30. Mai 2024
Das eucharistische Opfersakrament
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Der zentrale Gottesdienst der katholischen Kirche ist die Feier des heiligen Messopfers. Die Eucharistiefeier ist (nach Paulus) die Verkündigung des Todes Christi, nicht durch das Wort, sondern durch eine Handlung. Der Tod Christi wird durch die Begehung des Herrenmahles dargestellt und gegenwärtiggesetzt. Die heilige Messe hat einen klar strukturierten Aufbau. Sie besteht aus drei Abschnitten: der Zurüstung der Opfergaben, dem Opfervorgang (Hochgebet, Kanon) und dem Opfermahl.
Das gesamte Geschehen der heiligen Messe ist Opferfeier, wenn auch in verschiedenen Phasen. Auch vor der Wandlung, vor der Herabkunft des verklärten Herrn auf die Gaben von Brot und Wein, denkt die Kirche immer an den gegenwärtig werdenden Herrn, der von der Kirche dem himmlischen Vater aufgeopfert wird. Es liegt keine Doppelung vor etwa in dem Sinne, dass zuerst Brot und Wein geopfert werden und danach Leib und Blut des Herrn. Nein! Wenn die materielle Gabe von Brot und Wein im Gebet von der Kirche Gott dargeboten wird, geht der Blick immer auf die endgültige Gabe, die aus der materiellen Gabe hervorgehen soll. Diese enthält damit eine vorläufige Weihe, eine Vorweihe. Die Bereitstellung der Gaben ist so unentbehrlich für das Zustandekommen des Messopfers, dass es ohne sie kein eucharistisches Opfer gäbe. Die Bestimmung der Gaben, ein notwendiger Bestandteil des Leibes und des Blutes des Herrn zu werden, bringt sie in enge Beziehung zum Opfer der Eucharistie. Aber, noch einmal: Alle Ausdrücke, mit denen der Text der heiligen Messe die Gaben von Brot und Wein beschreibt, weisen eindeutig auf die verwandelten Gaben, auf Leib und Blut Christi hin. Denn nur diese heiligen Wirklichkeiten sind eine „makellose Opfergabe“, nur sie gereichen den Empfängern „zum Heil für das ewige Leben“, allein der mit dem Blute des Herrn gefüllte Kelch ist ein „Kelch des Heiles“, das „dem heiligen Namen“ Gottes bereitete Opfer können nur Leib und Blut Christi sein; die Gaben von Brot und Wein werden nur dadurch Opfergaben, die an Leiden und Auferstehung Christi erinnern und uns zum Heile gereichen, dass sie durch die Verwandlung gehen; sie sind „heilige, makellose Opfergaben“ erst, wenn Gottes allmächtiger Segen über sie gekommen ist. Die Bestätigung für dieses Verständnis der Gebete vor der Wandlung liefert das letzte ihr vorausgehende Gebet (Quam oblationem). Darin fleht die Kirche, Gott möge die Gaben zu einer gültigen Opfergabe machen, indem er sie wandle in Leib und Blut Christi. Die Secreta ist das Gebet, mit dem die Darbringung und Niederlegung der materiellen Gabe ihren Abschluss und ihre Sinndeutung erhält, indem sie in die Sprache des Gebetes umgesetzt wird. Auch die materiellen Gaben werden als Darbringung an Gott betrachtet. Aber sie stellen kein selbständiges Opfer dar, sie werden nur dargebracht, damit sie ins Opfer Christi übergehen. Die Einzigkeit des christlichen Opfers wird durch die Erstreckung des Opferbegriffes auf Brot und Wein nicht geschmälert. Wenn die Gabenzurüstung beendet ist, soll der Priester nun an der Spitze und im Namen der Gemeinde mit ihrer Gabe vor Gott hintreten (orate fratres). Die Gebetshilfe wird erbeten für das eigene Opfer, das allerdings zugleich das Opfer der Gemeinde ist, auf dass es wohlgefällig sei.
Das Wort „Opferung“ das für diesen Teil häufig gebraucht wird, darf nicht zu dem Irrtum führen, dass hier und jetzt der Opferakt vollzogen wird. Was hier geschieht, ist die Zurüstung der Gaben von Brot und Wein, jener Dinge, in deren Zeichen der Kreuzestod dargestellt werden soll. Brot und Wein sind selbst keine Opfergaben. Denn die einzige Opfergabe ist Leib und Blut Christi. Die Hingabe von Brot und Wein ist die Weise und das Mittel, in das Opfer des Herrn einzugehen. Wenn in ihnen vom Opfer und von Opfergaben die Rede ist, dann ist das auf das Opfer Christi zu beziehen. Die Kirche ist so sehr vom Glauben an das eine Opfer Christi erfüllt, dass sie sogleich, im ersten Augenblick, in dem sie ihre Opferfeier beginnt, Worte gebraucht, die nur vom Kreuzesopfer gelten. Das Kreuzesopfer selbst wird erst durch die Einsetzungsworte gegenwärtig. Aber die Opferfeier kann und muss man als einheitliches Ganzes betrachten, ohne es nach den einzelnen Phasen seines zeitlichen Verlaufes aufzuteilen. Mit dem Blick auf die einzelnen Phasen der eucharistischen Opferfeier kann man sagen: Die Kirche spricht vorausschauend und voraussinnend über Brot und Wein Gebete, bei denen sie nicht die auf dem Altar liegenden Gaben von Brot und Wein, sondern das was aus ihnen werden soll, im Auge hat.
Der innere Bezirk, in dessen Mitte die Stiftung Jesu vollzogen wird, ist die Eucharistia, die Danksagung. Ein Dankgebet erhebt sich in der Gemeinde und wird vom Priester zu Gott emporgetragen. Es geht in die Worte der Wandlung und weiter in die Darbringung der heiligen Gaben über. Sie findet in einem feierlichen Lobpreis ihren Abschluss. Das Gebet, das mit der Präfation einsetzt, ist das Gebet der Kirche schlechthin, ihr Hochgebet. Es ist der Versuch, mit menschlichen Worten für das heilige Geheimnis, das sich in unserer Mitte vollziehen soll und das wir zu Gott hintragen dürfen, einen geziemenden Eingang und eine würdige Umrahmung zu schaffen. Nach dem Sanctus folgt die Darbringung der Gaben in der feierlich-demütigen Bitte um gnädige Annahme (Te igitur). In der Segnungsbitte ist bereits die Bitte um die Verwandlung eingeschlossen. Das Gebet Quam oblationem ist die Bitte um die letzte und endgültige Heiligung der irdischen Gabe, um die Wandlung, die Verwandlung unserer Opfergabe. Die Formel stellt die Wandlungsbitte oder die Wandlungsepiklese der römischen Messe dar.
Den Kern der Eucharistia und damit der ganzen Messe bildet der Einsetzungsbericht mit den Wandlungsworten. Die Form (das Wort) des eucharistischen Opfersakramentes besteht in den Worten, mit denen Christus beim Letzten Abendmahl den Aposteln seinen Leib und sein Blut reichte. Die Einsetzungsworte sind die Form der Wandlung. Durch die Herrenworte wird Leib und Blut Christi als sakramentaler Inhalt bezeichnet und bewirkt. Der Priester nennt die Handlungen des Herrn im Abendmahlssaal der Reihe nach und vollzieht sie auch selbst in dramatischer Nachbildung. Dieses Nachbilden der Handlungen bringt zum Ausdruck, dass der Priester jetzt den Auftrag des Herrn erfüllen will, zu tun, was er getan hat. Es liegt im Wesen christlicher Messliturgie, dass der Einsetzungsbericht nicht als bloßer historischer Bericht vorgetragen wird; er wird ja über Brot und Kelch gesprochen und steht dem Herrenwort „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ entsprechend bereits im Dienste jener Wiederholung. Der Bericht von dem, was gewesen ist, geht über in das gegenwärtige Ereignis. Im Priester steht Christus selber am Altar. Leib und Blut Christi werden im eucharistischen Opfersakrament gegenwärtig durch die Umwandlung des ganzen Wesensbestandes (der Substanz) des Brotes und des Weines in den Wesensbestand (die Substanz) des Leibes und Blutes Christi, während die Erscheinungsformen (Akzidentien) von Brot und Wein weiter bestehen. In der Konsekration hat sich das Opfer vollzogen. Mit der Konsekration ist das eucharistische Opfer wesentlich vollbracht. Ist Brot und Wein in den sakramentalen Leib Christi verwandelt, ist das Opfer der Gläubigen von Christus angenommen. Der Priester hebt die verwandelten Gestalten in die Höhe. Er gibt damit zu verstehen, dass jetzt Christus auf dem Altare gegenwärtig ist. Wenn das heilige Sakrament emporgehoben und dem Volk gezeigt wird, wird dieses aufgefordert, es zu verehren. Die Gläubigen neigen sich vor dem anwesend gewordenen Herrn und beten ihn an.
Das Gebet Unde et memores nach der Wandlung interpretiert das vollzogene Geheimnis durch Gedächtnis und Darbringung des Opfers. „Wir treten, o Gott, vor dich hin mit der dankbaren Erinnerung an das Erlösungswerk des Herrn und bringen dir dar dessen Leib und Blut.“ 1. Was wir in Händen haben, ist schon im Gedächtnis und ist schon ein Opfer. Aber sowohl Gedächtnis wie Opfer müssen auch in uns selbst gedenkend und darbringend verwirklicht werden. Erst dann kann daraus im vollen Sinne die Anbetung im Geist und in der Wahrheit zu Gott emporsteigen. In dem Gebet Unde et memores drückt sich aus, dass die Eucharistie nicht nur eine Erinnerung an Vergangenes, sondern ein vom Kreuzestod des Herrn selbst erfülltes Gedächtnis ist, eine wirklichkeitserfüllte Darstellung des Herrenleidens. Darin besteht der Opfercharakter der Eucharistie, dass das Kreuzesopfer in ihr gegenwärtig wird. Das Messopfer ist eine sakramentale Epiphanie von Golgotha. Das zentrale Thema des dankbaren Gedenkens ist das Werk der Erlösung. Die Messe ist Opfer nur, indem sie zugleich Gedächtnis des schon vollbrachten Opfers unserer Erlösung ist. 2. Das zweite, was in Unde et memores ausgesprochen wird, ist das Darbringen. Wir stehen vor dem zentralen Opfergebet der ganzen Messliturgie, vor dem primären liturgischen Ausdruck der Tatsache, dass die Messe ein Opfer ist. Dabei ist bemerkenswert, dass ausschließlich vom Opfer die Rede ist, das die Kirche darbringt. Der principalis offerens, der hinter der Kirche steht, Christus, der Hohepriester, bleibt völlig im Hintergrund.
Im Gebet Supra quae bittet die Kirche den himmlischen Vater um Annahme des Opfers. Gewiss nimmt der Vater das Opfer Christi, seines Sohnes, mit höchstem Wohlgefallen entgegen. Dennoch muss die Kirche demütig bitten, dass er sich ihren Dienst beim Opfer seines Sohnes gefallen lässt. Die Kirche bittet um die Annahme des Opfers Christi, insofern er das Opfer der Kirche ist. Anders ausgedrückt: Sofern die Eucharistie das Opfer des Sohnes ist, bedarf es nicht erst der Bitte um gnädige Annahme. Wie der Sohn sein Opfer ein für allemal dargebracht hat, so hat der Vater es ein für allemal angenommen. Sofern aber die Kirche die Opfergaben zurüstet und in das Opfer ihres Hauptes eingeht, muss sie immer von neuem darum beten, dass sich Gott ihren Dienst gefallen lässt und ihre Hingabe annimmt, dass es selbst sie immer mehr in das Opfer, in das Kreuz und in die Herrlichkeit seines Sohnes hineinnimmt.
Am Schluss des Kanons steht die feierliche Lobpreisung Gottes. Hier, wo die Kirche versammelt ist um den Altar, auf dem das Sakrament ruht, und zwar versammelt, um Christi Leib und Blut in Ehrfurcht darzubringen, empfängt Gott tatsächlich alle Ehre und Verherrlichung. Es erfüllt sich in diesem Augenblick das Wort des Malachias (1,11): Der Name des Herrn ist groß bei den Völkern. Christus hat im Abendmahlssaal den Neuen Bund zwischen Gott und den Menschen verkündet und aufgerichtet. Die neue Gottesordnung wurde durch das Blut, das Christus am Kreuz vergossen hat, begründet. Das im Abendmahlssaal gegenwärtige Blut ist jenes Blut, das er am nächsten Tage am Kreuze vergießen wird. Es ist sühnendes Opferblut. In dem Mahlopfer, das der Herr den Seinigen bereitet, setzt er sein Blut gegenwärtig. Mit der Abendmahlshandlung hat Christus vorweggenommen, was er hernach beim Sterben tat. Das Abendmahl ist die Vorwegnahme des Kreuzesopfers. Jesus gab seinen Jüngern den Auftrag: Sie sollten das von ihm vollzogene Opfer, das eine Vorwegnahme des Kreuzesopfers war, immer wieder als Gedächtnis seines Kreuzesopfers begehen. Eben das geschieht im Messopfer der katholischen Kirche.
Das Opfer der Christenheit ist so eingesetzt, dass die Darbringer nach dessen Vollzug als Gottes Gäste zu Tisch geladen sind. Denn es ist die Feier der Gottesfamilie, derjenigen, die zu Christus gehören und mit ihm kraft der Taufe zu engster Gemeinschaft verbunden sind. Die Gemeinschaft der Heiligen, welche die heilige Kirche ist, soll in der heiligen Gemeinschaft des Sakramentes ihren Ausdruck finden. Der Kommunionteil der hl. Messe wird mit dem Vaterunser eröffnet. Das Vaterunser ist das Kommuniongebet der ganzen Gemeinde. Es ist das Familiengebet der Kirche, das einzige, das sie im Wortlaut vom Herrn empfangen hat. Das Gebet steht am Anfang des Kommunionteiles wegen der Brotbitte und wegen der Vergebungsbitte. Die Kirchenväter erklären die Brotbitte des Vaterunser als Bitte um das eucharistische Brot. Das gewöhnliche Brot ist nicht ausgeschaltet. Die Bitte um das himmlische Brot umfasst alles, was der Getaufte braucht, von der Speise aus dem Acker bis zur Speise aus dem Opfer Christi. Wenn indes die Brotbitte auch die Mitte und der Höhepunkt des Vaterunser ist, so begreift das Gebet auch alles in sich, was das eucharistische Opfer wirkt: die Ehre Gottes und das Heil der Menschen. Wir beten um jene Güter, denen die Eucharistie dient: um die Heiligung des Namens Gottes, um das Kommen seines Reiches, um das Geschehen seines Willens, um die Vergebung der Sünden, um die Bewahrung vor der Versuchung, um die Erlösung vom Übel.
Die Gläubigen sind zum Genuss der heiligen Speise eingeladen. Voraussetzung ist die Würdigkeit. Sie verlangt die Freiheit von schwerer Sünde, die rechte Absicht und die entsprechende Vorbereitung. Die Bitte um Vergebung unmittelbar vor der heiligen Kommunion erinnert die Teilnehmer noch einmal an die Notwendigkeit der Herzensreinheit, um den Leib des Herrn zu empfangen. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Erfordernisses ist die gegenseitige Vergebung der Kommunikanten. Der unmittelbaren Vorbereitung auf das Mahl dient auch das Gebet um den Frieden. Vor dem Opfermahl werden sich die Opferteilnehmer neuerdings ihrer Einheit mit Christus und untereinander mit lebendiger Kraft bewusst. Sie bitten Gott, dass er beseitigt, was der Einheit entgegensteht. Die Anrede an das Lamm Gottes meint nicht Christus schlechthin, sondern den in der Eucharistie als Opfergabe gegenwärtigen Christus. Es ist die huldigende und zugleich demütig bittende Begrüßung dessen, der unter der Brotsgestalt gegenwärtig geworden ist. Aber der Gedanke des eigenen Ungenügens wird nicht verdrängt, vielmehr ausdrücklich und wiederholt ausgesprochen. In Demut und Vertrauen beten Priester und Volk die Worte des Hauptmanns von Kapharnaum. O Herr, ich bin nicht würdig.
Mit dem Brotwort reichte der Herr den Jüngern seinen Leib als Opferleib, als geopferten Leib. Der am Kreuze geopferte Leib wird von Christus bei der Abendmahlsfeier gegenwärtig gesetzt und den Jüngern gereicht. Diese unerhörte Tat göttlicher Großmut geschieht in jeder heiligen Messe. Mit dem Weinwort reichte der Herr den Jüngern sein Blut als Opferblut, als geopfertes Blut. Wegen mancher Unzuträglichkeiten wird in unserer Messe in der Regel das Blut des Herrn in der Gestalt des Weines nicht den Gläubigen zum Genuss geboten. Der lebendige Christus ist in der Brotsgestalt auch mit seinem Blut gegenwärtig. Dass der zelebrierende Priester die Kommunion empfangen muss, ist zu allen Zeiten als Erfordernis jeder Messfeier betrachtet, eine gegenteilige Übung wiederholt als Missbrauch verurteilt worden. Die Kommunion des zelebrierenden Priesters ist notwendig zur Vollständigkeit des eucharistischen Opfers. In den Nachkommuniongebeten bitten wir darum, dass uns Gott dazu helfe, die Danksagung, die wir in der Eucharistiefeier vollzogen haben, im Leben auszuwirken und fortzuführen, und dass uns einmal die Vollendung dessen gewährt wird, was wir in der Eucharistie begehen. Diese Gebete beziehen sich meist auf die künftige Herrlichkeit.
O heiliges Gastmahl, in dem Christus genossen, das Andenken seines Leidens erneuert, die Seele mit Gnaden erfüllt und das Unterpfand der künftigen Herrlichkeit uns gegeben wird. Brot vom Himmel hast du uns gegeben, das alle Süßigkeit in sich enthält.
Amen.