Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
9. April 2023

Christus lebt in Ewigkeit

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir haben in den vergangenen Wochen den Herrn begleitet in seinem Leiden. Wir haben die Worte vernommen, die er dabei gesprochen: die Worte der Not, die Worte der Kraft, die Worte der Verteidigung, die Worte der Anklage und die Worte der Tröstung. Heute kommt eine unerhörte Botschaft: Ihr suchet Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht mehr hier. Er ist auferstanden. Christus lebt, und Christus lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit.

I.

Christus lebt. Er ist auferstanden vom Tode zum Leben. Er hat den Grabstein gesprengt, den letzten und größten Tyrannen der Erde. Bis jetzt haben immer nur die Lebendigen und die Sterbenden protestiert gegen den Tod, aber umsonst protestiert: Was soll ich hinabfahren zu der Grube? In der Mittagszeit meiner Jahre soll ich hinabsteigen in das Totenreich? So hat Ezechias, einer der Könige Judäas, geklagt in der Sterbestunde. Er hat protestiert, aber umsonst. Nun protestiert zum ersten Mal ein Toter gegen den Tod, und der Tod flieht vor ihm. Bis jetzt gab es keine Wiederkehr vom Tode: Lasset mich, sprach Hiob, lasset mich noch ein wenig meinen Kummer beweinen, ehe ich hingehe, um niemals mehr wiederzukommen, in das Land, das bedeckt ist mit Todesschatten. Um niemals mehr wiederzukommen! Nun ist doch endlich einer wiedergekommen, und zwar der Geprüfteste, der tausendmal mehr geschlagen war als Hiob. Bis jetzt haben alle Geschichten der Erde, die großen und die kleinen, die heiligen und die profanen Geschichten geschlossen mit dem trostlosen et mortuus est. Und er starb. Das war der eiserne Kehrreim. Wie Hammerschläge, die einen Sarg zunageln, so klang es durch die Jahrtausende. Und er starb. Und er starb. Der und jener und alle. Aber jetzt wird die schreckliche Litanei des Todes zum ersten Mal übertönt von einem neuen triumphierenden Rufe: Er stand auf von den Toten und stirbt nicht mehr.

Er stand auf von der Schmach zur Herrlichkeit, dieser Ausgestoßene, diese Verwundete, dieser Verklagte, dieser Verurteilte, dieser Hingerichtete, den die Lüge der Welt ans Kreuz gebracht hat. Jetzt ist er gerechtfertigt worden, wie niemals ein Mensch gerechtfertigt wurde. Ist denn jemals in dieser Welt einem Gerechten Gerechtigkeit geworden? Ist jemals ein guter Wille, ein rechtes Können, eine große Kraft, eine heilige Güte so anerkannt worden, wie sie es verdient? Niemals. Lüge und Verfolgung folgten nach bis an die Wasser des Totenstromes. Und heute, an diesem Morgen, sehen wir ein neues Schauspiel: Jenseits des Totenstromes taucht ein Ufer auf, und der Gekreuzigte steigt an Land, und Gott kommt ihm entgegen und sagt ihm, dem Verstoßenen, dem Verachteten, dem Mann der Schmerzen: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde lege zum Schemel deiner Füße. Diese Hände und Füße, die durchbohrt wurden mit Nägeln, jetzt greift diese Hand nach dem Zepter der Weltregierung, jetzt wird dieses dornengekrönte Haupt mit der Krone der Weltherrschaft geschmückt, jetzt schreiten die Füße zur Höhe hinauf, um von dort wiederzukommen in großer Macht und Herrlichkeit. Was kann ihm jetzt alle Lüge, aller Unglaube, alle Untreue, alle Verleugnung und aller Verrat der Erde noch anhaben, ihm, dem Gott einen Namen gegeben hat, der da ist über alle Namen, so dass in seinem Namen alle Knie sich beugen im Himmel, auf Erden und unter der Erde!

Auferstanden ist er von dem Schmerz zur Seligkeit. Was ist über diesen Menschensohn alles gekommen! Gott hat diesen Leib und diese Seele in seine Gewalt gebracht, so wie niemals ein Geschöpf in der Gewalt Gottes war, so dass Gott selbst sagen konnte: Mein Leib und meine Seele. Und Gott hat seine Allmacht, seine Weisheit, seine Widerspruchslosigkeit aufgeboten, um diesem Menschensohn aufzuladen, was er nur aufladen konnte. Und Gott hat eine so große Art, von den Menschen zu fordern. Wer kann sagen, was einem Menschen bevorsteht, in dem Gott seinen ganzen Willen durchsetzen will? Wer kann aber auch sagen, was einen Menschen erwartet, in dem Gott seine ganze hinreißende Güte und Liebe durchsetzen will? Dafür, dass seine Seele getrauert hat, wird er sehen und satt werden, sagt der Prophet voraus. Satt wird er werden. Eine Menschenseele gesättigt – sollte das möglich sein? Eine Menschenseele, die Gott gehörte, eine gottverbundene Seele – sollte das möglich sein? Eine Menschenseele, in die ein Meer hineingeleitet wurde, ein Meer von Schmerz, die ausgeweitet wurde zum größten Raum, den es gibt, und dieser Raum soll nun gesättigt werden mit Seligkeit? Denn die Glücksfähigkeit des Menschen steigt mit seiner Leidensfähigkeit. Er soll gesättigt werden. Er wird es sehen, und er hat es gesehen, heute früh, mit dem ersten Augenaufschlag. Denn diese Augen, die auf Golgotha gebrochen sind, die vor Müdigkeit zufielen, heute sind sie wieder aufgegangen. Und was war das ein neuer Anblick! Als diese Augen auf dem Berge des Kreuzes sich schlossen, sahen sie einen höhnenden Haufen spottender Feinde, rinnendes Blut, eine trostlose Finsternis, eine weinende Mutter, einen trauernden Jünger. Aber als sie heute sich wieder öffneten, diese Augen, sahen sie einen Thron zur Rechten Gottes, eine Zukunft, die wie eine Lichtstraße sich hindehnt, einen Vater im Himmel, der ihm entgegenkommt: „Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt!“ Und eine erlöste Menschheit, die ihm entgegenjubelt, ihm, der da regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit.

II.

Denn das ist die zweite Botschaft: Christus stirbt nicht mehr; über ihn herrscht der Tod nicht mehr. Nun ist es endlich erfüllt, was der Engel schon von dem Kinde sagte: Nun sind alle gestorben, die dem Kind nach dem Leben trachteten. Nun ist auch der Tod gestorben. Der Tod selbst ist tot, der diesem Kind nach dem Leben trachtete. Nun fängt es erst an zu leben. Nun ist er eingegangen aus der Vorhalle ins Heiligtum, aus der Dämmerung in den Tag, aus dem Schatten in das Licht, aus dem Traum in die Wirklichkeit. Nun erst beginnt sein Wirken.

O, was war das ein armes Wirken in den Dörfern von Galiläa! Nun aber fängt es erst an. Nun erst beginnt er, die Jünger zu lehren und das Volk zu speisen, die Mütter zu trösten und die Seelen zu stärken und Feuer auf die Erde zu bringen. Jetzt erst beginnt er, ein Reich aufzubauen, das keine Grenzen und kein Ende kennt. Und er hat Zeit, Jahrtausende Zeit, mehr als Zeit, eine Ewigkeit hat er zur Verfügung. Denn Christus stirbt nicht mehr. Über ihn herrscht der Tod nicht mehr. Nun ist endlich einmal ein Mensch, der nicht mehr stirbt. Was half es uns, meine Freunde, dass wir uns aneinanderklammerten, wenn wir doch jeden Augenblick wieder auseinandergerissen wurden, wenn doch alles vorübergeht, wenn wir doch nirgends bleiben und niemand uns bleibt? Freilich, einer ist geblieben, der ewige Gott im Himmel; aber er ist unsichtbar und wohnt in unzugänglichem Lichte. Wer sollte wagen, nach ihm seine Hand auszustrecken, um sich an ihn anzuklammern? Nun aber ist ein Mensch unsterblich geworden; nun heißt es vom Menschensohn: Alles geht vorüber und alles veraltet wie ein Gewand, du aber bleibst, und deine Jahre nehmen kein Ende. Christus gestern und heute, Christus bleibt in Ewigkeit.

Das ist der Gottmensch, nach dem wir verlangen, der Mensch unseres Vertrauens, der Beste. Freilich, auch hier ist es wahr geworden, dass gerade die Besten uns entrissen werden, dass überall die Besten zuerst fallen; auch hier ist der Allerbeste gefallen. Aber verzagen wir nicht zu früh: Dieser Allerbeste ist wiedergekommen und bleibt und stirbt nicht mehr. Er ist ein Mensch, der seine lebendige Hand uns entgegenstreckt. Lassen wir uns also an den Händen fassen! Bilden wir alle eine lebendige Kette, und legen wir diese Kette in seine Hand, und wir können über die Vergänglichkeit spotten. Nun ist endlich ein Menschenherz, das uns treu bleibt, das nicht wankt und nicht verzagt, nicht mehr bricht und nicht mehr stirbt. Ein Menschenherz. Und es ist das Herz aller Herzen. Wenn dieses lebt, dann werden alle leben; so viele unser auch sind; wir können in ihm ein Herz und eine Seele und ein Leben werden. Wenn dieses eine lebt, leben alle.

Nun wird auch all das nicht mehr sterben, was in diesem gottmenschlichen Herzen lebt, was in diesem Menschen lebt. In seinen Augen wohnt das Licht, in seinem Herzen wohnt die Güte. Hört es also: Jetzt wird das Licht nicht mehr sterben, jetzt wird die Güte nicht mehr sterben, jetzt werden wir nicht mehr ewig im Kreise gehen. Das große rollende Rad des Schicksals ist heute zertrümmert worden. Es gibt nicht mehr den unaufhörlichen Kreislauf von Licht und Finsternis, von Tod und Leben, von Glück und Leid, von Liebe und Hass, von Hoffnung und Verzweiflung. Nein, wenn auch die Tage und Nächte jetzt noch um die Wette laufen, lasst sie nur laufen! Die Nacht wird unterliegen, und der Tag wird übrigbleiben. Wenn auch jetzt noch Licht und Finsternis, Glück und Schmerz, Liebe und Hass, Wahrheit und Lüge miteinander kämpfen, o lasst sie nur kämpfen! Die Liebe und das Licht, das Glück und die Wahrheit werden siegen und der Tod herrscht nicht mehr über sie. So lasst uns denn heute von diesem Ostermorgen an wieder unverzagt hinwandern über alle Täler und Berge dieser Welt! Lasst uns Mut haben und nicht verzagen! Denn am Ende der Welt, jenseits des Todestales steht ein Lichtberg, und auf dem Lichtberg thront schon der Auferstandene und reicht uns seine Hand entgegen über alle Täler und Berge. Lasst uns ihm entgegenwandern! Denn jeder, der zu ihm kommt, wird das Wort hören: Er ist erstanden von den Toten und stirbt nicht mehr. Über ihn herrscht der Tod nicht mehr.

Amen.

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