8. April 2012
Jesus ist wahrhaft vom Tode auferstanden
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte, zum Gedächtnis der Auferstehung unseres Heilandes Versammelte im Herrn!
„Erstanden ist der Herr aus dem Grabe, der für uns am Kreuze gehangen hat.“ So beten wir Priester in dem Gebetbuch, das uns die Kirche übergeben hat. Erstanden ist der Herr aus dem Grabe, der für uns am Kreuze gehangen hat. Die Kirche will mit der Auferstehung des Herrn unzweifelhaft ein geschichtliches Ereignis aussagen. Christus ist wahrhaft auferstanden. Er ist in Wirklichkeit auferstanden. Er ist, wie wir in der Heiligen Messe noch lesen werden heute, „secundum carnem“ – nach dem Fleische auferstanden. Das zu sagen ist nicht überflüssig, denn es sind, wie der Herr es vorausgesagt hat, Falschlehrer, Irrlehrer aufgestanden, welche die Menschen verwirren und ihnen die Zuversicht auf das sieghafte Hervorgehen des Herrn aus dem Grabe nehmen. Die eine Gruppe sagt: Jesus ist auferstanden in die Verkündigung, in die Wortverkündigung, in die Predigt, aber nicht real, nicht wirklich – das sagen berühmte evangelische Theologen. Wir müssen fragen: Ist er auferstanden, weil die Kirche dies glaubt und verkündigt? Oder glaubt und verkündigt die Kirche das, weil er auferstanden ist? Eine zweite Meinung sagt: nicht er selbst ist auferstanden, sondern seine Sache geht weiter, die Sache Jesu; seine Verkündigung und seine Weisungen, die laufen weiter durch die Zeit. Eine Idee lebt weiter, nicht der Auferstandene, nicht der Gekreuzigte. Es ist offensichtlich, dass diese beiden Deutungen des Ostergeschehens von Menschen vorgelegt werden, die den Glauben an die leibhaftige Auferstehung Christi verloren haben. Sie feiern weiter Ostern, aber sie leugnen den Inhalt von Ostern. Die maßgebliche Antwort auf diese verwirrten Ansichten hat der Heilige Geist schon im Evangelium gegeben: „Er ist wirklich auferstanden“, rufen die Apostel den Emmausjüngern zu, als sie nach Jerusalem zurückkehren. Der Ton liegt auf „wahrhaft“ oder „wirklich“. „Der Herr ist auferstanden“, so begrüßen sich im Osten die Christen und die Antwort lautet: „Er ist in Wahrheit auferstanden!“ Die Kirche drückt dieselbe Wahrheit aus, wenn sie sagt: „Er ist auferstanden gemäß dem Fleische!“
Wir, die wir hier versammelt sind, sind hoffentlich nicht unsicher über die Wahrheit der Auferstehung des Herrn. Aber wir wollen es dabei nicht bewenden lassen. Wir wollen uns Gewissheit verschaffen und uns von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, „in der wir unterwiesen worden sind“, wie Lukas am Anfang seines Evangeliums schreibt. Stellen wir uns die Jünger vor – am Karfreitag, am Karsamstag – trostlos, hoffnungslos, traurig. „Wir hatten geglaubt“, so sagen die Emmausjünger, „wir hatten geglaubt, dass er derjenige sei, der Israel erlösen werde, und das ist jetzt schon der dritte Tag.“ Der Glaube war an einem toten Punkt angelangt. Die Jünger hielten die Sache Jesu für abgeschlossen.
Aber es kam anders. Einige Jahre sind vergangen. Was sehen wir da? Eine Gruppe von Männern verkündet in Wort und Schrift, dass Jesus von Nazareth der Messias ist, der Herr, der Sohn Gottes. Dass er lebt und dass er wiederkommen werde, um die Welt zu richten. Der Fall Jesu ist nicht nur wieder aufgerollt worden, sondern hat innerhalb kürzester Zeit eine unvorstellbare Bedeutung erlangt. „Dieser Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden“, predigt Petrus. „Eckstein“- das heißt, er ist der Ausgangspunkt eines neuen Menschengeschlechtes. Er gilt nicht nur für das jüdische Volk, sondern für die ganze Menschheit. Kein anderer Name ist unter dem Himmel gegeben, in dem die Menschen selig werden können.
Was ist geschehen? Was hat die Männer so verändert, dass sie jetzt plötzlich öffentlich auftreten und sich nicht mehr verkriechen, dass sie Kirchen gründen und dass sie sich auspeitschen und hinrichten lassen wegen der Botschaft: „Jesus ist vom Tode erstanden“? Was hat sich zugetragen, dass die Jünger verwandelt wurden? Es sind zwei Tatsachen, die wir als Historiker feststellen müssen, nämlich erstens: der plötzliche, unerklärliche Glaube der Jünger, der so hartnäckig ist, dass er sogar dem Martyrium standhält. Und zweitens: die Erklärung dieses Glaubens, wie die Betroffenen sie uns überliefert haben. Zunächst einmal ist klar: Die Jünger hatten keine Erwartung auf eine Auferstehung. Sie konnten sie sich nicht vorstellen. Der Herr hatte sie zwar sie angekündigt, aber sie hatten sie überhört. Sie hatten nur immer vom Leiden etwas vernommen und das war in ihren Seelen ein Grund zur Trostlosigkeit. Es muss also etwas geschehen sein innerhalb kürzester Zeit, was einen radikalen Wandel der Einstellung der Jünger hervorgerufen hat. Und das, was da geschehen ist, ist der historische Kern der Osterverkündigung. Das älteste literarische Zeugnis über die Auferstehung Jesu stammt vom Apostel Paulus. „Ich habe euch überliefert, was auch ich empfangen habe: dass Christus für unsere Sünden gestorben ist, gemäß der Schrift, dass er begraben wurde, dass er am dritten Tage auferweckt wurde gemäß der Schrift und erschienen ist dem Kephas, das ist Petrus, den Zwölfen, danach fünfhundert Brüdern, von denen viele noch leben. Dem Jakobus, allen Aposteln“ – also auch dem weiteren Apostelkreis über die Zwölf hinaus – „zuletzt auch mir, mir – der ich eine Missgeburt bin, denn ich habe die Kirche Christi verfolgt.“ Was Paulus hier schreibt, stammt aus dem Jahre 56/57 n. Chr. Es ist das älteste uns erhaltene schriftliche Bekenntnis. Aber diese Kunde ist viel älter. Er sagt es ja: „Ich habe euch überliefert, was auch ich überkommen habe!“ Er hat nämlich die Verkündigung von der Auferstehung Jesu in Jerusalem gehört im Jahre 35 n. Chr., also als der Tod Jesu höchstens fünf Jahre zurücklag. Es handelt sich hier um eine uralte Überlieferung. Und welches ist der Inhalt?
1. Er ist auferweckt worden.
2. Er ist erschienen.
Er ist auferweckt worden. Vielleicht wundern sich manche, dass ich nicht sage: „Er ist auferstanden.“ Die Botschaft „Er ist auferweckt worden“, ist meines Erachtens noch wichtiger als die andere Formel „Er ist auferstanden“, denn wenn gesagt wird: „Er ist auferweckt worden“, dann heißt das, der Vater im Himmel, Gott, der ewige Gott, hat sich in diesem Ereignis zum Leben und Werk seines Sohnes bekannt. Christus ist nicht ein Idealist, der gescheitert ist. Er ist das Lamm, dessen Opfer der Vater im Himmel angenommen hat, und diese Annahme zeigt sich in der Auferweckung. Diese Redeweise ist also mit Bedacht gewählt. Es soll klar gemacht werden, dass Leben und Leiden, Predigt und Wunderwirken des Nazareners die Billigung, die Gutheißung, die Bestätigung Gottes des himmlischen Vaters gefunden haben. Nicht die Henker haben den Schlusspunkt dieses Lebens gesetzt, sondern der himmlische Vater.
Christus ist aber nicht, wie das Töchterlein des Jairus oder wie der Jüngling von Naim oder wie Lazarus in das irdische Leben zurückgekehrt. Die Genannten haben nach der Auferweckung des Herrn gelebt wie vorher, sie haben das irdische Leben fortgesetzt. Nein – die Auferstehung Jesu unterscheidet sich völlig und gänzlich von den Auferweckungen, die Jesus selbst während seines irdischen Wirkens vorgenommen hat. Es ist keine Verzögerung des Todes, es ist der endgültige und unumkehrbare Sieg über den Tod. Er erschien, so heißt es – „ophtä“ im griechischen Text – d.h. er zeigte sich, er wurde sichtbar gemacht, er hat sich sehen lassen, er hat sich betasten lassen, er hat gesprochen, er hat gegessen. Die Tatsächlichkeit, die Wirklichkeit des lebendig gewordenen Meisters ist durch massive Beweise gesichert. Nicht eine überreizte Phantasie hat eine Hoffnung nach außen projiziert, sondern eine äußere Wirklichkeit hat sich den Jüngern aufgedrängt. Er erschien von außen, nicht von innen. Die Behauptung, es handele sich bei den Erscheinungen um psychische Phänomene, ist unhaltbar. Wenn alle Jünger dieselbe Erscheinung hatten, wenn alle vom Inhalt dieser Erscheinung in gleicher Weise überzeugt sind, dann ist das nur dadurch zu erklären, dass sie sich ihnen von außen aufgedrängt hat. Denn wenn jeder von innen eine Vision gehabt hätte, wäre das ja sehr unterschiedlich gewesen, je nach der Persönlichkeit und nach dem Vorleben der betreffenden Person. Nein – sie haben deswegen alle dieselbe Erscheinung, weil sie sich von außen aufdrängt und nicht von innen erzeugt war. Ein und derselbe Auferstandene ist allen sichtbar geworden. Eine naturgemäß subjektive Vorstellung würde auch verschiedene Bilder des Auferstandenen projiziert haben. Die Evangelienberichte spiegeln diese Aussage des Herrn in allem ohne Ausnahme wider: „Der Herr ist auferstanden, uns als Lebender erschienen.“ Dafür gibt es auch andere Zeugnisse: Das Grab ist leer. Wenn der entseelte Leib in verwandelter Gestalt wieder lebendig geworden ist, dann muss ja das Grab leer sein. Der Auferstandene hat keinen neuen Leib, er hat keinen zweiten Leib, er hat einen veränderten Leib, er hat einen verklärten Leib. Der Leib, den der verklärte Heiland hat, ist derselbe, der am Kreuze gehangen hat. Er erscheint den Jüngern als ein verklärter Christus, er ist kein anderer geworden, aber er ist anders geworden. Ein und derselbe hat eine andere Gestalt gewonnen. Sie ist nicht für jeden erkennbar. Maria Magdalena denkt zunächst, der Mann, den sie da sieht, sei der Gärtner. Die Emmausjünger sprechen mit dem Fremdling, der sich ihnen zugesellt, als ob er ein ganz Unbekannter wäre. Erst muss sich der Herr zu erkennen geben, dann fallen die Schuppen von ihren Augen. Er hat eben nicht mehr eine Seinsweise, wie sie den Bedingungen dieser irdischen Zeit entspricht. Diese Merkwürdigkeiten, „Er geht durch die Türen“, „Er kommt plötzlich“, „Er verschwindet wieder“, diese Merkwürdigkeiten sprechen nicht gegen die geschichtliche Realität der Erscheinungen, sondern weisen nur darauf hin, dass hier eine Verwandlung erfolgt ist.
Die Apostel waren keine Visionäre, sondern Männer mit einer durchaus pragmatischen Veranlagung. Zunächst glaubten sie gar nichts. Der Herr hatte Mühe, ihnen seine Auferstehung zu beweisen. „Ihr Kleingläubigen“, sagt er. Und noch viel weniger konnte ihnen daran gelegen sein, andere zu täuschen. Das lief ja ihren Interessen völlig zuwider. Sie wären doch die ersten gewesen, die sich von Jesus hätten betrogen fühlen müssen. Welchen Sinn hätte es gehabt, um seinetwillen Verfolgung und Tod auf sich zu nehmen, wenn er nicht auferstanden wäre? Gerade das Zögern der Jünger, für wahr zu halten, was ihnen erschien, ihre Skepsis, ihr Misstrauen, ihre Zweifel sind uns besonders wertvoll. Sie zeigen, dass sie so etwas nicht erwartet hatten. So etwas konnten sie sich nicht vorstellen. So etwas hatten sie nie erlebt. Das Erscheinen des Gekreuzigten war ein einzigartiger, unerhörter, niemals vorgekommener Vorgang. Er benötigte massive Beweise, damit sich die Jünger ihm beugten.
Nun machen die Ungläubigen den Einwand, die Auferstehung Jesu, der Glaube an die Auferstehung Jesu, basiere auf einem überholten Weltbild. Damals, also vor zweitausend Jahren, habe man sich die Welt auf drei Ebenen liegend vorgestellt. Die Ebene Gottes, die Ebene der Menschen, die Ebene der Unterwelt. Und man könne von der einen zur anderen gelangen. Meine lieben Freunde, dieses Weltbild hat es gegeben. Und es ist nicht mehr das unsere. Aber was hat ein Weltbild mit der wahrhaften Auferstehung Jesu zu tun? Die Auferstehung Jesu mit Leib und Seele widerspricht auch dem antiken Weltbild. Was am Ostermorgen geschehen ist, war für die Zeitgenossen Jesu genau so unerhört wie für uns. Nicht das Weltbild einer vergangenen Zeit hat die Überzeugung von der Auferstehung Jesu hervorgebracht, sondern das einmalige Geschehen hat dieses Weltbild und alle Weltbilder zertrümmert. Das wirkliche Geschehen an Ostern ist über jede Vorstellung, die sich der Mensch von der Welt macht, erhaben. Die Osterereignisse halten jedem Weltbild stand.
Die Ungläubigen unter den Theologen sollten zugeben, dass sie sich vom christlichen Glauben verabschiedet haben. Es ist zwar rührend zu beobachten, wie sie trotz der Leugnung der wesentlichen Inhalte des Glaubens am Christentum festhalten wollen. Aber was der Unglaube davon übrig lässt, ist kein Christentum mehr. Es ist eine bloße Hülse ohne Kern. Das Christentum ist entweder die Religion der leibhaftigen Auferstehung Christi oder es ist eine Täuschung. Wer an das Wunder der Auferstehung des Herrn nicht mehr glauben kann oder will, der sollte nicht länger den Namen eines Christen in Anspruch nehmen. Jesus ist entweder leiblich auferstanden oder er ist überhaupt nicht auferstanden. Alles andere ist Mumpitz. Die von der Auferstehung Jesu reden, ohne an seine leibliche Auferstehung zu glauben, sollten aufhören, die Begriffe zu verfälschen und Naive zu täuschen.
David Friedrich Strauss, der ehemalige evangelische Theologe, den ich Ihnen vor einigen Wochen in der Predigt vorgestellt habe, David Friedrich Strauss war ehrlich. Die Auferstehung Jesu ist nach ihm ein „welthistorischer Humbug“. Dementsprechend fragt er in seinem Buche „Der alte und der neue Glaube“: Sind wir noch Christen? Nein, antwortet er, denn erstens haben wir es nicht mehr nötig und zweitens passt es uns nicht mehr. Das ist ehrlich, radikal ehrlich. Respekt! Tatsache ist, dass der reale und historische Charakter der Auferstehung deshalb bestritten wird, weil man auch die Realität der Menschwerdung nicht anerkannte. Wer nicht an Weihnachten glaubt, der kann auch nicht an Ostern glauben.
Einer von diesen Helden schreibt: „Die Formel ‚Christus ist Gott‘ ist falsch in jedem Sinne, in dem Gott als eine objektivierbare Größe verstanden wird.“ Ich wiederhole noch einmal diesen fundamentalen Satz: Die Formel „Christus ist Gott“ ist falsch in jedem Sinne, in dem Gott als eine objektivierbare Größe verstanden wird. Das heißt: Gott ist keine außer uns lebende Wirklichkeit, sondern ein Gemächte unseres Verstandes. Eine subjektive Größe und keine objektive. Also ist auch die Menschwerdung nicht objektiv. Also ist auch die Auferstehung nicht objektiv. Es geht also um die Gottheit überhaupt und um die Gottheit Christi. Weil der Unglaube Christus in einen harmlosen Wanderprediger verwandelt, deswegen kann und will er das wunderbare Leben Jesu und seine wunderbare Auferstehung nicht wahrhaben.
So wirklich und wahrhaftig das Wort Fleisch geworden ist, im Schoße der Jungfrau Maria, so wirklich und wahrhaftig ist Jesus aus dem Grabe erstanden. Lassen Sie sich, meine lieben Freunde, nicht irre machen! Im Osterzeugnis der Apostel steckt nicht nur die Zuversicht der Augenzeugen. Es steckt darin das erschauernde Wissen um ihre Sendung, die ganze Verantwortlichkeit der von Gott Berufenen, der Propheten, der Bekenner, der Martyrer. In der französischen Revolution entstand eine neue Religionsgemeinschaft, die Theophilantropen. Der Gründer war der französische Philosoph La Revellière-Lépeaux. Diese Religionsgemeinschaft reüssierte nicht, sie hatte keinen Erfolg. Und der Gründer fragte deswegen den Direktor Paul de Barras, was er tun müsse, damit die Gesellschaft sich verbreite. „Ach“, sagte er, „das ist ganz einfach: lassen Sie sich am Freitag hinrichten und stehen Sie am Sonntag wieder auf.“
Amen.