Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
18. Dezember 2011

„Mitten unter euch steht einer, den ihr nicht kennt“

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Die beherrschende Gestalt im Advent ist Johannes der Täufer. Immer wieder hören wir im Evangelium von seinem Wirken, soeben seine Aufforderung, alles Krumme gerade zu machen, alle Berge abzutragen und die Täler aufzufüllen. Er wurde irrtümlicherweise für den Messias gehalten. Aber er hat diese Einschätzung abgelehnt. Gleichzeitig hat er gesagt: „Mitten unter euch steht einer, den ihr nicht kennt.“ Er wies hin auf den Kommenden, auf den Messias: „Einer, dessen Schuhriemen aufzulösen ich nicht würdig bin:“ Also der viel größer und viel mächtiger ist als ich.

Der heilige Johannes der Täufer hat ein Wort ausgesprochen, das nicht mehr vergessen werden konnte: „Mitten unter euch steht einer, den ihr nicht kennt.“ Es ist eine betrübliche Wahrheit: Als Gott seinen Sohn sandte, hat die Welt ihn nicht erkannt. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinigen nahmen ihn nicht auf. Die Masse der Zeitgenossen Jesu hat ihn als den Messias nicht angenommen. „Mitten unter euch steht einer, den ihr nicht kennt.“ Inzwischen hat Jesus Millionen und Abermillionen von Anhängern und Bekennern gefunden. Ich fürchte aber, dass auch heute noch das Wort gilt: „Mitten unter euch steht einer, den ihr nicht kennt.“

Wer sind die Menschen, die Jesus nicht kennen? Es sind natürlich an erster Stelle die Ungläubigen. Jesus ist der Logos, die zweite Person in Gott, und von ihm heißt es im Johannesevangelium: „Am Anfang war das Wort, und das Wort war Gott, und alles ist durch das Wort geworden.“ Also dieser Jesus von Nazareth, dieser Logos, der auf Erden erschienen ist, ist der Schöpfer der Welt. Alles ist durch ihn geworden. Aber die Welt hat ihn nicht erkannt. Die Wirklichkeit, die uns umgibt, ist eine Schöpfung; sie ist nicht von selbst geworden. Es ist eben falsch, wenn Immanuel Kant meint, dass das Kausalgesetz auf diese irdischen Erscheinungen eingeschränkt ist. Das Kausalgesetz ist universal. Aus nichts wird nichts.

Im Römerbrief erklärt Paulus den römischen Christen, dass man aus dem Werke den Werkmeister erkennen kann. Was unsichtbar ist an Gott, nämlich seine Macht und Herrlichkeit, das wird erkannt seit der Schöpfung der Welt aus seinen Werken. Die Werke verweisen auf den Schöpfer. Und dennoch gibt es Menschen, die diese Wahrheit nicht anerkennen wollen. Sie geben uns keine Antwort, denn sie wissen ja nicht, woher die Welt kommt. Sie ist eben da. Wir wissen, woher sie kommt. Sie ist kontingent, d.h. sie kann sich selbst nicht ins Dasein gesetzt haben. Also muss sie einen nichtkontingenten Schöpfer haben. Wer den Schöpfer nicht anerkennt, der verwirft auch die Religion. Nach Ludwig Feuerbach ist das Menschliche das Göttliche. Das Menschliche ist das Göttliche. Das heißt: Es gibt keine Religion, es kann keine geben. Und für Karl Marx ist die Religion das Opium des Volkes. Das heißt: Die Vertreter der Religion vertrösten die Menschen auf ein besseres Jenseits, das ist Opium. Der Atheist Ernst Haeckel, seinerzeit Professor in Jena, behauptete, der Gott der Gläubigen könne nur als ein „gasförmiges Wirbeltier“ verstanden werden. Gott als ein gasförmiges Wirbeltier! Wahrhaftig: „Unter euch steht einer, den ihr nicht kennt.“

Jesus, der Sohn Gottes, steht unter uns als Offenbarer. Er kam in die Welt, und die Welt ist durch ihn geworden. Er ist ein Mensch geworden, er hat Fleisch angenommen. Er hat uns die herrliche Botschaft des Glaubens gebracht, von der Michael Sailer einmal geschrieben hat: „Leben möchte ich nicht mehr, wenn ich ihn nicht mehr reden hörte.“ Er hat unter uns gelebt wie ein Mensch. Kein Großer dieser Erde, kein Entdecker, kein Erfinder, kein Mahatma Gandhi, kein Dag Hammerskjöld, kein Martin Luther King kann es mit ihm aufnehmen.

Sein Leben war wahrlich ein wunderbares Leben. In den Evangelien werden 33 Einzelwunder Jesu berichtet, 16 Krankenheilungen, 3 Totenerweckungen, 6 Dämonenaustreibungen, 8 Naturwunder. Das ist nur eine Auswahl aus den Wundern Jesu. Im Johannesevangelium steht nämlich der Satz: „Noch viele andere Zeichen hat Jesus gewirkt vor den Augen seiner Jünger, die nicht in diesem Buche aufgeschrieben sind.“ Die Tatsächlichkeit der Wunder Jesu ergibt sich aus der unzerreißbaren Verknüpfung mit seinen Worten. Die Worte werden ja gewöhnlich als echt anerkannt, aber die Worte sind mit seinen Wundern verknüpft. Als der Täufer im Gefängnis Jesus fragt: „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“, da entgegnet er den beiden Abgesandten: Meldet dem Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf, Armen wird die Heilsbotschaft verkündet. Und Heil dem, der sich mir nicht ärgert.“ Die Worte, die Jesus spricht, werden beglaubigt durch die Zeichen, die er wirkt. Jesus hat einmal über drei galiläische Städte einen Wehe-Ruf gesprochen: „Wehe dir, Korazin! Wehe dir, Bethsaida! Wenn in Tyrus und Sidon, den heidnischen Nachbarstädten, die Wunder geschehen wären, die in euch geschehen sind, sie hätten längst in Sack und Asche Bußte getan. Und du, Kapharnaum, bist du nicht bis zum Himmel erhöht worden? Bis in die Hölle wirst du hinabgeschleudert werden, denn wenn Sodoma und Gomorrha die Wunder gesehen hätten, die in dir gewirkt worden sind, sie hätten wahrhaft sich bekehrt und bestünden heute noch.“ Wiederum: Die Worte Jesu werden beglaubigt durch seine Wunder. Noch ein drittes Mal hat er das versucht seinen Hörern zu unterbreiten. Die Feinde warfen ihm vor, er treibe die Dämonen, die Teufel, durch den obersten der Teufel, durch Beelzebul, aus. Da sagte er: Wie kann man einen solchen Unsinn reden? „Jedes Reich, das in sich zerspalten ist, zerfällt.“ Wenn Satan gegen den Satan vorgeht, hat ja sein Reich ein Ende. Da gibt er sich ja selber auf. Nein. „Wenn ich aber durch den Geist Gottes die bösen Geister austreibe, dann ist das Reich Gottes zu euch gekommen.“

Der Unglaube freilich weiß für alles eine Ausrede. Er versteht Jesus einzuebnen, stellt ihn in eine Reihe mit anderen Religionsstiftern, versucht ihm seine Einzigartigkeit zu nehmen. Nach Immanuel Kant ist Christus, der Sohn Gottes, keine historische Gestalt. Er ist nur – jetzt zitiere ich wörtlich – „die personifizierte Idee des sittlichen Prinzips“. Jesus, der Gottessohn, die personifizierte Idee des sittlichen Prinzips. Das steht in seinem Buche über die Religion innerhalb der Grenzen der Vernunft. Jedermann, so sagt Kant, kann Gottes Sohn werden und sollte es werden. Der evangelische Theologe David Friedrich Strauss, der ein berühmtes oder besser berüchtigtes Buch geschrieben hat: „Das Leben Jesu“, erklärt die Entstehung des Christentums wie folgt. Die Christen lasen die Bücher des Alten Testaments. Sie lasen sie im Hinblick auf Jesus. Sie bezogen die alttestamentlichen Verheißungen auf ihn und erfanden dann aufgrund dieser Verheißungen die Ereignisse, die in den Evangelien beschrieben werden. Das ganze Evangelium ist also Lug und Trug. Die Auferstehung Jesu sucht er dadurch zu erklären, dass Jesus gar nicht tot war. In der Kühle des Grabes ist er wieder zu sich gekommen. Unter solchen Auspizien werden junge Menschen verführt, und wahrhaftig, an ihnen erfüllt sich das Wort: Jesus steht unter ihnen, und sie erkennen ihn nicht.

Jesus steht auch unter den Menschen durch sein gegenwärtiges Wirken. Er lebt, denn er ist leibhaftig vom Tode erstanden. Er lebt in der Herrlichkeit des Vaters, aber er wirkt auch in seiner Herrschermacht im Himmel und auf Erden. Dass Menschen zum Glauben finden, dass Menschen gläubig werden in einer Welt von Ungläubigen, dass Menschen den Glauben bewahren in einer Masse von Zweiflern, dass Menschen aus dem Glauben leben, obwohl ihre Umgebung gegen den Glauben lebt, das ist eine Wirkung der Wahrheit und Gnade, die Jesus, der Nazarener, gebracht hat. Dass Menschen sich bekehren, dass sie aus dem Schlamm aufstehen, dass sie ein neues Leben beginnen, das ist die Macht des lebendigen Jesus.

Jesus lebt in seiner Kirche. Seine Verkündigung wird von ihr weitergetragen, nicht abgeschwächt, wie in anderen christlichen Denominationen, nicht zurechtgemacht für die Menschen unserer Zeit, wie man sagt, sondern bewahrt im ursprünglichen Sinne, einer Welt von Feinden zum Trotz. Gewiß gibt es Schwäche und Versagen in der Kirche Christi. O, Gott sei es geklagt. Aber dass diese Kirche sich immer wieder aus den Niederungen erhebt, dass sie daran nicht zugrunde geht, das ist das Signum der Macht unseres Heilandes, das ist die Wirkung der Wundermacht Gottes. Durch die Fernsehkanäle – so wird mir erzählt – ich sehe es mir ja nicht an, aber es wird mir erzählt, durch die Fernsehkanäle wird das Leben eines Papstes hindurchgehechelt, Alexanders VI. Na ja, er war ein Unkeuscher, er war ein Machtgieriger. Aber dass die Kirche an diesem Manne nicht zugrunde gegangen ist, das ist ein Zeichen der Macht Gottes.

Noch immer wirkt der Herr seine Wunder. Lassen wir uns nicht irremachen durch die angeblich eherne Gewalt der Naturgesetze! Ja natürlich, die Naturgesetze wirken, solange nur natürliche Kräfte auf sie einwirken. Aber wenn eine übernatürliche Kraft dazukommt, dann werden eben die Naturkräfte von dieser übernatürlichen Kraft überformt. Die Naturgesetze lassen Raum für anderweitige Möglichkeiten. Gelehrte belehren uns, dass sie statistische Bedeutung haben, also nicht ausnahmslos und immer und in jedem Falle gelten müssen, sondern dass sie Raum lassen auch für außergewöhnliche Ereignisse. Das kann uns helfen, die Wunder zu verstehen. Aber die Ungläubigen wollen sie nicht verstehen. Sie wollen das Wort des Johannes erfüllen: „Unter euch steht einer, den ihr nicht kennt.“ Der ungläubige französische Schriftsteller Émile Zola besuchte einmal Lourdes und sah dort den Glauben der Kranken, die auf Heilung hofften. Er sagte zu einem Arzt: „Wenn ich bei einem Beinamputierten sehen würde, wie sein Bein anwächst, dann könnte ich vielleicht auch glauben.“ Wenn ich bei einem Beinamputierten sehen könnte, wie sein Bein anwächst, dann könnte ich vielleicht auch glauben. Der Arzt erwiderte ihm: „Sie könnten zwei Beine anwachsen sehen und würden vielleicht doch nicht glauben.“ Der Unglaube hat immer wieder Ausflüchte. Es gilt für ihn das Wort: „Unter euch steht einer, den ihr nicht kennt.“

Dieses Wort trifft aber auch auf die Irrgläubigen zu, die nicht den rechten Glauben haben. Auch ihnen hat sich der Herr geoffenbart und bezeugt sich immerfort. Aber sie nehmen das Zeugnis nicht an, sie deuten es um. Sie sagen: Die Schrift allein ist für den Glauben maßgend. Und die Schrift legt sich selbst aus. Ja, wie macht denn das, meine lieben Freunde, eine Schrift, dass sie sich selbst auslegt? Wie macht denn das ein totes Buch, sich selbst auszulegen? Eine Schrift bedarf der Interpretation, und das ist eine von ihr verschiedene und ihr zugeordnete Größe. Diese ist die Verkündigung, die Überlieferung und die Auslegung durch jene Instanz, aus der die Schrift selbst hervorgegangen ist, nämlich aus der Kirche. In ihr ist das adäquate Verständnis der Schrift gegeben; denn nicht dem einzelnen, sondern der Kirche ist der Geist verheißen, der in alle Wahrheit einführt. Nur durch die lebendige Überlieferung der Kirche ist die Gewähr gegeben, dass die Schrift nicht toter Buchstabe bleibt, sondern lebendig wird und Anwendung findet.

Christus hat, wie wir glauben und überzeugt sind, die Kirche gestiftet, hat Schüler gesammelt, hat ein Kollegium der Apostel gebildet. Er hat einen Führer der Apostel eingesetzt, den Felsenmann. Er hat also die Kirche mit den Grundzügen einer Verfassung ausgestattet. Aber es gibt Christen, die bestreiten, dass Christus eine Kirche gegründet hat. Einer von ihnen hat gesagt: „Christus hat das Reich Gottes gegründet, und gekommen ist die Kirche.“ Meine lieben Freunde, die Verbindung der Kirche, der heutigen Kirche mit ihrem apostolischen Ursprung wird gesichert durch die apostolische Überlieferung und durch die Nachfolger der Apostel, durch ihr Amt und durch ihr lehrendes, auslegendes und entscheidendes Wort. Sie sind qualifizierte Zeugen und im Ernstfall Richter im Bereich des Glaubens. Glauben heißt, sich der Kirche anschließen. Wer sich nicht der Kirche anschließt, verfehlt den Glauben. Auf eigene Faust sich aus der Bibel einen Glauben zurechtmachen, das führt zu keiner gesunden Lehre. Es führt schon gar nicht zu Einheit der Christen. Die Kirche, die Christus gegründet hat, ist eine einzige und eine einige. „Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung. Ein Herr, ein Glaube, ein Gott und Vater aller“, heißt es im Epheserbrief. Die Einheit der Kirche ist unverlierbar. Es ist ganz falsch, wenn gesagt wird, die Kirche sei gespalten. Die Kirche ist nicht gespalten, die Christenheit ist gespalten! Die Kirche ist eine, und wer sich von ihr löst, der verläßt die Kirche. Er nimmt nicht die Kirche mit; die Kirche bleibt eine und eine einzige.

Der Mittelpunkt und der Ursprung der Einheit ist der römische Papst. Wer sich nicht zu ihm im Glauben und in der Gemeinschaft bekennt, fällt aus der Einheit der Kirche heraus. Der Vorrang, der Primat des römischen Papstes ist uns aus frühester Zeit bezeugt. Im Jahre 110 -110! – n. Chr. schreibt der Bischof Ignatius von Antiochien, die römische Kirche sei die „Vorsteherin des Liebesbundes“. Die Vorsteherin, nicht bloß ein Glied, die Vorsteherin des Liebesbundes. Und der Bischof Irenäus von Lyon schreibt im Jahre 180, mit der römischen Kirche müsse – müsse! – jede andere Kirche im Glauben übereinstimmen. Warum denn? Ja, weil diese Kirche das Prinzip der Einheit ist.

Wenn es die Päpste nicht gäbe, meine lieben Freunde, wäre unsere Kirche schon längst in ebenso viele Gruppen und Sekten zerfallen wie der Protestantismus. Die Päpste an erster Stelle haben den Glauben gerettet oder vielmehr der, der zu Petrus, dem ersten Papst gesprochen hat: „Der Satan hat verlangt, euch zu sieben, wie man den Weizen siebt. Aber ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht wanke. Und du deinerseits, stärke deine Brüder!“ Aber die Irrgläubigen wollen nicht zugeben, dass Christus das Papsttum eingesetzt hat. Sie machen Ausflüchte, sie sagen, Jesus habe sich in Cäsarea Philippi auf den Glauben bezogen und nicht auf die Person des Petrus, und so muss man leider auf sie das Wort anwenden: „Mitten unter ihnen steht einer, den sie nicht kennen.“

Christus steht unter uns auch durch sein Wirken in den sieben Sakramenten. Sieben sind es, meine lieben Freunde, nicht zwei, wie der Protestantismus lehrt. Die Sakramente sind Vollzüge der Begegnung mit Christus. In den Gesten, Gegenständen und Worten der Sakramente begegnet uns Christus. Die Spender der Sakramente betreiben keinen Hokuspokus, sie wenden auch nicht bloße Symbole an, sondern sie stellen sich Christus als Werkzeuge zur Verfügung. Christus ist es, der tauft; Christus ist es, der die Wandlung vollzieht; Christus ist es, der dem Priester das unauslöschliche Siegel einprägt. Aber die Irrgläubigen nehmen es nicht an. Sie begreifen nicht, dass Christus in den Sakramenten mitten unter ihnen steht. Die getrennten Christen haben kein Weihesakrament. Sie kennen keine Männer, die durch Handauflegung und Gebet Christus so verähnlicht sind, dass sie in seiner Person zu handeln vermögen. Weil sie kein Weihesakrament besitzen, fehlen ihnen die geistlichen Wirkungen, die an die Tätigkeit der Geweihten gebunden sind. Sie haben keine Wesensverwandlung, sie haben keine Gegenwärtigsetzung des Opfers Christi. So müssen wir mit Schmerzen feststellen: Von den getrennten Christen gilt das Wort: „Mitten unter euch steht einer, den ihr nicht kennt.“

Die Ungläubigen, die Irrgläubigen verfehlen den Herrn. Aber wie steht es mit uns? Im Buch des Propheten Isaias steht das ergreifende Wort: „Seinen Eigentümer erkennt der Stier, ein Esel die Krippe seines Herrn. Israel aber hat keine Erkenntnis. Mein Volk hat keinen Verstand.“ Diese Klage des Propheten liegt vor der Ankunft des Herrn. Aber es scheint das eine Parallele zu dem Wort des Johannes zu sein: „Mitten unter euch steht einer, den ihr nicht kennt.“ Jesus ist wirklich unter uns mit seiner Wahrheit und Gnade, mit seinem verklärten Leib, mit seinem Priestertum. Kennen wir ihn? Es gibt zwei Kennzeichen, die uns gewiß machen, ob wir Christus kennen. Das erste: Daran erkennen wir, dass wir ihn erkannt haben, wenn wir seine Gebote halten. Also der Gehorsam ist es, was der Herr von uns verlangt. Der Gehorsam ist das wahre Opfer, das wir Christus auf dem Altare unseres Herzens darbringen. Wer weiß, dass Gott der absolute Herr ist, und wer von dieser Erkenntnis ergriffen ist, dem wird es eine selbstverständliche Pflicht sein, Gottes Willen zu erfüllen, seine Gebote zu halten. Der Gehorsam gegen Gott und seinen Christus besitzt geradezu Erkenntniskraft. „Wenn jemand Gottes Willen tun will, wird er erkennen, ob diese Lehre von Gott ist oder ob ich aus mir selbst rede.“ Ein bedenkenswertes Wort aus dem Johannesevangelium. „Wenn jemand Gottes Willen tun will, nicht bloß hören, so wird er erkennen, ob diese Lehre aus Gott ist oder ob ich aus mir selbst rede.“ Also das Tun im Gehorsam besitzt Erkenntniskraft.

Zweitens: Jeder, der liebt, ist aus Gott gezeugt und erkennt Gott. Wir wollen dem Herrn nicht nur Gehorsam erweisen, wir wollen ihn auch lieben. Vom heiligen Pfarrer von Ars stammt das schöne Wort: „Das einzige Glück auf Erden ist, Gott lieben und wissen, dass er uns liebt.“ Das einzige Glück auf Erden ist, Gott lieben und wissen, dass er uns liebt. Wir lieben ihn, wenn wir an ihn glauben, wenn wir ihm trauen, wenn wir uns zu ihm bekennen, wenn wir ihn verherrlichen in unserem täglichen Leben und im Gebet und im Gottesdienst. Wir lieben Gott, wenn wir ihn über alles schätzen, wenn wir ihn über alles stellen, wenn wir ihm nichts vorziehen, wenn uns nichts genug und nicht zuviel ist in seinem Dienste. Dann lieben wir ihn.

Die Liebe zu Jesus muss sich freilich fortsetzen, meine lieben Freunde, in der Liebe zu seinen Brüdern und Schwestern. Die Nächstenliebe soll das Kennzeichen seiner Anhänger sein. „Daran sollen alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe zueinander habt.“ Diese Liebe soll sich auch in den kommenden Tagen wieder zeigen. Unsere Geschenke, die wir annehmen oder schenken, sind ja Gesten der Liebe, Gesten jener Liebe, die in Bethlehem zur Erde gekommen ist. Mühen wir uns um diese Liebe, um die große, selbstlose, Welt überwindende Liebe zu unserem Gott und Heiland und zu unseren Brüdern und Schwestern, damit nicht, meine lieben Freunde, damit nicht im Gericht das Wort über uns gesprochen werden muss: „Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt.“

Amen.

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