Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
1. Januar 2023

Das neue Jahr

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die Güte und Gnade Gottes, die uns erschienen ist in Jesus Christus, lässt uns den Anfang eines neuen Jahres der Welt und unseres Daseins erleben. Wir treten durch seine dunkle Pforte, ohne dass wir wissen, was es bringen wird. Kein Wahrsager und kein Zukunftsforscher ist imstande, präzise Aussagen über die Zukunft zu machen. Doch eines wissen wir: Über dem Torbogen, den wir durchschreiten, steht der Name Jesus geschrieben. Dieser Name stammt vom Himmel. Ein Engel befahl Joseph, dem Gatten Marias, deren Sohn Jesus zu nennen; „denn“ – so erklärt der Engel den Sinn dieser Namensgebung – „er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen“. So geschah es bei der Beschneidung des Kindes: Es ward ihm der Name Jesus gegeben (Lk 2,21). Der hebräische Name Jesus bedeutet „Jahwe hilft“. Der Name Jesu bezeichnet also seinen Beruf. Seitdem ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, in dem sie selig werden können (Apg 4,12). Jeder, der diesen Namen gläubig anruft, wird gerettet sein (Apg 2,21). Denn der Träger dieses Namens ist der wahre Sohn Gottes, die zweite Person im Dreieinigen Gott. Wer Jesus anruft, der ist gewiss, dass der Dreieinige Gott den Ruf hört. Denn Vater, Sohn und Heiliger Geist sind ungeteilt und unvermischt der eine Gott. Heute ist ein großes Rätseln um die Zukunft: Was wird das neue Jahr bringen? Gott hat es uns verborgen, und das ist hilfreich für uns. Wüssten wir die Zukunft, würden wir unsicher und unruhig werden, vielleicht in Angst und Panik geraten. Wir wissen die Zukunft nicht. Aber wir wissen etwas anderes, Besseres: In der Kraft dieses Namens, mit dem Segen des Dreieinigen Gottes, beginnen wir den Weg in das neue Jahr. Wie soll dieser Segen uns begleiten?

I.

Wir wollen alles sehen von Gott dem allmächtigen Vater aus. Gottes Wissen umfasst die gesamte Wirklichkeit. Er ruft alle Sterne mit Namen (Ps 146,4). Er kennt die Vögel des Himmels und alles, was sich auf dem Felde regt (Ps 49,11). Gott kennt die Gedanken der Menschen (Ps 93,11). Er hat Kenntnis von jedem Wort (Sap 1,7). Er durchforscht die Herzen und die Nieren (Jer 17,9f.). Gott weiß um die, die ihre Zuflucht zu ihm nehmen (Nah 1,7). Der norwegische Dichter Johannes Jörgensen bestieg einst den Kölner Dom. In schwindelnder Höhe fand er einen Steinmetz, der mit der größten Sorgfalt an einer Kreuzblume meißelte. „Aber guter Mann, warum geben Sie sich so viel Mühe? Drunten sieht doch keiner die feine Arbeit.“ Der Steinmetz antwortete: „Aber Gott sieht es.“ Dem Auge Gottes entgeht nichts weil es sich niemals schließt. Gott kennt die Vergangenheit und die Zukunft. Ihm sind selbst die zukünftigen freien Handlungen der Menschen bekannt. Gott sieht voraus, wer aus seinem eigenen menschlichen Willen heraus sündigen wird; aber er zwingt niemanden durch sein Vorauswissen zum Sündigen (Aug.). Alles Vergangene ist nicht mehr, alles Zukünftige ist noch nicht. Alles Vergangene also und alles Zukünftige fehlt irgendwie. Gott aber fehlt nichts; es gibt für ihn kein Vergangenes und kein Zukünftiges, bei Gott ist alles gegenwärtig (Aug.).

  Wir wissen: Über unserem irdischen Lebensweg wacht das Auge des himmlischen Vaters, das alles sieht. Die Hand des Vaters ist da, die alles ordnet und leitet, deren Wink die Geschöpfe folgen sollen. Das Herz des Vaters denkt an uns in fürsorgender Liebe. Die Arme des Vaters schützen uns und tragen uns über reißende Ströme und lauernde Klippen. Das neue Jahr wird nicht arm sein an Gefahren. Doch Gottes Vorsehung waltet über uns. Gott erspart uns nicht Dunkel und Unglück. Aber er ist auch im Dunkel und Unglück bei uns. Darum gilt: Nicht verzagen. Nicht verzweifeln. Vertrauen haben. Wir sind nicht verlassen. Gott ist unser Schützer. Der himmlische Vater ist unser Helfer. Auf ihn vertrauen wir.

II.

Wir wollen im neuen Jahr alles erkennen und beurteilen im göttlichen Sohn. Er ist unser Erlöser. Er erlöst uns in den Mühen und Plagen dieses Lebens. Er nimmt sie uns nicht ab. Wir müssen sie tragen. Aber wir sollen sie in seinem Lichte betrachten und beurteilen. In ihm das Leben mit seinen Aufgaben, Gütern und Nöten erkennen und annehmen. Jedes Lebensjahr, auch dieses neue Jahr ist ein Geschenk und Angebot Gottes. Wir sollen es annehmen, mit ihm arbeiten, es nutzen. Die Weisheit des Augenblicks besteht darin, jede Handlung dem Willen Gottes gemäß zu setzen. Jetzt ist die Zeit der Arbeit; einst kommt die Zeit des Lohnes. Wer träge ist bei der Arbeit, ist unverschämt, wenn er Lohn verlangt (Aug.).

Unser Leben ist Arbeit. Es ist auch Kampf. Ein harter Kriegsdienst ist des Menschen Leben auf Erden, sagt der leidgeprüfte Hiob. In Christus begreifen und verstehen wir den Kampf mit den Mächten des Bösen; er macht uns das Leben schwer, er macht es aber auch wertvoll vor Gott und für unsere Seele. Immer müssen wir kämpfen, weil die böse Begierlichkeit, mit der wir ins Leben traten, kein Ende finden kann, solange wir leben; sie mag Tag für Tag abnehmen, ganz aufhören wird sie nicht (Aug.). Genusssucht, Sinnlichkeit, Bequemlichkeit und Trägheit nagen ruhelos an unserem guten Willen. Tagtäglich kämpfen Versuchungen gegen uns; der Feind weicht nicht und stirbt nicht, bis die Toten auferstehen (Aug.). Dieser Krieg kennt keinen Waffenstillstand. Hören wir die Mahnung des Apostels Paulus: „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens, erfasse das ewige Leben, zu dem du berufen wurdest und für das du vor vielen Zeugen das herrliche Bekenntnis abgelegt hast“ (1 Tim 6,12). An anderer Stelle ruft er uns zu: „Legt die Waffenrüstung Gottes an, um den Ränken des Teufels widerstehen zu können. Denn unser Kampf geht nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Mächte, die Gewalten, die Herrscher dieser finsteren Welt, gegen die bösen Geister unter dem Himmel“ (Eph 6,13). In Christus erfassen und ergründen wir das Sterben als unser letztes Lebensopfer, auch wenn die Jahreszahl 2023 auf unserem Grabstein stehen sollte.

III.

Wir wollen im neuen Jahr alles lieben im Heiligen Geist. Je weiter die Jahre voraneilen, je mehr wir in unserem Leben erfahren und erleiden, desto stärker wächst in uns die Überzeugung von der rettenden Kraft der heiligen Liebe zu Gott und zu den Menschen. Die Menschheit in ihren Nöten und jeder einzelne in seinem Leiden wird nicht gerettet durch Macht und Gewalt, sondern nur durch jene Liebe, die der Erlöser gebracht und gelehrt hat. Wenn das neue Jahr ein glückseliges Jahr werden soll, dann durch die christliche Liebe. Ohne diese Liebe ist das Leben nicht zu ertragen, mit ihr wird es erträglich, vielleicht sogar gedeihlich und erfreulich. Das gilt für die Familien, für Eltern und Kinder, für die Menschen, die der Beruf zusammenführt, für das Zusammenstehen und Miteinandergehen in der Gesellschaft, aber auch für das Volk und seine Regierung. Glückselig wird kein neues Jahr von selbst, keines nur durch Wünsche und Wunschesgewalt, sondern nur durch Aufbieten aller Kräfte von Herz und Hand zu gegenseitigem Dienen, Helfen, Lieben im Heiligen Geist der Liebe. Wir Christen lieben nicht bloß mit menschlicher Liebe. Wir lieben mit göttlicher Liebe. Denn der Heilige Geist wohnt in uns. „Die Liebe Gottes ist in unsere Herzen ausgegossen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Der Geist webt das Band der Liebe zwischen Himmel und Erde, wie er es im Himmel webt um Vater und Sohn. Die Früchte des Geistes sind Liebe, Freude, Friede, Geduld, Milde, Güte, Sanftmut, Enthaltsamkeit (Gal 5,22f.). So sei unter uns nur ein Herz und ein Sinn. Höret das Mahnen des Apostels: „Löscht den Geist nicht aus!“ (1 Thess 5,19). „Betrübt nicht Gottes Heiligen Geist, mit dem ihr besiegelt seid für den Tag der Erlösung“ (Eph 4,30). Lassen Sie uns, meine lieben Freunde, das neue Jahr beginnen im Namen Jesu, im Vertrauen auf den allmächtigen und gütigen Gott. Gepriesen sei die göttliche Vorsehung, zumal heute, am Anfang eines neuen Jahres. Über den Menschen und über den Völkern lebt die waltende, segnende Vorsehung Gottes, des himmlischen Vaters. Vertrauend blicken wir zu ihr empor:

Du, Vater, du rate,

lenke du und wende.

Herr, dir in die Hände

sei Anfang und Ende,

sei alles gelegt.

Amen.

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