22. Mai 2008
Die heilige Messe – Opfer Christi
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte, zur Feier des heiligen Fronleichnam Versammelte!
Als im 16. Jahrhundert der Unglaube und der Irrglaube in die Kirche einzudringen versuchte, da richtete sich ein Hauptstoß gegen das eucharistische Opfersakrament. Und so hat das große Konzil von Trient in lichtvoller Weise die katholische Lehre vom eucharistischen Opfersakrament in bleibend gültiger Weise vorgelegt. In der 22. Sitzung dieses Konzils ist Folgendes uns als bleibend gültige Lehre der Kirche vorgelegt worden: „Um die ewige Erlösung zu wirken, wollte Christus sich einmal auf dem Altare des Kreuzes dem Vater zum Opfer darbringen. Sein Priestertum sollte aber mit seinem Tode nicht aufhören. Deshalb brachte er beim Letzten Abendmahl seinen Leib und sein Blut unter den Gestalten von Brot und Wein Gott dem Vater dar und wollte damit seiner Kirche ein Opfer hinterlassen, durch welches das blutige, einmal am Kreuze darzubringende Opfer vergegenwärtigt, das Andenken daran bis zum Ende der Welt festgehalten und seine heilsame Kraft zur Nachlassung der Sünden zugewendet wurde, die von uns täglich begangen werden.“ So hat das Konzil von Trient die Meßopferlehre der Kirche dargelegt.
Das Messopfer ist, wie gesagt, ein gegenwärtiges Opfer, ein wahres und eigentliches Opfer. Zum Opfer gehören drei Dinge: ein Opferpriester, eine Opfergabe und eine Opferhandlung. Der Opferpriester in der heiligen Messe ist kein anderer als Christus selbst. Er hat das Opfer am Kreuze dargebracht; er bringt auch das Opfer in der heiligen Messe dar. Mit der gleichen Gesinnung, mit dem gleichen Opferwillen wie am Kreuze opfert er in der heiligen Messe. Er opfert nicht mehr in sichtbarer Gestalt. Aber wenn das Opfer in der Messe überhaupt einen Sinn haben soll, dann kann es ihn nur dadurch haben, dass Christus opfert, freilich in verhüllter Weise durch seinen Stellvertreter, durch sein Werkzeug, den menschlichen Priester. Christus ist der Priester, aber er hat einem Menschen die Vollmacht verliehen, in seiner Person zu sprechen, zu handeln und zu wirken. Der Priester spricht in der heiligen Messe die Wandlungsworte: Das ist mein Leib. Das ist mein Blut. Er spricht sie in der Person Christi. Er schlüpft gleichsam in die Rolle Christi. Er spricht die genannten Worte als wirksames sakramentales Zeichen. Er spricht sie also nicht als jemand, der einen Bericht vorträgt. Nein, er spricht die Wandlungsworte im Auftrag, in der Macht und in der Person Christi. Durch diese Worte geschieht etwas, nämlich die Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi. Er ist tatsächlich, wie Pius XI. einmal erklärt hat, ein zweiter Christus. Und nur dadurch ist das Messopfer das Opfer Christi. Christus hat das Messopfer nicht nur befohlen, er hat ihm auch nicht nur seine Kraft verliehen, er hat es nicht bloß angeregt, nein: Christus opfert. Unmittelbar und wirksam und persönlich bringt er dieses Opfer dar. Christus verwandelt die Gaben; der Priester ist sein Werkzeug, sein Instrument, sein Mittel, aber die Opferung in der heiligen Messe, nämlich die Konsekration, die Verwandlung, die geschieht durch Christus. Hier bestätigt Christus seine priesterliche Gesinnung und seine priesterliche Würde.
Zum Opferpriester muss die Opfergabe kommen. Die Opfergabe, die in der heiligen Messe dargebracht wird, kann keine andere sein als dieselbe, wie sie am Kreuze dargebracht wurde, nämlich Christus selbst. Christus, der Gottmensch, ist die Opfergabe: „Ipse offerens, ipse et oblatio“ – Er ist der Opferdarbringer, er ist auch die Opfergabe. Christus ist die vollkommene, nicht zu überbietende Opfergabe in der heiligen Messe. Und wir, die wir uns am Messopfer beteiligen, die wir mit Christus opfern, wir opfern Christus, jawohl, nicht mehr und nicht weniger: Wir opfern Christus. Die Messe ist ein Selbstopfer Christi von unendlichem Wert. In diese seine Opfergabe nimmt unser Hoherpriester alles hinein, was er als der menschgewordene Gottessohn ist und hat, also seinen Leib, seine Seele, sein Herz mit allem, was es an Huldigung und Liebe, an Heiligkeit, Genugtuung und Verdienst in sich schließt. In der heiligen Messe haben wir einen Opferpriester, und wir haben eine Opfergabe.
Aber wir haben auch eine Opferhandlung. Die Opferhandlung der heiligen Messe ist die Doppelkonsekration von Brot und Wein. Ich möchte Sie nicht irremachen. Wenn in unseren Gebetbüchern das Herbeibringen der Opfergaben als Opferung bezeichnet wird, so ist das nicht falsch, denn das Opfer Christi nimmt eben damit seinen Anfang. Ohne die Opfergaben kann es überhaupt nicht geschehen. Brot und Wein sind unerlässlich. Wenn kein Brot und kein Wein vorhanden ist, kann sich auch kein Opfer vollziehen. Insofern ist es nicht falsch, wenn wir vom Beginn der heiligen Messe, wo der Priester diese Opfergaben in die Höhe hebt, sagen: Es ist Opferung. Es ist tatsächlich Opferung, es ist der (notwendige) Beginn der Opferung. Freilich der Gipfel, der Höhepunkt der Opferung ist erst die Doppelkonsekration von Brot und Wein. In der sakramentalen Trennung des Leibes und des Blutes des Herrn, abgebildet durch Brot und Wein, liegt die Hinopferung Christi. Die sakramentale Hinopferung ist der sinnenfällige Ausdruck seiner immerfort lebendigen inneren Darbringung und Opfertat.
In den letzten Jahrzehnten ist in manchen katholischen Kreisen versucht worden, den Opfercharakter der Messe auf das Andenken zu beschränken, auf das Andenken der Kreuzestat, des Kreuzesopfers. Das ist falsch. Die Messe ist ein Andenken, aber sie ist mehr als ein Andenken, sie ist eine Opferhandlung. Sie ist ein wahres und eigentliches Opfer. Sie ist eine wahre, in der Gegenwart sich vollziehende Hinopferung. Christus hat tatsächlich in jeder heiligen Messe die Absicht, durch die Verwandlung der Gaben von Brot und Wein in sein heiliges Fleisch und Blut einen Opferakt zu setzen. Die Opfergesinnung, die er am Kreuze bewährt hat, tritt in der heiligen Messe in die Gegenwart hinein. Und deswegen ist es ganz richtig, zu sagen: Die Messe ist das Kreuzesopfer in sakramentaler Gestalt. Genau das ist es: das Kreuzesopfer in sakramentaler, also in veränderter, aber wirklicher Gestalt. Oder auch, wie mein Lehrer Michael Schmaus zu sagen pflegte: „Das Messopfer ist eine sakramentale Epiphanie von Golgotha.“ Eine sakramentale Epiphanie, also ein In-Erscheinung-Treten von Golgotha, eine Vorführung, eine Vergegenwärtigung, eine Erneuerung des Kreuzesopfers. Das Wort Erneuerung wird vom römischen Katechismus gebraucht und sollte deswegen nicht eliminiert werden: eine wahre Vorführung, eine wahre Darstellung, eine wahre Vergegenwärtigung, eine echte Erneuerung des Kreuzesopfers.
Die Beziehung zum Kreuzesopfer erklärt, dass das Messopfer kein neues Opfer ist, kein Opfer neben dem Kreuzesopfer, das dem Kreuzesopfer Abbruch täte. Das ist ja immer die Befürchtung der Protestanten gewesen. Aber das ist es nicht. Die Messe ist das in der Gegenwart in Erscheinung tretende Kreuzesopfer. Hier wird das Werk unserer Erlösung tatsächlich gewirkt, so wie es am Kreuze geschehen ist. Weil wir aber nicht unter dem Kreuze standen wie Maria und Johannes, deswegen muss eben das Kreuzesopfer auch unter uns in Erscheinung treten, und das eben geschieht im Messopfer.
Also noch einmal: Das Messopfer ist ein Gedächtnis, aber es ist ein Gedächtnis als Tathandlung. Es ist ein Gedächtnis als gegenwärtiges Opfer. Es ist ein Gedächtnis, das die Tat Jesu am Kreuze in die Gegenwart hineinholt, eben durch die Vergegenwärtigung, repraesentatio, wie das Konzil von Trient es nennt: repraesentatio, Gegenwärtigsetzung. Genau das ist es.
Und freilich ist mit dem Kreuzesopfer, das hier gegenwärtig gesetzt wird, auch die Auferstehung und die Himmelfahrt des Herrn verbunden. Denn das Kreuzesopfer ist unvollständig ohne Auferstehung und Himmelfahrt. Erst durch die Auferstehung wissen wir, dass Gott das Opfer angenommen hat. Und sie ist das Ziel dieses Opfers am Kreuze, und die Himmelfahrt, die Verklärung ist der Abschluß dieses Geschehens. Deswegen achten Sie auch heute wieder bei der heiligen Messe darauf: Nach der Wandlung beten wir: „Daher sind wir denn eingedenk, Herr, deines heilbringenden Leidens, deiner Auferstehung und deiner glorreichen Himmelfahrt.“ Wahrhaftig, wir haben den Herrn gegenwärtig. Wir dürfen uns an ihn klammern. Wir dürfen sagen: „Jesus, du gehst durch dein Kreuz und deine Auferstehung und deine Himmelfahrt zum Vater. Nimm mich mit! Mein Heiland, nimm mich mit!“
Amen.