Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
17. Juni 2012

Das Herz Jesu

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am vergangenen Freitag hat die Kirche das Herz-Jesu-Fest gefeiert. Jahrhundertelang haben sich fromme Christen in das Herz des Heilandes einzudringen bemüht. Im Mittelalter waren es fromme Nonnen, wie Gertrud von Helfta, und in der Neuzeit die hl. Margaretha Maria Alacoque, die diese Andacht, nicht begründet, aber gefördert und verbreitet haben. Sie geht zurück auf das Evangelium, denn wir wissen, dass ein Soldat die Lanze in die Seite des Herrn stieß, da – wo das Herz ist und sogleich floß Blut und Wasser heraus. Herz Jesu Verehrer müssten wir eigentlich alle sein, denn es geht ja um das innerste Geheimnis unseres Heilandes, um sein Herz. Und ich möchte versuchen, Ihnen drei Seiten dieses Herzens kund zu machen.

1. Das Herz als Symbol der innersten Gesinnungen

2. Das Herz als Symbol der Kraft und

3. Das Herz als Symbol der Liebe.

Im Herzen Jesu wohnten die Gesinnungen, in denen er sein Leben auf Erden vollzogen hat. Es waren diese Gesinnungen: An erster Stelle die unbedingte Entschlossenheit, dem Willen des Vaters nachzukommen. „Ich bin im Namen meines Vaters gekommen, nicht im eigenen Namen.“ „Mich hat der lebendige Vater gesandt und ich lebe durch den Vater.“  Als Gesandter des Vaters richtet er eine Botschaft aus, die der Vater ihm aufgetragen hat. „Ich rede, was mich der Vater gelehrt hat.“ „Was ich beim Vater geschaut habe, das rede ich.“ „Was ich sage das sage ich so, wie der Vater mir gesagt hat.“ Seine Lehre ist nicht die eigene Lehre, es ist die Lehre des Vaters. Ebenso ist es um seine Taten bestellt. Sie richten sich nach dem Willen des himmlischen Vaters. „Die Werke, die ich tue, verrichte ich im Namen meines Vaters.“ Welche Werke sind es? „Ich bin gekommen, ein Feuer auf die Erde zu werfen und wie wünschte ich, dass es bereits emporflamme.“ „Mit einer Taufe muss ich getauft werden und wie drängt es mich, bis es vollbracht ist.“ Vom Willen des Vaters lebt er geradezu. „Es ist meine Speise, den Willen des Vaters zu tun.“ Er wusste, was der Vater von ihm erwartet, und er hat sich dieser Erwartung gebeugt, nämlich das stellvertretende Sühnopfer zu bringen. „Den Auftrag, mein Leben einzusetzen, habe ich von meinem Vater.“ Gewiss hat auch er als Mensch, der er ja war, vor dem Grauen des Kreuzestodes gebangt, aber er hat die Bangigkeit überwunden. „Mein Vater, wenn es möglich ist, lass diesen Kelch an mir vorübergehen, aber nicht wie ich will, sondern – wie du willst.“ Und weil er sich dem Willen des Vaters gebeugt hat, konnte er am Ende seines Lebens sagen „Ich habe meines Vaters Gebote gehalten.“ Das war der erste Strang seiner Gesinnungen, der Gehorsam gegen den Vater.

Der zweite, der die Gesinnungen seines Herzens zeigt, ist das Heil und die Rettung der Menschen. „Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ Der Herr wusste sich gesandt zu den Menschen, zu allen Menschen. Aber in besonderer Weise zu den Verlorenen und Verirrten. Wir haben es eben im Evangelium gehört wie der gute Hirt neunundneunzig Schafe zurücklässt, um das eine verlorene zu suchen. Als der Herr bei dem Zöllner Zachäus, bei dem verachteten, verhassten Zöllner, bei dem Ausbeuter war, da  erklärte er: „Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren war.“  Jesus lag etwas an den Menschen. Als er die gewaltige Menge sah, die ihm zuhörte, da hatte er Mitleid, „denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben“. Aber er war der Hirte. Er war der von Gott gesandte Hirte – er war der gute Hirte. Und wir wissen, wie ein guter Hirt handelt. Der gute Hirt gibt sein Leben für seine Schafe. Dem Herrn lag etwas an den Menschen. Es war ihm schmerzlich, wenn sie sich seinem Ruf verweigerten. Einmal kam er mit seinen Jüngern durch ein samaritanisches Dorf. Das Dorf nahm ihn nicht auf. Da sprachen Jakobus und Johannes: „Herr, willst Du, dass wir Feuer vom Himmel rufen, um dieses Dorf zu verderben?“ Jesus wandte sich um und verwies es ihnen. „Ihr wisst nicht, wessen Geist ihr seid. Der Menschensohn ist nicht gekommen, Menschenleben zu vernichten, sondern zu retten!“ Wie viel ihm an den Menschen lag, sieht man, dass er über die heilige Stadt, über seine Stadt Jerusalem weinte, weil sie ihn nicht aufgenommen hatte. „Ach, wenn du es doch erkenntest, an diesem deinem Tage, was dir zum Heile dient. Aber jetzt ist es verborgen vor deinen Augen.“ Es ist der zweite Strang der Gesinnungen Jesu: die Liebe zu den Menschen.

Der dritte ist seine eigene Selbstlosigkeit, Armut, Entäußerung. Niemand hat es besser ausgedrückt als der Apostel Paulus. „Seid so gesinnt wie Christus Jesus. Er, der in Gottesgestalt war, hat nicht geglaubt, seine Gottgleichheit festhalten, krampfhalt festhalten zu sollen. Er hat sich vielmehr selbst entäußert. Er nahm Knechtsgestalt an, ward dem Äußeren nach erfunden wie ein Mensch. Ja noch mehr: Er hat sich selbst erniedrigt und ist gehorsam geworden bis zum Tode, ja bis zum  Tode am Kreuze.“ Weiter kann man die Entäußerung nicht treiben. Der präexistente Gottessohn vertauschte seine Herrlichkeit mit der Armseligkeit des Menschen. Ja – nicht nur das: Er ist den Weg der Selbstentäußerung bis zum schmachvollen Tode am Kreuze gegangen. Freiwillig unterwarf er  sich im Gehorsam dem  Willen des Vaters. „Er, der reich war“, schreibt Paulus an anderer Stelle, „er, der reich war, ist arm geworden, um uns durch seine Armut reich zu machen.“ Jetzt wissen wir, meine lieben Freunde, wie wir gesinnt sein sollen – wie Jesus. Wir sollen ergeben sein gegen Gottes Willen. Wir sollen gehorsam sein gegen seine Verfügungen. Wir sollen sprechen, wie der Berliner Märtyrer Bernhard Lichtenberg: „Wie Gott will, ich halte still!“

Wir sollen die Andacht des Herzens Jesu aufnehmen und immer wieder das wunderbare Wort wiederholen: „Mach‘ mein Herz nach deinem Herzen, bilde mein Herz nach deinem Herzen.“ Das Herz Jesu ist Symbol der innersten Gesinnungen. Das Herz Jesu ist auch Symbol der Kraft. Wir wissen ja, wie unser eigenes Herz beansprucht ist. Wenn es sechzigmal in der Minute schlägt, dann sind das sechsundachtzigtausendmal am Tage, Millionen Schläge in einem langen Leben. Was für eine Kraft muss in dem Herzmuskel sein? Solche Kraft war auch in Christus Jesus. In der Heiligen Schrift wird immer wieder hervorgehoben, dass Jesus in einer unerhörten Kraft lebte. Voll des Geistes kehrte er vom Jordan zurück und wurde in der Kraft des Geistes, in der Kraft des Geistes, in die Wüste geführt, um vom Teufel versucht zu werden. Aber seine Kraft reichte aus, die Versuchung abzuwehren. Der Teufel bot ihm viel an. Er bot ihm die Herrschaft über die Welt an, wenn er ihm die Verehrung der  Anbetung erweist. Der Herr weist ihn zurück. „Niederfallen sollst du vor dem Herrn und ihn allein anbeten!“ Als Jesus in der Synagoge von Karphanaum lehrte, reichte man ihm die Schriftrolle. Es war das Buch des Propheten Isaias. Er schlug es auf und fand darin die Stelle. „Geist des Herrn liegt auf mir. Er hat mich gesalbt und gesandt, ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen.“ Er rollte die Schriftrolle wieder zusammen und sprach: „Heute ist dieses Wort in Erfüllung gegangen.“ Der Geist des Herrn ward in ihm. In dieser Kraft wanderte er, lehrte er, heilte er. Als er einmal einen Besessenen befreite, da sprachen die Zeugen: „Was ist das für ein Wort?  In Macht und Kraft gebietet er den unreinen Geistern und sie fahren aus.“ In Macht und Kraft. In der Kraft Gottes bestand er sein Todesleiden, betete für seine Peiniger: „Vater, verzeih ihnen, sie wissen nicht, was sie tun.“ Sterbend rief er aus. „Es ist vollbracht. Das Werk, das du mir befohlen hast, der Auftrag, den du mir aufgetragen hast, er ist vollbracht.“ In dem ergreifenden Gebet „Seele Christi heilige mich“, heißt es an einer Stelle: „Leiden Christi stärke mich“. Ja, ist das nicht merkwürdig, dass wir ausgerechnet das Ausgeliefertsein des Herrn anrufen, damit uns Kraft übertragen werde? Tatsächlich hat der Herr in seiner Willigkeit Pein und Qual auf sich genommen und eine übermenschliche Kraft bewiesen, so dass wir heute mit Recht beten können: „Leiden Christi stärke mich!“

Die Jünger Jesu haben diese Kraft gespürt. Petrus predigte in Caesarea: „Gott hat Jesus mit heiligem Geist und Kraft ausgestattet.“ Und Paulus schreibt: „Wir predigen Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit.“ Die Kraft war in Jesus, und diese Kraft geht von Jesus aus. Einmal hat eine Frau, eine blutflüssige Frau, den Saum seines Gewandes berührt, um gesund zu werden. Das spürte er. „Es ist eine Kraft von mir ausgegangen, denn es hat mich jemand angerührt.“ Immer geht eine Kraft von ihm aus, wenn wir ihn anrühren, wenn wir um seine Hilfe flehen. Der Apostel Paulus, dessen Leben ja eine einzige Kette von Arbeit und Mühe, von Kampf und Leiden war, schreibt an die Gemeinde in Colossä: „Ich arbeite und kämpfe gemäß seiner Kraft, die machtvoll in mir wirkt.“ Gemäß seiner Kraft, die machtvoll in mir wirkt. Als er gefangen war, als er im Gefängnis war, schreibt er an die Philipper: „Ihn will ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinem Leiden.“ In demselben Brief ruft er aus: „Ich vermag alles in dem, der mich stärkt!“ Was ein Wort, meine lieben Freunde! „Ich vermag alles in dem, der mich stärkt!“

Kraft lebt in unserem Glauben. „Ich schäme mich des Evangeliums nicht“, schreibt Paulus an die Römer, „denn es ist eine Kraft Gottes für jeden, der glaubt!“ Der Glaube überwindet eben die Schwäche des Intellekts und die Schwäche des Willens. Der Glaube zeigt uns den Weg, den wir gehen sollen und gehen können, denn er stärkt uns auf diesem Wege, Unser Glaube beruht nicht auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft. Diese Kraft wirkt in jedem, der diesen Glauben annimmt. Das ist der Sieg, der die Welt überwindet, unser Glaube.

Andere Religionsgemeinschaften versuchen durch Abschwächung und Umdeutung des  Glaubens, durch Verharmlosung und Preisgabe der Gebote Gottes ihre Anhängerschaft zu erhalten. Nicht so die Kirche des Heiligen Geistes. In seiner Kraft widersteht sie der Versuchung, die ja auch für sie besteht. Sie widersteht der Versuchung, durch Abbau des Beschwerlichen es den Menschen leicht und bequem zu machen. Kraft lebt auch in den Christusgläubigen. Es ist Kraft aus der Höhe. Vor seiner Himmelfahrt hat der Herr diese Kraft angekündigt. „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geists empfangen, der über euch kommt und in dieser Kraft werdet ihr meine Zeugen sein in Jerusalem, in  Judäa, in Galiläa und bis an die Grenzen der Erde.“ Das Christentum ist die Religion der Kraft. Das zeigt sich in den Märtyrern, die mit ihrem Blut für Christus Zeugnis abgelegt haben. Das Christentum ist die Religion der Kraft, das zeigt sich in den Bekennern, die ihr Leben, ihre Taten zu einem Zeugnis für das Christentum gemacht haben.  Das Christentum ist die Religion der Kraft, das zeigt sich in den Jugendlichen, die trotz allem Hämmern des Blutes ihrem Heiland die Treue halten.

Die Herz-Jesu-Verehrung ist Kraftübertragung. Christi Kraft kommt über uns, drängt uns und trägt uns, wenn wir dieses Herz in der rechten Weise verehren. Das Herz Jesu, Symbol der innigsten Gesinnungen, Symbol der Kraft, aber auch, drittens, Symbol der Liebe. „Da der Herr die Seinen, die in der Welt waren liebte, liebte er sie bis ans Ende“, heißt es am Anfang des 13. Kapitels des Johannesevangeliums. „Da der Herr die Seinen, die in der Welt waren liebte, liebte er sie bis ans Ende.“ Liebe war der Grund für seine Menschwerdung. Um unseres Heiles willen ist er vom Himmel herabgestiegen. Gott hat sich aufgemacht, die Menschheit heimzuholen aus ihrer Verlorenheit. Er hat das menschliche Leben mit seinen Mühen und Plagen auf sich genommen – aus Liebe.

Liebe war das Motiv der Erlösung. Für uns Menschen und um unseres Heiles willen hat er das stellvertretende Sühneleiden erduldet – aus Liebe. So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn dahingegeben hat, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. So sehr hat Gott die Welt geliebt. „Darin besteht die Liebe“, schreibt der Apostel Johannes in seinem ersten Brief, „darin besteht die Liebe, nicht – dass wir Gott geliebt hätten, sondern dass er uns geliebt hat und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat.“

Die Herz-Jesu-Andacht ist die Andacht einer unbegrenzten, einer unbeschreiblichen Gottesliebe. Und so können wir ihn anrufen:

„Herz Jesu, du Sühne für unsere Sünden, erbarme dich unser.“

„Herz Jesu, voll Qual ob unserer Missetaten, erbarme dich unser.“

„Herz Jesu, gehorsam geworden bis zum Tode, erbarme dich unser.“

„Herz Jesu, von der Lanze durchbohrt, erbarme dich unser.“

Die Antwort auf diese Christusliebe, meine lieben Freunde, kann nur unsere Liebe sein. Unsere Christusliebe zeigt sich an zwei Stellen. Erstens  in unserem Gehorsam. Der Herr hat den Erweis der Liebe in den Gehorsam verlegt. „Wenn ihr mich liebt, so haltet meine Gebote.“ „Wer meine Gebote hat und hält, der ist es, der mich liebt.“ Eindeutiger konnte der Herr nicht sprechen. Liebe ist etwas anderes als Gehorsam, aber sie bewährt sich im Gehorsam. Gehorsam ist der Erweis der Liebe. Die Liebe zeigt sich dann auch darin, dass wir die Anliegen des Herzens Jesu zu unseren eigenen machen. Er will, dass alle Menschen seine Jünger werden, zum Glauben finden, sich der Kirche anschließen. Es darf uns deswegen keine Ruhe lassen, dass Menschen Christus nicht kennen. Es darf uns keine Ruhe lassen, dass Menschen sich von Christus abwenden. Im Weihegebet an das heiligste Herz Jesu, das wir am Freitag gebetet haben, heißt es: „Sei du, o Herr, König nicht nur der Gläubigen, die nie von dir gewichen sind, sondern auch der verlorenen Söhne, die dich verlassen haben. Gib, dass sie bald ins Vaterhaus zurückkehren. Sei du auch König über die, welche durch Irrtum getäuscht oder durch Spaltung getrennt sind. Rufe sie zum sicheren Hort der Wahrheit und zur Einheit des Glaubens zurück. Sei du König über alle, die im Dunkel des Heidentums oder des Islams befangen sind. Entreiße sie der Finsternis und führe sie ins Lichte deines Reiches.“  So beten wir in diesem Weihegebet zum heiligsten Herzen Jesu.

Meine Freunde! Der Herr hat uns die Verheißung gegeben: „Wenn ich erhöht sein werde,   

werde ich alles an mich ziehen.“ So wollen wir heute, am Sonntag in der Oktav des Herz-

Jesu-Festes um die Erfüllung dieser Verheißung bitten und zu ihm rufen:

„O Herr, ziehe uns an dich.

Ziehe uns zu deinem heiligsten Herzen, damit wir dich finden.

Gib, dass wir dir folgen, dass wir dir dienen, wie du es verdienst.

Geben, ohne zu zählen,

Kämpfen, ohne der Wunden zu achten.

Arbeiten, ohne Ruhe zu suchen.

Uns hingeben, ohne Lohn zu erwarten,

Uns genüge das frohe Wissen, deinen heiligen Willen erfüllt zu haben.“

Amen.

Schrift
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