18. März 2007
Die Seligkeit des Himmels
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Heute morgen noch, bevor ich zu dieser Kirche kam, habe ich den Katholischen Katechismus aus dem Jahre 1926 aufgeschlagen. Der Katechismus ist in Frage- und Antwortform aufgebaut. Die erste Frage lautet: „Wozu sind wir auf Erden?“ Die Antwort: „Wir sind auf Erden, um Gott zu dienen, seinen Willen zu tun, ihn zu lieben und dadurch in den Himmel zu kommen.“ Damit ist alles gesagt für unser Leben. Wir sind auf Erden, um Gott zu dienen, ihn zu lieben, seinen Willen zu tun und dadurch in den Himmel zu kommen. Das ist eine, wenn nicht die beglückendste Wahrheit unseres katholischen Glaubens: Es gibt einen Himmel. Es gibt eine Stätte der Seligkeit, in der alle die versammelt werden, die auf Erden den Willen Gottes getan haben und nicht ihrem eigenen Willen gefolgt sind. Es ist eine absolut zuverlässige Wahrheit, nicht ein frommer Wunsch, nicht ein seliger Traum, sondern eine Wahrheit, verbürgt durch das Lehramt der Kirche, verbürgt durch die Verkündigung Jesu, verbürgt durch das Zeugnis der Apostel.
Armselige Menschen haben den Slogan erfunden: „Mach dir’s auf der Erde schön; kein Jenseits gibt’s, kein Wiedersehn.“ Das war die Parole der Sozialisten und Kommunisten des vorigen Jahrhunderts. Die Menschen, die so etwas sagen, vergessen, dass Gott den Menschen aufrecht gebaut hat, damit er nach dem Himmel schauen kann, und dass Gott ihn zum Himmel berufen hat. Es gibt keine Kanzel der katholischen Kirche, es gibt keinen Unterrichtsraum dieser Kirche, wo nicht die Wahrheit verkündet wird: Unser Ziel ist der Himmel. Es gibt ein ewiges Leben. Das ist das Ziel, das die Kirche für alle ihre Glieder hat, nämlich die Menschen in den Himmel zu führen. Als Johannes Vianney in seine Pfarrei kam, da lief ihm ein Kindchen entgegen, und er sagte: „Kannst du mir den Weg nach Ars zeigen?“ „Ja“, sagte das Kind, „den kann ich dir zeigen.“ Und das Kind zeigte ihm den Weg in seine Wirkungsstätte. Der Pfarrer, der heilige Pfarrer von Ars sagte zu dem Kind: „Du hast mir den Weg nach Ars gezeigt. Ich werde dir den Weg zum Himmel zeigen.“
Niemals hat die Kirche geschwankt in ihrer Lehre, dass es einen Ort, eine Stätte der Seligkeit gibt, die wir den Himmel nennen. Nicht den Wolkenhimmel, nicht den Sternenhimmel, sondern die Gott vorbehaltene Welt, das ist damit gemeint. Um es gleich zu sagen: Wir können mit unseren Mitteln keinen Ort angeben, wo sich die Seligen in der Anschauung Gottes befinden. Das ist uns unmöglich. Es muss auch so sein; denn wenn wir den Ort angeben könnten, dann hätten wir ja die Möglichkeit, an ihn vorzudringen, ihn gewissermaßen zu erobern, denn was erobern die Menschen nicht? Es muss so sein, dass der Himmel uns verborgen ist, dass erst, wenn wir in ihn eintreten, uns klar werden wird, wie der Himmel ist und wo er sich befindet.
Zwei Konzilien, nämlich das Konzil von Lyon (1274) und das Konzil von Florenz (1439) haben die Lehre vom Himmel lichtvoll und für alle Zeiten gültig vorgelegt: „Die Seelen jener, die nach Empfang der Taufe sich keinen Sündenmakel zugezogen haben, und auch jene, die zwar mit Sündenmakel befleckt, aber entweder noch in ihrem Erdenleben oder nach dem Tod gereinigt worden sind, werden alsbald in den Himmel aufgenommen und erschauen dort klar den dreieinigen Gott selber so, wie er ist.“ Im 14. Jahrhundert kam einmal eine Unsicherheit auf, ob die Seligkeit des Himmels sofort nach dem Tode beginnt, wenn die gereinigten Seelen zu Gott kommen, oder ob sie warten müssen bis zum allgemeinen Gericht. Damals hat der Papst Benedikt XII. 1336 eine feierliche Entscheidung getroffen: „Wir entscheiden mit apostolischer Vollmacht und Geltung für immer: Nach der allgemeinen Anordnung Gottes sind die Seelen aller Heiligen – jetzt schon, muss man dazusetzen – im Himmel.“ Er zählt dann vier Gruppen auf, die im Himmel sich befinden: „Die Gerechten, die vor Christi Tod gelebt haben und seit Christi Himmelfahrt im Himmel sind, dann die Apostel, die Martyrer und die Jungfrauen, die nach der Taufe ohne schwere Sünde geblieben sind, dann alle Menschen, die erst noch später sterben, aber bei ihrem Hinscheiden nichts Reinigungsbedürftiges mehr an sich haben, und schließlich die vierte Gruppe, alle gläubig Verstorbenen, die im Fegefeuer gereinigt worden sind. Sie sind dort im Königreich der Himmel und im himmlischen Paradies, eingereiht in die Gemeinschaft der heiligen Engel, und sie schauen das göttliche Wesen von Angesicht zu Angesicht, unverhüllt, unmittelbar, klar und offen.“
Was hier die Kirche uns in ihrem unfehlbaren Lehramt verkündet, das ist dasselbe, was Christus und die Apostel gepredigt haben, was die Heilige Schrift und die Überlieferung berichten. Schon das Alte Testament spricht von der Himmelsseligkeit. In der heiligen Messe von Martyrern lesen wir: „Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand, und die Qual des Todes berührt sie nicht. Sie sind im Frieden.“ An einer anderen Stelle: „Die Gerechten werden ewig leben. Beim Herrn ist ihr Lohn und die Sorge für sie beim Allerhöchsten.“
Christus hat in unzähligen Predigten und Bildern vom Himmel gesprochen. Er erzählt, dass im Hause seines Vaters viele Wohnungen sind und dass er hingeht, uns eine Stätte zu bereiten. Dort gehen die treuen Knechte ein, die über Weniges getreu gewesen sind. Dort nehmen sie teil am Festmahl, wenn sie das hochzeitliche Gewand tragen. Dort ist das ewige Leben, dort ist das Paradies. Ach, meine Freunde, eines der liebsten Worte des Evangeliums ist jenes Wort, das der Herr zu dem Schächer an seiner Seite gesprochen hat: „Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!“ Heute noch! In immer neuen Bildern weist der Herr auf die Herrlichkeit des Himmels hin. Man kann ruhig Verfolgung leiden, man kann sich ruhig den Leib töten lassen, das Wertvollste am Menschen wird dadurch nicht tangiert. Die Apostel stimmen in seine Verkündigung ein. Es gibt sogar zwei Apostel, die eine Vision des Himmels hatten. Johannes, der Evangelist und Apokalyptiker, sah, als er auf der Insel Patmos in Verbannung war, in den Himmel hinein. „Ich schaute einen neuen Himmel und eine neue Erde, das neue Jerusalem, die ewige Gottesstadt. Sie braucht weder Sonne und Mond noch Sterne, denn die Herrlichkeit Gottes beleuchtet sie und ihr Licht ist das Lamm. Ich sah eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Völkern, Stämmen und Nationen und Sprachen, und sie hatten weiße Kleider an und Palmen in ihren Händen.“ Das ist natürlich alles bildlich gesprochen, aber diese Bilder sagen eine Wirklichkeit aus. Die Vollendeten sind so rein, dass sie weißte Kleider tragen dürfen; sie haben den Sieg errungen, deswegen tragen sie die Palmen. „Und alle Engel stehen darum und die Ältesten, und sie warfen sich auf das Antlitz nieder und beteten den an, der auf den Throne sitzt, und sprachen: Amen. Lob und Dank und Preis und Herrlichkeit und Macht und Kraft sei unserem Gotte von Ewigkeit in alle Ewigkeit.“ Das ist Johannes.
Paulus wurde auch in den dritten Himmel entrückt. Der dritte Himmel, das ist die Gott vorbehaltene Welt. Das ist also nicht der Sternenhimmel, das ist nicht die Stätte der Vögel, sondern der dritte Himmel, das ist die Gott vorbehaltene Welt, der Himmel Gottes. In den wurde er entrückt. Er vernahm geheimnisvolle Dinge, die auszusprechen keinem Menschen vergönnt ist, und wie trunken von dieser Herrlichkeit sagt er: „Kein Auge hat es gesehen, kein Ohr hat es gehört, in keines Menschen Herz ist es gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.“ Das war seine Kraft in den ungeheuren Mühen und Verfolgungen, die er durchgemacht hat. Das hat ihn durchhalten lassen. Ungebeugt und unverzagt ist er geblieben, immer den Blick auf den Himmel gerichtet.
Und warum dürfen wir uns auf den Himmel freuen? Warum sollen wir nach dem Himmel streben? Warum erwarten wir die Seligkeit des Himmels? Nun, weil eben die tiefste Freude des Himmels das Schauen und Besitzen Gottes ist. „Wir werden ihn sehen, wie er ist“, schreibt der Apostel Johannes in seinem ersten Briefe. „Wir werden ihn sehen, wie er ist.“ Nicht mehr im Spiegel und im Gleichnis, nicht in Rätseln, sondern von Angesicht zu Angesicht. Hier auf Erden, meine Freunde, sehen wir nur die Fußspuren Gottes, nämlich seine Werke. Hier auf Erden schließen wir von den Werken auf den unsichtbaren Werkmeister. Hier sehen wir nur die Abbilder seiner Herrlichkeit, die Pflanzen und die Tiere und die Menschen; das sind nur Funken seines Lichtes. Aber dann werden wir ihn selber sehen, wie wir ihn überhaupt als Geschöpfe sehen können. Hier auf Erden würde unser Auge geblendet, wenn wir Gott sehen könnten. Dort aber erhalten wir das „lumen gloriae“, eine neue Sehkraft, und mit dieser neuen Sehkraft können wir den Herrn, die Herrlichkeit Gottes schauen. Hier auf Erden, meine Freunde, fällt uns immer wieder die Verzagtheit an: Wo ist denn unser Gott? Und höhnend fragen uns unsere Feinde, die Atheisten und die Ungläubigen: „Wo ist denn euer Gott?“ Diese Frage ist dann endgültig und für immer verstummt. Wir wissen, dass wir bei Gott sind, wir schauen ihn, wir besitzen ihn.
In Gott werden wir alle Herrlichkeiten besitzen, die es überhaupt gibt. Wir bekommen Anteil an seinen Gütern, ja wir nehmen teil an der göttlichen Natur, wie es der Apostel Petrus in seinem zweiten Briefe schreibt. Da sehen wir auf einmal Millionen, Milliarden Spiegel der Herrlichkeit Gottes, nämlich alle die Geschöpfe und die Menschen, die von Gott stammen. Alle Engel und Menschen sind ja lebendige Gottesspiegel. In ihnen ist etwas von der Herrlichkeit Gottes zu erkennen. Sie sind Ebenbilder Gottes. Der Himmel ist selige, beseligende Gemeinschaft mit allen Heiligen. Was wir immer ersehnt haben, nämlich die ungetrübte, innige Verbundenheit mit guten Menschen, das wird uns dort gewährt werden. Und was wir beim Tode immer wieder erhoffen und erbeten, dass wir uns wiedertreffen, dass wir uns wiedersehen, das wird dort geschehen. Meine fromme Großmutter sagte immer: „Ich möchte doch alle meine Lieben in der Ewigkeit um mich haben.“ Ja, wahrhaftig, wir möchten alle unsere Lieben in der Ewigkeit um uns haben.
Und alles das ist ewig. Hier auf Erden leben wir immer im zeitlichen Nacheinander, langsam, eines nach dem anderen. Da sind die Schranken des Raumes und der Zeit, die uns fesseln. Aber dann, in der Ewigkeit, weitet sich das Auge und weitet sich das Herz. Da sehen wir all das viele Gute und Große in einem Blick zusammen. Da lieben wir die guten Menschen alle, nicht bloß den einen oder anderen, nicht nacheinander und nicht nur eine Zeitlang, sondern in ewig dauernder, alles umschließender Liebe. Da haben wir unser ganzes Leben in einem einzigen, dauernden Besitz. Und dieser Besitz ist gleichzeitig höchste Tätigkeit und höchste Ruhe. Wir beten mit Recht: „Gib ihnen die ewige Ruhe!“ Denn im Himmel dürfen wir tatsächlich einmal ausruhen, was hier auf Erden nicht möglich ist. Da dürfen wir einmal ausruhen! Der Himmel ist ewige Ruhe. Aber diese ewige Ruhe ist gleichzeitig ewige Tätigkeit, ewiges Leben und ewige Ruhe in einem. Und ewige Freude. Ja, dieses göttliche Schauen und Leben ist ewige Freude. Kein Missklang mehr, keine Disharmonie, wie so oft auf Erden. Es sind ja nur ganz reine, edle, geläuterte Menschen um uns; kein Schurke und kein Verbrecher mehr, kein Heuchler und kein Liebloser, kein Bösewicht und kein Wüstling. Kein Feind entweiht diesen Frieden, lauter Heilige beglücken einander mit immer neuer Seligkeit.
Wenn der Herr das ewige Leben als ein Festmahl darstellt, ist das natürlich ein Bild; denn die Heiligen des Himmels brauchen nicht zu essen und zu trinken. Ihre Nahrung ist Gott. Aber es soll in dem Bilde von dem Festmahl dargestellt werden, dass so, wie wir auf Erden freudig erregt sind, wenn wir an einem festlichen Mahl teilnehmen können, wenn wir uns sättigen dürfen, wenn wir den Hunger stillen dürfen, so ähnlich-unähnlich ist es in der Ewigkeit. Es wird eine Freude sein, eine unermesslich tiefe Freude. Die Seligen werden gesättigt sein, befreit von jedem Mangel, frei von jedem Übel; sie werden weder hungern noch dürsten. Das ist auch der Unterschied zu der Himmelsvorstellung der Mohammedaner. Diese Vorstellung ist sinnlich. Nach den Mohammedanern wird jeder im Himmel mehrere Frauen, mehrere Jungfrauen „mit schwellenden Brüsten“ um sich haben. Wir wissen, was das bedeutet. Das ist natürlich absoluter Unsinn. Aber solchen Unsinn nehmen die Mohammedaner an. Nein, nein. Der Himmel ist von aller Sinnlichkeit befreit. Da gibt es keine sinnlichen Freuden, da sind geistige Freuden, wie es Menschen, wie es Wesen geziemt, die in der Herrlichkeit Gottes stehen.
Nach der Auferstehung wird auch der Leib, der verklärte Leib, an der Herrlichkeit teilnehmen. Aber auch dieser Leib ist nicht so beschaffen, dass er Nahrung braucht. Er wird dem Leibe gleichen, den Jesus nach seiner Auferstehung hatte, und das ist ein Leib, der ohne irdische Bedürfnisse ist. Dann ist kein Tod mehr, keine Trauer. keine Klage und kein Schmerz. Gott wird alle Tränen abwischen von unseren Augen, ach, so viele Tränen, die Menschen weinen, weinen müssen, weil andere ihnen das Leben schwermachen. Gott wird alle Tränen abwischen.
Im Jahre 218 v. Chr., meine lieben Freunde, zog der punische Feldherr Hannibal mit seinem Heere von Frankreich kommend über die Alpen und überquerte mitten im Winter mit 39 Elefanten die Pässe. Als er vor dem Abstieg in die Po-Ebene stand, da ließ er sein Heer halten und zeigte seinen Kriegern die Herrlichkeit des Landes, das vor ihnen lag. „Das alles ist euer“, sagte er, „wenn ihr ausharrt und den Sieg erringt.“ Ähnlich-unähnlich ist es mit dem ewigen Leben. Das alles wird unser sein, wenn wir ausharren und den Sieg erringen. Das heißt also kämpfen. Den Sieg erringt man erst nach Kampf. „Mensch, in das Paradies kommt man nicht unbewehrt. Willst du hinein, du musst durch Feuer und durch Schwert.“ So hat unser schlesischer Dichter Angelus Silesius geschrieben. Mensch, in das Paradies kommt man nicht unbewehrt. Willst hinein, du musst durch Feuer und durch Schwert. Der Himmel wird eben errungen durch Selbstüberwindung, durch Arbeit, durch Kampf und Leiden. Der Herr sagt es uns oft: „Das Himmelreich leidet Gewalt, und nur die Gewalt brauchen, reißen es an sich.“ Natürlich Gewalt gegen sich selbst, nicht gegen andere. „Eng ist die Pforte, und schmal ist der Weg, der ins Leben führt.“ Eng ist die Pforte, und schmal ist der Weg, der ins Leben führt! Der Weg zur Hölle ist breit und bequem.
Also sehen wir: Wenn du nur ernstlich willst, so ist der Himmel dein. Wie unermesslich reich kann auch der Ärmste sein! Meine lieben Freunde, in dieser Stunde wollen wir unseren Vorsatz erneuern: Ich will auf Erden Gottes Willen erfüllen und dadurch in den Himmel kommen. Das hab ich mir vorgenommen: In den Himmel will ich kommen. Mag es kosten, was es will, für den Himmel ist nichts zuviel.
Amen.