2. September 2007
Die heiligen Engel Gottes
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Im Jahre 1670 hat Papst Clemens X. das Fest der heiligen Schutzengel eingesetzt. Und seitdem wird es in der Kirche gefeiert am Anfang des Monats September, ja man kann sagen, der September ist der Schutzengelmonat. Wegen der Wichtigkeit des Gegenstandes kann und soll man im ganzen Monat September sich der heiligen Engel erinnern, besonders der Schutzengel, die zu unserem Dienste von Gott bestellt sind. Für die Kinder lässt man heute gerne noch den Schutzengel gelten, aber die Erwachsenen dünken sich häufig darüber erhaben. Wenn sie aus Gefahren errettet, wenn sie aus gefährlichen Situationen befreit wurden, dann sagen sie: „Glück gehabt“ oder „Schwein gehabt“ oder „Dusel gehabt“. In Wahrheit ist die Lehre der heiligen Engel außerordentlich bedeutsam und ebenso tröstlich.
Zunächst einmal gilt, und das ist nicht überflüssig zu sagen: Es gibt Engel. Es gibt leibfreie Geister. Gott hat eine unermessliche Zahl von Engeln geschaffen – aus nichts. Engel sind nicht, wie uns missratene Theologen weismachen wollen, „Personifikationen göttlicher Attribute“. Nein, Engel sind persönliche Wesen, von Gott aus nichts geschaffen und zu unserem Dienste bestellt. Es ist geradezu lächerlich, die Existenz von Engeln leugnen zu wollen, wo fast jede Seite der Heiligen Schrift uns von ihrer Existenz und von ihrem Wirken berichtet.
Die Engel sind Geister, das heißt körperlose Wesen, und deswegen auch unsichtbar. Die Unsichtbarkeit trägt nichts dazu bei, uns von der Existenz der Engel abzubringen. Nicht bloß das Sichtbare ist wirklich. Das irdische Auge ist kein Richter über die gesamte Wirklcihkeit. Unkörperliche Wesen können eben mit den Augen des Leibes nicht gesehen werden. Der Name „Engel“ bedeutet Bote. Er bezeichnet also nicht das Wesen dieser unkörperlichen Geschöpfe, sondern das Amt. Sie werden gesandt; deswegen heißen sie Boten, Engel. Aber ihr Wesen ist eben, unkörperliche, von Gott bestellte Geister zu sein zum Dienste der Menschen, natürlich auch zum Dienste an der Regierung der Welt. Gott bedient sich ihrer bei der Regierung der Welt. Unsere Vorfahren haben Deutschland einen Engel zum Patron gegeben, den heiligen Michael. Michael ist der Patron Deutschlands. Und es ist merkwürdig, dass ich noch nie habe einen Bischof darüber reden hören, geschweige denn einen von den Herren Politikern. Der Engel Michael ist der Patron Deutschlands.
Die Engel sind mächtige Wesen. Sie besitzen Kraft und Gewalt. Im Unterschied von den Heiligen, die nur durch ihre Fürbitte uns beistehen können, besitzen die Engel Kraft. Sie vermögen mit einer Kraft, die Gott ihnen verleiht, uns zur Seite zu stehen. Ihre Zahl ist unermeßlich groß. Im Buch der Apokalypse ist die Rede von tausendmal zehntausend Engeln. Und warum nicht? Wenn es Milliarden von Sternen gibt, warum soll es nicht Milliarden von Engeln geben? Gott vermag das eine wie das andere zu schaffen. Das eine ist nicht schwerer für ihn als das andere.
Die Engel sind durch Gottes Ewigkeit unsterblich. Sie sind durch Gottes Wahrheit frei von Irrtum, und sie sind durch Gottes Gnade heilig. Sie schauen immerfort das Antlitz des Vaters im Himmel. Der Herr hat wiederholt von den Engeln gesprochen, ihre unkörperliche Wesensart gelehrt. Einmal versuchte man ihm eine Falle zu stellen und sagte: Was ist denn mit einem Manne, der sieben Frauen hatte? Wie wird das nach der Auferstehung sein? Wird er dann mit allen sieben Frauen zusammen sein? Da gibt der Herr die Antwort: „Nach der Auferstehung werden die Menschen, werden die Erweckten sein wie die Engel.“ Das heißt: Die körperlichen und geschlechtlichen Unterschiede spielen dann keine Rolle mehr. Die Engel sind Wesen, die über die geschlechtlichen Unterschiede, die den Körpern anhaften, erhaben sind. In der Auferstehung werden die Menschen weder heiraten noch geheiratet werden, sondern sie sind wie die Engel im Himmel, d.h. über die geschlechtlichen Unterschiede erhaben.
Die Engel sind nun von Gott abgeordnet zu unserem Schutze. Sie sollen uns an Leib und Seele schützen. Aber sie haben zwei Grenzen ihrer Wirksamkeit. Die eine Grenze ist der freie Wille des Menschen. Die Engel raten uns, sie warnen uns, sie geleiten uns, aber eins tun sie nicht: Sie zwingen uns nicht. Die Engel zwingen uns auch nicht, das Gute zu tun. Die zweite Grenze ist der Tod. Wenn wir von Gott abberufen werden, dann tritt der Engel zur Seite, dann nimmt er seine schützende Hand von uns. Aber er sorgt dafür, dass wir im Tode nicht versinken. Er geleitet uns, dass wir ins Vaterland finden. Er will uns nicht nur auf Erden schützen, er will uns auch heimgeleiten zu Gott.
Es ist theologisch gewiß, dass jeder Mensch seinen Engel besitzt, den Gott ihm zur Seite gestellt hat. Gott hat nicht nur den Getauften, sondern nach übereinstimmender Meinung der Theologen auch den Ungetauften einen Engel zur Seite gestellt, damit er das Schützeramt ausübe. Für jeden Mensch gilt wohl das Wort: „Siehe, ich sende meinen Engel vor dir her, dass er dich auf deinen Wegen geleite, dass du deinen Fuß nicht stoßest an einen Stein. Habe acht auf seine Stimme und höre auf ihn.“
Die Engel erfüllen ihre Aufgabe in mannigfacher Weise. Sie wenden Gefahren für Leib und Seele von uns ab; sie halten teuflische Anfechtungen von uns fern; sie flößen uns gute Gedanken und Willensrichtungen ein; sie bringen unsere Gebet vor Gott; sie bitten für uns und stehen uns bei im Tode. Ich bin auch überzeugt, und ich glaube es aus Erfahrung sagen zu können, dass die Engel uns, wenn man auf sie vertraut und wenn man sie anruft, auch bei unserer Arbeit beistehen. Ich bin überzeugt, dass unsere Arbeit besser gelingt oder überhaupt zustande kommt, wenn wir die heiligen Engel anrufen. Ich lasse mir das nicht ausreden, dass die Engel mächtig sein, uns bei unseren täglichen Verrichtungen beizustehen. Freilich, ihr oberstes Ziel ist darin gelegen, uns in den Himmel zu führen. Der Schutz in irdischen Dingen ist dem untergeordnet. Zuerst und zuoberst ist es der Zweck der Engel, uns zu Gott zu führen. Der Engel kann nicht verhindern – und will nicht verhindern –, dass Leid und Schmerz uns treffen. Das sind die notwendigen Begleitschaften auf dieser Erde. Ohne Leid und Schmerz kann niemand die Bahn des Lebens ziehen. Wir dürfen und können es nicht besser haben wollen als unser Herr. Wir wissen, dass er versucht wurde vom Satan, wiederholt versucht wurde, aber es traten Engel zu ihm und dienten ihm. Und wir wissen, dass unser Herr in Angst und Not war, dass er anfing zu zittern und zu klagen im Ölgarten, aber auch da kam ein Engel und tröstete ihn.
So sollen auch wir unseren Engel hoch in Ehren halten, meine lieben Freunde, sollen oft an ihn denken, sollen zu ihm beten: „O Engel rein, o Schützer mein, du Führer meiner Seele, laß mich dir anbefohlen sein, dass ich vor Gott nicht fehle. Beschirme mich bei Tag und Nacht, geleite meine Pfade. Trag mein Gebet zu Gottes Thron und fleh für meine Sünden. Durch seinen eingebor’nen Sohn hilf mir Verzeihung finden.“ Es gibt noch viele andere schöne Gebete zu dem Engel, die wir täglich verrichten sollen, um den Engel in Dankbarkeit an unsere Seite zu ziehen und uns seines Schutzes zu erfreuen. Ja, dankbar, dankbar sollen wir sein für den unsichtbaren Schutz, den der Engel uns zuteil werden lässt. Wenn wir aufmerksam sind, dann werken wir, wie oft uns der Engel geleitet hat, wie oft er uns bewahrt hat, wie oft er uns hilfreich zur Seite stand.
Vom heiligen Papst Pius IX. wird berichtet, dass er täglich die heilige Messe ministriert hat als Knabe. Eine Tages, als er auf der einen Seite des Altares kniete, da war ihm, als ob eine Gestalt auf der anderen Seite ihn riefe. Er folgte dem Ruf und ging auf die andere Seite des Altares. In diesem Augenblick – und das ist bezeugt und beglaubigt – in diesem Augenblick stürzte eine große Statue vom Altar herab und hätte den Jungen begraben. Solche und ähnliche Begebnisse kann mancher von uns berichten. „Die Engel halten ihre Stellungen noch immer. Dreh einen Stein, wag den Flügelschlag, das bist nur du, der Augen abgewandter Schimmer, deren Vielglanz nicht zu schauen vermag“, so heißt es in einem Buche von Thomson.
Wir sollen, meine lieben Freunde, in einer Zeit, in der uns die Gefahren über den Kopf zu wachsen drohen, unsere Zuflucht zu den Engeln nehmen. Wir sind nicht allein. Die Engel sind bei uns und geleiten uns. Wir wissen, welche Gefahren des Leibes und der Seele uns umgeben – denken wir an die Verkehrsgefahren. Täglich hören wir von Menschen, die Verkehrsunfällen zum Opfer fallen, oft, meistens durch eigene Schuld, durch eigene Nachlässigkeit. Der Engel mahnt und warnt, ich sage es noch einmal, aber er zwingt nicht. Wenn wir auf seine Stimme nicht hören, dann müssen wir die Folgen bitter erleben. „Sie sind dienende Geister, denen zum Dienst bestellt, die das Heil erwerben sollen“, heißt es im Brief an die Hebräer. Sie sind dienende Geister, denen zum Dienst bestellt, die das Heil erwerben sollen.
Amen.