Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
31. Mai 2015

Der Weg zum nicänischen Bekenntnis

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Verehrung des dreifaltigen Gottes Versammelte!

Die Christen waren Monotheisten. Der Glaube an den einen und einzigen Gott war für sie eine Selbstverständlichkeit. So waren sie von Jesus belehrt worden. Alle Schriften des Neuen Testamentes setzen den Eingottglauben voraus. Vielgötterei ist Götzendienst. Götzendienst ist so viel wie Gottlosigkeit, denn die Götter gibt es nicht; sie sind Nichtse. Der Götzendienst ist Verachtung des wahren Gottes und führt zwangsläufig unter die Herrschaft dämonischer Mächte. Das Neue Testament hat den Eingottglaube der Juden übernommen und vertieft. Es führte einen entschiedenen Kampf gegen die Vielgötterei, auf welche die Verkünder der Christoffenbarung überall stießen: in Lystra, in Athen, in Ephesus. Das Bekenntnis zu dem einen Gott wird vor allem in der Heidenmission aktuell. An die Heiden ergeht nämlich die Aufforderung, sich von den nichtigen Götzen zu dem wahren einen Gott zu bekehren. In Lystra – das liegt in der heutigen Türkei – hatte Paulus einen Gelähmten geheilt. Als die Volksscharen dessen gewahr wurden, riefen sie: „Die Götter sind in Menschengestalt zu uns gekommen.“ Sie bezeichneten Barnabas als Zeus und Paulus als Hermes. Sie brachten Stiere und Kränze vor die Tore der Stadt und wollten Opfer darbringen. Als die Apostel Paulus und Barnabas dessen gewahr wurden, zerrissen sie ihre Kleider, sprangen auf und riefen dem Volk zu: „Ihr Männer, was tut ihr da? Wir sind Menschen von gleicher Art wie ihr. Bekehrt euch von den Nichtigkeiten zu dem lebendigen Gott, der Himmel und Erde und das Meer geschaffen hat.“ Als Paulus nach Athen kam und in der Stadt umherging, betrachtete er die vielen Heiligtümer der Athener. Und da fand er einen Altar, auf dem geschrieben stand: „Einem unbekannten Gott“. Da erklärte er den Bewohnern: „Was ihr, ohne es zu kennen, verehrt, das verkündige ich euch.“ Dann hob er an, seinen Zuhörern den Gott der Christen zu erklären. Die Gemeinde in Saloniki erinnert Paulus daran, wie sie sich von den Götzen dem lebendigen Gott zugewandt hat, um ihm zu dienen. Die Christen waren entschiedene Bekenner des Eingottglaubens.

Aber: Das Bekenntnis zu dem einzigen Gott ist von Anfang an mit dem Bekenntnis zu dem einzigen Herrn Jesus Christus verzahnt. An die Gemeinde an Korinth schreibt Paulus: „Für uns existiert nur ein einziger Gott, aus dem alles ist und für den wir sind, und ein einziger Herr, Jesus Christus, durch den alles ist und wir durch ihn.“ Beides gehört zusammen, ja, es ist sogar Pflicht: „Jede Zunge soll bekennen: Jesus Christus ist Herr“, und darin liegt das Heil. „Wenn du mit dem Munde bekennst, Jesus ist Herr, und wenn du mit dem Herzen glaubst, dass Gott ihn von den Toten erweckt hat, dann wirst du gerettet werden.“ Der entscheidende Schritt zur Offenbarung der Dreifaltigkeit geschah durch die Menschwerdung des Sohnes Gottes und durch die Sendung des Heiligen Geistes, also gesprochen in der Festkultur unserer Kirche durch Weihnachten und durch Pfingsten. Aber jetzt musste überlegt werden, wie sich die Einheit Gottes mit der Existenz des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes vereinbaren lasse. Das christliche Nachdenken ging davon aus, das zwischen dem Vater und dem Sohn – wie ja die Namen schon sagen – eine enge Beziehung bestände. So wird das Gottsein Gottes durch die Gottessohnschaft Jesu und die Messianität Jesu durch die Vaterschaft Gottes bestimmt. Jesus ist ganz und gar auf den Vater ausgerichtet, und der Vater handelt durch ihn, in ihm und auf Christus hin in seinem Offenbaren, Richten und Erlösen. Die Beziehungen zwischen Vater und Sohn sind durch zwei Tatsachen grundgelegt. Erstens: Es besteht eine untrennbare Verbindung zwischen der Gottesherrschaft und Jesus. Die Propheten, auch Johannes der Täufer noch, haben die Botschaft von der Gottesherrschaft verkündet als zukünftig. Jesus hat ihre unmittelbare Nähe angesagt, ja, er hat ihre Präsenz, ihre Gegenwart in seiner Person und in seinem Wirken verkündet. In Jesus wird die Gottesherrschaft Ereignis, wird die Gottesherrschaft zur Christusherrschaft. Zweitens: Die Beziehung zwischen Vater und Sohn wird bestimmt durch das „Für uns“ und das „Ein für alle Mal“ des Todes und der Auferweckung Jesu. Gott hat ihn für uns hingegeben und um unseretwillen auferweckt und zum Himmel erhöht. Was Jesus starb, starb er der Sünde ein für alle Mal; was er lebt, lebt er Gott. Er wurde hingegeben unserer Sünden wegen und auferweckt unserer Rechtfertigung wegen. Die Einzigkeit Gottes ist wesentlich verknüpft mit der Einzigkeit des Herrn Jesus Christus. Es gibt nur einen Gott und einen Mittler zwischen Gott und den Menschen: den Menschen Christus Jesus, der sich selbst hingab als Lösegeld für alle als Zeugnis zur rechten Zeit.

Johannes, der Evangelist, sagt die Einheit zwischen Gott und Jesus mit den Begriffen „Vater“ und „Sohn“ aus. Diese Einheit umfasst Zeit und Ewigkeit, das gesamte Offenbarungshandeln Gottes und die Fülle des eschatologischen Heils. Denn die Einheit wurzelt in der Liebe des Vaters zum Sohne und in der Liebe des Sohnes zum Vater. Johannes zeigt, dass die Bezeichnung Jesu als Gott – und das tut er: „Mein Herr und mein Gott“, sagt Thomas – in keiner Weise die spezifische Größe des Vaters beeinträchtigt. „Ich – ich! – und der Vater sind eins“; ein fundamentaler Satz für die Dreifaltigkeitslehre: Ich und der Vater sind eins. In dem Wort „Ich und der Vater sind eins“ bezieht sich das „eins“ auf das Wesen des Vaters und des Sohnes, und „sind“ bezieht sich auf die Personen. Hier haben wir gewissermaßen die ganze Dreifaltigkeitslehre in nuce, in einem einzigen Satz enthalten: Ich und der Vater sind eins. „Eins“ bezieht sich auf die Einheit der Gottheit; „sind“ betrifft die Personen.

Nun hat man sich natürlich Gedanken gemacht, wie begrifflich Einheit und Dreiheit vereinigt werden können. Die Christen wollten ja keine Dummköpfe sein, die sich nachsagen ließen, sie können nicht das Einmaleins. Die ältesten Schriftwerke der Kirchenväter sprechen sich über das Verhältnis der drei göttlichen Personen zueinander noch mit einer gewissen Unbestimmtheit aus. Man glaubte an den Erlöser als Gott und den Sohn Gottes, aber man gab sich zunächst keine nähere Rechenschaft über seine höhere Natur und seine Beziehung zu Gott, dem Vater. Die entscheidende Frage war aber, wie der Glaube an die Gottheit des Sohnes mit dem Glauben an die Einheit Gottes vereinbart werden kann. Im 3. Jahrhundert suchte man das Problem, wie folgt zu lösen: Man nahm an, der LOGOS (also die zweite Person in Gott) sei ursprünglich die Vernunft Gottvaters. Zum Zweck der Weltschöpfung und Weltregierung sei sie jedoch von diesem aus seinem Inneren entlassen oder gezeugt und so eine eigene Person geworden. Durch diese Ansicht wurde der Sohn dem Vater untergeordnet, weil die Ewigkeit seiner persönlichen Existenz gefährdet wurde, und weil seine Zeugung, sein Hervorgehen aus dem Vater als ein freier Willensakt angesehen wurde, nicht naturnotwendig geschah. Aber immerhin: Die Einheit der Gottheit und die Gottheit des Sohnes wurde festgehalten. Dann gab es aber Christen, die einen überwiegenden Nachdruck auf die Einheit Gottes legten. Und das führte dazu, dass sie Christus, den Erlöser, für einen bloßen übernatürlich, aus der Jungfrau und dem Heiligen Geist geborenen Menschen erklärten. Bei der Taufe sei die Kraft Gottes über ihn gekommen, er sei dadurch mit göttlichen Kräften erfüllt worden, in ihm habe der unpersönliche LOGOS oder die Weisheit Gottes wie in einem Tempel gewohnt. Danach ist die Verbindung des Erlöser, also Jesu, mit Gott nur eine willensmäßige, nicht eine naturhafte, und damit wurde die Dreifaltigkeit aufgelöst. Andere Christen erblickten in dem Erlöser den Vater selbst. Sie identifizierten die Personen. Der Vater hat gelitten, sagten sie, deswegen nannte man diese Leute „Patripassianer“; pater passus est – der Vater hat gelitten. Besonders tat sich bei dieser Irrlehre hervor ein gewisser Sabellius. Er nahm drei Offenbarungen Gottes an, drei Offenbarungsweisen, nämlich als Vater in der Schöpfung, als Sohn in der Erlösung, als Geist in der Heiligung. Nach diesem Theologen sind in Gott nicht drei Personen, sondern drei Offenbarungsweisen; Gott offenbart sich dreifach in verschiedener Weise. Und das soll die Dreifaltigkeit sein. Es ist ohne weiteres klar, dass diese Lehre mit dem Glauben der Kirche nicht zu vereinbaren war. Und tatsächlich, sowohl die dynamistischen als auch die modalistischen Monarchianer – wie man sie nannte – wurden aus der Kirche ausgeschlossen.

Wie aber die Gottheit des Sohnes sich zu der des Vaters näherhin verhielt, darüber gab es noch keine autoritative Entscheidung. Weit verbreitet war die Meinung, den Sohn als dem Vater irgendwie untergeordnet darzustellen. Entweder brachte man seine Zeugung mit der Weltschöpfung in Zusammenhang, und dann gefährdete man seine Ewigkeit, oder man dachte ihn als ein geringeres göttliches Wesen als den göttlichen Vater. Der schlimmste Unterordner, Subordinatianer, den es gab, war der Priester Arius aus Alexandrien. Dieser Presbyter Arius ordnete den Sohn nicht nur dem Vater unter, sondern er sprach ihm das göttliche Wesen und die göttlichen Eigenschaften geradezu ab, namentlich die Ewigkeit und das Ausgottsein. Nach Arius ist der LOGOS ein Gebilde (ein Geschöpf) des Vaters, veränderlich und entwicklungsfähig, dem Wesen nach dem Vater fremd, nur dem Willen nach mit ihm vereint, in Voraussicht seiner Verdienste durch einen besonderen Gnadenakt als Sohn Gottes angenommen. Es ist klar, meine lieben Freunde, was das bedeutet. Arius erniedrigte den LOGOS zu einem Heros oder Halbgott und fiel damit ins Heidentum zurück. Der Glaube der Kirche und die Einheit der Kirche im Glauben waren durch Arius in höchster Weise gefährdet. Es musste etwas geschehen, und es geschah etwas. Kaiser Konstantin rief ein Konzil, ein gesamtkirchliches Konzil in Nicäa – in der heutigen Türkei gelegen – zusammen. Das geschah im Jahre 325. Es kamen 318 Bischöfe aus dem ganzen katholischen Erdenrund zusammen: Anhänger des Arius, Gegner des Arius und eine Mittelpartei. Es kam zu erregten Verhandlungen. Der Kaiser musste eingreifen, um den Frieden wieder herzustellen unter den Vätern. Aber am 19. Juni 325 wurde das endgültige Glaubensbekenntnis von Nicäa angenommen,das Glaubensbekenntnis, meine lieben Freunde, das wir jeden Sonntag in der heiligen Messe beten, freilich erweitert durch das Konzil von Konstantinopel im Jahre 381. Nach diesem Glaubensbekenntnis ist der Sohn aus dem Wesen des Vaters, Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, wesensgleich dem Vater, durch den alles im Himmel und auf Erden gemacht ist. Der entscheidende Begriff des Konzils von Nicäa ist das griechische Wort „homoousios“. Homoousios heißt deutsch: wesensgleich. In einem Anhang hat das Konzil auch noch die Hauptsätze des Arius verurteilt, nämlich dass es eine Zeit gab, wo der Sohn Gottes nicht war, dass er aus dem Nichts geworden sei, aus einer anderen Substanz oder Wesenheit als der Vaters, dass er geschaffen sei, veränderlich oder wandelbar. Das Konzil von Nicäa hat Klarheit, endgültige Klarheit über das Verhältnis des Sohnes zum Vater geschaffen. Über das Verhältnis des Geistes zum Vater wurde das Konzil von Konstantinopel 381 einberufen und hat seine Stellung ebenfalls geklärt. Bischöfe, welche die Annahme des Bekenntnisses von Nicäa verweigerten, wurden exkommuniziert und vom Kaiser verbannt. Die Schriften des Arius wurden zur Verbrennung verurteilt; auf ihren heimlichen Besitz wurde die Todesstrafe gesetzt. Also man hat mit schärfsten Maßnahmen versucht, das Konzil von Nicäa durchzusetzen. Es ist dieses Konzil das erste in der Reihe der Kirchenversammlungen, ein Markstein in der Geschichte des Dogmas und der Reichskirche. Als die große und heilige Synode der 318 Väter gewann das Konzil im Orient geradezu religiöse Verehrung. Die Beschlüsse des Konzils sind zeitlos gültig. In ihnen hat der Heilige Geist für die Wahrheit Zeugnis abgelegt. Das Dogma von Nicäa ist genauso vom Heiligen Geist garantiert wie die Heilige Schrift.

Die Lehre von der Dreifaltigkeit ist in der Hierarchie der Glaubenswahrheiten die grundlegendste und wesentlichste: Wir sind Christen, weil wir an den dreifaltigen Gott glauben. Und wer daran nicht mehr glaubt – wie viele Protestanten –, kann eigentlich nicht mehr Christ genannt werden. Gott ist der Herr, der einzige Herr; der Vater ist Herr, der Sohn ist Herr, der Geist ist Herr. Aber das Herrsein wird von Gott ausgesagt, von seinem Wesen, und deswegen nicht drei Herren, sondern ein Herr in drei Personen. Wir bekennen nicht drei Götter, sondern einen einzigen Gott in drei Personen, die wesensgleiche Dreifaltigkeit. Die göttlichen Personen teilen nicht etwa die einzige Gottheit unter sich auf, sondern jede von ihnen ist voll und ganz Gott. Der Vater ist dasselbe wie der Sohn; der Sohn ist dasselbe wie der Vater; der Vater und der Sohn sind dasselbe wie der Geist, nämlich eine Natur von Gott. So hat es das Konzil von Toledo im Jahre 675 lichtvoll erklärt. Die drei Personen sind aber real voneinander unterschieden. Der eine Gott ist nicht gleichsam für sich allein. Vater, Sohn und Geist sind nicht bloß Namen, die Seinsweisen des göttlichen Wesens bezeichnen, nein, sie sind real voneinander unterschieden. Der Vater ist nicht derselbe wie der Sohn; der Sohn ist nicht derselbe wie der Vater; und der Heilige Geist ist nicht derselbe wie der Vater und der Sohn – wiederum definiert vom Konzil von Toledo 675. Die heilige Dreifaltigkeit ist eins im Wesen und dreifach in den Personen. Die drei göttlichen Personen beziehen sich aufeinander. Sie sind real verschieden, aber ihre Verschiedenheit liegt einzig in den gegenseitigen Beziehungen. Mit dem Namen des Vaters wird nämlich die Beziehung auf den Sohn ausgedrückt und des Sohnes auf den Vater, und der Heilige Geist wird auf beide bezogen. Wegen dieser Einheit ist der Vater ganz im Sohn, ganz im Geist; ist der Sohn ganz im Vater und ganz im Geist; und ist der Geist ganz im Vater, ganz im Sohn. Meine lieben Freunde, es gibt keine Wahrheit unseres Glaubens, die so tief und unergründlich ist wie die heiligste Dreifaltigkeit. Ich habe deswegen beschlossen, an den kommenden drei Sonntagen dieses Geheimnis zum Gegenstand unserer Überlegungen zu machen. Wir wollen an vier Sonntagen uns mit dem Grundgeheimnis unseres Glaubens befassen: mit der heiligsten Dreifaltigkeit. Für heute wollen wir schon sagen:

O heiligste Dreifaltigkeit,

o ungeteilte Einheit,

wir beten dich an und verehren dich.

Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste.

Wie es war im Anfang,

so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit.

Amen.

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