Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
25. Dezember 2012

Die drei Evangelien des Festes der Christigeburt

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Geburt unseres Heilandes Versammelte! 

An diesem festlichen Tage läßt die Kirche uns Priester drei Heilige Messen feiern. Und in jeder  ist ein eigenes Evangelium vorgesehen. In der ersten Messe nach Lukas, der zweiten Messe ebenfalls nach Lukas, und das ist die Messe, die wir jetzt feiern, in der dritten Messe nach Johannes. Die Geburt des Weltenheilandes, so lehrt uns das erste Evangelium, war verflochten mit der Weltpolitik des Kaisers Augustus. Augustus ist uns aus der Geschichte bekannt. Er hieß früher Octavian. Aber er bekam vom Senat den Namen zugelegt: "Sebastos", d. h. Augustus, der Erhabene. Dieser Augustus wird im Evangelium nach Lukas erwähnt, um zu zeigen: Diese Geburt hat weltweite Bedeutung. "Sie ist nicht in einem fernen Winkel geschehen", sagt Paulus vor dem König Agrippa. Die Verkündigung des Messias reiht sich störungslos in das Römische Reich ein. Mit der Nennung des Kaisers Augustus wird ein weltweiter Horizont aufgerissen und gezeigt: Die Bedeutung dieser Geburt ist universal. Sie gilt nicht nur den Hirten, sie gilt nicht nur dem jüdischen Volke, sie gilt aller Welt. "Heut ist euch der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr!" Der Anlass der Geburt in Bethlehem ist die Volkszählung. In Syrien saß der Statthalter Publius Lucius Quirinius und Palästina gehörte zu seiner Provinz. Er führte diese Volkszählung durch, und zwar musste jeder in seine Heimatstadt gehen. Josef, als Abkömmling Davids, musste in die Davidsstadt gehen, und das war Bethlehem. So kommt es, dass Jesus, der Nazarener, wie er dann später genannt wurde, in Bethlehem geboren wurde. Bethlehem ist also nicht die Heimatstadt Josefs, sondern sie ist der Stammort. Und für die Bedeutung Jesu als des Messias ist diese Geburt in Bethlehem hoch wichtig, denn dort war sie vorausgesagt worden vom Propheten Michäas. "Bethlehem, du bist zwar die Kleinste unter den Fürstenstädten Judas, aber aus dir wird hervorgehen der Messias, der Herrscher sein wird in Israel." Jetzt ist es erfüllt.

Der Evangelist Lukas schildert das Ereignis frei von allem Überschwang. Die beiden fanden keinen Platz im Gasthaus, in der Herberge, im Hotel. Sie mussten sich eine Höhle, einen Stall, suchen. Es steht zwar nicht in der Bibel, dass es eine Höhle war, aber wir dürfen das annehmen. In dieser Gegend befanden sich viele Höhlen. Und sie waren eben geeignet, als Unterstand für die Geburt des Weltenheilands dienen. Und die Mutter birgt ihn in einer Wanne von Stein, aus der sonst die Tiere fressen, in einem Futtertrog. Der Retter und Heiland der Welt im Futtertrog der Tiere! So wird der unbegreifliche Heilsratsschluß Gottes und das Geheimnis dieses Kindes erfüllt. Sie gebar ihren erstgeborenen Sohn. Warum den Erstgeborenen? Weil jeder, der zuerst geboren wird, so heißt, ob ein Kind nachkommt oder nicht, spielt gar keine Rolle. Der zuerst Geborene ist immer der Erstgeborene, ohne Rücksicht auf etwaige Brüder, die nachfolgen. Unterhalb von Bethlehem ist Weideland. Da sind die Schaf- und Ziegenherden der Hirten. Die Herden müssen weit getrieben werden, denn sie fressen ja schnell das Gras ab, das bißchen, das da sprießt. Das Ereignis allerdings, von dem wir heute sprechen, spielt sich nicht am Weideplatz der Herden, sondern am Übernachtungsplatz der Hirten ab. Die Hirten wachen. Warum? Um die Herde vor wilden Tieren zu schützen oder vor Räubern. Damals gab es noch Wölfe in Palästina. Und in dieser Nacht tut sich das Dunkel auf. Vom Licht ganz erhellt, tritt plötzlich ein Engel vor die Hirten, furchterregend, wie immer, wenn eine Offenbarung aus der neuen, aus der anderen Welt geschieht. Der jenseitige Lichtglanz umleuchtet die Hirten. "Ich verkünde euch eine große Freude, die allem Volk widerfahren wird." Die große Freude kommt zuerst zu den Hirten, und dann dem Heilsvolk Israel. Die Hirten sind gewissermaßen die Stellvertreter, die Repräsentanten dieses Heilsvolkes. Aber die Freude gilt allem Volke, nicht nur in Israel, sondern in der ganzen Welt. "Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr!" Heute! Das ist das Datum der Geschichte, kein Mythos, wie in den Götterlegenden der Griechen. Heute ist euch der Heiland geboren. Heiland, das heißt, er ist der Bringer des eschatologischen Heils. Die große Rettungstat wird in seiner Geburt angekündigt. Ja, sie geschieht in seiner Geburt. Seine Geburt ist der zeitenwendende Anfang des Heils, das Gott den Menschen bereitet hat. "Ihr Hirten", sagt der Engel, "ihr Hirten braucht nur eine Viertelstunde weit zu gehen, da findet ihr das Kind. Drüben, zwischen Stall und Scheune. An der Krippe und an den Windeln werdet ihr das Kind erkennen." Die Hirten sollen also einen Säugling sehen, ein erst kürzlich geborenes Kind, ein Wickelkind.

Damit nicht genug. Plötzlich wird bei dem Verkündigungsengel die Fülle des himmlischen Engelheeres ansichtig. Der Chor der Engel stimmt den klassischen Lobgesang an, den wir in jeder heiligen Messe fortsetzen: "Herrlichkeit ist Gott in der Höhe, und Friede auf Erden den Menschen des göttlichen  Wohlgefallens!" Herrlichkeit ist Gott in der Höhe, und Friede auf  Erden den Menschen des göttlichen Wohlgefallens! Herrlichkeit ist also kein Wunsch, sondern Herrlichkeit ist eine Tatsache; weil Gott seinen Sohn sendet, ist er verherrlicht. Er verherrlicht sich in seinem Sohne. Er verherrlicht sich in dessen Menschwerdung; in der Sendung des LOGOS, da verherrlicht sich Gott. Herrlichkeit in der Höhe für Gott oder Verherrlichung oder Ehre, wie wir sagen, das ist die Übersetzung des griechischen Wortes Doxa. Aber alle diese Bedeutungen treffen zu: Herrlichkeit, Verherrlichung, Ehre. Die Verwirklichung des Heils hebt an mit der Sendung des LOGOS des Sohnes Gottes. Der präexistente LOGOS hat sich aufgemacht, die verlorene Menschheit zu retten. Der Vater sendet den Sohn, um in einer Menschennatur die Verlorenheit aufzuarbeiten. Diese göttliche Tat verherrlicht Gott. Sie zeigt, wozu Gott willens und fähig ist. „Den Knecht zu erlösen, gabst den Sohn du dahin.“  Genau das ist es: Den Knecht zu erlösen, gabst den Sohn du dahin. Aber auch Friede, Friede für die Menschen des göttlichen Wohlgefallens. Friede ist das volle Heil der Endzeit, ist Sündenvergebung, ist Licht, ist Führung, ist Geleit. Der Geburtstag des Herrn ist der Geburtstag des Friedens. Das neugeborene Kind ist der Friedensfürst. Durch Christus wird Friede mit Gott. Friede, das ist Ruhe, das ist Harmonie. Friede, das ist Wohlwollen, ist Vergebung, ist Versöhnung, Verzeihung. Friede durch Glaube an Gott. Friede durch Gehorsam gegen Gott. Friede durch Eintracht unter den Menschen. Friede durch Ordnung der Triebwelt. Der Erzbischof von München und Freising, der Kardinal Faulhaber, war im 1. Weltkrieg Militärseelsorger an der Westfront, also in Frankreich. Er berichtet, dass in der Heiligen Nacht ein Trompeter das Lied "Stille Nacht, Heilige Nacht" hinausgeblasen hat, und das Gewehrfeuer aus beiden Schützengräben wurde eingestellt. Es war Friede geworden, wenn auch nur für einen Augenblick.

Die Hirten sagen zueinander: "Transeamus", gehen wir hinüber nach Bethlehem. Sie überzeugen sich von der Wahrheit dessen, was der Engel ihnen verkündet hatte. Sie finden ein Kind in einem Futtertrog, in Windeln gewickelt. Sie befinden wahr,  was ihnen von diesem Kinde gesagt worden war. Und das reicht ihnen. Dann kehren sie zu ihren Herden zurück unter Preis und Lob gegen Gott. Warum? Weil ihnen die Botschaft zuteil geworden ist: "Heut ist euch der Heiland geboren!" Aber auch deswegen, weil die Botschaft, die ihnen zuteil wurde, mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Sie haben den Anblick gesehen, der ihnen verkündet, der ihnen verheißen worden war. Sie sind Ohrenzeugen und Augenzeugen der göttlichen Offenbarung, des erfüllten Offenbarungsgeschehens.

Die dritte Evangeliumschilderung ist das Hohelied des griechischen „LOGOS“. LOGOS war der Traum der Gnostiker. LOGOS war die Sehnsucht der Intellektuellen am Mittelmeer. Der LOGOS, die personalisierte Weisheit Gottes. Und diesen LOGOS verkündet Johannes. Er schaut weiter als bis nach Bethlehem. Er schaut in die Ewigkeit. "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott. Und Gott war das Wort." Das sind Hammerschläge. Im Anfang, das ist der Anfang vor allem Anfang, das ist der Ur-Anfang. Das ist der anfangslose Anfang. Das Wort war, das heißt, es hatte keinen Beginn. Es ist zeitlos. Es ist über alle Zeit erhaben. Mit Recht haben die Väter des Konzils von Nicäa den Satz des Arius, dass es eine Zeit gegeben habe, wo der LOGOS nicht existierte, zurückgewiesen. In jenem Ur-Anfang war der LOGOS eine selbständige Person bei Gott, also unterschieden von Gott, aber in der Sphäre Gottes. Nein, noch mehr: Er war selber Gott. Dieser bei Gott befindliche LOGOS war selbst Gott! Das in Bethlehem geborene Kind ist nicht alles, meine lieben Freunde. In ihm verborgen ist der präexistente LOGOS. Der Geburt in der Zeit geht die Geburt in der Ewigkeit voran. Der so schwach erscheint, ist in Wahrheit unendlich stark. Diese dünnen Ärmchen lenken die Spiralnebel. "Er ist der Schöpfer",  fährt dann Johannes in seinem Prolog fort.  Er hat am Schöpfungswerk Gottes teilgenommen.  Ohne LOGOS ist nichts geschaffen worden, alles ist durch ihn geschaffen worden. Da sieht man seine Macht. Keine Blume blüht, ohne seinen Duft. Keine Woge rauscht ohne seine Kraft. Kein Auge glänzt ohne seine Seele. Der LOGOS ist Mittler der Schöpfung, schlechthin nichts ist ohne Mitwirkung des LOGOS zustandegekommen. Alles Leben hat in ihm seinen Ursprung und seine Quelle. Und dieser LOGOS ist Leben und Licht. Licht, das bedeutet Erleuchtung, Erhellung. Licht, das ist Offenbarung. Der LOGOS ist der Offenbarer, der gottgesandte Offenbarer, der Gott kund macht. Und dieses Licht ist so hell, dass es alle in der Dunkelheit Befindlichen erleuchten kann. Freilich nicht mit naturhafter Gesetzmäßigkeit, nicht mit eiserner Notwendigkeit, sondern Gott hat Respekt vor der Freiheit des Menschen. Er kam in die Welt und wollte, dass die Welt ihn erkennt. Aber die Welt hat ihn nicht erkannt. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinigen nahmen ihn nicht auf. Ja, ist seine Mission gescheitert? Nicht bei allen! Die ihn aufnahmen, denen gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, die an seinen Namen glauben. Er fand also nur eine zahlenmäßig begrenzte Gefolgschaft, eine Minderheit, die gläubig wurde. Der LOGOS wurde Fleisch, das heißt, er ging ein in die Schwäche, die Vergänglichkeit, die Hinfälligkeit der menschlichen Natur. Er blieb, was er war, aber er nahm an, was er noch nicht hatte, eine menschliche Natur. Und dieser fleischgewordene LOGOS hat unter uns seine Zelte aufgeschlagen. Das war in jener wundersamen Nacht, als Maria das Kind in die Krippe bettete. Das ist das Ereignis, das wir heute begehen. "Und das Wort ist Fleisch geworden, und hat unter uns gewohnt. Und wir haben seine Herrlichkeit gesehen.“ Nicht des kleinen Kindes. Aber des herangewachsenen Mannes. Ein Wunder blitzt auf nach dem anderen. Und die Jünger glaubten an ihn, als er das Wunder in Kana gewirkt hatte. Es ist die Herrlichkeit, welche die Engel der Weihnacht verkündet haben. Die Herrlichkeit, die ihm eigen ist, als dem Eingeborenen vom Vater. Die Herrlichkeit, die absolut einzigartig ist, die er mit niemandem teilt.

Das ist das geschichtliche Ereignis, das wir heute feiern. "Gott ward ein Mensch." Das ist die Botschaft der Weihnacht. Die Majestät hat sich mit der Niedrigkeit verbunden. Die Macht mit der Schwäche. Was sterblich ist, mit dem, was unsterblich ist. Eine unantastbare Natur mit einer leidensfähigen Natur. Der amerikanische Mondfahrer, James Irwin, hat bekannt: „Der größte Tag der Menschheitsgeschichte war nicht, als der erste Mensch den Mond betrat, sondern als Gottes Sohn zur Erde kam.“ Das ist unser Glaube. Das ist unser Bekenntnis. Von seiner Fülle haben wir alle empfangen. Gnade um Gnade.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt