Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
1. April 2024

Christus ist auferstanden mit seinem gekreuzigten, aber verklärten Leib

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir haben im Ganzen sechs biblische Berichte über die Auferstehung des Herrn: die Auferstehungsberichte von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, ferner einige kurze, aber vielsagende Hinweise der Apostelgeschichte (1,3-9; 10,40f. u.a.) und endlich den Auferstehungsbericht des heiligen Paulus in seinem ersten Brief an die Korinther (1 Kor 15,3-11). Dieser Bericht des Völkerapostels ist vom historischen Standpunkt aus zweifellos der wertvollste. Einmal deswegen, weil er literarisch gesehen, der älteste ist. Er ist, zwischen 53 bis 55 geschrieben, mehr denn zehn Jahre älter als die Auferstehungsberichte der synoptischen Evangelien und mehr als zwanzig Jahre älter denn die Erzählungen des Johannesevangeliums. Weiterhin gibt er sich ausdrücklich als Traditionsgut, als ein Hauptstück der apostolischen Überlieferung. Denn Paulus betont (1 Kor 15,3), dass er das, was er „unter den ersten Lehrstücken“ den Korinthern über die Auferstehung überlieferte, selber „überkommen“ habe. Wir stehen also hier nicht vor einem Sondergut des Apostels, sondern vor dem breiten Überlieferungsgut der Urgemeinde und der Altapostel. Wir stehen hier vor dem Auferstehungszeugnis der ganzen Urkirche. Mit betonter Feierlichkeit erklärt Paulus gleich zu Beginn seines Berichtes: „Ich tue euch das Evangelium noch einmal kund, das ich euch verkündet habe, das ihr eurerseits angenommen habt, in dem ihr auch feststeht“ (15,1). Und am Schluss seiner Aufzählung wiederholt er: „Sei es nun ich oder seien es sie (scil die Altapostel), so verkünden wir es und so seid ihr zum Glauben gekommen“ (15,11). Paulus ist sich also bewusst, hier ein Kernstück des Evangeliums, ein Grundwort der gesamten apostolischen Verkündigung vorzutragen.

Der paulinische Bericht lässt uns aber noch tiefer sehen. Der Apostel versichert ausdrücklich, seine Osterbotschaft der Überlieferung entnommen zu haben. So verrät er uns die Quelle, aus der er geschöpft hat. Denn wir wissen aus dem Galaterbrief (1,17), dass Paulus nach seinem Damaskuserlebnis nicht nach Jerusalem, sondern nach Arabien und nach Damaskus ging. Erst nach drei Jahren ging er nach Jerusalem, „um Petrus zu besuchen“ (Gal 1,18). Er blieb bei ihm „fünfzehn Tage“. In Jerusalem traf er von den Aposteln außer Petrus nur „Jakobus, den Bruder des Herrn“ (Gal 1,19), den Apostel Jakobus den Jüngeren. Paulus hat also seine Ostertradition in erster Linie von dem Erstapostel selbst, von Petrus, und weiterhin von Jakobus, dem Bruder des Herrn, übernommen. Beide Apostel galten fraglos mitsamt Johannes als die wichtigsten Augen- und Ohrenzeugen des ganzen Lebens Jesu. Paulus bezeichnet sie denn auch im Galaterbrief als die „Säulen“ (2,9) und die „Angesehenen“ (2,6) in der Urgemeinde. Aus dem Mund von Petrus und Jakobus hat Paulus von den Erscheinungen des Auferstandenen erfahren. Wir stehen also hier vor dem besonderen persönlichen Bericht der unmittelbaren Augen- und Ohrenzeugen, vor den Erzählungen des Petrus und des Jakobus. Die Bekehrung des Paulus fällt in das Jahr 33 (Gal 2,1). So lässt sich die älteste Bezeugung der Ostergeschehnisse, nämlich die des Paulus, mindestens bis in das Jahr 36 zurückverfolgen. Ihre unmittelbaren und nächsten Quellen sind die in dieser Zeit noch auf der Höhe ihrer Kraft und Wirksamkeit stehenden Urzeugen selbst, Petrus und Jakobus der Jüngere. Eine verlässigere und ursprünglichere Bezeugung ist historisch nicht möglich.

Wie lautet der paulinische Bericht? „Ich habe euch doch unter den ersten Lehrstücken überliefert, was ich selbst überkommen habe, dass Christus für unsere Sünden gestorben ist gemäß den Schriften, und dass er begraben wurde und am dritten Tage auferweckt wurde gemäß den Schriften, und dass er dem Kephas erschienen ist, danach den Zwölfen. Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten bis jetzt geblieben und nur etliche entschlafen sind. Danach erschien er dem Jakobus, darauf allen Aposteln. Zuletzt unter allen erschien er auch mir, der ich ja eine Fehlgeburt bin. Denn ich bin der Geringste unter den Aposteln, unwert des Apostelnamens, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe. Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und seine Gnade gegen mich ist nicht vergeblich gewesen, sondern viel mehr als sie alle habe ich gearbeitet, das heißt, nicht ich, sondern die Gnade Gottes mit mir. Ob also ich, ob sie – so verkünden wir es und so seid ihr zum Glauben gekommen.“

Was veranlasste den Völkerapostel zu dieser eingehenden Aufzählung der Erscheinungen Jesu? In Korinth waren Zweifel an der Auferstehung des Fleisches laut geworden. Man bezweifelte keineswegs das Fortleben der Seele nach dem Tod. Für die griechische und hellenistische Denkweise war die Unsterblichkeit des Geistes kein Problem. Man stieß sich vielmehr an einer Auferstehung des Leibes. Der Leib, das sinnlich Stoffliche, das Irdische, stand für das Denken des Hellenen in schroffem Gegensatz zum Geist. Der Leib galt als Übel, als Fessel und Kerker der Seele. Und darum wehrte man sich gegen die Ansicht, dass der geistfeindliche Leib wieder auferstehen und in Verbundenheit mit dem Geist ewig leben werde. Die leibfeindlichen Tendenzen schlichen sich auch in die zum Christentum bekehrten Griechen und Hellenen ein und riefen Zweifel an der Auferstehung des Fleisches wach. Der scharfe Geist des Paulus erkannte sofort, dass damit an den Grundlagen des Christentums gerüttelt wurde. „Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferweckt. Wenn aber Christus nicht auferweckt ist, so ist unsere Predigt leer, leer auch euer Glaube. Dann stehen wir als falsche Zeugen gegen Gott da, weil wir wider Gott gelogen haben, dass er Christus auferweckt hat, während er ihn doch nicht erweckt hat, wenn Tote nicht auferstehen. Denn wenn Tote nicht auferweckt werden, dann ist auch Christus nicht auferweckt“ (1 Kor 15,13-16). So geht es Paulus darum, die leibliche Auferstehung Christi von den Toten als historisches Faktum nachzuweisen. Mit Bedacht will er hervorgehoben haben, dass Christus eben gerade ein Auferweckter, ein aus dem Grabe Erstandener ist, dass er nicht etwa als leibfreier Geist weiterlebt wie alle anderen abgestorbenen Seelen.

Paulus rückt die Auferstehung Jesu in den innigsten Zusammenhang mit seinem Tod und seinem Begräbnis. Im gleichen Atemzug und mit derselben feierlichen Formulierung, mit der er die Auferstehung am dritten Tage hervorhebt, betont er, dass dieser Christus „für unsere Sünden gestorben ist gemäß den Schriften und dass er begraben wurde“ (1 Kor 15,3f.). Paulus weiß also nicht nur vom Tod, sondern auch vom Begräbnis Jesu, und gerade unter Bezugnahme auf eben diesen Tod und auf eben dieses Begräbnis spricht er von seiner „Auferweckung“. Es ist schlechterdings nicht einzusehen, welchen Sinn dieses „Auferwecken“ haben sollte, wenn es nicht ein Aufwecken aus dem Tod und aus dem Grab wäre. Das heißt: Paulus identifiziert den auferweckten Leib mit dem verstorbenen und begrabenen Leib. Er ist wesenhaft derselbe Leib, der ins Grab gelegt wurde; nur seine Daseinsform ist eine andere, eine himmlische, verklärte. Paulus spricht deshalb von einem Verwandeltwerden. Das Subjekt dieser Verwandlung ist der in die Erde gesenkte Leib (1 Kor 15,53). Die Beweisführung des Apostels schließt die Möglichkeit geradezu aus, dass das neu entstehende Leben mit dem alten keine Seinszusammenhänge mehr hätte. Es gibt für Paulus keine andere Auferweckung als die aus dem Tod und dem Grab. Darum kann er im Brief an die Philipper schreiben: Der Herr Jesus Christus „wird unseren armseligen Leib umgestalten und ihn ähnlich machen seinem verklärten Leibe“ (Phil 3,21). Weil für Paulus der Leib des Verklärten wesenhaft mit dem sterblichen, begrabenen Leib identisch ist, setzt der Auferstehungsglaube das Wissen um das leere Grab voraus. Wenn Paulus sagt, dass Christus „begraben“ und aus seinem Grab auferweckt wurde, so war die Überzeugung vom leeren Grab ein Bestandteil seines Osterglaubens.

Meinen Sie nicht, die Wirklichkeit des leeren Grabes sei für die Wahrheit der Auferstehung Jesu nicht wichtig. Sie ist wichtig, weil sich der Unglaube des angeblich besetzten Grabes bedient, um die Leibhaftigkeit der Auferstehung und die Identität des Leibes Jesu nach seiner Auferstehung mit dem Leib der galiläischen Wanderungen zu bestreiten. Aber diese Rechnung geht nicht auf. Der Leib des Auferstandenen ist der gleiche Leib des vorösterlichen Jesus. Aber er hat eine neue, verklärte Daseinsweise angenommen. Darum singt das gläubige Volk an Ostern: Ist das der Leib, Herr Jesus Christ, der tot im Grab gelegen ist? Kommt, kommt, ihr Christen, jung und alt, schaut die verklärte Leibsgestalt. – Den Leib verklärt ein lichter Strahl. Es schimmert hell der Wunden Mal. Die Seel’ durchleuchtet ihn so rein wie tausendfacher Sonnenschein. Alleluja, alleluja.

Amen.

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