Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
22. Juni 2014

Die wirkliche Gegenwart des Herrn

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am vergangenen Donnerstag, am Fest Fronleichnam, haben wir versucht, uns das Geheimnis vor Augen zu führen, das in dem lateinischen Worte Transsubstantiation beschlossen ist. Die deutsche Übersetzung Wesensverwandlung trifft genau den Sinn dieses Wortes. Es will aussagen, dass in einer geheimnisvollen, nicht empirisch erfahrbaren Tiefe eine Veränderung in den Gestalten von Brot und Wein vor sich geht, die als eine Wesensveränderung der Substanz, also des Kerns eines Seienden, ausgewiesen ist. Transsubstantiation ist ein geheiligtes Wort, sein Inhalt ist ein Dogma, ein Glaubenssatz der Kirche. Die Transsubstantiation begründet die wirkliche Gegenwart des Leibes und Blutes Christi, seiner Seele und des göttlichen LOGOS unter den Gestalten von Brot und Wein. Lateinisch wird dieser Vorgang als Realpräsenz bezeichnet. Real, das bedeutet wirklich, und Präsenz bedeutet Gegenwart – wirkliche Gegenwart von Leib und Blut des Herrn. Als im 16. Jahrhundert Glaubensneuerer aufstanden und mit anderen Wahrheiten auch die Wahrheit der Wesensverwandlung leugneten, hat das Konzil von Trient dagegen Stellung genommen und erklärt, dass in dem Altarsakrament „wahrhaft, wirklich und wesentlich Leib und Blut, Seele und Gottheit unseres Herrn Jesus Christus und folglich der ganze Christus zugegen sind“. Das ist das Geheimnis unserer Altäre, der größte Schatz der Kirche und das höchste Gut des katholischen Christen. Die drei Adverbien: wahrhaft, wirklich, wesentlich sind nicht willkürlich gewählt, sondern mit Absicht. Sie richten sich gegen falsche Ansichten der Glaubensneuerer. Zwingli, in der Schweiz, erklärte: „Das Brot ist bloßes Zeichen des Leibes Christi. Es weist symbolisch auf den Leib Christi hin, aber der Leib Christi ist nicht vorhanden.“ Dagegen sagt das Konzil von Trient: „Wahrhaft“, nicht bloß als Zeichen, ist Christus gegenwärtig, wahrhaft, also mit seinem echten Leibe, mit seinem echten Blute. Der wahre Leib des Herrn ist gegenwärtig. Ökolampad, ein anderer Irrlehrer, erklärte: „Die Eucharistie ist ein Bild des Leibes Christi“ – ein Bild, also eine Abbildung, eine Reproduktion. Dagegen sagt das Konzil von Trient: „Wirklich“, nicht bloß bildhaft, wirklich, tatsächlich ist der Leib Christi vorhanden. Der Dritte, Calvin, lehrte: „In der Eucharistie ist eine Kraft des Leibes Christi. Der Kraft nach ist Jesus zugegen im Augenblick des Genusses.“ Dagegen erklärt das Konzil von Trient: „Wesentlich“, nicht bloß eine Kraft, sondern der Kraftträger ist anwesend: Jesus Christus, nicht bloß seine Ausstrahlung, sondern er selbst. Das ist die katholische Lehre vom Leibe Christi, der in der Eucharistie wirklich gegenwärtig ist. Diese Lehre, meine lieben Freunde, ist heute in unerhörter Weise bedroht. Es ist ja nur konsequent: Wenn man keine Transsubstantiation bekennt, kann man auch keine Realpräsenz bekennen. Das „Neue Glaubensbuch“, das in Deutschland in Gebrauch ist, verflüchtigt die Gegenwart Christi, indem es zu einer bloßen Anwesenheit im Geiste, nicht zu einer Gegenwart des Leibes Christi kommt. Aber gerade darauf kommt es an. Der Geist Christi ist überall gegenwärtig, aber im eucharistischen Opfersakrament ist der Leib Christi anwesend. Ein Theologe namens Sartory schreibt: „Die Gegenwärtigkeit Christi im Altarsakrament besagt eine Verdichtung der kommunikativen Kraft“ – eine Verdichtung der kommunikativen Kraft, d.h. aus einem metaphysischen Geschehen wird ein soziologischer Vorgang mit religiöser Tönung, eine irgendwie geartete Verbindung mit Christus, aber nicht durch die Gegenwart seines Leibes. Der Kirche geht es im Altarsakrament zuoberst und zuerst um Leib und Blut, nicht zuerst um die Gestalten, so unentbehrlich diese für die Realpräsenz sind. Es ist deswegen befremdlich, wenn in der heutigen Weise, vom Altarsakrament zu sprechen, nur noch vom eucharistischen Brot die Rede ist. Denn was hier „Brot“ genannt wird, ist ja nach der Wandlung lediglich die Hülle für die entscheidende Wirklichkeit des Leibes und Blutes des Herrn, seiner verklärten Leiblichkeit und seines verklärten Blutes – selbstverständlich. In dieser Wortverbindung: eucharistisches Brot oder auch heiliges Brot wird das, was Nebensache ist, nämlich die Gestalten, durch das Hauptwort ausgedrückt und das, was die Hauptsache ist, nämlich Leib und Blut Christi, durch das Adjektiv. In dieser Ausdrucksweise liegt eine große Gefahr. Denn allein schon vom sprachlichen Ausdruck liegt die Betonung gewöhnlich auf dem Hauptwort und nicht auf dem Adjektiv. Das Adjektiv, das ja das Wesen, die neue, veränderte Wirklichkeit anzeigen soll, läuft gewissermaßen mit und wird unter Umständen ganz ausgelassen. Ein Günter Weber hat in seinem Religionsbuch für das, was wir gläubig Transsubstantiation und Realpräsenz nennen, die Worte gefunden: „Wenn die Christen ihr Mahl mit Jesus halten, gehen sie zum Altar. Der Priester reicht ihnen ein Stückchen Brot. Sie essen das Brot.“ In solchen Wendungen begegnen unsere Kinder dem geheiligten Geheimnis der Eucharistie. Mit einem solchen Unterricht sollen sie für den Empfang des eucharistischen Opfersakramentes vorbereitet werden. Es gibt Handreichungen für die Erstkommunion, in denen der katholische Glaube nicht wiederzuerkennen ist. In Münster lebte bis vor wenigen Jahren ein gelehrter Indologe, also ein Professor für Indien, Hacker mit Namen. Dieser Indologe hat zum katholischen Glauben gefunden und hat sich als ein Verteidiger dieses Glaubens jahrelang bewährt. Paul Hacker hat einen instruktiven Aufsatz geschrieben mit der Überschrift: „Zur Vernichtung des Messopfer- und Altarsakramentglaubens insbesondere bei den Kindern“, wo er lauter Beispiele für diese Vernichtung aufführt. Man kann sich der Folgen dieser Verunstaltung nur mit Schmerz erinnern. Die junge Generation wächst in der Vorstellung heran, in der Eucharistiefeier werde ihr heiliges Brot ausgeteilt, in dem Christus seine Liebe teilen will. Es ist klar, dass das Brot bald uninteressant wird, denn Christi Liebe erfahren wir auch im Sonnenschein oder im Regen. Heilig ist auch das Brot, das wir zuhause genießen, denn es stammt von Gott. Es ist eine Gabe Gottes. Mir sagte einmal ein Handwerker: „Wegen Brot gehe ich nicht in die Kirche; Brot haben wir auch zuhause.“ Wenn im Tabernakel lediglich heiliges Brot sich befindet, dann ist nicht einzusehen, weshalb sich Gläubige vor dem Tabernakel in Anbetung und stiller Zwiesprache einfinden sollen. Wir alle wissen, dass der Herr im Tabernakel seit Menschengedenken nicht so verlassen war wie seit der so genannten Liturgiereform.

Wenn sich der Angriff des Unglaubens auch in erster Linie gegen den Inhalt des Altarsakramentes richtet, bleiben die Gestalten davon doch nicht unberührt. Denn die Gestalten sind nicht unwichtig, in ihnen birgt sich ja der Herr. Ein Beispiel für diese Umkehrung – auch der Bedeutung der Gestalten – zeigt sich in der Ersetzung des Wortes Gestalt durch das Wort Zeichen. Der wunderbare Hymnus „Adoro te devote“ des Thomas von Aquin spricht von der Verborgenheit Gottes unter den heiligen Gestalten – lateinisch: figuris. Die Übersetzung im Gotteslob macht daraus „Zeichen“. Im lateinischen Text des „Pange lingua“ wird das Wort Sakrament im „Gotteslob“ mit Zeichen übersetzt. Ist dieser Vorgang gewichtig? O ja, meine lieben Freunde, denn zwischen Gestalt und Zeichen bestehen gewaltige Unterschiede. Gestalt ist die eine Wirklichkeit bergende Form oder Hülle; Zeichen dagegen ist ein auf eine nicht enthaltene Wirklichkeit verweisendes Symbol. In der Ersetzung des Wortes Gestalt durch Zeichen vollzieht sich verbal eine Entleerung des eucharistischen Sakramentes. Überhaupt zeigt das Gebetbuch „Gotteslob“ viele Merkwürdigkeiten bezüglich des Altarsakramentes. In dem Lied „Jesus, du bist hier zugegen“ hieß es früher: „Gib uns deinen milden Segen in dem heil’gen Sakrament“. Das „Gotteslob“ macht daraus: „Stärke uns mit deinem Segen durch das heilige Sakrament“. „In“ und „durch“ sind sehr verschiedene Partikel. In dem Lied „Du Heil der Welt, Herr Jesus Christ“ heißt es in der 4. Strophe: „Wer dich genießt in dieser Zeit, wird leben in der Ewigkeit“. Daraus macht das „Gotteslob“: „Wer die genießt in dieser Zeit, wird leben in der Ewigkeit“. „Die“ geht auf die Liebe Jesu, also nicht auf den Leib und das Blut Christi, sondern auf seine Liebe, auf seine Haltung gegen uns. Das katholische Deutschland bekannte in vorkonziliarer Zeit die Anbetungswürdigkeit des Heilandes in den Liedern „Jesus, du bist hier zugegen“ und „O Christ, hie merk“. Beide haben im Stammteil des „Gotteslob“ keine Aufnahme gefunden. Vermutlich war der Text „In der Monstranz ist Christus ganz, kein Brotsubstanz“ für die nachkonziliaren Katholiken nicht mehr zumutbar.

Dazu kommt noch etwas anderes. Theologen wie Karl Rahner vertreten die These, die Gegenwart des Leibes Christi sei in dem Sinne an die Gestalt des Brotes gebunden, dass sie in den kleinsten Teilen nicht mehr gegeben sei, weil diese nicht mehr wirklich als Brot und als Speise bezeichnet werden können. Wer katholisch denkt, fragt sich: Konstituiert das Essen bzw. die Beziehung zum Essen die Gegenwart des Leibes Christi in den einzelnen Elementen des eucharistischen Mahles oder ist sie umgekehrt vor dem Essen und ohne das Essen gegeben? Ist also die verurteilte protestantische Ansicht, die Gegenwart des Leibes Christi sei nur im Gebrauch, d.h. im Empfang, richtig? Man muss Rahner fragen: Wie groß muss ein Brotstück sein, damit es nach seiner Ansicht nicht mehr der Leib Christi ist oder nicht mehr als Leib Christi angesprochen werden kann? Wer entscheidet über die Größe, von der an man etwas nicht mehr als Gestalt des Brotes bezeichnen kann? Man wird annehmen müssen, dass der einzelne Kommunionempfänger das entscheidet, d.h. hier wird der Subjektivismus eingeführt: Was der eine als Gestalt des Brotes ansieht, das sieht der andere nicht mehr als solche an, d.h. im heiligsten Bereich des Gottesdienstes wird der Subjektivismus etabliert. Hier geschieht die Umbiegung des Geschehens – des objektiven Geschehens – im Altarsakrament; dieses wird zu einem Vorgang im Glaubensbewusstsein der Teilnehmer heruntergespielt. Christus ist dann nicht mehr schlechthin da, sondern nur für uns, für uns Gläubige. Darin liegt eine totale und fundamentale Verkehrung der Eucharistie! Selbstverständlich ist die Gegenwart Christi dazu bestimmt, uns Gnade zu schenken, von uns aufgenommen zu werden, aber sie ist unabhängig von dieser Zweckbestimmung gegeben. Die Änderung geht vor sich in einem unsichtbaren, metaphysischen Sein, das jenseits der Empirie liegt.

Meine lieben Freunde, ich bitte Sie: Lassen Sie sich nicht verwirren durch Dunkelheiten und Abwegigkeiten, die heutige Theologen über das Altarsakrament verbreiten. Halten Sie sich an das, was gläubige Katechismen und gläubige Priester Sie gelehrt haben. Halten Sie fest am vollen und unveränderten katholischen Glauben an die reale, d.h. die wirkliche Gegenwart Christi in der Eucharistie. Sie besagt:

1. In der Eucharistie sind der Leib Christi und das Blut Christi zugleich mit seiner Seele und seiner Gottheit und darum der ganze Christus wahrhaft gegenwärtig.

2. Unter jeder der beiden Gestalten ist der ganze Christus gegenwärtig.

3. In jedem Teil der beiden Gestalten ist nach geschehener Trennung der ganze Christus gegenwärtig.

4. Nach vollzogener Konsekration sind Christi Leib und Blut in der Eucharistie dauernd gegenwärtig.

5. Dem in der Eucharistie gegenwärtigen Christus ist der Kult der Anbetung zu erweisen.

Das ist der katholische Glaube an die Eucharistie. Für diesen Glauben, meine lieben Freunde, kündigen wir jede Freundschaft. Für diesen Glauben schlagen wir jede Schlacht.

Amen.

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