Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
25. Mai 2008

Die heilige Messe – Opfer Christi und Opfer der Kirche

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Ich habe vor mir einen Zeitungsausschnitt vom 17. Mai 2008. Darin kündigt die Katholisch-Theologische Fakultät Erfurt an, eine Masterclass einzurichten, eine Meisterklasse für Theologiestudenten, die ihr Vordiplom oder ihre Bachelor-Prüfung mit mindestens 1,7 absolviert haben. Für die Senior Lectures, wie es im schönen englischen Deutsch heißt, für die Senior Lectures „konnte mit Prof. Otto Hermann Pesch einer der bedeutendstan katholischen Dogmatiker der Gegenwart gewonnen werden“. Otto Hermann Pesch ist mir gut bekannt. Er war einstens ein frommer Dominikanerpriester, verließ den Orden, hängte das Priestertum an den Nagel und heiratete eine Nonne. Er wurde dann Lehrer an der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Hamburg. Die Katholisch-Theologische Fakultät von Mainz besaß die Geschmacklosigkeit, diesen Mann zum Ehrendoktor zu erheben. Alle Mitglieder der Fakultät stimmten zu, Pesch zum Ehrendoktor zu machen, mit einer Ausnahme: das war ich. Jetzt wird also Otto Hermann Pesch in Erfurt sein Werk fortsetzen. Welche Positionen er vertritt, das ist leicht zu sagen. Wir sprachen ja am vergangenen Donnerstag, an Fronleichnam, vom Messopfer. Was hat der Theologe Otto Hermann Pesch zum Messopfer zu sagen? „Das Letzte Abendmahl Jesu legt keinerlei Opfergedanken nahe. Eine späte und auch nur halbe Korrektur erfolgte im 20. Jahrhundert, sodann faktisch durch die Liturgiereform, wobei die Kräfte des Beharrens in allen neuen Hochgebeten Formeln haben festklopfen können, die evangelischen Ohren nur anstößig klingen können. Deshalb müssen die neuen Hochgebete aus ökumenischen Gründen schleunigst revidiert werden.“ Das ist die Opfertheologie des Otto Hermann Pesch, der im Wintersemester in Erfurt eine Masterclass von Theologen unterweisen wird.

Meine lieben Freunde, wir haben am vergangenen Donnerstag die Lehre der Kirche über das heilige Messopfer betrachtet. Wir haben gesehen: Die heilige Messe, das eucharistische Opfersakrament, ist ein Opfer, ein wahres und eigentliches Opfer, das Selbstopfer Christi. Was Christus einmal und für immer am Kreuze getan hat, das macht er in der heiligen Messe lebendig, das wirkt er aus, damit auch wir in das Kreuzesopfer eingehen können. In dieses Opfer will er die Kirche hineinziehen. An diesem Opfer soll sie lernen, sich selbst zu opfern. In der Feier des eucharistischen Opfers eint sich Christus, der Hohepriester, mit allen Gliedern seines mystischen Leibes. Wir alle sollen zusammen mit ihm und in ihm dem Vater den Kult der vollkommenen Anbetung und Verherrlichung darbringen. Das Opfer der heiligen Messe ist der Höhepunkt und der Mittelpunkt der christlichen Religion. Die Messe ist die Gegenwärtigstellung des Selbstopfers Christi am Kreuze.

Sie ist aber auch das Opfer der Kirche. Nicht nur Christus opfert, auch die Kirche opfert und alle, die zur Kirche gehören. Christus gibt der Kirche sein eigenes Opfer, damit sie es dem Vater im Himmel anbietet und darbringt. Die Kirche soll das Opfer Christi als ihr eigenes Gott im Himmel darbringen. Und zugleich mit dieser Opfergabe soll sie lernen, sich selbst zu opfern. Die heilige Messe ist auch das Opfer der Kirche. Die Opfergabe, die Christus ist, wird von der Kirche dem Vater im Himmel dargebracht als Erweis ihrer Liebe und Dankbarkeit, als Ersatz für die Schwächen, Fehler und Nachlässigkeiten, die ihre Glieder begangen haben. In ihr wird Christi Opfern und Christi Beten ihr eigenes Opfern und Beten. Durch Christus, mit Christus und in Christus erfüllt die Kirche ihren höchsten Beruf, nämlich Gott zu ehren, Gott zu preisen und Gott Dank zu sagen. Indem sie Christus opfert, lernt sie sich selbst zu opfern. Die Opfergabe, die Christus ist, wird verbunden mit der Opfergabe, die wir selbst sein sollen. In den Texten der heiligen Messe ist immer wieder ausgedrückt, dass wir selbst eine Opfergabe werden sollen. „Im Geiste der Demut und mit zerknirschtem Herzen laß uns, o Herr, bei dir Aufnahme finden. So werde unser Opfer – unser Opfer! – heute vor deinem Angesichte, auf dass es dir wohlgefalle.“

Wir opfern also in der heiligen Messe zweierlei in einem: Wir opfern Christus als unsere Opfergabe; Gott schenkt ihn uns in der heiligen Wandlung. Und dann bringen wir ihn dem Vater im Himmel dar. Achten Sie ganz besonders auch heute wieder auf das Gebet, das unmittelbar der heiligen Wandlung folgt. Da ist nämlich von der Übergabe dieser wunderbaren Gabe an Gott die Rede. Wir opfern Christus, und wir opfern uns selbst. Das ist natürlich auch entscheidend, denn wenn wir uns selbst nicht opfern, dann wäre die Opfergabe Christi irgendwie ein Betrug, dann würden wir Gott täuschen, weil wir uns selbst nicht auf den Opferaltar legen. Wir müssen uns mit dem Opfer Christi verbinden, damit das Opfer auch unser Opfer wird. Wir müssen jene Opfergesinnung mitbringen, die Christus beweist und die er von uns erwartet.

In dieser Opferfeier der heiligen Messe sind wir nicht allein, meine lieben Freunde. Ich muss oft vor der heiligen Messe erklären, dass wir das heilige Opfer im Gedächtnis eines bestimmten Heiligen feiern. Das bedeutet: Wir denken an den betreffenden Heiligen. Aber nicht nur das. Es bedeutet auch, dass der Heilige in die Opferfeier einbezogen wird. Gott gibt ihm zu wissen, dass jetzt die Gemeinde am Altare steht, um ihn zu ehren. Und er betet mit uns und mit ihm der ganze Himmel, die ganze himmlische Heerschar. Immer wieder rufen wir die Apostel Petrus und Paulus an „und alle Heiligen“; denn die Messe bezieht die ganze himmlische Heerschar in das Opfer ein. Die heilige Messe ist die Opfergemeinschaft mit den Heiligen und Seligen des Himmels. Sie legen ihre Leiden und ihr Wirken, ihre Tugenden und ihre Hingabe in unsere Hände, damit wir sie dem Vater im Himmel darbringen können. Unser Opfer ist gewissermaßen mit dem Wohlgeruch der Taten und der Leiden der Heiligen erfüllt.

Unsere Opferfeier schließt aber auch die übrigen Glieder der Kirche ein. Wir denken nicht nur an die triumphierende Kirche, wir denken auch an die streitende Kirche, an die Kirche auf Erden, die in die Opferfeier einbezogen werden. Immer wieder ist die Rede von den „Umstehenden“, von „allen Christgläubigen“. Sie alle sollen eben in dieser Opferfeier vom Segen des Kreuzesopfers Gnade um Gnade empfangen. Die heilige Messe ist eine lebendige Opfer- und Gütergemeinschaft mit den Gliedern der Kirche, mit allen Gliedern der Kirche auf Erden.

Die heilige Messe ist aber auch eine Opfergemeinschaft mit Christus, und das ist sie natürlich zuerst und zuoberst. Er gibt sich uns mit allem, was er ist und was er hat. Er gibt sich uns mit seinen Tugenden, mit seinen Gebeten, mit seinem Leiden und seinem Sterben, damit diese Gabe von uns dem Vater im Himmel dargereicht werde. Wiederum im Gebete nach der heiligen Wandlung heißt es: „Von all deinen Gaben und Gnaden opfern wir dir auf den lebendigen Christus“, den im heilbringenden Sakrament enthaltenen Herrn und Heiland. Den opfern wir dem Vater im Himmel auf. Da ahnen wir, meine lieben Freunde, was es bedeutet, die Messe mitfeiern. Es bedeutet, dass wir hier die Opfergesinnung erwecken müssen, die in Christus war, dass wir in seine Opfergesinnung eingehen und dass wir diese Opfergesinnung in der Tat bewähren. Es muss eine wirkliche Hingabe und eine wirkliche Gesinnung der Hingabe in uns sein, ein Opferwille, der uns mit Christus und mit den Heiligen des Himmels und mit den Menschen auf Erden verbindet. Und je enger die Opfergemeinschaft ist, desto reichlicher ist die Opferfrucht. Je mehr wir mit unserer Gesinnung einswerden mit Christus, um so mehr Segen tragen wir nach Hause für uns und die Unseren.

Die heilige Messe ist ein Opfer, ein wahres und eigentliches Opfer. Es ist die sakramentale Darstellung des Kreuzesopfers. Wenn wir die heilige Messe beginnen, dann stehen wir immer am Fuße des Kreuzes. Und aus den Wunden des Herrn schöpfen wir das Heil. Aus der heiligen Messe fließen auch alle Gnaden, die wir erwarten dürfen, also die Kraft der heiligen Sakramente, die Kraft der heiligen Weihen, die Kraft zum Heldentum in Opfer und Entsagung, die Kraft zur Erwerbung der ewigen Verklärung. Es gibt eine Oration, ein Kirchengebet, in dem heißt es: „Sooft das Gedächtnis dieses Opfers gefeiert wird, wird das Werk unserer Erlösung vollzogen.“ Also: Die Erlösung ist noch nicht vollendet; die Erlösung geschieht noch laufend, und es ist notwendig, sie fortwährend weiterzuführen. Aber wir führen sie nirgends besser, tiefer, inniger und kraftvoller weiter als in der Feier der heiligen Messe. Sooft man dieses Opfer feiert, wird das Werk unserer Erlösung vollzogen. In diesem Opfer quillt uns der Kreuzessegen entgegen. In diesem Opfer erwächst die Kraft zum Martyrium, zum Leiden und zum Sterben.

Die heilige Messe ist ein Anbetungs-, Dank-, Sühn- und Bittopfer. Von diesem Opfer können wir gar nicht genug erwarten, und je besser wir bereitet sind und je höher unsere Erwartungen sind, um so mehr können wir aus diesem heiligen Opfer schöpfen. Die heilige Messe ist, wie wir sagten, das Selbstopfer Christi, und deswegen von unendlicher Reinheit, Heiligkeit und Würde. Sie besitzt einen unendlichen Wert, weil Christus, der Gottessohn, unendlich ist. Sie überragt jede andere Form der Gottesverehrung. In den letzten Zeiten hat man versucht, uns die Wortgottesdienste schmackhaft zu machen. Nichts gegen Wortgottesdienste, aber kein Wortgottesdienst kann auch nur entfernt heranreichen an die Würde des heiligen Messopfers. Das heilige Meßopfer ist durch keinen Wortgottesdienst zu ersetzen.

Die heilige Messe ist das Opfer der Kirche als einer Gemeinschaft, und auch unter diesem Gesichtspunkt ist sie eine heilige, unbefleckte Opfergabe, eine Opfergabe der allzeit heiligen und Gott wohlgefälligen Kirche. Freilich nicht von unendlicher Würde, weil wir Menschen eben endlich sind. Aber auch als Opfer der Kirche ist sie ein heiliges und unbeflecktes Opfer.

Die Messe ist schließlich das Opfer des Priesters und der Mitopfernden. Sie opfern ja auch im eigenen Namen, und unter dieser Rücksicht richten sich der Wert, die Würde und die Wirkung der heiligen Messe nach dem Verdienst und dem Gnadenstand, nach der Reinheit und Frömmigkeit des Priesters und der Mitopfernden. Wir haben es also in unserer Hand, reichlich aus diesem Opfer zu schöpfen, wenn wir uns geeignet gemacht haben, diese Gaben entgegenzunehmen.

Das Opfer der heiligen Messe bewirkt nicht, wie Otto Hermann Pesch behauptet, die Sündenvergebung unmittelbar. Die Messe ist kein Sündenvergebungssakrament, wie der Protestantismus meint. Nein, das Messopfer kann dem würdig Mitopfernden Gnade zur Bekehrung verleihen, dass er die Sünde überwindet. Aber die Nachlassung der Sünde ist nicht dem Meßopfer vorbehalten, sondern dem Bußsakrament. Durch das Messopfer werden zeitliche Sündenstrafen nachgelassen wie durch jedes Gebet, und das ist nicht zu verachten. Ebenso können auch Güter der natürlichen Ordnung von uns im Messopfer erbeten werden. Warum soll man die Messe nicht feiern für die Gesundheit, für eine glückliche Operation, für einen Sterbenden? Das alles ist zulässig. Um in die Opfergemeinschaft der Messe einzugehen, ist es angebracht, die Opfergesinnung auch äußerlich zu betätigen. Meine lieben Freunde, es sind zwei dürftige Körbchen, die hier stehen, in die Sie dann Ihre Scherflein hineinwerfen. Aber das ist eine Opfergabe, das ist eine Gabe für ein heiliges Opfer. Durch diese Gabe zeigen Sie, dass Sie in die Opfergabe, die Christus ist, eingehen wollen. Das ist nicht zu verachten. Der Klingelbeutel ist keine rein pekuniäre Angelegenheit, er ist eine hochreligiöse Angelegenheit. Und erst recht das Meßstipendium. Die Gläubigen geben ein Meßstipendium, damit eine heilige Messe in ihrer Meinung, in ihrer Intention gefeiert wird. Dadurch reihen sie sich ein in die Opferdarbringer der heiligen Messe, und zwar in einer besonderen Weise, eben durch die Hingabe eines Geldopfers, das der Priester diesem Opfer zuordnet. Der Priester nimmt dieses Geld und betet in dieser Intention, er feiert die heilige Messe in dieser Intention, und dann verwendet er das Geld für gute Zwecke. Achten Sie bitte darauf, meine lieben Freunde, der Priester nimmt keinen einzigen Cent von den Meßstipendien für sich, keinen einzigen Cent nimmt er für sich, sondern er gibt das gesamte Meßstipendium weiter für gute Zwecke. Es ist also ganz falsch, wenn Menschen sagen: Was kostet die Messe? Die Messe ist unbezahlbar! Man kann sie nicht kaufen. Aber man kann sich durch Hingabe einer sichtbaren Gabe in besonderer Weise in die Reihe der Opferdarbringer einreihen. In früheren Zeiten brachten die Menschen nicht nur Geld als Opfer, sondern Früchte der Erde, Getreide, Mehl, Brot und andere Gaben des Feldes. Das wurde dann nach der heiligen Messe an die Bedürftigen der Gemeinde verteilt. Aber zunächst einmal wurden diese Gaben dem Messopfer zugeordnet, wurden Gott geschenkt. Aber da Gott nichts braucht, wurde es eben dann nachher den Menschen überlassen.

Jetzt wissen wir, meine lieben Freunde, was das heilige Messopfer ist. Es ist das Selbstopfer Christi, das uns geschenkt ist, damit wir in dieser Opfer eingehen und an ihm lernen, uns zu opfern. Wer nicht geopfert ist, der kann auch nicht gekrönt werden. So müssen wir in der heiligen Messe die Opfergesinnung Christi uns aneignen, müssen im Geiste der Zerknirschung und mit demütigem Herzen an diesem Opfer teilnehmen. Achten Sie immer ganz besonders auf das wunderbare Gebet: „Betet, Brüder, dass mein und euer Opfer wohlgefällig werde bei Gott, dem allmächtigen Vater!“

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt