Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
20. Juni 2019

Die wahre Gegenwart von Leib und Blut des Herrn

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier des heiligen Fronleichnams Versammelte!

Wir begehen das Fest des Leibes und des Blutes des Herrn, wie es jetzt genannt wird, und das ist durchaus richtig, denn Fronleichnam heißt ja Leib des Herrn. Wir begehen den größten Schatz der ungeteilten Christenheit. Am Abend vor seinem Leiden nahm der Herr Brot in seine heiligen und ehrwürdigen Hände, brach es und gab es den Jüngern mit den Worten: „Nehmet und esset: Das ist mein Leib.“ Und ähnlich verfuhr er mit dem Kelch: „Das ist mein Blut, das Blut des neuen Bundes.“ Die wirkliche Gegenwart von Leib und Blut Christi nach der Konsekration war in der Kirche seit der Einsetzung des Sakramentes 1500 Jahre lang im Wesentlichen unangefochten. Erst seit dem Auftreten der Glaubensneuerer des 16. Jahrhunderts, samt ihren Anhängern, geriet dieser Glaube ins Wanken. Die Glaubensneuerer meinten, besser zu wissen, was Jesus beim letzten Abendmahl getan und gemeint hatte. Sie brachen aus dem katholischen Eucharistieglauben aus: Luther, Zwingli und Calvin. In der Schrift „Von der Babylonischen Gefangenschaft“ leugnete Luther den Opfercharakter der Messe und die Transsubstantiation; es gebe in der Messe kein Opfer, keine Wandlung. Allerdings hielt er für sich an der wirklichen Gegenwart des Leibes und Blutes Christi fest. Er verfocht die Konsubstantiation, d.h. nach seiner Meinung ist der Leib Christi in, unter und mit der noch vorhandenen Brotsubstanz zugegen. Brot und Leib Christi bilden nach seiner Meinung eine Einheit, sodass der Leib in, unter und mit der Brotsubstanz empfangen wird. Aber damit ließ er es nicht bewenden. Er ging einen verhängnisvollen Schritt weiter, als er die Permanenz der Gegenwart des Leibes und Blutes in Abrede stellte. Er behauptete, der Leib Christi sei nur gegenwärtig im Augenblick des Genusses, nicht vorher und nicht nachher. Da brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn noch heute in den evangelischen Kirchen das Brot und der Wein, die bei der Feier übriggeblieben sind, in den Ausguss geschüttet oder weggeworfen werden. Das ist die Folge der Ablehnung der katholischen Eucharistielehre. Aufbewahrung und Anbetung der konsekrierten Hostien sind nach Luther irrig und gotteslästerlich.

Das ist die erste Wendung gegen den katholischen Eucharistieglauben gewesen. Ihm folgte der Schweizer Zwingli. Er ist von Luther abhängig, kam durch ihn zum Abfall. Aber er schritt in der Entleerung der Glaubenswahrheiten weiter. Nach ihm ist das Abendmahl eine bloße Erinnerung an unsere Erlösung durch Christi Tod, aber keine Gegenwärtigkeit des Leibes Christi. Zwingli leugnet rundweg die reale Gegenwart der menschlichen Natur Christi im Sakrament. Dieses Sakrament sei bloßes Zeichen, welches Gottes Heilshandeln bezeugt, aber vermittelt keine Gnade. Das Brot ist bloßes Zeichen des Leibes Christi oder bedeutet ihn. Einer seiner Anhänger, Karlstadt, ging soweit, dass er auf die lächerliche Erfindung verfiel, Christus habe während der Worte „dies ist mein Leib“ auf sich selbst gezeigt. Diese zwinglische Eucharistielehre – wenn man sie überhaupt als solche ansehen kann – ist weitestgehend im Protestantismus herrschend geworden. Sie passt zu der rationalistischen Grundhaltung, die für diese Religion kennzeichnend geworden ist.

Calvin steht auf den Schultern von Luther und Zwingli. Er verwarf das Messopfer; er verwarf die Wesensverwandlung; er verwarf die Anbetungswürdigkeit der heiligen Hostie; er bestritt konsequent die wirkliche Gegenwart Christi. Christus sei von Brot und Wein so fern wie der Himmel von der Erde. Keine wirkliche Gegenwart Christi; die Eucharistie nur ein Zeichen, bei dessen Genuss dem Auserwählten die Gnade des Leibes Christi dargeboten wird. Der Gläubige empfängt beim Genuss der sinnlichen Elemente eine vom himmlischen Leibe Christi ausgehende Kraft, nicht mehr.

Man war sich unter den Glaubensneuerern des 16. Jahrhunderts der Spaltung zwischen ihnen in dem zentralen Punkt der Eucharistielehre bewusst, und man versuchte, sie zu überwinden. Der Landgraf Philipp von Hessen veranstaltete in Marburg ein Religionsgespräch, bei dem er die Glaubensneuerer einlud: Luther, Melanchthon, Zwingli, Oekolampad; aber es kam zu keiner Einigung. Zwingli wies Luthers Unionsformel als zu katholisch ab. Luther selbst blieb bei seiner Meinung und fällte das Urteil über Zwingli: „Ihr habt einen anderen Geist.“ Damit wurde die Spaltung des Protestantismus besiegelt in die beiden Gruppen der Lutheraner und der Reformierten. In der Pfalz ging es zwischen diesen „Konfessionen“ hin und her. Ein Kurfürst verlangte, dass seine Untertanen Lutheraner werden, ein anderer verlangte, dass sie Reformierte werden. Und dann kam wieder ein anderer, und der machte sie wieder zu Lutheranern. Das war die Folge, wenn man sich vom Wortlaut der Überlieferung der Kirche und der Heiligen Schrift entfernt. Das kommt, wenn man sich vom eucharistischen Glauben entfernt und vom authentischen Lehramt der Kirche. Die protestantischen Irrlehrer zeigen, wie Eucharistie aussehen würde, wenn sie sie eingesetzt hätten.

Das kirchliche Lehramt musste gegen diese Verirrungen Stellung nehmen, und es hat es gründlich getan auf dem Konzil von Trient in der 13. Sitzung. Zum Beginn lehrt das Konzil und bekennt offen und ehrlich, dass im erhabenen Sakrament der heiligen Eucharistie nach der Konsekration von Brot und Wein unser Herr Jesus Christus, wahrer Gott und Mensch, wahrhaft, wirklich und wesentlich unter der Gestalt jener sinnenfälligen Dinge enthalten ist. Der Herr, so sagt das Konzil, habe mit klaren und deutlichen Worten bezeugt, dass er ihnen seinen eigenen Leib und sein Blut hingebe. Es ist eine abscheuliche Niederträchtigkeit, wenn seine Worte von gewissen streitsüchtigen und verdorbenen Menschen gegen die allgemeine Auffassung der Kirche zu erdichteten und bildhaften Redeweisen verdreht werden, in denen die Wahrheit des Fleisches und Blutes Christi geleugnet wird. Das Konzil von Trient hat drei klassische Adverbien verwandt, um die katholische Eucharistielehre abzugrenzen von den Irrlehren: wahrhaft, wirklich und wesentlich. Diese drei Ausdrücke sind nicht willkürlich gewählt, sondern wollen bewusst die Hauptrichtungen der Glaubensneuerer treffen. Zwingli lehrte: Das Brot weist hin auf den Leib Christi, aber es enthält ihn nicht; dagegen das Konzil von Trient: Der Leib Christi ist wahrhaft, d.h. nicht bildlich, nicht symbolisch gegenwärtig. Oekolampad lehrte: Das Brot ist ein Abbild des Leibes Christi, aber nicht selbst der Leib Christi; dagegen das Konzil von Trient: Der Leib Christi ist wirklich, also leibhaftig gegenwärtig. Calvin schließlich sagt, dass der Leib Christi nur der Vorstellung nach, nur der Kraft nach gegenwärtig ist; er strahlt aus dem Himmel eine Kraft aus und die kommt den Menschen zugute. Dagegen das Konzil von Trient: Der Leib Christi ist wesenhaft, seinem Seinsbestand nach, substantiell gegenwärtig. Also diese drei Worte: wahrhaft, wirklich und wesentlich sind zum Kennzeichen der katholischen Eucharistielehre geworden. „Wer leugnet“, sagt das Konzil von Trient, „dass im Sakrament der heiligsten Eucharistie wahrhaft, wirklich und wesentlich der Leib und das Blut zusammen mit der Seele und Gottheit unseres Herrn Jesus Christus und daher der ganze Christus enthalten ist, vielmehr sagt, er sei lediglich wie in einem Zeichen oder Abbild oder der Kraft nach in ihm, der sei ausgeschlossen.“

Der Abendmahlsstreit des 16. Jahrhunderts betraf die Art und Weise der Gegenwart und der Vergegenwärtigung des Leibes und Blutes Christi in der Eucharistie. Im Protestantismus bestand immer die Neigung, das Sakrament zugunsten des Wortes in den Hintergrund zu rücken und das Herrenmahl als Botschaft zu verstehen statt als wirkliches Sakrament. Die Realpräsenz ist genau, nach protestantischer Ansicht, die des Wortes, das Wort ist gegenwärtig, nicht mehr und nicht weniger. Und man hat im Worte alles, was man im Sakrament haben könnte. Darin liegt die Wurzel der Verirrung: in der protestantischen Lehre vom Wort. Für Rechtfertigung und Erlösung kommt es nach protestantischer Ansicht allein darauf an, sich an das Wort zu halten. Wer das Wort annimmt, empfängt das ganze Heil; es braucht kein Sakrament. In manchen evangelischen Kirchen werden Menschen aufgenommen, die nicht getauft sind; es braucht das Sakrament nicht, Hauptsache, man hält am Wort fest. Die Entwicklung im Protestantismus ist weitergegangen. Die Auffassung Luthers von der Eucharistie wird selbst von vielen, ja wohl den meisten Lutheranern nicht mehr geteilt. Die große Mehrzahl der Protestanten folgen der calvinistischen oder zwinglianischen Auffassung. Der heutige Protestantismus ist von der gültigen katholischen Eucharistielehre so weit entfernt wie der Himmel von der Erde. Ich sage dies mit Schmerz und Bedauern, aber es muss gesagt werden angesichts der Leichtfertigkeit, mit der heute von katholischer Seite das höchste Gut preisgegeben wird. Wir, meine lieben Freunde, wollen, müssen, dürfen uns an das Wort des Heilandes halten, der sagt: „Mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise, und mein Blut ist wahrhaft ein Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm, und er wird das ewige Leben haben.“

Amen.

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