16. Juni 2019
Der eine und einzige Gott ist dreifaltig
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte, zum Fest der heiligsten Dreifaltigkeit Versammelte!
Wenn Menschen mit unterschiedlichen religiösen Ansichten zusammenkommen, kann man gelegentlich die Äußerung hören: Wir haben ja alle denselben Gott. Diese Äußerung ist gut gemeint; sie soll dem friedlichen Zusammenleben dienen, aber sie hält der Nachprüfung nicht stand. Die Redensart: Wir haben ja alle denselben Gott, trifft nur für die objektive Wirklichkeit zu in dem Sinne: Es existiert nur ein Gott, keine Vielzahl von Göttern. Das absolute Sein – das ja Gott ist – lässt sich nicht vervielfachen. Durch Vervielfachen würde es aufhören, absolut zu sein. Im subjektiven Sinne trifft diese Rede nicht zu, d.h. die Gottesvorstellungen der Menschen sind höchst unterschiedlich, ja gegensätzlich. Das Christentum ist die einzige Religion, die den einen Gott in drei Personen bekennt. Doch – das muss ich zu meinem Schmerz sagen – das gilt nicht für alle Menschen und Gruppen, die sich christlich nennen. Seit dem Auftreten der so genannten Reformatoren im 16. Jahrhundert gibt es im Protestantismus die offene oder latente Ablehnung des Glaubens an die Dreifaltigkeit. Von Anfang an traten im Protestantismus Antitrinitarier auf, also Leute, welche die Trinität leugnen, und sie haben sich niemals zum Schweigen bringen lassen. Sie bildeten eigene Gemeinschaften, die zum Teil noch heute bestehen. Die bekanntesten amerikanischen Politiker wie Benjamin Franklin, George Washington, John Adams und Thomas Jefferson trennten sich vom christlichen Dreifaltigkeitsglauben und schlossen sich den Antitrinitariern an. Im 19. Jahrhundert wurde die christliche Trinitätslehre von zahlreichen protestantischen Theologen in Deutschland als Überfremdung des Evangeliums abgelehnt oder modalistisch umgedeutet. Der bekannteste protestantische Theologe des angehenden 20. Jahrhunderts, Adolf von Harnack, sah im Dogma vom dreifaltigen Gott das Ergebnis der Hellenisierung des Christentums, also als Übernahme aus dem griechischen mythologischen System. Dieses Dogma, behauptete er, habe seine Verbindlichkeit eingebüßt. Diese Verirrung ist bis heute nicht überwunden. Wer davon ausgeht, dass katholische und protestantische Christen im Glauben an den dreifaltigen Gott übereinstimmen, befindet sich auf dem Holzweg. Nicht einmal in dieser fundamentalen Wahrheit besteht eine Deckungsgleichheit zwischen katholischer Lehre und protestantischer Ansicht.
Dazu kommt heute ein anderes Phänomen, nämlich der Islam. Derzeit hören wir häufig, Christen und Muslime stimmten im Glauben an den einen Gott zusammen. Diese Behauptung trifft nicht zu. Der Koran weist den christlichen Gottesbegriff schroff ab. Er behauptet, die Christen würden eine Trinität, eine Dreifaltigkeit anbeten, die sich aus Gott, Jesus und Maria zusammensetzt. Die Gottessohnschaft Christi wird vom Islam entschieden abgelehnt. Auf der Moschee auf dem Tempelberg in Jerusalem steht der Satz: „Gott hat keinen Sohn.“ Der Islam betont die Allmacht Gottes so sehr, dass er wirklich alles macht, ja auch die Menschen und ihre Taten erschafft. Es bleibt für das freie Entscheiden und Tun des Menschen kein Raum. Daraus erklärt sich der Fatalismus im Islam. Jesus gilt bei den Mohammedanern als ein Prophet, aber nicht als Sohn Gottes. Er ist nur dem Scheine nach gekreuzigt worden; am Kreuze hing ein anderer. Es gibt deswegen keine Erlösung durch Christus. Ungläubig, so steht im Koran, sind diejenigen, die sagen: Gott ist einer von dreien, also die Christen. Und diese Ungläubigen muss man bekämpfen, denn so steht es ebenfalls im Koran: Bekämpfet die, die nicht glauben und nicht den Islam bekennen: die Christen und die Juden – bekämpfet sie. Der Islam ist eine große und gefährliche Irrlehre. Seine einfachen Glaubensvorstellungen, die geringen sittlichen Forderungen, die er an die Menschen stellt, seine Nachgiebigkeit gegenüber Begierden und Leidenschaften, seine Anpassungsfähigkeit bis zur Duldung heidnischer Sitten und Bräuche verschaffen ihm leichten Eingang. Er flößt seinen Anhängern eine tiefe Verachtung gegen alle anderen Religionen ein. Und das ist der Grund, warum die dem Islam verfallenen Menschen in der Regel für das Christentum verloren sind.
Wir Christen bekennen den einen Gott in drei Personen. Wir schöpfen diesen Glauben nicht aus dem Hellenismus, wie Harnack meinte, sondern wir entnehmen ihn der Offenbarungsurkunde unseres Gottes, dem heiligen Evangelium. Dort ist die Lehre vom Vater, vom Sohn und vom Heiligen Geist deutlich und eingängig bezeugt. Nach der Lehre der Offenbarung gibt es in Gott eine Vaterschaft im wahren und eigentlichen Sinne, die nur der ersten Person zukommt. Jesus betrachtet Gott als seinen Vater in einem einzigartigen und ausschließlichen Sinne. Wenn er vom Vater im Himmel spricht, sagt er immer entweder, „mein Vater“ oder „dein Vater“ bzw. „euer Vater“, niemals sagt er „unser Vater“. Das Vaterunser macht davon keine Ausnahme, denn das ist ja ein Gebet für die Jüngerschaft. Aussagen Jesu, die seine Wesensgleichheit mit dem Vater beweisen, bezeugen zugleich, dass seine Gottessohnschaft und die Vaterschaft Gottes in eigentlichem Sinne zu verstehen sind: „Niemand kennt den Vater außer dem Sohn und wem der Sohn es offenbaren will“, „Ich und der Vater sind eins.“ Wie der Vater das Leben in sich hat, so gab er auch dem Sohn das Leben in sich zu haben. Johannes nennt Jesus den eingeborenen Sohn Gottes, Paulus den eigenen Sohn Gottes. Johannes bekennt: „Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater“, „Der eingeborene Sohn Gottes, der im Schoße des Vaters ist, hat uns Kunde gebracht.“ Und im Römerbrief des Apostels Paulus steht die Wendung: „Er hat seines eigenen Sohnes nicht geschont.“ Wie die Apostel so haben auch die Gegner Jesu die Vaterschaft Gottes als eine wahre und eigentliche begriffen. Deswegen trachteten die Juden danach, ihn zu töten, weil er Gott seinen eigenen Vater nannte.
Die Lehre von Gott dem Sohne ist ebenso klar bezeugt im Evangelium, am deutlichsten vielleicht im Johannesevangelium: „Am Anfang war das Wort (der LOGOS), und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ Da ist die ganze Trinitätslehre enthalten. Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Die Präposition „bei“ drückt aus, dass der LOGOS neben Gott und auf Gott hingeordnet ist. Die Aussagen „Er kam in sein Eigentum“ und „Der LOGOS ist Fleisch geworden“ können sich nur auf eine Person beziehen, und zwar eine vom Vater verschiedene Person. Das folgt daraus, dass der LOGOS neben Gott war, und namentlich aus der Identifizierung des LOGOS mit dem eingeborenen Sohne Gottes: „Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater.“ Der LOGOS ist eine wirkliche Person. „Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ Der LOGOS war Gott. Die wahre Gottheit des LOGOS ergibt sich auch aus den ihm beigelegten Attributen der Weltschöpfung und der Ewgkeit.
Als Gott erscheint der LOGOS auch dadurch, dass er als Urheber der übernatürlichen Ordnung dargestellt wird, insofern er als Licht der Spender der Wahrheit und als Leben der Spender der Gnade ist. „Voll der Gnade und Wahrheit“, so beendet Johannes den Prolog. Und Paulus hat diese Wahrheit deutlich ausgesprochen: „Jesus ist das Bild des Vaters“, damit will er sagen, dass er ihm gleichwesentlich ist. „Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes“, wiederholt er im Kolosserbrief. „Er ist der Abglanz der Herrlichkeit und das Abbild der Wesenheit Gottes“, so steht es im Brief an die Hebräer – Abglanz der Herrlichkeit und Abbild der Wesenheit Gottes, ein göttliches Abbild, dem die Weltschöpfung und die Welterhaltung, die Reinigung von der Sünde und das Sitzen zur Rechten des Vaters zugeschrieben wird.
Schließlich ist auch die Lehre vom Heiligen Geist eindeutig im Evangelium ausgesprochen. Die trinitarische Taufformel: „Taufet im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ beweist, dass er eine wirkliche Person ist. Er wird neben Vater und Sohn gestellt. Und seine Bezeichnungen als Beisteher, als Anwalt, als Fürsprecher sind Wendungen, die nur einer Person zukommen können. Die Tatsache, dass dem Heiligen Geist persönliche Attribute zugeschrieben werden, bezeugt ebenfalls seine wirkliche Personalität, z.B. das Lehren, das Zeugnisablegen, das Erkennen der Geheimnisse Gottes, das Vorherverkündigen künftiger Ereignisse. Alle diese Tätigkeiten können nur einer Person, einer göttlichen Person zugeschrieben werden. Er ist natürlich auch eine vom Vater und Sohn verschiedene Person. Deswegen wird in der Taufformel neben dem Vater und dem Sohn der Heilige Geist erwähnt. Das Erscheinen des Heiligen Geistes bei der Taufe Jesu bezeugt ebenfalls, dass er eine vom Vater und vom Sohn verschiedene Person ist. Und vor allem lehren dies die Abschiedsreden, in denen der Heilige Geist vom Vater und Sohn als derjenige unterschieden wird, der gesandt wird oder gegeben wird. Der Heilige Geist ist eine göttliche Person, denn Heiliger Geist und Gott werden wechselweise gebraucht. In der Apostelgeschichte ist die Rede von einem Fall, wo ein Glied der Gemeinde vorgab, er habe sein Vermögen verkauft und alles der Kirche gegeben, was aber nicht zutraf; es war eine Lüge. Und Petrus hat ihn gestellt: „Ananias, warum hat Satan dein Herz in Besitz genommen, dass du den Heiligen Geist belogen hast? Nicht Menschen hast du belogen, sondern Gott!“ So kann er sprechen, weil der Geist Gott ist. In der trinitarischen Taufformel wird der Heilige Geist dem Vater und Sohn an die Seite gestellt, gleichgestellt. Der Heilige Geist hat auch göttliche Attribute, die ihm zugeschrieben werden: Er lehrt alle Wahrheit, er sagt zukünftige Dinge voraus, er erforscht die innersten Geheimnisse Gottes, er hat durch die Propheten gesprochen.
Die biblische Lehre vom dreifaltigen Gott, die biblische Lehre von der Dreiheit der Personen lässt sich nur halten, wenn es eine Einzigkeit des göttlichen Wesens gibt: nicht drei göttliche Wesen, je eines für jede Person, sondern ein göttliches Wesen, an dem alle drei partizipieren. Die drei göttlichen Personen subsistieren in dem einen göttlichen Wesen, in der einen göttlichen Natur. Die Identität der göttlichen Natur ist angedeutet in den trinitarischen Formeln. Wenn Jesus sagt, „dass der Vater in mir ist und ich im Vater“, wenn er sagt: „Alles, was der Vater hat, ist mein“, da wird ausgedrückt, dass das göttliche Wesen ungeteilt in einer jeden der drei göttlichen Personen subsistiert. Ausdrücklich hat Christus die numerische Einheit der göttlichen Natur ausgesprochen, wenn er erklärt: „Ich und der Vater sind eins“ – „eins“ bezieht sich auf das Wesen, „ich und der Vater“ auf die Personen. Das klassische Wort für diese Wesenseinheit ist im Griechischen „homoousios“ oder im Lateinischen „consubstantialis“, wie wir es ja im großen Credo an jedem Sonntag beten.
Meine lieben Freunde, die Lehre vom dreieinigen Gott ist nicht bloß eine theoretische Formel, sie ist vielmehr die Mitte unseres Glaubens und der Quellgrund unserer Frömmigkeit. Wir vollziehen unseren Glauben, unsere Religiosität unter Anrufung des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Wir treten zum himmlischen Vater durch die Mittlerschaft des Sohnes und bewegt vom Heiligen Geist. Wir beginnen unsere Gebete: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Wir spenden und empfangen die Sakramente vom Vater durch den Sohn im Heiligen Geist. Vor dem Empfang des Herrenleibes in jeder heiligen Messe beten wir echt trinitarisch: „Herr Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes: dem Willen des Vaters gehorsam, hast du unter Mitwirkung des Heiligen Geistes durch deinen Tod der Welt das Leben geschenkt.“ Hier haben wir die Trinität unmittelbar vor der Kommunion ausgesprochen. Der real existierende Gott ist der dreieinige; ein anderer Gott existiert nicht. Die Lehre von der Dreifaltigkeit, wie sie unsere Kirche vorlegt, ist die begriffliche Fassung des Befundes, der in den Schriften des Neuen Testamentes, in der Offenbarung gegeben ist. Die Kirche hat mit dieser Lehre das Evangelium nicht vergewaltigt, sie hat es zum Ausdruck gebracht. Dass die Lehre vom dreifaltigen Gott die Fassungskraft der menschlichen Vernunft übersteigt, ist kein Einwand gegen sie, sondern ein Anzeichen dafür, dass sie nicht von Menschen erfunden, sondern von Gott geoffenbart worden ist. Meine lieben Freunde, wäre die Wirklichkeit Gottes nur so groß, dass sie von der Vernunft des Menschen leicht begriffen werden könnte, dann wäre sie nicht göttlich zu nennen.
Amen.