittes Geschlecht noch den Übergang von dem einen zum anderen Geschlecht. Der „Synodale Weg“ will es besser wissen. Die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen wird geleugnet. Biologische und theologische Fakten wie die binäre Aufteilung der Menschen in Männer und Frauen werden verworfen. Die Geschlechterdifferenz als natürliche Vorgabe wird geleugnet und damit das Schöpfungswerk Gottes bestritten. Die natürliche Vorgabe des biologischen Geschlechts soll variabel gestaltet werden. Der „Synodale Weg“ rechnet mit Menschen, die ihr Geschlecht umwandeln, von einem Mann zu einer Frau oder von einer Frau zu einem Manne zu werden versuchen, oder sich zu keinem der beiden Geschlechter rechnen. Er hat nichts dagegen.

Der „Synodale Weg“ befürwortet geschlechtliche Betätigung zwischen Nicht-Verehelichten. Partnerschaften, die nicht in eine Ehe münden oder außerhalb der Ehe gelebt werden, seien keine Sünde. Kein Mensch wird heute daran gehindert, mit einer Person des anderen Geschlechts zusammenzuleben und sich mit ihr zu vergnügen. Die Kirche des „Synodalen Weges“ ist bei dieser Freizügigkeit angekommen. Freie Liebe, Zeitehe, Kameradschaftsehe, Probeehe werden auf diese Weise zu rechtfertigen versucht. Kurz gesagt: Die Absicht des „Synodalen Weges“, alle zu segnen, „die sich lieben“, stellt die katholische Sittenlehre auf den Kopf. Liebe ist ein vieldeutiges Wort. Es ist sogar das am meisten missbrauchte Wort in allen Sprachen. Liebe bedarf der Ordnung, d.h. der Hinrichtung auf einen erlaubten Gegenstand. Es gibt die ungeordnete Liebe. Mir sagte einmal eine Frau: Mein Schwager verfolgt mich mit seiner Liebe. Deutlicher gesagt: Der Mann wollte sie zum ehebrecherischen Geschlechtsverkehr verleiten. Der Trieb, die Lust werden als Liebe ausgegeben. So geschieht es im „Synodalen Weg“.

Menschliche Sexualität ist ihrem objektiven Wesen nach zweigeschlechtlich und auf heterosexuelle Beziehungen hingeordnet. Es besteht eine biologische und anthropologische Zuordnung und Komplementarität zwischen Mann und Frau. Homosexualität ist der eigentliche geschlechtliche Kontakt zwischen Personen desselben Geschlechts. Homosexuelle Handlungen verstoßen gegen das natürliche Gesetz Gottes, denn die Weitergabe des Lebens, der entscheidende Kern der Geschlechtlichkeit, bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. Der „Synodale Weg“ verkündet die Erlaubtheit der Homosexualität. Die Homosexualität sei eine „Normvariante menschlicher Sexualität“. Also zulässig und unbedenklich. „Gleichgeschlechtliche – auch in sexuellen Akten verwirklichte – Sexualität ist damit keine Sünde, die von Gott trennt, und sie ist nicht als in sich schlecht zu bewerten.“ Der „Synodale Weg“ fordert die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Das ist der Versuch, die Lehre der Kirche über die Sünde homosexueller Handlungen zu ändern. Das Dogma der Kirche erklärt klipp und klar: Die Segnung homosexueller Akte, auf die ja die Segnung homosexueller Partner zielt, ist eine Gotteslästerung.

Ich fasse zusammen. Die Mehrheit der deutschen Bischöfe hat Beschlüsse gefasst, die moralischen Dogmen widersprechen. Texte des „Synodalen Wegs“ brechen mit der gültigen Sexualmoral der katholischen Kirche und der Schöpfungsordnung der Heiligen Schrift. Die Verfehlungen gegen die moralischen Dogmen der Kirche, deren sich der „Synodale Weg“ schuldig macht, ist nur eine von vielen. Er verstößt auch gegen zahlreiche Glaubensdogmen. Zum Beispiel gegen die sakramentale Struktur der Kirche, gegen ihre hierarchische Gliederung, gegen den Vorbehalt der Priesterweihe für den Mann. Kurz gesagt: Der Synodale Weg ist eine Ungeheuerlichkeit. Der Grundtenor des „Synodalen Weges“ ist der Widerstand gegen Lehre und Ordnung der Kirche. Es geht nicht um eine Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre, sondern um den Bruch mit ihr. Der deutsche Katholizismus, wie er sich in den Texten des Synodalen Weges darstellt, befindet sich nicht bloß im Zustand des Schismas; er befindet sich im Zustand der Apostasie. Ein gläubiger Priester schreibt: „Der Synodale Weg ist eine hochexplosive Mogelpackung, die – da sie mit derartigen Ressentiments gegen die Kirche und ihre Lehre und Tradition antritt – ein Abbruchunternehmen sein wird. Diabolisch im Wortsinn!“ (30.1.2020).

Amen.

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