Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
9. Mai 2024

Christi Himmelfahrt I

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Christus ist mit Leib und Seele in den Himmel aufgefahren und sitzet zur Rechten des Vaters. Das ist ein Glaubenssatz, der in allen Glaubensbekenntnissen der Kirche seinen Platz hat. Christus hatte den Eingang in seine Herrlichkeit vorher angekündigt (Lk 24,26). Was er vorhersagte, haben seine Jünger in leibhaftiger Wirklichkeit sich erfüllen sehen. Mit eigener Kraft, sowohl mit der göttlichen als mit der seiner Seele eignenden menschlichen Kraft stieg er in den Himmel auf. Die Himmelfahrt Christi ist kein neues Heilsgeschehen. Sie schließt sich sachlich eng an die Auferstehung an; besser, sie bildet in ihr ein Ganzes. Die Himmelfahrt Jesu ist der zweite Akt der Auferstehung. Gott, der himmlische Vater, hat seinen Sohn dem Tode entrissen und ihn gleichzeitig in den Himmel versetzt. Vom Himmel her hat sich Jesus vierzig Tage lang nach der Auferstehung durch Erscheinungen den Jüngern zu sehen gegeben, und zwar in verklärter Gestalt. Bei den Erscheinungen in den vierzig Tagen zeigte sich Jesus plötzlich und verschwand plötzlich. Nur bei seiner letzten Erscheinung, eben vor der Himmelfahrt, deren Fest wir heute feiern, waren die Apostel Augenzeugen der äußeren Erhebung in die Lüfte (Mk 16,19; Lk 24,51; Apg 1,9-11). Dadurch wurde der Übergang Jesu in den jenseitigen Glückseligkeitszustand versinnbildet, nicht bewirkt.

Christologisch bildet die Himmelfahrt die Vollendung der Erlöserlaufbahn Christi und die dauernde Besitzergreifung seiner Herrlichkeit. Letzteren Gedanken bezeichnet die Schrift als ein „Sitzen zur Rechten des Vaters“. Selbstverständlich ist das nicht lokal zu verstehen, sondern bildlich. Es bedeutet sowohl die Dauer und den unverlierbaren Besitz seiner Herrlichkeit als auch die Teilhabe an der Weltherrschaft des Vaters. In diesem Thronen zur Rechten des Vaters hat die Königsherrschaft Jesu ihren höchsten Grad erreicht. Die Himmelfahrt ist eine Aussage über die Macht, die dem Auferstandenen verliehen wurde. Deshalb darf es nicht auffallen, wenn in der Schrift wiederholt der Titel Sohn Gottes und Messias für Jesus erst von diesem feierlichen Moment ab datiert ist. Denn Christus ist jetzt Sohn Gottes nicht mehr in Knechtsgestalt, sondern in wahrhafter Gottesgestalt, Sohn Gottes in Herrlichkeit, nicht mehr in Niedrigkeit (Röm 1,4; Apg 2,32-36; 13,33; Hebr 1,3-5; 5,3).

Daraus ergibt sich auch die soteriologische Bedeutung. Jetzt in seiner himmlischen Gestalt ist Christus erst so recht „der Sohn Gottes in Kraft“ (Röm 1,4). Als lebendiger und lebendigmachender Geist durchherrscht und belebt er vom Himmel her mit der Macht des Denkens und Wollens als Haupt seine Glieder, erfüllt und stärkt sie mit seinem Geist und der heiligmachenden Gnade, nährt sie mit seinem verklärten Fleisch in der Eucharistie, gibt ihnen die Kraft und das Unterpfand des Lebens und der Unsterblichkeit, verleiht ihnen die Bürgschaft zukünftiger Herrlichkeit. Jetzt wird sein Wort zur Wahrheit: „Wenn ich von der Erde erhöht sein werde, werde ich alles an mich ziehen“ (Jo 12,32). Jetzt hat er einen Namen über alle Namen empfangen, „damit jedes Knie sich vor ihm beuge und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus ist der Herr zur Herrlichkeit Gottes des Vaters“ (Phil 2,9-11). Himmlische Ausübung seiner Herrschaft in Wahrheit und Gnade, in Erleuchtung und Kraft, und irdische Anerkennung dieser Herrschaft im Geiste und in der Wahrheit, in kultischer Anbetung und Danksagung, das sind fortan die beiden Brennpunkte der soteriologischen Bedeutung der Erhöhung des Sohnes zur Rechten des Vaters. Die Erhöhung begründet nicht ein neues Verdienst, sie ist keine Ergänzung des Erlösungswerkes, sondern eine Zuwendung dieses Verdienstes durch den himmlischen Hohepriester, dessen Erscheinen vor Gott eine fortwährende reale Fürbitte für uns bedeutet (Hebr 7,24f.). Das Fest Christi Himmelfahrt drückt die unwiderrufliche Errettung der Menschheit aus, die im erhöhten Christus Gott als den endgültigen „Ort“ ihres Seins gefunden hat. Christi Himmelfahrt ist die Vorwegnahme unserer eigenen Himmelfahrt, Grund unserer Hoffnung und Zuversicht, Trost unseres Pilgerlebens.

Erst der erhöhte Christus sollte den Heiligen Geist vom Vater empfangen, den er den Jüngern ausgießen sollte. Nur indem Himmelfahrt geschieht, kann der Geist kommen und so Kirche entstehen (Jo 7,39; 16,7; 20,22; Apg 1f., besonders 2,32f., Eph 4,8ff.). Die Sendung des Heiligen Geistes am Pfingsttag war die erste Frucht von Jesu Erlöserbitte an Gott und zugleich der erste Akt seines neuen Herrscheramtes. Durch diesen seinen Geist wird er bis ans Weltende als das unsichtbare Haupt seiner Jünger und seiner Kirche als Erlöser tätig sein (gratia capitis). Die Himmelfahrt des Herrn ist nicht einfachhin der Schluss seiner irdischen Wirklichkeit. Etwa in dem Sinne, dass er nach Erledigung der ihm vom Vater gestellten Aufgabe in den Himmel zurückkehrt. Der Auferstandene muss vielmehr in seine Heimat zurückkehren, da er nicht mehr den beschränkten Existenzbedingungen der Erde unterworfen ist. Die Himmelfahrt ist die Vollendung seines geschichtlichen Lebens und Werkes. Sinnbild der Herrlichkeit des auffahrenden Christus ist die Wolke. Zeugen und Bürgen seiner Herrlichkeit sind die Engel, die zum Reiche Gottes gehören. Die Himmelfahrt versinnbildete, dass Christus den Seinigen in Zukunft nicht mehr erscheinen wird bis zu der Stunde am Ende der Welt, in welcher er in großer Macht und Herrlichkeit wiederkommen wird, um alles zu vollenden. Der Himmelfahrtsglaube ist völlig unabhängig vom antiken Weltbild. Das Aufsteigen über die Wolken hatte symbolische Bedeutung. Es war ein Sinnbild für ein sichtbares, geheimnisvolles Geschehen. Die Himmelfahrt bedeutete die endgültige Hineinnahme der menschlichen Natur Christi in die verborgene Natur des göttlichen Lebens. Sie war die Folgerung aus seiner Verklärung, die schon in der Auferstehung geschehen war.

Die Himmelfahrt Christi ist ein geschichtlicher Vorgang in Raum und Zeit. Sie ist die lokale Versetzung der verklärten menschlichen Natur Christi an einen Ort, der ihrem verklärten und seligen Zustand entspricht. Wo sich die menschliche Natur Christi befindet, können wir nicht bestimmen. Himmel als Dimension des Einswerdens von Gott und Mensch wurde überhaupt erst durch die Himmelfahrt Christi und die darin geschehene Einbeziehung des Menschen in die Wesensweise Gottes gegründet. „In den Himmel kommen“ heißt von hier aus nichts anderes als eins werden mit dem Menschen Jesus und so in die Einung der Menschen mit Gott eintreten. In der Himmelfahrt wurde die letzte Folgerung aus der Tatsache gezogen, dass die menschliche Natur Christi seit der Menschwerdung des Sohnes Gottes in das Leben Gottes hineingenommen war. In der Auferstehung wurde diese bis dahin verborgene Tatsache offenbar, weil die Gottesherrlichkeit durch die menschliche Gestalt hindurchbrach. Sie passte daher nicht mehr zu den vergänglichen Formen der Erde. „Ihn musste der Himmel aufnehmen, bis alles wieder hergestellt ist, wie es von Gott von Alters her durch den Mund seiner Propheten vorherverkündet ist“ (Apg 3,21).

Der letzte Akt der Königsherrschaft Christi werden Wiederkunft und Weltgericht sein. Auf sie wies er selbst in seinem irdischen Leben angesichts des Todes feierlich und nachdrücklich hin (Mt 26,64). Gott hat alles Gericht dem Sohne übergeben. Er ist der Menschensohn, dem dieses Amt verheißen ist (Dan 7,13-27), der sich durch sein Erlösungswerk ein Recht auf den Richterakt erworben hat. „Siehe, er wird kommen in den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehen, und auch die, welche ihn durchbohrt haben“ (Apk 1,7). Mit dem Weltgericht wird das Werk der Erlösung, das Christus vom Beginn seiner Menschwerdung bis zum Ende der Zeiten übernommen und ausgeführt hat, zum gänzlichen objektiven und subjektiven Abschluss kommen. Seine Wiederkunft hat nicht den Zweck, an der Erlösung selbst etwas zu ergänzen. Nach diesem Schlussakt der Erlösungstätigkeit wird er in seiner verklärten und verherrlichten Menschheit die Seinigen dem Vater zuführen, auf dass am Ende wie am Anfang Gott alles in allem sei (1 Kor 15,28). Die Erhebung der menschlichen Natur Christi zur Teilnahme an der unverhüllten Herrlichkeit Gottes ist erstlich die höchste Offenbarung Gottes, seiner Macht und seiner Liebe, seiner Heiligkeit und seiner Schönheit, seiner Freiheit und seiner Fülle. Der in den Himmel aufgefahrene Menschensohn ist die größte Verherrlichung Gottes. Die Herrlichkeit des durch den Kreuzestod hindurchgeschrittenen, auferstandenen und erhöhten Herrn ist sonach der höchste, immerwährende Lobpreis Gottes. Sie ist zugleich die höchste, allseitige Vollendung der menschlichen Natur. An dem auferstandenen und erhöhten Christus wird der letzte Gedanke verwirklicht, den Gott vom Menschen denkt. Hier ist daher das wahre Bild vom Menschen in seiner letzten Ausgestaltung, die Gott selbst wirkt. In Christus ist schon Wirklichkeit geworden, wofür jeder Mensch, wofür das All bestimmt ist.

Amen.

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