12. April 2020
Der Herr ist auferstanden
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
„O Gott, Du hast am heutigen Tag durch deinen Eingeborenen den Tod besiegt und uns die Pforte des ewigen Lebens erschlossen.“ So betet die Kirche in der Oration der heutigen hl. Messe: „O Gott, Du hast am heutigen Tag durch deinen Eingeborenen den Tod besiegt und uns die Pforte des ewigen Lebens erschlossen.“ Wir feiern heute das Fest der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus vom Tode. Die Auferstehung ist das Hervorgehen des leibhaftigen Jesus aus dem Todesstande und dem Totenreich nach einer Frist, die eben nur so lange währte, dass das wirkliche Gestorbensein zweifellos festgestellt war. Dass Jesus auferstanden ist von den Toten, heißt nicht, dass er in dieses irdische Leben zurückgekehrt ist als einer, der den Tod noch einmal vor sich hat. Sondern es heißt, dass er, der Tote, den Tod, wohlbemerkt nicht nur das Sterben, endgültig hinter sich hat und endgültig bei Gott ist. Die Auferweckung Jesu ist nicht irgendeine Auferweckung wie zur Zeit des Elias oder eines anderen Wundertäters; sie ist jene bisher nie geschehene Auferweckung, nach der es keinen Tod mehr gibt. Der so Auferweckte kehrt nicht mehr in die jedermann greifbare innerweltliche Geschichte zurück, sondern steht über ihr (wenn auch nicht beziehungslos neben ihr). Dieser Tote ist nun nicht mehr tot, sondern, wirklich er selbst und als solcher, in seiner Individualität und Einmaligkeit, auf immer lebendig. An die Auferstehung Jesu glauben bedeutet an die Geschichtlichkeit von Gottes eschatologischem Handeln glauben. Derselbe Herr, der gegeißelt, mit Dornen gekrönt, gekreuzigt und begraben worden war, erstand aus dem Grabe. Sein Leib ward lebendig und verklärt. Einst hatte Gott verheißen: „Mein Leib wird hoffnungsfroh ruhen. Denn du überlässest meine Seele nicht dem Totenreich und lässest deinen Heiligen nicht die Verwesung schauen (Ps 15,9f.) Nun ist diese Verheißung erfüllt: „Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ (1 Kor 15,55).
Bei der Auferstehung Jesu müssen wir unsere Aufmerksamkeit in der Hauptsache auf den Leib richten. Denn das Weiterleben der Seele ist nichts Neues. An den Fortbestand der Seele glaubten die Menschen zur Zeit Jesu allgemein. Das unerhört Neue der Auferstehung ist die Erweckung des Leibes. Der Leib des Herrn, der aus dem Grab erstand, ist derselbe, der von Maria geboren wurde und am Kreuz hing. Aber es ist nicht dieselbe Seinsweise dieses Leibes. Der auferstandene Leib Jesu ist verklärt, d.h. durchglüht und durchstrahlt von der Macht und Herrlichkeit Gottes. Er ist der Vergänglichkeit ein für allemal entzogen; er ist ein leidensunfähiger, unsterblicher Leib. Bisher hieß es immer von allen Menschen: „Er ist gestorben, er ist gestorben.“ Jetzt heißt es auf einmal von einem Menschen: „Er ist auferstanden, er ist auferstanden!“ Adam war der Erstling der Sterbenden. Christus ist der Erstling der Lebenden, Auferstehung und Gottessohnschaft gehören untrennbar zusammen. Der Tod konnte den nicht festhalten, der das Leben selbst war. Auch Auferstehung und Jungfrauengeburt gehören untrennbar zusammen. Das Verderben hatte keine Gewalt über den Leib, den die Jungfrau gebar. Er starb und kehrte erst am dritten Tage zum Leben zurück, damit wir glauben, dass er wahrhaft Mensch ist. Er erstand aus dem Grab, damit wir glauben, dass er der wahre Gott ist. Die Auferstehung ist eine gegenüber dem Kreuzesgeschehen neue Tat Gottes, in der jenes als die zu aller Menschen Heil geschehene Gehorsamstat des Sohnes Gottes anerkannt wird. Ohne die Auferstehung würde man annehmen, dass Jesus ein Verbrecher war, der zu Recht den grausamen Kreuzestod erlitt. Die Auferstehung erklärt, dass er den stellvertretenden Sühnetod erlitt.
Da kommt einer, ein evangelischer Theologe, und sagt: „Ein Leichnam kann nicht wieder lebendig werden und aus dem Grabe steigen.“ Dieser Satz ist von einer geradezu abgründigen Beschränktheit. Er bringt alle Mittelmäßigen sogleich auf ihre Seite, denn das haben sie sich längst gedacht. „Ein Leichnam kann nicht wieder lebendig werden“, das sagen die Fleischer auch. Aber deswegen, weil das einmal geschehen ist, sind die Evangelien doch gerade geschrieben worden! Deswegen gibt es doch das Christentum! „Ein toter Leib kann nicht wieder lebendig werden.“ Dieser Ausspruch richtet sich eigentlich gar nicht gegen die Auferstehung Jesu, sondern gegen die Wunder der Wiedererweckung des Jünglings von Naim, der Tochter des Jairus und des Lazarus. Das sind in der Tat Leichname, die wieder lebendig wurden, jedoch keineswegs Auferstehungsleiber. Sie mussten abermals sterben. Der Leib Christi jedoch ist nicht bloß lebendig, er ist verklärt, verwandelt, unsterblich geworden. Er ist passend gemacht worden für das ewige Leben in der Herrlichkeit Gottes.
Jesus ist auferstanden. Dieser Satz ist der wahre articulus stantis et cadentis ecclesiae. Das heißt: Mit ihm steht oder fällt die Kirche. Jesus ist auferstanden. Die Mitte des Evangeliums besteht in der Auferstehungsbotschaft und damit in einer Botschaft vom Handeln Gottes, das allen menschlichen Taten vorausgeht. Christliche Theologie muss zuinnerst und zuerst Theologie der Auferstehung sein, bevor sie Theologie der Rechtfertigung des Sünders ist. Hier gibt es kein Ausweichen, keinen Kompromiss, keine Zweideutigkeit, nur ein Entweder-Oder. „Wenn Christus nicht auferstanden ist, sind wir allesamt Narren“, schreibt Paulus, und beruft sich auf viele, damals noch lebende Augenzeugen, die er gesprochen hat, an erster Stelle die Apostel. Die Zwölf sind Zeugen der Auferstehung Jesu, genauer: der Identität des von ihnen wiedergesehenen Christus mit dem geschichtlichen Jesus. Sie sind dazu befähigt durch ihren Umgang mit dem geschichtlichen Jesus vor dessen Kreuzestod und mit dem Auferstandenen. In dem Begriff des Zeugen verbinden sich die Bekundung bestimmter Tatsachen und die gläubige, bekennende und werbende Verkündigung ihrer Bedeutung. Tatsachenzeuge und Wahrheitszeuge fallen zusammen. Das ist die unvermeidliche Folge davon, dass es sich im Evangelium um eine geschichtliche Offenbarung handelt. Die Geschichte gehört notwendig in das Zeugnis mit hinein; dieses würde ohne sie seinen Sinn verlieren. Die Auferstehung Jesu kann der historischen Frage nicht ausweichen und darf der historischen Prüfung nicht entzogen werden.
Die Auferstehung Jesu und sein Sichtbarwerden nach der Auferstehung haben in den Zeugen eine Verwandlung bewirkt. Die Jünger wurden nach der Kreuzigung und Auferstehung aus Angsthasen zu den mutigsten, todesbereiten Männern. Das, was sie unerschütterlich machte, war die wirkliche, leibhaftige Auferstehung, eine Tatsache, nicht das Erdichten und Erfinden der Auferstehung. Denn durch Erdichten und Erfinden wird man nicht mutig. Wegen Einbildungen verlässt man nicht Frau und Kind, Beruf und Verdienst. Für Fabeleien lässt man sich nicht totschlagen. Weil er auferstanden ist, schrieb man es auf, nicht umgekehrt, dass man ihn etwa auferstanden glaubte, weil es aufgeschrieben war. Das ist das Wesen des Christentums: dass Gott Mensch geworden ist, und nicht dass ein Mensch Gott geworden ist. Die Auferstehung Jesu kam überraschend. Die Anhänger Jesu haben mit seiner Auferstehung nicht gerechnet. Drei Frauen kauften Gewürze, um den Leichnam zu salben. Am Grabe Jesu empfingen sie die Botschaft eines Engels: „Ihr sucht den Lebenden bei den Toten. Er ist auferstanden, ist nicht mehr hier.“ Die Wirkung dieser Mitteilung bei den Frauen war nach Markus „Schrecken und Entsetzen“, ja „Furcht“. Der Auferstandene musste sie mahnen: „Fürchtet euch nicht!“
Die Berichte der Evangelisten über die Auferstehung Jesu enthalten Unterschiede, Unebenheiten, Differenzen. Der Unglaube benutzt sie, um die Auferstehung zu diskreditieren. Kein einziger der Unterschiede ist geeignet, die Geschichtlichkeit des Auferstehungsgeschehens zu bezweifeln. Alle Differenzen lassen sich ausgleichen, wenn man nicht von vornherein entschlossen ist, sie zu Widersprüchen auszubauen. Z.B. sprechen Matthäus und Markus von einem Engel, der die Frauen am Grabe über die Auferstehung unterrichtet, Lukas erwähnt zwei Engel. Diese werden die Frauen nicht im Sprechchor angeredet haben, sondern einer wird den Sprecher gemacht haben. So erschien es überflüssig, dass die beiden ersten Evangelisten den zweiten Engel erwähnten. Die Unausgeglichenheit löst sich also unschwer auf. Ebenso ist es mit den anderen Unterschieden und Abweichungen. Die Differenzen der Evangelienberichte über die Auferstehung sind lediglich Zeugnis dafür, dass diese Berichte nicht propagandistisch zurechtgestutzt wurden; sie stellen jedoch die Tatsache nicht in Frage. Ein amerikanischer Professor inszenierte zu Beginn seiner Vorlesung einen (geheim verabredeten) Wortwechsel, der mit einem Pistolenschuss endete. Dann ersuchte er die überraschten Zuhörer, das soeben Erlebte in ihren Kollegheften sogleich zu schildern. Es ergaben sich eine Menge von Widersprüchen, aber an der Tatsache des Schusses konnte nicht gerüttelt werden. Die neutestamentlichen Berichte über die Auferstehung enthalten Unebenheiten, aber diese werden von dem einen, gemeinsamen Zeugnis völlig überdeckt: Er ist auferstanden, er ist wahrhaft auferstanden. Gerade die Unausgeglichenheiten sichern den Berichten des Evangeliums Ursprünglichkeit und Glaubwürdigkeit. Da ist keine künstliche Überarbeitung der Nachrichten. Da ist kein leiser Versuch einer Harmonisierung. Da ist nur der treue Bericht von Augenzeugen. Wir können uns ohne Furcht vor Irrtum oder Täuschung auf das Zeugnis der Männer und Frauen verlassen, die den verklärten Auferstandenen gesehen und in ihm den Mann aus Nazareth wiedererkannt haben. Sie haben nichts hinzugegeben und nichts weggelassen. Sie melden, was sie gesehen und gehört haben. Nun wissen wir: Christus erstand wahrhaft vom Tod. Du Sieger, du König, sieh unsere Not.
Amen.