20. Januar 2013
Ein heiliger Martyrerbischof
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Die Kirche ist auf dem Fundament der Apostel aufgebaut. Die Apostel sind gestorben, aber sie haben Nachfolger hinterlassen. Wir nennen sie Bischöfe. Im Jahre 110 schreibt der hl. Ignatius von Antiochien, dass überall in der Kirche die Gemeinden durch Bischöfe geleitet werden. Einen dieser Bischöfe wollen wir heute einmal näher betrachten. Es ist der Bischof Cyprian von Karthago. Karthago war damals eine große Stadt, ihre Ruinen liegen heute in der Nähe von Tunis. Cyprian war kein Schwarzafrikaner. Er war ein Römer, der mit italischen Kolonisten nach Afrika gekommen war. Er stammte aus einem wohlhabenden Hause. Seine Eltern ließen ihn zum Juristen ausbilden. Er war ein gesuchter Rechtsanwalt, ein bedeutender Redner. Die Menschen drängten sich um ihn. Er war Heide, und der Götterhimmel stand über ihm, aber er imponierte ihm nicht. Er war unzufrieden mit dieser Religion, passte sich freilich äußerlich den Formen an. Er streute Weihrauch, er verehrte den Zeus, den obersten der Götter. Er genoss auch die Freuden des heidnischen Lebens und ließ sich von Lastern mitreißen. Aber er war innerlich unzufrieden. Er suchte – und er fand. Er lernte einen alten Christen kennen, Caecilianus. Dieser Christ wurde sein Lehrer. Er war Vater einer kinderreichen Familie, und Cyprian lernte das Leben einer christlichen Familie kennen: die feine, gebildete Frau, die wohlerzogenen Kinder, die ihrem Gott dienten, aber sich von den gefährlichen weltlichen Vergnügungen fernhielten. Sie gingen nicht ins Theater, sie betraten nicht die Arena, sie lebten das schwere, harte Leben einer christlichen Familie. Und dieser Christ Caecilianus gewann Cyprian für den Glauben. Er nahm zum Dank dafür den Namen Caecilius an, nach seinem geistlichen Lehrer Caecilianus. Im Jahre 246 empfing er die Taufe. In seiner Erstlingsschrift "Ad Donatum" jubelt er das Glück, das er gefunden hat, in die Welt hinaus:
"O seliger Friede der Seele,
nun ist die Vergangenheit für mich tot.
Christus lebt in mir,
nur für ihn will ich leben."
Die Gemeinde in Karthago freute sich über die Bekehrung des angesehenen Rechtsanwaltes. Sie sah ihn gern in ihrer Mitte. Er war ein Vorbild der religiösen Gewissenhaftigkeit. Er war ein Vater der Armen. Es kam das Jahr 248 heran. Es war Bischofswahl. Das Volk verlangte stürmisch Cyprian zum Bischof. Er mochte sich sträuben, wie er wollte. Die Menschen gaben nicht nach, und so wurde er Bischof von Karthago. Das war der rechte Bischof für die rechte Zeit. Eine Musterdiözese hatte Cyprian nicht übernommen. Die vergangenen vierzig Jahre waren eine Zeit relativer Ruhe für die Christen, abgesehen von der kurzen Verfolgung unter Maximinus Thrax. In dieser relativ ruhigen Zeit waren viele Menschen zum Christentum geströmt, auch Vornehme, auch Beamte. Die Kirche nahm zu an Umfang und konnte ihre Organisation ausbauen. Aber dem äußeren Wachstum entsprach nicht das innere. Der lange Friede wirkte vielfach erschlaffend. Manche Kleriker und Laien gerieten in Weltsinn und Lauigkeit. Cyprian begann die Reformarbeit beim Klerus: "Der Klerus hat sich von allen nichtgeistlichen Tätigkeiten fernzuhalten." So verordnete er. „Die im jungfräulichen Stande leben, müssen alles Gefährliche und Bedenkliche meiden.“ Aber damit nicht genug.
Um seine Familie zu prüfen, sandte Gott, wie Cyprian bemerkte, eine neue Verfolgung. Sie war von kurzer Dauer, aber sie war heftig, gefährlich und systematisch durchgeführt. Von 250 bis 251. Der Kaiser, der sie durchführte, Decius, war ein tüchtiger Herrscher. Warum inszenierte er eine der grausamsten Christenverfolgungen der Alten Zeit? Das Römische Reich fiel auseinander. Der Kaiser wollte es zusammenhalten, und als Vorbedingung sah er die religiöse Einheit an. Sie konnte nach seiner Meinung nur im Heidentum geschehen. Das Christentum musste verschwinden. Diejenigen, die sich fernhielten vom Kult, diejenigen, die die Umzüge nicht mitmachten, diejenigen, die die Staatsreligion ablehnten, mussten liquidiert werden. Und so inszenierte er eine grausame Verfolgung. Er wurde wegen seiner Verfolgungswut als der "große Drache" angesehen. Der Kaiser hatte wahrscheinlich gar keine Gewissensbedenken bei seinen Maßnahmen. Er war überzeugt, dass er aus Staatsnotwendigkeit, aus Staatsräson, um mit Frau Merkel zu sprechen, dass er aus Staatsräson diese Maßnahmen traf. Das erste Edikt erging Ende 249 oder Anfang 250: "Alle Untertanen, ob Frauen oder Männer, ob Kinder, ob Sklave oder Freie, müssen dem Kaiser, dem göttlichen Geiste des Kaisers, ein Opfer darbringen. Wer nicht bereit ist zu opfern, ist einzukerkern, in Ketten zu legen, zu foltern. Bleibt er verstockt, ist sein Vermögen einzuziehen und derselbe dem Tode zu überliefern.“ Als einer der ersten fiel der Papst in Rom, Fabian. Und zwar, ein merkwürdiges Zusammentreffen: am heutigen Tage, am 20. Januar 250, wurde Fabian als Märtyrer des Glaubens hingerichtet. Kaum war das Edikt des Kaisers in Karthago bekannt geworden, da zog der Pöbel durch die Straßen: „Cyprianus ad leones“, Cyprian vor die Löwen. Der Tag des Opfers brach an. Da lachten die Heiden, und da schämten sich die Christen, denn zahlreiche Christen drängten sich zu opfern. Manche mussten für später bestellt werden, weil sie an dem Tage nicht dran kamen. Andere gaben den Beamten, die mit der Opferdarbringung betraut waren, Geld, damit sie ihnen die Bescheinigung ausstellten, dass sie geopfert hätten, obwohl sie nicht geopfert hatten. Und dann die Entlastungsversuche: Ich kann doch nicht mein Vermögen verlieren, ich kann doch nicht meinen Stand aufgeben. Ich bleibe im Inneren, was ich bin. Ich verliere sonst meinen Posten, ich verliere meinen Verdienst. So waren die Entschuldigungen. In Großstädten wie Rom, Smyrna, Karthago, Alexandrien gab es einen massenhaften Abfall. Selbst einige Bischöfe wurden dem Glauben untreu. Doch darüber darf man nicht vergessen, dass das gläubige Christentum lebte. Die Gefängnisse waren mit Christen überfüllt. Die Henker zerfleischten sie mit Geißeln, zerschlugen sie mit Knüppeln, verrenkten sie auf der Folterbank, zerrissen sie mit der Kralle, versengten sie mit Feuer. Das alles wissen wir aus der Schrift des Cyprian „De lapsis". Ich habe sie vorgestern noch einmal gelesen. Aber sie blieben treu bis zum Tode. Das ergreifende Schicksal des Numidicus erschütterte alle. Erst wurde seine Frau verbrannt, dann wurde er dem Feuertode überliefert, aber als er wie tot aufgelesen wurde, stellte man fest, dass er gar nicht tot war. Seine Tochter war in rührender Sorge um ihren Vater bemüht.
Wo blieb der Bischof in diesem Orkan des Hasses? Als der Opfertermin herankam, bestürmten Laien und Priester den Cyprian: "Verbirg dich an einem unbekannten Ort, hier kennt dich jedes Kind. Was haben wir von deinem Tode? Die Herde ist dann verlassen. Du musst die Herde aus der Ferne trösten und kräftigen und zusammenhalten. Sonst ist alles verloren.“ Cyprian schwankte lange hin und her. Er schaute nach bei dem Kirchenschriftsteller Tertullian. Er hatte zuerst das Ausweichen erlaubt, aber dann verboten. Er schlug nach im Matthäusevangelium. Und was las er da? "Wenn sie euch in einer Stadt verfolgen, dann zieht in die andere." So hat er sich bereitgefunden, in ein Versteck auszuweichen. 15 Monate hat er darin verharrt. Aber er war nicht untätig. Viele Briefe gingen hin und her. Er schlichtete Streitfälle. Er ermutigte, er tröstete. Dass er nicht entdeckt wurde, schreiben manche Historiker der Tatsache zu, dass er einflussreiche Freunde unter den Heiden hatte, die ihre schützende Hand über ihn hielten. Der Christ braucht sich nicht zum Martyrium zu drängen. Er muss es bestehen, wenn es gefordert wird, aber er braucht sich nicht dazu zu drängen.
Im Frühjahr 251 ließ die Verfolgung nach. Der Kaiser war durch einen Einfall der Goten in Moesien festgehalten, und als er im Kampfe fiel, wahrscheinlich im Juni 251, da trat völliger Friede ein. Die Kirche Karthagos blutete aus vielen Wunden. Die Gemeinde war kleiner geworden. Nun wollten manche, vielleicht viele, die geopfert hatten, zurück zur Kirche, und sie steckten sich hinter Bekenner, die also in der Verfolgung standgehalten hatten. Und diese Bekenner stellten ihnen Fürbittbriefe aus. Wir kennen das ja aus der Zeit nach 1945, als die vielen Nazis uns angingen um "Persilscheine", d. h. um Nachweise, dass sie in der Nazizeit nichts Böses angerichtet hatten. Ich selber habe für eine meiner Lehrerinnen einen solchen Schein ausgestellt. Also sie suchten sich hinter die Bekenner zu stecken, um wieder in die Gemeinde aufgenommen zu werden. Cyprian beharrte auf Buße, auf strenger Buße: Ausschluss von der Eucharistie, bis sie diese Buße abgeleistet hatten. Da grollten manche: Er hört nicht einmal auf die Bekenner. Da wurden sie unwillig und stellten einen Gegenbischof auf. Cyprian gab nicht nach. Er wusste, dass die Reinheit der Kirche verlangte, dass Schuld gebüßt wird, dass Buße geleistet wird. Und er zeigte die Gefährlichkeit der Trennung von der Kirche auf. In der Schrift "De catholicae ecclesiae unitate". Auch sie habe ich am Freitag noch einmal gelesen. Cyprian bestand darauf, dass Buße geleistet wird, und hat auf diese Weise die Gemeinde von Schwächlingen gereinigt bzw. sie wieder zur Stärke geführt.
Es kamen neue Stürme. In den Jahren 253 bis 254 kam eine riesige Pestseuche, eine Pestepidemie über das Römische Reich. Sie erreichte auch Karthago. Sie raffte massenhaft die Menschen dahin. Alle Bande der Ordnung lösten sich auf. Bei den Heiden brach wieder das Raubtier durch, die krasse Selbstsucht. Um das eigene Leben zu retten, ließ man erbarmungslos die nächsten Verwandten im Elend umkommen. Da trat Cyprian mit seinen Klerikern und seinen Gläubigen auf den Plan. Er stellte Mittel und Pfleger bereit, und diese dienten den Pestkranken, ohne zu fragen, ob sie Christen oder Heiden waren. So rächten sich die vielgelästerten Christen an den Heiden, mit dem Bischof an der Spitze.
Der nächste Kaiser, Valerianus, hatte die decische Verfolgung mitgemacht, hatte also Erfahrung, wie man Verfolgungen organisiert. Und er knüpfte mit neuen christenfeindlichen Maßnahmen an Decius an. Ein zweiter Sturm kam. Cyprian sah ihn voraus. Ursprünglich war Valerian keineswegs christentumsfeindlich. Er hatte sogar Christen gefördert und auf hohe Posten gestellt. Über Nacht war das anders geworden. Warum? Die Perser und die Goten pochten an die Pforten des Reiches. Er wollte das Reich zusammenhalten gegen diese äußeren Feinde und meinte, das müsse geschehen, indem er das Christentum auslöschte. Im August 257 erließ er sein erstes Dekret: Bischöfe, Priester und Diakone müssen opfern, sonst werden sie verbannt. Der Besuch der Zoemeterien und gottesdienstliche Versammlungen sind unter Todesstrafe verboten. Das Edikt verbannte Cyprian aus Karthago, aber weiter geschah ihm vorläufig nichts. Dann kam ein zweites Edikt, im Sommer 258. Und das war schärfer. Bischöfe, Priester und Diakone sind zu enthaupten. Die Laienchristen verlieren Vermögen und Würde. Cyprian wusste, dass seine letzte Stunde gekommen war. Dieses Mal entwich er nicht, obwohl ihn die Seinigen anflehten. Seine Arbeit war getan. Die Kirche Karthagos war wieder Kirche Christi. Keiner ist im valerianischen Sturm untreu geworden. Am 13. September 258 verhaftete ihn die Polizei. Zwei Beamte holten ihn in seinem Garten ab, unter Bedeckung brachten sie ihn im Wagen zum Prokonsul. Ein kurzes Verhör. Cyprian verweigert das Opfer. Das Todesurteil wird gesprochen: Hinrichtung mit dem Schwert, sofort zu vollstrecken. Der stadtbekannte Bischof wird zum nahen Richtplatz geführt. Eine zahllose Menge von Christen und Heiden füllt den Platz. Cyprian richtet seine Augen zum Himmel und betet: "Dank dir Gott für diese Stunde!" Dank dir Gott für diese Stunde! Dann legt er seine Oberkleider ab, macht den Hals frei, gibt dem Henker 25 Goldstücke. Und dann wird er hingerichtet. Die Gläubigen haben Leinentücher ausgebreitet, um sein Blut aufzufangen. Bis in die Nacht hinein ziehen Heiden und Christen an dem hingerichteten Christenbischof vorbei. Sein Grab wird zu einer Wallfahrtsstätte, bis ins 7. Jahrhundert, als die Mohammedaner kamen. Bis dahin war das Grab Cyprians eine berühmte Wallfahrtsstätte, wozu die Christen aus aller Welt eilten.
Woher mag es kommen, meine lieben Freunde, dass die Kirchenverfolgung immer zuerst die Bischöfe und die Priester trifft? So war es in der alten Zeit, so ist es auch heute. Das alte Rezept wird befolgt: Schlage den Hirten, und die Herde wird sich zerstreuen. Aber das ist nicht der tiefste Grund. Die Verfolgung der Bischöfe und Priester fließt aus einer anderen Quelle, aus dem Priesterhass. Woher der Priesterhass? Im Leben Jesu finden wir die Erklärung. Die Juden, hassverzerrt mit ihren Gesichtern und die Fäuste drohend erhoben, schreien Christus an: "Wir steinigen dich, weil du, da du ein Mensch bist, dich selbst zum Gott machst!" Die Juden ertragen nicht, dass Jesus mehr sein will als sie selbst. Und darum ruhen sie nicht, bis er am Kreuze verblutet. Bischöfe und Priester sind Christi Beauftragte. In seinem Namen und in seiner Autorität verkünden sie die Wahrheit und das Gesetz Gottes. Das ertragen die Feinde der Kirche nicht, sie wollen sie zum Schweigen bringen. Darum verleumden, verfolgen, ermorden sie die Priester und Bischöfe. Dem Hasse setzen wir, meine lieben Freunde, die Liebe entgegen. Dem glühenden Hasse die glühende Liebe. Je höher der Hass steigt, um so höher steigt unsere Liebe. Und der Hass schlließt auch das Band der Gläubigen um Priester und Bischöfe fester denn je.
Amen.