Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. Juli 2015

Das Recht schützen und schaffen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir hatten am vergangenen Sonntag versucht, uns Nutzen und Notwendigkeit des Rechtes vor Augen zu führen. Wir sollen von Nutzen und Notwendigkeit des Rechtes überzeugt sein. Das war der erste Satz, den wir uns merken wollen, der zweite lautet: Wir sollen das Recht schützen. Denn das Recht ist immer gefährdet. Die Gefahren erheben sich in unserem eigenen Inneren: die Selbstsucht, die Laune, die Willkür, die Begierde, die Leidenschaft; das sind die Feinde des Rechtes. Vor diesen Feinden ist das Recht nur sicher, wenn uns das Rechtsbewusstsein prägt, wenn uns das Recht in Fleisch und Blut übergeht, jedem einzelnen und auch der Gesamtheit. Es muss die Überzeugung bestehen, dass das gerechte Recht nicht verletzt werden darf. Recht muss Recht bleiben. Dieses Durchdrungensein vom Recht ist in manchen Gebieten schon weit fortgeschritten, z.B. in den Sportregeln oder in den Spielregeln. Aber in den viel wichtigeren Gebieten, da, wo das Recht die Achtung vor den Gesetzen der Biologie, der Wirtschaft, der Politik und des Sozialen fordert, da ist noch ein weiter Rückstand in der Beobachtung des Rechtes. Es gibt eine gemeinsame Verantwortung für das Recht, eine gemeinsame Pflicht füreinander, dem Recht zu seinem Recht zu verhelfen. Wir müssen die Kinder erziehen, aber auch die Erwachsenen; und diese Erziehung für die Erwachsenen vollzieht sich auch in der Form des Strafrechtes. Es gibt ein Strafrecht, das die Folgen des Rechtsbruches ahndet. Ein Recht, das den Rechtsbrecher fühlen und lernen lässt, dass es nicht gleichgültig ist, ob man sich dem Recht fügt oder nicht. Wenn eine Rechtsnorm vorhanden ist, eine Verbotsnorm aufgestellt wird, dann muss auch Vorsorge getroffen werden für den Fall, dass diese Norm übertreten wird. Das Strafrecht ist nicht Rachsucht, als ob sich der Staat für Verbrechen rächen wollte. Es ist aber auch keine Anmaßung des göttlichen Rechtes, als ob der Mensch den Rechtsbruch durch Strafe wiedergutmachen könnte. Nein, es bedeutet Erziehung, Erziehung zum Recht, Erziehung für Unmündige, Schwache und Böswillige. An der Strafe muss der Mensch inne werden, dass er für die Folgen seiner Tat einstehen muss.

Das Strafrecht ist ein Teil der Rechtsordnung. Es setzt die Merkmale des verbrecherischen Handelns fest und knüpft daran eine Rechtsfolge. Als Aufgabe des Strafrechts gilt es, die elementaren Werte des Gemeinschaftslebens zu schützen. Welche diese sind, darüber besteht in unserem Volk keine Einigkeit. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Gesetzgeber fortwährend von dem Grundsatz getrennt, dass das Strafrecht erzieherisch wirken soll. Infolgedessen wurden lästige Tatbestände im Strafrecht abgeschafft, vor allem im Bereich des Sexualstrafrechtes. Bis etwa 1962 sah man es als Aufgabe des Strafrechts an, die guten Sitten zu prägen und zu erhalten – die guten Sitten. Heute ist man davon abgekommen. Das Strafrecht soll nicht mehr einen moralischen Standard durchsetzen, sondern es soll lediglich die Gesellschaft vor Störungen und groben Belästigungen schützen. Das ist ein gewaltiger Paradigmenwechsel! Als sozialschädlich sieht man heute z.B. nicht mehr den Ehebruch an, nicht mehr die Homosexualität, nicht mehr die Unzucht mit Tieren. Bald wird es soweit sein – und man hört schon die ersten Stimmen –, dass auch der Inzest, die Blutschande, der Beischlaf zwischen Verwandten nicht mehr strafrechtlich relevant sein soll. So weit sind wir gekommen. Welche Verirrung! Die Strafe soll die Größe und Schwere des Rechtsbruches ahnden lassen. Man kann nicht sagen, dass der Gesetzgeber sehr einfallsreich ist, wenn er Strafen verhängt. Praktisch haben wir ja nur noch Geld- und Haftstrafe. Die Todesstrafe ist abgeschafft. Es kann Zeiten geben, in denen sie nicht entbehrt werden kann. Gewiss, wir sollen darauf hinarbeiten, dass die massiven Körperstrafen ersetzt werden durch andere, aber gerade um des Rechtes willen kann es notwendig sein, zu Zeiten und bei bestimmten Fällen auch die Todesstrafe anzuwenden. Die Kirche hat niemals gesagt, die Todesstrafe ist von Gott verboten.

Das Recht, das Gott gesetzt hat, besitzt eine gewisse Erzwingbarkeit. Wir sind verpflichtet, seine Erfüllung von dem einzelnen zu erzwingen, soweit diese Erfüllung notwendig ist, notwendig für unser Menschsein, für unser gemeinschaftliches Menschsein, für unser menschenwürdiges Leben. Das Strafrecht ist ein notwendiger Schutz für den Rechtswilligen und schließt somit das Recht der Notwehr ein; Recht der Notwehr für den einzelnen, aber auch Recht der Notwehr für ein ganzes Volk. Ein Volk, das sich in seinem Leben, in seiner Existenz, in seinen höchsten Werten bedroht sieht, darf zur Abwehr mit Waffengewalt schreiten. Das ist kein Ersatz des Rechtes durch die Gewalt, sondern das ist die Ausübung eines höheren Rechtes gegenüber einem niederen. Aber auch im Kriege, meine lieben Freunde, darf das Recht nicht schweigen. Es gibt ein Kriegsrecht, ein Völkerrecht des Krieges. Dieses Kriegsrecht schafft Rechte und Pflichten ohne Rücksicht darauf, wer der Angreifer und wer der Angegriffene ist. Die Normen des Kriegsrechts sollen den Krieg so eindämmen und lenken, dass die menschlichen Leiden – von denen er ja notwendig begleitet ist – möglichst gemildert werden. In diesem Sinne ist das Kriegsrecht humanitäres Recht. Teile des Kriegsrechts sind von den Völkern kodifiziert worden, so in der Haager Landkriegsordnung von 1907 und in der Genfer Vereinbarung von 1949. Die kriegsrechtliche Grundregel lautet: Kriegshandlungen dürfen nur gegen militärische Objekte gerichtet werden. Kriegshandlungen dürfen nur gegen militärische! Objekte gerichtet werden, d.h. wir sehen, wie völkerrechtswidrig es war, wenn die Alliierten im letzten Kriege die Städte mit Bombenteppichen überzogen. In einer Nacht sind in Hamburg 42 000 Zivilisten getötet worden.

Der dritte Satz des Rechtes lautet: Wir sollen das Recht schaffen. D.h. Gott hat uns nur die Anlage zum Recht gegeben, die Umrisse des Rechtes festgelegt. Wir sollen diese Anlage ausbauen und die Umrisse gestalten. Es gibt also nicht nur ein göttliches, es gibt auch ein menschliches Recht, ein von Menschen geschaffenes, aber von Gott gewolltes Recht: ein Staatsrecht, ein Völkerrecht, ein Kirchenrecht. Auch darin liegt ein Stück unserer Gottähnlichkeit, dass wir aufgerufen sind, das Recht zu schaffen. Diese schöpferische Tätigkeit soll den Bereich der Willkür, der Rücksichtslosigkeit, der Leidenschaft immer weiter zurückdrängen und den Bereich der vernunftgemäßen Ordnung des Lebens und des Zusammenlebens immer mehr ausdehnen. Dadurch soll unser Leben gefestigt, gesichert und geschützt werden. Ja, das ist es, meine lieben Freunde, das Recht ist der Schutz des Schwachen. Die schmalste Rechtsposition ist besser als die Willkürherrschaft. Wer sich auf ein Recht, und sei es noch so klein, stützen kann, der ist nie ganz verlassen. Wir Ostdeutschen haben es erlebt, was es heißt, rechtlos zu sein. Als die Rote Armee nach Schlesien kam, da waren wir Freiwild. Ich habe es erlebt, dass mir ein russischer Offizier auf offener Straße Ohrfeigen austeilte. Das Recht kann auch nicht ersetzt werden durch die Liebe. Es ist vergeblich, auf Liebe und Barmherzigkeit zu bauen, wenn kein Rechtsboden vorhanden ist. Erst muss einmal jedem sein Recht werden, dann kann die Liebe sich darüber hinaus erheben.

Unser Staat ist ein Rechtsstaat, d.h. seine Tätigkeit wird vom Recht bestimmt und begrenzt. Das staatliche Recht gibt dem gesellschaftlichen Leben Maß und Form. Unsere Kirche ist eine Rechtskirche, d.h. ihre Verfassung ist rechtlich strukturiert. Die Grundlage ihrer Struktur ist das durch die Offenbarung gesetzte göttliche Recht. Dass es also eine Hierarchie gibt, dass die Sakramente an bestimmt Voraussetzungen gebunden werden, das ist göttliches Recht. Es gibt auch in der Kirche ein menschliches Recht. Soeben haben wir einen Fall erlebt, in dem sich der Rechtscharakter der Kirche bewährt hat. Der Pfarrer Spätling hat bei einer Demonstration der „Pegida“, die sich gegen Überfremdung wehrt, eine Ansprache gehalten. Was tat der Bischof von Münster? Er entzog ihm die Predigtvollmacht. Er sollte künftig nicht mehr predigen dürfen, weil er diese Ansprache gehalten hatte. Der Pfarrer Spätling wandte sich an den Heiligen Stuhl. Und siehe da, die Kongregation für den Klerus hat das Verbot des Bischofs von Münster aufgehoben, es sei unverhältnismäßig, der Bischof sei zu weit gegangen. Das ist etwas Wunderbares, dass hier einmal ein kleiner Feld-, Wald- und Wiesenpriester von höchster Warte sein Recht bekommen hat. Das Recht schützt eben das Vertrauen des Staatsbürgers und des Kirchengliedes. Es schützt das Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der ihn umgebenden rechtlich bedeutsamen Verhältnisse. Man spricht von Rechtssicherheit. Sie garantiert dem einzelnen die gleiche rechtliche Wertung gleichartiger Fälle, sie garantiert die Voraussehbarkeit der Rechtsfolgen, sie garantiert die Durchsetzung der von den amtlichen Organen getroffenen Entscheidungen.

Mit fortschreitender Kulturhöhe sollte das Zusammenleben der Menschen immer mehr vom Recht und nicht von kriegerischen Auseinandersetzungen bestimmt sein. Wir hoffen, dass wenigstens in Europa der Krieg nicht mehr als ein Mittel der Notwehr angesehen wird, denn der Krieg kann heute das Werkzeug der Vernichtung ganzer Völker sein. Die Kriege müssen von innen heraus aufhören, weil das Recht zum Krieg erloschen ist, weil die Kriege aufhören, Rechtsmittel der Notwehr zu sein, weil sie den Charakter verlieren, der ihnen einzig als Rechtfertigung dienen kann. Wir sind selbstverständlich friedensbereit, friedenswillig und friedensfördernd. Wir wollen, dass die Gesinnung der Rechtsbeugung des Hasses und der Gewalt, der Willkür und des Eigennutzes immer mehr zurückgedrängt, ja, ausgerottet wird im Verkehr mit unseren einzelnen Nebenmenschen und im Verkehr mit den Völkern. Aber, meine lieben Freunde, wir können die Augen vor der Wirklichkeit nicht verschließen. Es sieht nicht danach aus, dass diese Achtung vor dem Recht sich überall durchsetzt. Man hat vielmehr den Eindruck, dass die ungerechte Gewalt zunimmt und sich ausbreitet. Die Menschheit ist noch lange nicht bei der Achtung vor dem Recht angelangt. Viele, allzu viele bauen noch auf Gewalt und auf Terror. Die Islamisten schießen mit Maschinenpistolen die Badegäste in Tunesien zusammen, sie reißen in Bagdad mit Dynamittonnen Hunderte in den Tod. Der unerhörte Kampf der Islamisten, des militanten Islam ist eine Bedrohung für die ganze Menschheit. Zehntausende, Hunderttausende fliehen, werden aufgenommen von uns. Aber viel wichtiger wäre es, die Ursachen dieser Flucht zu beseitigen, in den Ländern, aus denen die Asylanten kommen, das Recht durchzusetzen und die Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen. In den Heimatländern der Geflohenen, da muss Ruhe und Ordnung hergestellt werden, müssen Gewalt und Rechtlosigkeit ausgeschaltet werden. Recht ohne Macht ist wehrlos. Das Recht muss stark sein, muss sich mit der Macht verbünden, wenn es sich durchsetzen soll und wenn es der Schutz der Wehrlosen sein soll. Es muss das Ziel der Menschheitsgemeinschaft sein, Institutionen zu schaffen und Unternehmungen ins Werk zu setzen, die auf dem Boden des Rechts mit den Mitteln ausgerüstet sind, die Rechtlosen zu schützen und die Rechtsbrecher niederzuwerfen. Auch dazu hat Gott das Recht vorgesehen. „Gottes Reich“, heißt es im Psalm 119, „Gottes Reich ist ein Reich, in dem man das Recht lieb hat.“ Gott ist überall, wo man das Recht verwaltet.

Amen.

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