Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
4. August 2019

Gott der Herr der Geschichte

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir haben am vergangenen Sonntag versucht, Gott als den Herrn der Natur zu erkennen. Wir wollen am heutigen Sonntag den Versuch machen, Gott als den Herrn der Geschichte zu verstehen. Die gläubigen Christen aller Zeiten waren überzeugt, dass Gott in der Geschichte handelt. Vordergründig scheinen nur die Menschen die Geschichte zu gestalten, aber hinter ihren Entscheidungen steht die Allmacht Gottes. Gott handelt in der Geschichte. Und die Menschen eines lebendigen Glaubens haben immer versucht zu verstehen, wie Gott in der Geschichte handelt. Es gibt Ereignisse in der Geschichte, bei denen der Mensch zu dem Urteil kommen kann: Das hat der Herr getan. Dreihundert Jahre lang war das Christentum eine verbotene Religion, wurden seine Anhänger misstrauisch und verächtlich behandelt, kam es zu Verfolgungen. Die letzte, schwerste Verfolgung war unter Diokletian. Sie wurde systematisch mit einem System von Maßregeln betrieben, und es wurde versucht, das Christentum zu vertilgen. Aber die Bewegung des hingerichteten Zimmermanns konnte nicht ausgelöscht werden. Kaiser Konstantin, einer der Regenten des Römischen Reiches, bekannte sich seit der Schlacht an der Milvischen Brücke (312) offen zum Gott der Christen. Er ließ das Christogramm auf den Schilden seiner Soldaten anbringen, später sogar auch auf seiner Standarte. 313 erließ er das Toleranzedikt, das berühmte Toleranzedikt von Mailand. Es leitete eine völlig neue Periode der Religionspolitik ein. Es bahnte eine epochemachende Wendung in der Geschichte des Christentums an. Das Christentum entstieg den Katakomben. Die Christenheit jubelte und pries Gott, der durch seinen Diener Konstantin die Wende herbeigeführt hatte. Konstantin zählt zu den Heiligen in der russischen, in der armenischen und in der griechischen Kirche. Die lateinische Kirche hat ihm den Beinamen „der Große“ gegeben.

Das Christentum breitete sich in den folgenden Jahrhunderten aus. Der europäische Osten und Norden wurde für die Religion des Gekreuzigten gewonnen. Aber auch der Satan war nicht untätig. Es regten sich die Irrlehrer. Sie verbreiteten falsche Lehren, angenehme Lehren, Lehren, wie sie die Menschen hören wollen, Lehren aber, welche die Kirche und den Staat bedrohten. Sie sammelten Anhänger und gründeten eigene Verbände, ja sogar ein eigenes Heer. Die Kirche und der Staat fühlten sich in gleichem Maße bedroht. Angst und Sorge stiegen auch zum Stuhle Petri hinauf. Kurz bevor Franz von Assisi nach Rom kam, um die Bestätigung seines Ordens nachzusuchen, hatte der Papst Innozenz III. einen Traum. Er sah, wie die Hauptkirche des Christentums, die Laterankirche in Rom, zusammenstürzte, aber wie sich ein kleiner, schwächlicher Mann dagegen stemmte und sie mit seinen Schultern trug. Als wenig später – nach diesem Traum, der den Papst sehr beunruhigte – Franz von Assisi als Ordensstifter vor ihm stand, da wusste der Papst: Das ist der Mann, den ich im Traum gesehen habe. Es war die Zeit, in der die großen Bettelorden entstanden. Diese Bettelmönche bahnten eine neue Ära im Christentum an. Sie leiteten Segensströme in die Christenheit und wurden zu Hauptträgern der wahren Reform. Sie bewiesen, dass die Rückkehr des Klerus zur apostolischen Armut möglich war, auch innerhalb der Kirche, nicht nur in den häretischen Armutsbewegungen. Niemand, der Augen hatte, konnte den Aufschwung übersehen, den Gott seiner Kirche in der katholischen Armutsbewegung geschenkt hatte. Zur rechten Zeit hatte er in die Geschichte eingegriffen und ihr neues Leben eingehaucht.

Da erhob sich eine neue Gefahr: Das Auftreten Mohammeds und die Entstehung des Islams stellten sich als Ereignisse von unabsehbarer Tragweite dar. In einem Siegeszug ohnegleichen unterwarfen die Heere der Araber und später der Osmanen, der Türken weite Teile Afrikas und Asiens, besetzten das Heilige Land und drangen bis an die Pyrenäen und über die Pyrenäen vor. Da warf sich im Jahre 732 der Hausmeier Karl Martell mit einem christlichen Heer zwischen Tours und Poitiers auf die Masse der Islamisten und rettete das Frankenreich und damit seine christliche Kultur vor dem Schicksal Spaniens, das ja schon von ihnen besetzt war. Die Christenheit atmete auf. Sie sah in der Abwehr der Bedrohung nicht nur den Erfolg der Waffen, sondern das Eingreifen des Allmächtigen, und dankte Gott, der dem christlichen Heer den Sieg verliehen hatte. Die Muslime waren und blieben eine wahre Gottesgeißel. In zahlreichen Kriegen stießen sie immer weiter in Europa vor, eroberten ganze Länder wie Bulgarien, Serbien, Ungarn; 1529 standen sie vor Wien. Im 5. Türkenkrieg 1570/71 eroberten die Osmanen Zypern, das letzte Bollwerk vor Italien. Da schlossen Spanien, der Kirchenstaat, und Venedig eine „Heilige Liga“. Sie stellten eine Flotte auf und vertrauten sie dem Sohn des Kaisers Don Juan d’Austria an. Diese Flotte vernichtete am 17. Oktober 1571 die osmanische Flotte bei Lepanto. Die Christenheit schrieb diesen Sieg dem Rosenkranzgebet zu. Papst Pius V. ordnete ein Dankfest an: das Gedächtnis unserer lieben Frau vom Siege, das wir heute noch feiern, das Rosenkranzfest. Gott hatte die Christenheit nicht verlassen.

Neben der Türkengefahr trat jetzt die religiöse Empörung auf. Luther erhob die Fahne des Aufruhrs gegen die Kirche. Er entfesselte die religiöse Umwälzung. Mit rasender Schnelligkeit riss sie den größten Teil Deutschlands, die skandinavischen und baltischen Länder von der Mutterkirche los. In der Schweiz bildeten sich eigene Herde der Abfallbewegung, die einen beträchtlichen Teil Frankreichs, Schottland, England und die Niederlande erfassten und auch in Polen, in Ungarn, in Siebenbürgen und in Amerika vordrangen. Die katholischen Christen fürchteten ihren Untergang. Gegen die Irrlehren musste die katholische Wahrheit deutlich ausgesprochen und verbindlich festgestellt werden. Die irrigen Ansichten der Neuerer mussten zurückgewiesen werden. Der Gehorsam von Klerus und Volk gegenüber der kirchlichen Hierarchie musste wiederhergestellt werden. Diese Aufgabe konnte nur von einer Gesamtversammlung der Kirche, von einem allgemeinen Konzil geleistet werden. Und siehe da, Papst Paul III. brachte diesen Gedanken zur Durchführung; er berief das Konzil von Trient ein. Die katholische Lehre wurde in diesem von 1545-63 dauernden Konzil in den entscheidenden und am meisten bedrohten Punkten geklärt und neu bestimmt. Durch die disziplinarischen Dekrete wurde ein Reformprogramm entworfen, das die feste Grundlage für die religiös-sittliche Erneuerung des Klerus und des Volkes abgab. Die Kirche behauptete sich in ihrer hierarchischen Geschlossenheit, der religiöse Subjektivismus der Abtrünnigen wurde zurückgewiesen. Die Lehr- und Disziplinardekrete des Trienter Konzils wurden die Grundlage der katholischen Erneuerung in den folgenden Jahrhunderten. Neue religiöse Gesellschaften entstanden: die Theatiner, die Kapuziner, die Jesusiten. Als Ignatius von Loyola, der Stifter des Jesuitenordens, dem Papst Paul III. seine Denkschrift über Ziel und Einrichtung des von ihm geplanten Ordens unterbreitet hatte, rief der Papst aus: „Das ist der Finger Gottes.“ Und die genannten Orden warfen sich mit hinreißender Kraft auf Seelsorge, Mission, Erziehung der Jugend und Pflege der Wissenschaft. Die religiöse Erneuerung griff jetzt Platz, der Irrtum wurde zurückgedrängt, jedenfalls im Süden und Westen Deutschlands. Die Päpste waren hervorragende Inhaber des primatialen Amtes. Gott hatte zugesehen, dass die von Wittenberg ausgehende Revolte ganze Länder von der Kirche Gottes losriss, aber er hatte nicht zugelassen, dass die Kirche unterging; er hatte sie gerettet und erneuert, maßgeblich durch das Konzil von Trient.

Im Jahre 1789 brach die Französische Revolution aus, vorbereitet durch die Misswirtschaft des absolutistischen Regimes, durch die Wühlarbeit der Freidenker und Freimaurer, durch die Frivolität und Sittenlosigkeit der höheren Stände. Ihr Erbe und Vollender war Napoleon Bonaparte. Er war den Ideen der Französischen Revolution zugetan und religiös indifferent. Die Religion galt ihm nur als politischer Faktor. Die Kirche benutzte er für seine Zwecke. Und als Papst Pius VII. ihm nicht mehr zu Willen war, besetzte er und annektierte er den Kirchenstaat und führte er den Papst in die Gefangenschaft. Die Feinde der Kirche triumphierten: Das Ende der katholischen Kirche ist gekommen. Die Rücksichtslosigkeit seiner kriegerischen Politik trieb Napoleon zur Eroberung des ganzen Kontinents. In seinem frivolen Übermut meinte er, auch das riesige russische Reich überwinden zu können. Mit einer gewaltigen europäischen Armee zog er von Ostpreußen bis nach Moskau. Aber die Russen kapitulierten nicht. Sie verbrannten ihre Stadt Moskau und zwangen Napoleon zum Rückzug. Er wurde zu einer katastrophalen Niederlage der großen Armee. Als Papst Pius VII. gegen den Usurpator die Exkommunikation verhängt hatte, da spottete Napoleon: „Davon fallen meinen Soldaten die Bajonette nicht aus den Händen.“ Beim Rückzug durch die winterliche Eiswüste Russlands fielen den Soldaten der kaiserlichen Armee die Bajonette buchstäblich aus den Händen. Von 600000 Mann kehrten 30000 zurück. Die Gläubigen sahen in dem Fiasko die Hand Gottes. Sie stimmten den Triumphgesang an: „Mit Mann und Ross und Wagen hat sie der Herr geschlagen.“

Das 18. und das beginnende 19. Jahrhundert waren die Zeit der Aufklärung. Die Aufklärung fügte dem religiös-kirchlichen Leben und Denken im katholischen Teil Deutschlands schweren Schaden zu. Die Menschen wurden lau und gleichgültig; in der Theologie stimmte das meiste nicht. Dogma und Moral verwässerten, dem Papsttum begegnete man mit Misstrauen. Die Kirche schien wieder einmal am Boden zu liegen. Aber siehe da, wider alles Erwarten vollzog sich in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts – wenn auch unter großen Schwierigkeiten und nicht ohne Rückschläge – die innere Erneuerung und Wiedergeburt des deutschen Katholizismus. Sie zählt zu den auffallendsten und anziehendsten Erscheinungen der neueren Geschichte. Hauptträger der katholischen Aufbaubewegung waren zunächst einzelne Gruppen von Geistlichen und gebildeten Laien in Westfalen, in Bayern, in Schwaben und in Mainz. Sie strahlten ihren Geist auf ihre Umgebung aus, andere schlossen sich an; es entstand eine breite Bewegung der Erneuerung. Im Klerus und im Volk kehrte wieder ein kräftiges Glaubensbewusstsein und eine aktive katholische Gesinnung ein. Sie äußerte sich im steigendem Eifer für den Empfang der Sakramente, durch rege Teilnahme an geistlichen Übungen, Volksmissionen, Wallfahrten, frommen Bruderschaften, durch große Opferwilligkeit für wohltätige Zwecke aller Art, besonders für die Ausschmückung und Erbauung von Gotteshäusern, durch die Verbesserung des religiösen Unterrichts der Jugend, durch eine neue Blüte des Ordenswesens, durch treue Anhänglichkeit an die katholischen Oberen. Die Verehrung der Eucharistie, des Heiligsten Herzens Jesu und der Mutter Gottes blühten auf. Der katholische Gedanke der Wiedervereinigung der Christen übte eine starke Anziehungskraft auch auf die Außenstehenden aus. Sie bekundete sich in zahlreichen Konversionen evangelischer Christen zur katholischen Kirche, besonders aus gebildeten Kreisen und höheren Ständen. Durch die Leitung der Vorsehung war ein für die Kirche segensreiches Werk vollbracht worden. Die Gläubigen waren überzeugt: Das hat der Herr getan. Menschenkraft hätte nicht ausgereicht, die Wende herbeizuführen.

Im 20. Jahrhundert war die katholische Kirche in Deutschland relativ gesehen in einer guten Verfassung. Der Klerus befand sich in einem gewissen Hochstand, die Priester waren einmütig in der Verkündigung ein und derselben Lehre, die Irrung des Modernismus wurde durch das Eingreifen des Lehramtes überwunden, vom Zölibat wurde nicht geredet, er wurde gelebt und wie selbstverständlich beobachtet. Der Gehorsam der Kleriker gegen Bischof und Papst war fraglos. Das gläubige Volk hing am Papsttum; Massen strömten als Pilgerscharen nach Rom. Die Jugend war wohl organisiert und stand treu zur Kirche. Auf dem Stuhle Petri saßen hervorragende Päpste: die Piuspäpste: Pius IX., X., XI., XII. Da erhob sich in Deutschland die nationalsozialistische Bewegung, die bald nacheinander zur Partei, zur Weltanschauung und schließlich fast zur Ersatzreligion wurde. Ihre unbestreitbaren Leistungen auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet sowie ihre Erfolge in der Außenpolitik gewannen ihr weiteste Teile der Bevölkerung. Gleichzeitig setzte ein heimtückischer Kampf gegen den christlichen Glauben ein und wurde mit allen Mitteln der Propaganda geführt. Der kirchliche Einfluss wurde auf allen Gebieten zurückgedrängt, die großen katholischen Organisationen wurden zerschlagen, die Bekenntnisschule wurde aufgehoben. Wer es wagte, sich zu widersetzen, riskierte Stellung und Freiheit. Zahlreiche Priester, Ordensleute und Laien wurden in so genante Schutzhaft genommen, Konzentrationslager, ermordet oder hingerichtet. Kein Teil, kein Teil der deutschen Bevölkerung hat sich in dem Umfang und mit der Zahl der Opfer dem Regime so versagt wie die katholischen Christen. Das Regime Hitlers hat der Kirche unermesslichen Schaden zugefügt. Dennoch hätte es mit seinen Unterdrückungsmaßnahmen noch viel weiter gehen können, ohne selbst erschüttert zu werden. Es gehört zu den Merkwürdigkeiten der Jahre zwischen 1933 und 1945, dass der Mann an der Spitze, Adolf Hitler, wiederholt Gewaltmaßnahmen gegen die Kirche abbremste oder weitergehende Verfolgungsmaßnahmen unterband. Wie kam es dazu, dass der beinahe allmächtige Führer des Reiches Mäßigung zeigte und Rücksicht walten ließ, wie kam es dazu? Ich sehe drei Faktoren. Erstens: Einmal vergaß Hitler seine katholische Jugend nicht. Insbesondere blieb die Erinnerung an seine gläubige Mutter, an der er hing, immer wach. Er sagte einmal in den 30er Jahren: „Wenn meine Mutter noch lebte, würde sie auch in die Kirche gehen.“ Zweitens legten ihm auch der eine oder der andere aus seiner Umgebung ein schonendes Vorgehen nahe. Der italienische Regierungschef Benito Mussolini warnte Hitler wiederholt vor dem Zugriff auf Kirche und Religion. Die Frau, die er vor seinem gewaltsamen Ende heiratete, war weder ungläubig noch unreligiös. Von Kennern ihrer Persönlichkeit wird vermutet, dass Eva Braun vor der Selbsttötung mit Hitler gebetet hat. Schließlich kann niemand sagen, was die Gebete katholischer Christen in der Seele Hitlers bewirkt haben, welche Gnadeneinwirkungen ihn vor dem Äußersten bewahrt haben. Ich habe keinen Zweifel: Gott war nicht abwesend und hat sich nicht unbezeugt gelassen in den Jahren 1933-1945. Gott erhört die Gebete derer, die ihn fürchten.

Die Regierungstätigkeit Hitlers schien im Anfang darauf gerichtet, das Volk aus innerer Not und äußerer Bedrückung herauszuführen. Die meisten späteren Gegner des Regimes waren mit vielen Entscheidungen der ersten Jahre Hitlers einverstanden. Aber er schlug immer mehr die Richtung gewaltsamer Eroberung ein. Vom 1. September 1939 an warf die deutsche Wehrmacht in einem „Feldzug der 18 Tage“ die hochgerüstete und hoch motivierte polnische Armee nieder. Der Erfolg wurde noch übertroffen von dem Krieg gegen Frankreich. Vom 10. Mai 1940 an zwang die Wehrmacht in 6 Wochen die stärkste Militärmacht Europas zur Kapitulation. Ein Siegesjubel ohne Beispiel brandete in Deutschland auf. Mancher Gläubige fragte sich besorgt: Ist Gott auf Seiten des deutschen Diktators? Diese Meinung halte ich für grundfalsch. Wer den weiteren Gang des Zweiten Weltkriegs kennt, wird sich fragen, ob nicht gerade diese Blitzfeldzüge der Grund waren, weswegen der Krieg in einer nie dagewesenen Katastrophe endete. Denn: Die unerhörten, scheinbar mühelos errungenen Siege erzeugten bei der Führung des Landes eine Überheblichkeit und einen Übermut, die zusammen mit der Unterschätzung des Gegners zum totalen Zusammenbruch führten. Hat also Gott in den Siegen über Polen und Frankreich und in dem folgenden Siegestaumel doch seine Hand im Spiel gehabt? Aber ganz anders als die führenden Männer des Regimes meinten. Ich meine, dass sich an Hitler das Wort erfüllt hat: Wen Gott verderben will, dem lässt er alles glücken.

Allen Beobachtern der Zeit war klar, dass das Unheil Deutschlands und Europas in der Person Hitlers beschlossen war. Allein seine Beseitigung konnte Frieden bringen. Gegen Hitler wurden zahlreiche Anschläge geplant und einige auch ausgeführt; der Machthaber entging allen. Hitler bemühte die Vorsehung, die ihn angeblich beschützt hatte. Vielleicht war diese Interpretation nicht einmal falsch, freilich in einem anderen Sinne, als er selbst meinte. Überlegen Sie, meine lieben Freunde: Wäre Hitler einem Attentat zum Opfer gefallen, hätten sich höchstwahrscheinlich Legenden um seine Person gerankt. Je nach dem Zeitpunkt, wo ein Anschlag erfolgreich gewesen wäre, hätte man sagen können: Er ist mitten aus seiner fruchtbaren Arbeit im Dienste des Volkes herausgerissen worden. Oder: Mit ihm ging der einzige Mann dahin, der die verzweifelte Lage noch hätte wenden können. Das zu sagen, war unmöglich, weil Hitler bis zum Ende unangefochten die Zügel der Regierung in der Hand hatte. Alle konnten sehen: Er ist der verantwortliche Zerstörer des Reiches und Europas. Es wird nur wenige Zeitgenossen geben, die den Untergang Hitlers nicht als die gerechte Strafe für das Übermaß seiner Verbrechen angesehen haben. An ihm hat sich wahrlich das Wort erfüllt: Hochmut kommt vor dem Fall.

Gott ist der Herr der Geschichte. Die Völker nahmen das Ende Hitlers mit enthusiastischem Jubel auf, aber auch mit tiefer Dankbarkeit gegen Gott. Viele waren überzeugt, dass sich darin das Wort erfüllt hatte: Die Weltgeschichte ist das Weltgericht. Gott ist der Herr der Geschichte. Er lenkt sie durch seine Fügungen und Zulassungen. Er lässt dem Menschen die Freiheit. Er sieht zu, wie er die ihm geschenkte Freiheit gebraucht und missbraucht. Aber Gott handelt in der Geschichte. Er greift nicht so ein, wie und wann wir es erwarten und denken. Er bleibt der Verborgene, er lässt sich seine Uhr von keinem Menschen stellen. Dennoch sind Gottes Verborgenheit und seine Verhüllung nicht derart, dass sie seine Regierungstätigkeit vergessen machen. Immer wieder geschehen in der Geschichte Ereignisse, vollziehen sich Vorgänge, die in den Gläubigen eine Ahnung oder geradezu eine Überzeugung wachrufen: Das hat Gott getan. Wir alle, meine lieben Freunde, wir alle wissen um den beklagenswerten Zustand unserer Kirche in der Gegenwart. Die Kirche hat sich selbst zugrunde gerichtet. Wir sind in dem Zustand der Selbstzerstörung der Kirche – daran ist überhaupt kein Zweifel mehr. Wir schauen deswegen sehnsüchtig nach Gottes Hand aus, dass sie die Lage wenden möge. Ich persönlich habe keinen Zweifel, dass Gott eingreifen wird. Wenn die Kirche ganz am Boden liegen wird, wenn die Pseudoreformen auf Bischofs- und Lehrstühlen ihr makabres Werk vollbracht haben werden, wenn alle Aussicht auf menschliche Hilfe geschwunden sein wird, dann wird Gott mit dem Schlüssel auf den Tisch klopfen und sagen: Jetzt wird Schluss gemacht, meine Herren! Und Damen!

Amen. 

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