Die Wahrheit verkündigen,
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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
Neujahr
1. Januar 2022

Das neue Jahr

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Der 1. Januar hat in der Kirche verschiedene Bedeutung. Liturgisch gesehen ist dieser Tag der achte Tag nach dem Fest der Geburt des Erlösers. Maria und Joseph, zwei Menschen aus dem Volke Israel, haben gemäß den Gesetzen und Gewohnheiten ihres Volkes gelebt. So wurde der Jesusknabe am achten Tag nach seiner Geburt beschnitten. Die Beschneidung galt als Symbol des von Gott mit Abraham geschlossenen Bundes (Gen 17,10ff.). An diesem achten Tag erhielt Jesus auch seinen Namen (Lk 2,21). Diese beiden äußeren Zeichen wollten damals besagen: Der so behandelte Mensch gehört nun wirklich zum Volke Israel. Er ist rechtsgültig in die Gemeinschaft dieses Volkes aufgenommen. Er untersteht der Verheißung, die Gott dem Volk Israel gegeben hat, aber er ist jetzt auch dem Gesetz des Moses unterworfen. So betrachtet ist der achte Tag nach Weihnachten eine Bekräftigung dessen, was in jener ersten geweihten Nacht in Bethlehem geschehen ist: Gott wird einer von uns. Er ist der Immanuel. Die zweite Person in Gott wird Mensch und beginnt als Mensch seinen Weg unter den Menschen. Und heute wird er sozusagen in die menschliche Gemeinschaft eingebürgert. Er nimmt das Los der Menschen an, um es mit uns zu teilen, und das mit allen Konsequenzen. Er ist der Mittler. Aber auch wir teilen sein Los mit ihm. Unser irdisches Leben ist, wenn es im Geist Christi und in der Verbindung mit Christus durchlebt wird, Gemeinschaft mit Gott. Der Apostel Paulus lehrt im Brief an die Galater richtig, dass wir durch die Menschwerdung des Sohnes Gottes selber zu (angenommenen) Söhnen (und Töchtern) Gottes werden. Nicht mehr Sklaven sind wir, sondern Söhne (und Töchter), berufen, das Erbe der unvergänglichen Gemeinschaft mit Gott zu erlangen (Gal 4,4-7).

Weltlich betrachtet ist heute Neujahr. Die Kirche weiß aufgrund ihrer zweitausendjährigen Geschichte, dass der Übergang von einem bürgerlichen Jahr zum nächsten etwas Willkürliches hat. Wie verschieden haben die Völker den Jahresanfang festgesetzt, wie oft ist er geändert worden! Im Römischen Reich begann das Jahr zunächst am 1. März, seit 153/46 vor Christus am 1. Januar. Im Mittelalter wurde der Beginn des Jahres u.a. auch auf den 25. März gelegt, in England bis 1752. Im Byzantinischen Bereich ließ man das Jahr mit dem 1. September anfangen. Alle Kalendermacher wissen Gründe dafür anzugeben, weshalb sie das Jahr an dem von ihnen gewählten Termin beginnen lassen. Die gläubige Christenheit kennt das Kirchenjahr, das die Abfolge der Heilsereignisse verlebendigt, und dieses Kirchenjahr beginnt am ersten Sonntag im Advent. Dennoch will die Kirche an der Zeiteinteilung der bürgerlichen Gesellschaft nicht achtlos vorübergehen. So ist das bürgerliche Neujahr ebenfalls Inhalt des heutigen Tages. Darauf weist die Lesung aus dem vierten Buch Moses (Numeri) hin. Sie enthält den Segen, den der oberste Priester des Volkes Israel über die Israeliten sprechen sollte. „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil“ (Num 6,24-26). Dieser Segen soll am Anfang des bürgerlichen Jahres wieder neu auf uns gelegt werden, damit es ein Jahr des Segens werde. In der Kirche gab und gibt es die Gewohnheit, bei Urkunden und wichtigen Dokumenten vor die Jahreszahl die Großbuchstaben A und D zu schreiben. Sie bedeuten: Anno Domini, im Jahr des Herrn. Diese Worte besagen: Das neue Jahr wie jedes Jahr ist ein Jahr des Herrn. Er ist der Herr der Schöpfung und der Zeit. Uns ist aufgetragen, seinen Willen im neuen Jahr wie in jedem Jahr zu erfüllen.

Das neue Jahr steht unter dem Blick Gottes auf seine Welt. Der Herr Jesus Christus, der zur Rechten Gottes lebt, regiert und herrscht. Beugen wir uns vor seiner Macht! Das neue Jahr steht unter dem Segen Gottes, wie es im vergangenen Jahr gewesen ist. Machen wir uns des Segens Gottes würdig, soweit es an uns liegt und uns möglich ist. Die Gnade Gottes möge keinem Unwürdigen gegeben werden. Das neue Jahr steht unter der Erwartung Gottes. Werden die Menschen seinen Willen erfüllen? Werden sie die Zeichen der Zeit, die in Wahrheit Zeichen Gottes sind, verstehen? Werden sie begreifen, dass die Seuche sie zu Bekehrung und Buße antreibt? Im Vertrauen auf den allmächtigen und barmherzigen Gott sollen wir in das neue Jahr hineingehen. Sorgen und Befürchtungen belasten uns alle. Die Zeichen stehen auf Sturm. Politik, Wirtschaft und Gesundheitswesen geben Anlass zu Besorgnis und Beunruhigung. Die Infrastruktur in Deutschland ist in einem jämmerlichen Zustand, Schulen sind marode, viele Brücken nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr befahrbar. Die massive Verteuerung der Energiekosten trifft die heimische Industrie hart. In dem wichtigen Sektor der Autozulieferer droht der Kollaps. Die Inflation reduziert bzw. vernichtet die Ersparnisse vieler Bürger. Der Zahltag rückt näher. Die Bürger als Steuerzahler müssen die Zeche begleichen. Mit Sorge muss man auch betrachten, was die neue Bundesregierung an Gesetzen einbringen wird, die sittlich und religiös relevant sind. Wird es ein Recht auf Abtreibung geben? Unsicherheit auf vielen Feldern greift um sich. Was einsichtige und vorausschauende Männer und Frauen schon lange vorhergesehen haben, könnte eintreten. Wir sind den befürchteten Ereignissen ohnmächtig ausgeliefert. Wir können die Zukunft nicht beeinflussen. Eines aber können wir tun: den Willen Gottes über unserem Leben suchen und erfüllen. In Gott hinein leben, auf dass wir in ihn hinein sterben können.

Die Länder und Staaten begehen den ersten Januar als Weltfriedenstag. Er soll die Völker aufrufen, den Frieden untereinander zu erhalten, Konflikte friedlich zu lösen. Die Kirche hat sich dieser Initiative angeschlossen. Papst Paul VI. schrieb in der ersten Botschaft zu diesem Tag: „Es hat sich endlich ganz klar herausgestellt, dass der Friede der einzig wahre Weg menschlichen Fortschritts ist.“ Mitten im Toben der Materialschlachten des Ersten Weltkrieges rief Papst Benedikt XV. zum Einstellen der Kampfhandlungen auf. Sein Appell an die Kriegsführenden war erfolglos. Papst Pius XII. sagte vor Beginn des Zweiten Weltkriegs mutig: „Mit dem Frieden ist nichts, mit dem Krieg ist alles verloren.“ Niemand hörte auf ihn. Frieden möchten alle oder fast alle Menschen haben. Aber sind sie auch willig, die Voraussetzungen zu erfüllen, die für den Frieden unerlässlich sind? Es fehlt uns an Mitteln, etwas für das Vermeiden oder die Beendigung von Kriegen zu tun. Aber in unserem Nahbereich können und sollen wir für den Frieden wirken. Wir können und sollen unsere Herzen umgestalten, auf dass sie alles Unrecht und jede Gewalt vermeiden, dass sie Friede und Versöhnung verbreiten. Wir vermögen in unseren Familien, Bekanntschaften und Nachbarschaften für Ausgleich und Verstehen, Verträglichkeit und Eintracht zu wirken.

Wir beginnen heute ein neues Jahr. Werden wir es vollenden? Oder wird uns der Herr in diesem Jahr abberufen? Wir wissen es nicht. Sterblicher, denk ans Sterben. Wenn du heute nicht bereit bist, wie wirst du es morgen sein? Rasch tritt der Tod den Menschen an, es ist ihm keine Frist gegeben; es stürzt ihn mitten in der Bahn, es reißt ihn fort vom vollen Leben. Bereitet oder nicht, zu gehen, er muss vor seinem Richter stehen (Schiller). Aber eines wissen wir: Gott will, dass wir im neuen Jahr unser Heil wirken im Gehorsam gegen seinen Willen.

Das alte Jahr verflossen ist,

wir danken dir, Herr Jesus Christ.

Ach, nimm sie auf, die kurze Zeit,

zum Opfer für die Ewigkeit.

Im neuen Jahr nach deiner Treu

uns wieder Hilf' und Rat verleih.

Dass alles, was wir fangen an,

durch deine Gnad’ sei wohlgetan.

Amen.

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