2. Juni 2024
Sinn und Zweck des Messopfers
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Das Messopfer ist das vergegenwärtigte Kreuzesopfer. Das Kreuzesopfer wird vergegenwärtigt, damit wir durch die Aufopferung des Leibes und Blutes Christi Anteil an seiner Opfertat bekommen. Das Kreuzesopfer diente der Verherrlichung Gottes und dem Heil der Menschen. Dadurch, dass Gott seinen eigenen Sohn in den Tod hineinsandte, offenbarte er sich als die gerechte und heilige Liebe. Dadurch, dass er ihn in das Grauen und die Schande dieses Todes hineinstieß, offenbarte er sich als den gnädigen Richter über die Sünde. Was vom Kreuzesopfer gilt, das gilt auch vom Messopfer. Es ist Anbetung und Lob, Danksagung und Sühne.
1. Die Eucharistie ist Anbetung. Die Kirche tritt im eucharistischen Opfer durch und mit Christus vor das Antlitz des Vaters und huldigt ihm als dem Herrn des Himmels und der Erde. Anbetung ist jene Verehrung, die Gott allein gebührt. Die Anbetung ist die Wurzel und das vereinheitlichende Band alles Betens. Jedes andere Gebet ist von ihr durchdrungen und gestaltet. Sie wirkt sich aus im Rühmen und Preisen Gottes und im Dank, dass er uns Teilnahme an seiner Herrlichkeit, seiner Liebe und seiner Heiligkeit gibt.
2. Die Eucharistie ist Danksagung. Sie geschieht für das Werk der Schöpfung und der Erlösung. Die im Messopfer erfolgende Danksagung vollzieht sich durch die Opferdarbringung selbst. Die Präfation fordert einleitend zum Dank auf. Es folgt die an Gott-Vater gerichtete Danksagung. Der variable Mittelteil nennt einzelne Dankmotive. Der Endteil leitet mit dem Hinweis auf die Preisung Gottes durch die himmlischen Wesen zum Sanctus-Benedictus über.
3. Die Danksagung verbindet sich immer mit dem Bekenntnis der eigenen Sünde und wird so zu einer Bitte um die Verzeihung der Sünde. Das Messopfer erwirkt die Gnade der Buße und vermehrt die Liebe. Es tilgt jedoch die Sünde nicht unmittelbar, weder die lässliche noch die Todsünde. Doch die zeitlichen Sündenstrafen werden durch das Messopfer unmittelbar erlassen. Es war ein schwerer Irrtum Luthers, dass er dem Genuss des Leibes Christi sündentilgende Wirkung zuschrieb und so die Kommunion als Bußsakrament verstand. Doch der Herr hatte nicht gesagt, dass das Genießen des Herrenleibs Sünden vergebe, sondern das Vergießen.
4. Das Messopfer ist eine an den Vater gerichtete Bitte um das Heil. Es wird für alle mit Christus Verbundenen gebetet, für die Glieder des Leibes Christi, ja für alle Menschen. In besonderer Weise beten wir für die Verstorbenen. Das eucharistische Opfer ist die vor Gott gebrachte Bitte, er möge um des Leidens und Sterbens Christi willen, welches in der Eucharistie gegenwärtig wird, die Verstorbenen von allen Mängeln befreien und zur Teilnahme an seiner unverhüllten Herrlichkeit führen. Wir opfern den für unsere Sünden geschlachteten Christus. Dadurch versöhnen wir den barmherzigen Gott mit ihnen und mit uns.
In der Eucharistie wirkt sich die Heilskraft des Kreuzesopfers aus, dessen Gegenwärtigsetzung sie ist. Sie bedeutet daher eine Anbetung, einen Dank, ein Lob und eine Sühne von unendlicher Mächtigkeit. Christus bringt sich im eucharistischen Opfersakrament durch den Dienst der Kirche mit derselben Liebe und demselben Gehorsam dem Vater dar wie am Kreuze. Da wird dem Vater Lob und Preis erwiesen, wie es ihm gebührt. Diese Wirkung des Opfers wird durch keine menschliche Unwürdigkeit beeinträchtigt, da sie in der Würde Christi begründet ist. So ist das Opfer der Kirche von einer fast erschreckenden Mächtigkeit. Die Kraft ihres Anbetens und Preisens, ihres Dankens, Bittens und Sühnens ist begründet in dem Beten, Danken und Sühnen ihres Hauptes. Sie hängt aber auch ab von der Stärke, mit der sie sich in das Anbeten und Danken des Herrn einfügt, von ihrem Hingabewillen, ihrer Liebe und ihrem Gehorsam, von der Heiligkeit und Reinheit ihrer Glieder. Jedes Glied der Kirche, d.h. jeder Getaufte, ist für den Wert des eucharistischen Opfers verantwortlich, insofern die Eucharistie auch das Opfer der Kirche ist. Die Kirche kann Gott im Opfer um so würdiger verehren, je heiliger sie in ihren Gliedern ist.
Angesichts der unendlichen Kraft des eucharistischen Opfersakramentes kann man die Frage stellen: Wie kommt es denn, dass die vielfache Feier des Messopfers die Sünden und das aus ihnen stammende Elend nicht von der Erde vertreibt? Offensichtlich ist dies darin begründet, dass die unendliche Kraft des Messopfers nicht in jeder Hinsicht erschöpfend zur Auswirkung kommt. Die Heilsbedeutung des Messopfers kann sich deswegen nicht in ihrer unendlichen Kraft auswirken, weil der Mensch nur ein endliches Aufnahmevermögen hat. Das Maß der Auswirkung des eucharistischen Opfersakramentes am Menschen hängt vom Glauben und von dem Hingabeeifer ab, mit dem der einzelne das Opfer umfängt. Auch im Kanon des Messopfers werden Glaube und Hingabe (fides et devotio) als innere Haltungen für eine wirksame Teilnahme am Opfer gefordert.
Wenn auch alle Getauften nach dem Maß ihres Glaubens und ihrer Hingabe am Opfer Christi Anteil haben (und dabei keiner den anderen beeinträchtigt), so kann die Kirche doch in der Opferdarbringung Gott bitten, dass er das Opfer für bestimmte Menschen oder Anliegen in besonderer Weise gelten lasse. Sie opfert dabei als Dienerin Christi in einer „besonderen Meinung“. Sie denkt beim Opfer an eine bestimmte Not und bringt Gott das Opfer als verleiblichte Bitte für die Heilung dieser Not dar. Die Kirche hat die Gewissheit, dass ihr Gebet erhört wird. Jedes Anliegen des Reiches Gottes kann so zum Gegenstand einer besonderen Sorge der opfernden Kirche werden. Diese Bitte, dass von der Heilskraft des Messopfers bestimmte Menschen in besonderer Weise ergriffen werden, meinen wir, wenn wir sagen, dass das Messopfer in einem besonderen Anliegen aufgeopfert oder bestimmten Menschen zugewandt (appliziert) wird.
Applikation ist die Zuwendung des Messopfers durch den zelebrierenden Priester. Alle Getauften haben nach dem Maß ihres Glaubens und ihrer Hingabe Anteil am Opfer Christi. Keiner beeinträchtigt den andern. Nun kann die Kirche in der Opferdarbringung Gott bitten, dass er das Opfer für bestimmte Menschen oder Anliegen in besonderer Weise gelten lasse. Sie opfert dabei als Dienerin Christi in einer „besonderen Meinung“. Sie denkt beim Opfer an eine bestimmte Not und bringt Gott das Opfer als verleiblichte Bitte für die Heiligung dieser Not dar. Die Kirche hat die Gewissheit, dass ihr durch Christus verrichtetes Gebet erhört wird. Jede Gemeinschaft handelt durch ihre Glieder. Die Kirche spricht, wenn sie die im Messopfer verleiblichte Bitte dem Vater entgegenhält, die sie dabei erfüllenden besonderen Sorgen durch den Priester aus, der das Opfer vollzieht. In ihrem Namen und Auftrag bittet dieser den himmlischen Vater durch Christus, dass Gott die Heilskraft des Opfers, von der die ganze Kirche erfasst wird, mit besonderer Mächtigkeit auf ein bestimmtes Ziel lenke. Es kann sich dabei um die genugtuende, sühnende, bittende und dankende Kraft des Opfers handeln. Jedes Anliegen des Reiches Gottes kann so zum Gegenstand einer besonderen Sorge der opfernden Kirche werden. Diese vom Priester im Namen und Auftrag der Kirche vor dem himmlischen Vater ausgesprochene Bitte (dass von der Heilskraft des Messopfers bestimmte Menschen in besonderer Weise ergriffen werden) meinen wir, wenn wir sagen, dass das Messopfer in einem besonderen Anliegen aufgeopfert oder bestimmten Menschen zugewandt (appliziert) wird. Die Kirche verpflichtet den Priester zu mehrfachen solchen Applikationen. So muss z.B. der Pfarrer an Sonn- und Feiertagen das Messopfer für die Gemeinde aufopfern. Die etwa aufkommende Sorge, dass durch die Vermehrung der Zahl der Empfänger der Früchte des eucharistischen Opfers die Gnaden für den Einzelnen vermindert würden, ist unbegründet. Der Reichtum des Segens, der vom Messopfer ausgeht, ist unermesslich. Das Messopfer kann daher für ungezählte Gläubige ohne irgendwelche gegenseitige Beeinträchtigung dargebracht werden und jedem einzelnen nach dem Maß seiner Opfergesinnung Frucht bringen.
Man sieht, welcher Vorzug und welches Glück es ist, am heiligen Messopfer betend und opfernd teilnehmen zu können. In diesem Geheimnis unerforschlicher Weisheit und unendlicher Liebe hört Christus nicht auf, dasselbe Opfer, das er einst am Kreuze vollbrachte, auf wunderbare Weise gegenwärtig zu setzen, zugleich Opferpriester und Opfergabe. Er lädt uns ein zu dem heiligen Gastmahl, in dem das Gedächtnis seines Leidens begangen, die Seele mit Gnaden erfüllt und das Unterpfand der zukünftigen Herrlichkeit uns gegeben wird. Gestatten Sie mir, meine lieben Freunde, eine persönliche Anmerkung. Ich durfte seit 73 Jahren täglich das heilige Messopfer feiern, ohne Müdigkeit, ohne Überdruss, ohne Unlust. Diese Feier war der höchste Inhalt, das bleibende Glück, der beständige Halt meines Lebens. Sie hat mich über alle Fährnisse, Anfechtungen und Versuchungen getragen. So bleibt uns nur der Dank für unseren lieben Herrn, der uns in seiner göttlichen Liebe das Geschenk des heiligen Messopfers gemacht hat, und das Versprechen, dass wir es jedes Mal in Frömmigkeit, Andacht und Hingabe mitfeiern wollen.
Amen.