Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
23. Februar 2020

Die geistige Kommunion

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Zur Erlangung der übernatürlichen Seligkeit ist das notwendige Mittel der Empfang der heiligen Taufe. Die Notwendigkeit dieses Mittels ist aber eine zweifache, nämlich entweder durch tatsächlichen Empfang oder durch das Verlangen nach dem Empfang. Die wirkliche Taufe geschieht durch Übergießen mit Wasser und Aussprechen der trinitarischen Taufformel durch den Spender. Eine Selbsttaufe ist unzulässig. Bei der Unmöglichkeit, einen Taufspender zu finden oder das unerlässliche Wasser herbeizutragen, gibt es einen Ersatz in der Begierdetaufe. Die Begierdetaufe besteht in einem Akt der vollkommenen Liebe oder der vollkommenen Reue. Dieser Akt hat nach Gottes Willen rechtfertigende Kraft. Er birgt in sich psychologisch notwendig im Ungetauften das Verlangen nach dem Sakrament. Das Bußsakrament ist das ordentliche Mittel der Rechtfertigung für die nach der Taufe begangenen schweren Sünden. Der Empfang des Bußsakramentes ist allen, die nach der Taufe schwer gesündigt und dadurch die Rechtfertigungsgnade verloren haben, heilsnotwendig. Aber ähnlich wie bei der Taufe ist beim Bußsakrament der tatsächliche Empfang vom Verlangen nach dem Sakrament zu unterscheiden. Die vollkommene Reue, verbunden mit dem Verlangen nach dem Bußsakrament, bewirkt ebenfalls die Rechtfertigung – wie wir am vergangenen Sonntag bedacht haben. Die vollkommene Reue rechtfertigt schon vor dem wirklichen Empfang des Bußsakramentes, nicht aber ohne das in ihr von selbst eingeschlossene Verlangen, das Bußsakrament zu empfangen. Durch dieses Verlangen wird der subjektive Reueakt mit der Schlüsselgewalt der Kirche und dem Leiden Christi – aus dem ja alle sündentilgende Gnade stammt – in Verbindung gebracht. Die unvollkommene Reue rechtfertigt den Sünder nicht ohne den wirklichen Sakramentenempfang, disponiert ihn aber zur Erlangung der Gnade im Bußsakrament.

Der Empfang der heiligen Kommunion ist dem Christen kraft göttlichen Gebotes notwendig. „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben und der wird auferstehen am Jüngsten Tage.“ Der Empfang der Kommunion ist heilsnotwendig, entweder in Wirklichkeit oder im Verlangen. Die sakramentale Kommunion, also der Empfang des Herrenleibes, vereinigt den Empfänger mit dem Leibe Christi und dadurch mit der gottmenschlichen Person Jesu Christi. Die sakramentale Kommunion bewirkt eine ganz besondere, einzigartige Vereinigung mit Christus durch das Band der Liebe. Sie bewirkt Mehrung der heiligmachenden Gnade. Sie bewirkt Tilgung der lässlichen Sünden und Bewahrung vor schweren Sünden. Sie bewirkt Minderung und Schwächung der Begierlichkeit. Sie bewirkt Unterpfand der künftigen Herrlichkeit und der glorreichen Auferstehung. Aus diesen Wirkungen ist die überragende religiöse Bedeutung des Empfanges des Herrenleibes zu erkennen. Wie bei der Taufe und beim Bußsakrament gibt es aber auch bei der Eucharistie neben dem sakramentalen Empfang einen geistigen Empfang durch das Verlangen nach dem Sakrament. Die geistige Kommunion enthält das Verlangen nach dem sakramentalen Herrenleib. Sie ist eine Begierdekommunion. Der Römische Katechismus bestimmt die geistige Kommunion als den Wunsch und das Verlangen, beseelt vom lebendigen Glauben, der in der Liebe wirksam ist, den sakramentalen Leib des Herrn zu empfangen. Die geistige Kommunion ist der Genuss des Leibes Christi durch den Glauben, durch das Verlangen, durch den Willen, d.h. allein durch den Geist des Menschen; deswegen geistige Kommunion. Sie besteht in der Erweckung des Glaubens, der Liebe, der Reue über die Sünden und vor allem in dem Verlangen, den Leib des Herrn geistig und bei nächster Gelegenheit auch sakramental zu empfangen. Ohne dieses Verlangen kommt die geistige Kommunion nicht zustande. Die geistige Kommunion ist eine personale Kommunikation, eine personale Verbindung. Sie ist eine würdige Kommunion, sie ist das Verlangen nach der sakramentalen Kommunion. Das Konzil von Trient beschreibt die geistige Kommunion wie folgt: Sie besteht in dem vom Verlangen eingegebenen Vorsatz, das Himmelsbrot zu essen, der aus lebendigem Glauben, der durch die Liebe wirkt, hervorgeht. Durch das Verlangen und die Sehnsucht erlangt man die Gnadenwirkung der sakramentalen Kommunion auf nichtsakramentale Weise, also auf dem Wege der Begierdekommunion. Begierdetaufe, Begierdebeicht und Begierdekommunion beruhen auf dem gleichen Grundsatz, nämlich dass der wirksame Wunsch nach Sakramentenempfang den sakramentalen Empfang ersetzen kann. Die Notwendigkeit eines sakramentalen Mittels ist also eine zweifache: entweder durch tatsächlichen Empfang oder durch das ernsthafte Verlangen nach dem Empfang. Die Barmherzigkeit Gottes kommt denen entgegen, die das Sakrament aus ernsthaften Gründen nicht empfangen können.

Geistige Kommunion ist der sakramentalen Kommunion gleichwertig. Sie bewirkt die vorsakramentale und außersakramentale personale Gemeinschaft mit Christus allein durch Glaube und Liebe. Die geistige Kommunion vereinigt den Gläubigen mit Christus. Sie bewahrt, entfaltet und kräftigt das göttliche Leben in uns; sie stärkt gegen Leidenschaften und Versuchungen; sie entzündet die heilige Freude in der Seele; sie tilgt die lässlichen Sünden und bewahrt vor Todsünden; sie vergibt zeitliche Sündenstrafen. Noch einmal: Die geistige Kommunion ist kein Derivat, keine Ableitung, kein Ersatz für die sakramentale Kommunion, sondern sie ist in der inneren Wirkung der sakramentalen Kommunion gleichwertig. In beiden Formen geschieht die reale gnadenhafte Kommunikation mit der Person Christi. Wie viel an Gnaden jeder empfängt, der die geistige Kommunion übt, hängt vom Zustand seiner Seele ab, also vor allem vom Grad und Maß des sehnsüchtigen Verlangens nach dem eucharistischen Heiland. Wer größere Sehnsucht nach dem sakramentalen Empfang des Herrenleibes hat, vermag mehr Kraft und Licht vom Herrn zu schöpfen.

Aber aufgepasst! Die geistige Kommunion verlangt alle zur sakramentalen Kommunion erforderlichen Voraussetzungen. Die inneren Anforderungen sind bei der geistigen Kommunion keine anderen als bei der sakramentalen Kommunion. Die geistige Kommunion ist also kein Ersatz für den, der in schwerer Sünde lebt und deswegen die sakramentale Kommunion nicht empfangen kann. Wenn man – wie das heute geschieht – ungültig Verheirateten empfiehlt, statt der ihnen verwehrten sakramentalen Kommunion die geistige Kommunion zu üben, so rät man ihnen zu etwas Unmöglichem. Ich sage noch einmal: Die inneren Anforderungen sind bei der geistigen Kommunion dieselben wie bei der sakramentalen. Das Herz dessen, der sie übt, muss frei von schwerer Sünde sein.

Die Notwendigkeit der sakramentalen Kommunion steht fest. „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat ewiges Leben und ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken.“ Nun kann aber ein Hindernis vorliegen, das die reale sakramentale Kommunion unmöglich macht. Es gibt Situationen, in denen der Empfang des wahren Herrenleibes unmöglich ist: Es ist kein Priester erreichbar, der das Messopfer feiert und die sakramentale Kommunion austeilt. Es ist kein Spender der sakramentalen Kommunion vorhanden, oder ein solcher steht zwar bereit, verfügt aber nicht über konsekrierte Hostien, oder der Leib des Herrn wird zwar ausgeteilt, aber die Hostien reichen nicht für alle, die zur Kommunion gehen wollen. Also: Als Nutznießer der geistigen Kommunion kommen infrage Kranke, Todsünder mit vollkommener Reue vor Empfang der sakramentalen Absolution, Christen in der Diaspora und in Missionsländern, in der Verfolgung. Wer immer aus äußeren Gründen den Leib des Herrn nicht in sakramentaler Weise empfangen kann, ist aufgefordert, ihn in geistiger Weise aufzunehmen. Ich habe hier, meine lieben Freunde, einen Leserbrief in einer Zeitung. Da schreibt ein Herr: „Ich selbst bin 79 Jahre alt und kann aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr die heilige Messe besuchen. Daher freue ich mich, dass ich seit einigen Monaten am Fernsehen mit dem katholischen Sender „k-tv“ die heilige Messe täglich mitfeiern kann. Bei der Austeilung der heiligen Kommunion erscheint jeweils eine kleine Monstranz auf dem Bildschirm, und Pfarrer Hans Buschor, der Mitbegründer von „k-tv“, spricht dabei das Gebet der geistigen Kommunion, das alle Fernsehteilnehmer gut mitbeten können.“

Die geistige Kommunion hat sogar einen Vorteil vor der sakramentalen Kommunion. Denn sakramental soll man grundsätzlich nur ein Mal am Tage die Kommunion empfangen; nur bei erneuter Teilnahme am Messopfer darf man es zwei Mal tun. Die geistige Kommunion kann so oft empfangen werden, wie es möglich und tunlich ist. Man kann die geistige Kommunion jederzeit üben: am Tag wie in der Nacht, beim Aufstehen und beim Schlafengehen, in der Freude und im Leid, bei Kummer und in Versuchungen. Man kann die geistige Kommunion überall üben: in der Kirche, zuhause, auf der Reise; besonders empfehlenswert ist ihre Vornahme beim Besuch des allerheiligsten Sakramentes und beim Vorübergehen an einer Kirche. Die geistige Kommunion zu üben, ist nicht schwer; sie ist sehr einfach. Wer aufrichtig zu Jesus betet: „Ich glaube an dich, ich liebe dich, ich verlange nach dir“ hat die geistige Kommunion gültig vollzogen. Die geistige Kommunion nimmt nicht viel Zeit in Anspruch; man braucht keine langen Gebete zu sprechen; man bedarf nicht eines Gebetbuches; man braucht keinen Priester und keinen Diakon; man muss nicht die eucharistische Nüchternheit beobachten. Das Formulieren des Verlangens nach geistiger Kommunion ist nicht schwer, meine lieben Freunde. „Komm, mein Jesus, mein eucharistischer Heiland, du mein Erlöser und Freund, komm in meine Seele, erleuchte sie, stärke sie, vereinige sie mit dir.“ Und schon hat man die geistige Kommunion erweckt. „Komm zu mir, o Jesus, im heiligsten Sakrament des Altares, komm in mein Herz, läutere es, reinige es, schmücke es. Sei mein Licht und meine Stärke.“ Ein besonders geeignetes Gebet, um auf geistige Weise Kommunion zu halten, sich mit Christus zu vereinigen, ist das Gebet:

„Jesus, Jesus, komm zu mir,

o wie sehn’ ich mich nach dir!

Meiner Seele bester Freund,

wann werd’ ich mit dir vereint?


Tausendmal begehr’ ich dein,

Leben ohne dich ist Pein.

Tausendmal seufz’ ich zu dir:

O Herr Jesus, komm zu mir!


Keine Lust ist in der Welt,

die mein Herz zufrieden stellt.

Deine Liebe, Herr, allein,

kann mein ganzes Herz erfreun’.


Darum sehn’ ich mich nach dir;

eile, Jesus, komm zu mir!

Nimm mein ganzes Herz für dich

und besitz es ewiglich.


Ach, o Herr, ich bin nicht rein,

dass du kehrest bei mir ein.

Nur ein Wort aus deinem Mund,

und die Seele wird gesund.


Komm, o Jesus, komm geschwind,

mache mich zum Gotteskind.

Meine Seel’ bewahre dir,

ewig, ewig bleib bei mir!“

Dieses Gebet, meine lieben Freunde, sollten wir alle auswendig beten können und oft und oft zur Erweckung der geistigen Kommunion sprechen. Da mit festem Glauben und inniger Liebe zum eucharistischen Heiland das Verlangen nach dem Sakrament gegeben ist, erweckt man eigentlich durch jeden Akt der Liebe zum Heiland im Tabernakel die geistige Kommunion. Wer derart sein geistiges Leben auf den eucharistischen Heiland konzentriert, lebt in geistiger Kommunion und wird fortwährend sakramentaler Gnaden in der Eucharistie teilhaftig. Die Besuchung des Allerheiligsten und die eucharistische Anbetung sind ihrem Wesen nach geistige Kommunion. Und es ist Ihnen zu empfehlen, meine lieben Freunde, sich tagsüber immer wieder um die Verbindung mit unserem Gott und Heiland zu bemühen. Ein geeignetes Mittel dafür ist die geistige Kommunion. Wer die Verbindung mit unserem Herrn sucht, wird von ihm angenommen und getragen. Das Buch von der „Nachfolge Christi“ schreibt: „So oft wir das große Geheimnis der Menschwerdung und das Leiden Christi betrachten und dadurch zur Liebe gegen ihn entzündet werden, so oft gehen wir auf geistige Weise zur Kommunion und werden in dieser Verbindung mit Christus unsichtbar gestärkt.“

Amen.

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