Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
3. Dezember 2017

Vertrauen auf Gott

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

In der heutigen heiligen Messe beten wir: „Zu dir erhebe ich meine Seele; mein Gott, auf dich vertraue ich. Drob werd’ ich nicht erröten, noch sollen meine Feinde mich verlachen. Denn die vielen, die auf dich warten, werden nicht enttäuscht.“ In diesem Gebet spricht sich das Vertrauen auf den rettenden Gott aus. Das Vertrauen ist eine uns vertraute Haltung. Es ist die Zuversicht, die erstrebten Güter zu erlangen, mögen sie noch so fern liegen und noch so schwer zu erreichen sein. Dieses Vertrauen kann sich auf mannigfache Motive stützen: die eigene Leistungskraft, die Hilfe anderer, sinnvolle Lebens- und Wirkzusammenhänge in dieser Welt, Gott und seine Hilfe. Vom Vertrauen hängt psychologisch die Befähigung ab, in desolaten Lebensumständen Hoffnung auf bessere Verhältnisse entwickeln zu können. Vertrauen geht als ursprüngliche Haltung von der Verlässlichkeit der Umstände und anderer Menschen und von deren guten Absichten aus. Das Vertrauen der Menschen untereinander ist die Grundlage für das Miteinanderleben und Miteinanderwirken. Es spielt in unserem Leben eine große Rolle. Wir vertrauen auf die solide Arbeit der Handwerker, wir vertrauen auf die Ehrlichkeit der Kaufleute. Vertrauen ist auch die Grundlage der Religion. Unser Glaube ist wesentlich Zeugnisglaube und Autoritätsglaube. Wir glauben auf das Zeugnis und die Autorität Gottes hin. Es ist Gott, der Allwissende und Wahrhaftige, der den Inhalt des Glaubens offenbart und der als höchste Autorität den Glaubensakt gebietet. Wir glauben Gott, der nicht täuschen und nicht getäuscht werden kann. So liegen im Glauben die sittlichen Gesinnungen der Ehrfurcht, des Gehorsams und des unbedingten Vertrauens. Das Vertrauen in der Hoffnung richtet sich auf Gottes Güte und Barmherzigkeit, auf seine Treue, auf die in Christus erschienene Gnade Gottes. Die heilige Theresia von Lisieux lehrt uns: „Man kann niemals auf den gütigen und mächtigen Gott zu viel vertrauen. Man erhält von ihm alles nach dem Maße des Vertrauens. Was den Herrn kränkt und seinem Herzen wehe tut, das ist der Mangel an Vertrauen.“ Das der Hoffnung eigene Vertrauen muss zuversichtlich, fest, unerschütterlich sein, verbunden mit demütigem Misstrauen gegen einen selbst und mit heilsamer Gottesfurcht verknüpft.

Vertrauen braucht es im Gebet. Das Bittgebet ist die Aussprache unserer Wünsche vor Gott, damit er sie in seiner Macht und Güte erhöre. Der Mensch nimmt im Bittgebet vertrauensvoll seine Zuflucht zu Gott, dem Allmächtigen und Allgütigen. Der Beter muss also vor allem Vertrauen haben. Das Vertrauen schließt die beiden Gewissheiten ein, Gott kann und Gott will helfen. Die theologische Tugend der Hoffnung berechtigt uns in Sachen des Seelenheils zu unbedingtem Vertrauen. In anderen Angelegenheiten ist es der freien Güte Gottes überlassen, ob er unsere Bitten erhört oder nicht. Die Psalmen enthalten eine Fülle vertrauensvoller Gebete. „Ich erhebe meine Augen zu den Bergen, von denen mir Hilfe kommt. Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn, der Himmel und Erde erschaffen hat.“ Alle Heiligen waren Beispiele des Vertrauens auf Gott. Wenn die Not ganz groß wurde, dann ging der heilige Clemens Maria Hofbauer in Wien in die Kirche, klopfte an den Tabernakel und sagte: „Herr, hilf, es ist Zeit.“ Gott wirkt denen, die vertrauen, ungewöhnliche Wunder. Es wird berichtet in der Apostelgeschichte, dass die Leute ihre Betten mit Kranken auf die Straße stellten, damit auch nur der Schatten des Petrus auf sie fiele und sie geheilt würden.

Vertrauen braucht es, wenn der Mensch das Unglück hat, eine Sünde zu begehen. Gott gibt den Sünder nicht auf, er geht ihm nach. Gottes Auge schläft nicht. Wir sind auch in der Sünde nicht allein; unser Heiland verlässt uns nicht. Johannes, der Lieblingsjünger, versichert uns: „Wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher beim Vater: Jesus Christus, den Gerechten.“ Freilich muss der Sünder das Seine tun, um die Sünde zu überwinden. Er ist aufgerufen, mit Ernst und Entschiedenheit, mit Vertrauen und Zuversicht gegen die böse Begierde zu kämpfen. Dem Sünder ist Vertrauen notwendig, dass es ihm gelingen wird, die Neigung zur Sünde, die Anhänglichkeit an die Sünde zu überwinden.

Vertrauen, meine lieben Freunde, braucht es im ganzen Leben, denn es gibt auf Erden keine Sicherheit. Niemand weiß, was morgen sein wird. Keiner ist sicher, den nächsten Tag zu erleben. Alle müssen auf die Wechselfälle des irdischen Daseins gefasst sein. Wenige haben das so deutlich ausgesprochen wie Friedrich Schiller. In seiner Dichtung „Wallenstein“ heißt es: „Frei geht das Unglück durch die ganze Erde. Des Lebens ungemischte Freude ward noch keinem Sterblichen zuteil. Wer besitzt, der lerne verlieren. Wer im Glück ist, der lerne den Schmerz.“ Ja, so ist es. Der Schmerz, meine lieben Freunde, ist der große Lehrer unseres Lebens. Unter seinem Hauche entfalten sich die Seelen. Aber der Christ weiß, er ist nicht allein. Der allgegenwärtige Gott ist bei ihm. Der Ratschluss des Himmels ist gewiss unerforschlich, aber er ist immer weise und gütig, wenn er auch das Menschenherz schmerzlich trifft. Wer auf Gott vertraut, ergibt sich seinem Willen. Er weiß: Was Gott mit mir tut, das kann nicht anders als gut sein. Er sorgt für mich weit mehr, als ich selbst für mich sorgen kann. Der Herr weiß besser, was er tut, als wir wissen, was wir sollen und wollen. „Ein schwaches Menschenkind bin ich“, hat einmal der heilige Augustinus geschrieben, „aber es lebt mein Vater in der Ewigkeit, und der weiß mich sicher zu beschützen.“ Wenn wir uns in Gottes Arme werfen, übernimmt der Herr alles für uns und sorgt für uns ganz wunderbar.

Vertrauen, meine lieben Freunde, braucht es angesichts des Todes. Wenn die Kräfte uns verlassen, wenn der Atem stockt, wenn das Auge bricht, gehen wir in ein Land, das wir nicht kennen. Kein anderer Mensch geht mit uns; man stirbt allein. Aber der Herr, dem wir in der Taufe übergeben wurden, mit dem wir in der heiligen Kommunion zusammengewachsen sind, er bleibt auch im Tode bei uns und geht mit uns in die Welt des Jenseits. Unser Herr versteht sich auf das Sterben, denn er ist selbst gestorben. Er starb mit einem Worte des Vertrauens: „Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist.“ In seinem eigenen Sterben nahm er einen Mann mit in die Ewigkeit, der wie er am Kreuze hing, und dieser Mann hatte Vertrauen zu Jesus. Er wollte nicht viel, er wollte nur ein Gedenken: „Herr, gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst.“ Aber wenn Jesus an einen Menschen denkt, dann ist das eine Rettung, dann ist es ein Heil, dann ist es ein Himmel. Kopernikus, der große Gelehrte in Frauenburg in Ostpreußen, ließ auf sein Grab die Worte schreiben: „Nicht die Gnade des Paulus, nicht die Verzeihung des Petrus, sondern die Erbarmung, die du am Kreuze dem Sünder verliehen, schenke mir, o Herr.“ In der Totenmesse beten wir: „Der vergeben einst Marien, der dem Schächer mild verziehen, Hoffnung hat auch mir verliehen.“ Wir haben oft zu Maria gefleht: „Bitte für uns jetzt und in der Stunde unseres Todes.“ Es ist undenkbar, dass unsere himmlische Mutter uns in diesem endscheidenden Augenblick vergessen oder verlassen könnte, das ist undenkbar.

Vertrauen braucht es im Warten auf die Wiederkunft des Herrn. Wir stehen in der Zeit des Advents. Unsere Gedanken und unsere Herzen richten sich auf den, der gesagt hat: „Das Zeichen des Menschensohnes wird am Himmel erscheinen, und alle werden den Menschensohn kommen sehen in großer Macht und Herrlichkeit.“ Es sind 2000 Jahre vergangen, seit- dem unser Herr sein Wiederkommen in Herrlichkeit versprochen hat. Die Christenheit wartet auf die Einlösung seines Versprechens. Sie wartet mit Geduld und manchmal auch mit Ungeduld oder sogar mit Zweifeln. Der Apostel Petrus erwähnt in seinem 2. Brief Spötter, die sagen: „Wo bleibt seine verheißene Ankunft? Seitdem die Väter heimgegangen sind, bleibt alles so, wie es war von Anfang der Schöpfung an.“ Petrus antwortet, indem er auf Gottes eigene Zeitrechnung verweist: „Vor ihm sind tausend Jahre wie ein Tag.“ Zudem erklärt er den Aufschub des Gerichts mit der Langmut Gottes, die die Menschen zur Bekehrung treiben soll. Das Harren auf Christi Wiederkunft will uns wachsam, gespannt und gerüstet machen. Wir dürfen nicht müde werden, nicht ermatten, wir dürfen unsere Hoffnung auf sein Kommen nicht sinken lassen. Wir müssen auf die Wahrhaftigkeit und Treue unseres Herrn vertrauen. Er wird kommen, wenn seine Stunde da ist. Der Herr täuscht und betrügt uns nicht, aber er erprobt unseren Glauben.

Man kann sich gegen das gebotene und pflichtmäßige Vertrauen verfehlen. Sünden gegen das Vertrauen sind Vermessenheit und Verzweiflung, das Übermaß und das Untermaß des Vertrauens. Der Vermessene vertraut, von Gott in einer Weise Hilfe oder die ewige Seligkeit zu erlangen auf einem Wege, der nicht den göttlichen Anordnungen entspricht. Vermessen ist, wer das Heil allein von der Gnade ohne die Mitwirkung des Menschen erwartet. Vermessen ist, wer freventlich auf Gottes Barmherzigkeit hin sündigt, weil er sich sagt: Er muss es ja wieder verzeihen. Das freiwillige Aufsuchen oder Festhalten einer nächsten Gelegenheit zur Sünde ist entweder ein unmittelbares Wollen der Sünde oder ein vermessenes Vertrauen auf Gottes Gnade oder auf die eigene Kraft. Die Verzweiflung richtet sich gegen das Vertrauen auf die Allmacht, Güte und Treue Gottes. Hier wird die Zuversicht auf Gott und seine Gnade preisgegeben. Der Verzweifelte lässt die Hoffnung und die Zuversicht auf das Helfen Gottes fahren; das Vertrauen bricht zusammen. Menschen in äußerster Not und Verlassenheit sind in Gefahr, ihr Vertrauen auf Gott zu verlieren. Der Christ, meine lieben Freunde, darf nie verzweifeln. Er darf nie das Vertrauen aufgeben, dass Gott ihm die Sünden verzeihen oder im Unglück helfen werde. Denn die Barmherzigkeit Gottes ist unendlich groß. Wer an der Barmherzigkeit Gottes verzweifelt, beschimpft Gott geradeso wie einer, der zweifelt, dass Gott existiert.

„Zu dir erhebe ich meine Seele; mein Gott, auf dich vertraue ich. Drob werd’ ich nicht erröten, noch sollen meine Feinde mich verlachen. Denn die vielen, die auf dich warten, werden nicht enttäuscht.“ So beten wir in der heiligen Messe des heutigen 1. Adventssonntages. Es ist ein Gebet des Vertrauens. Gott gebietet uns, auf seine Macht und Güte zu bauen. Im Alten Bund wurde das Vertrauen auf Gott häufig und immer wieder ausgesprochen. Der Heiland betete ja am Kreuze den Psalm 21, und im Psalm 21 heißt es: „Auf dich vertrauten unsere Väter; sie vertrauten, und du hast sie errettet. Zu dir riefen sie, und es ward ihnen Hilfe. Auf dich hofften sie, und sie wurden nicht enttäuscht.“ In einem anderen Psalm heißt es: „Alle, die auf dich warten, werden nicht zuschanden.“ In einem dritten Psalm bekennt der Beter die erfolgte Erhörung: „Der Herr ist mein Helfer und mein Hort. Auf ihn vertraute mein Herz, und er hat mir geholfen.“ Im Neuen Bund richtet sich unser Vertrauen auf den Herrn, der seinen Jüngern gesagt hat: „Seid getrost: Ich habe die Welt überwunden.“ Als Paulus in Rom in der Gefangenschaft war, schrieb er an die Gemeinde in Philippi: „Ich habe das Vertrauen, dass der, welcher das gute Werk in euch begonnen hat, es auch vollenden wird, bis zum Tage Christi.“ Sogar im profanen Bereich, meine lieben Freunde, lebt das Bewusstsein von der Treue Gottes. Auf amerikanischen Geldscheinen findet sich die Aufschrift: „IN GOD WE TRUST“ – wir vertrauen auf Gott; in God we trust. Der heilige Augustinus aber ruft uns zu: „Er verlässt mich nicht, nie und nirgends, verlasse nur du ihn nicht!“

Amen.

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