Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
6. Januar 2007

Die Herrlichkeit Gottes in der Welt

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, zur Feier der Erscheinung unseres Herrn Versammelte!

„Erhebe dich, werde Licht!“ So haben wir soeben in der Epistel der heilige Messe gehört. „Die Herrlichkeit des Herrn ging strahlend auf über dir.“ Der Sinn dieses Festes Epiphanie, Erscheinung, Ankunft, Einzug ist darin gelegen, dass Gott in seiner Herrlichkeit sichtbar wird im Menschen Jesus Christus. Das Fest birgt drei Ereignisse des Lebens Jesu in sich. Erstens das Erscheinen der Magier aus dem Morgenlande, zweitens die Taufe Jesu im Jordan und drittens die Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit von Kana.

Die Fülle der Geheimnisse dieses Festes ist so groß, dass wir unsere Aufmerksamkeit gewöhnlich immer nur auf eines richten können, und im Volksbrauch – und das ist ja nicht falsch – stehen eben die Weisen aus dem Morgenlande, die Heiligen Drei Könige, im Vordergrunde der Betrachtung, denn wir haben sie jetzt an die Krippe gestellt, weil sie eben zur Krippe gehören, auch wenn sie, wie ich vor wenigen Tagen erklärt habe, erst geraume Zeit nach dem Krippenereignis erschienen sind; denn der Herr befand sich damals schon in einem Hause, nicht mehr in dem Stalle oder in der Höhle, wo er geboren war.

Christsein heißt leben in der Herrlichkeit Gottes, in der Herrlichkeit Gottes, die schon anwesend ist in seiner Kirche, denn was uns in der Epistel vorgetragen wird, das geht auf die Kirche. Die Herrlichkeit Gottes ist anwesend in seiner Kirche, verborgen zwar, aber wirklich. Die mittelalterliche Theologie hat den schönen Satz formuliert: „Die Gnade ist der Anfang der Glorie.“ Was uns also auf Erden an Gnade, an himmlischer Huld und an ontologischer Verwandlung zuteil wird, das ist ein Vorentwurf dessen, was im Himmel an uns geschehen soll, wenn wir verwandelt werden an Leib und Seele und den Herrn mit unverhülltem Angesicht schauen dürfen.

Wir müssten freilich dazu kommen, dass wir auch schon unser irdisches Leben im Glanze seiner Herrlichkeit sehen, dass wir so wandeln, wie es Menschen geziemt, denen die Herrlichkeit des Herrn erschienen ist, dass unser Glaube, also nicht nur, was er ist und was er bleiben muss, dass unser Glaube nicht nur Fürwahrhalten ist, sondern das Aufleuchten des Gotteslichtes in unserem Herzen, dass die Liebe nicht nur ein instinktives Mitleid mit der gefallenen Kreatur ist, sondern dass die Liebe wahrhaftig eine Herrlichkeit Gottes in uns ist, eine Gotteskraft durch den Geist Jesu Christi. Und dass auch unsere Opfer nicht nur aus psychologischen oder hygienischen Gründen gebracht werden, sondern weil sie Ausdruck der Weltdistanz sind, die der von der Gnade Erleuchtete immer in sich tragen muss, wenn er diesem Glanze gerecht werden will.

Gebet ist dann auch nicht nur eine Erinnerung an den weltenfernen Gott, sondern ein Ruf des Geistes in unserem Herzen. Arbeit ist dann nicht bloß Fluch oder Heil, nein, sondern Arbeit ist Beginn der Heimholung der Schöpfung. Krankheit ist nicht ein biologischer Prozeß nur, sondern Kraft in der Schwäche. Und Tod ist nicht nur ein unvermeidliches Ereignis, sondern das Tor zur Vollendung. Was könnte ein Christenleben sein, meine Freunde, wenn es in der Herrlichkeit Gottes gelebt würde!

Erscheinung des Herrn ist nicht eine Vision, sondern ist ein wirkliches Ereignis, der Einzug des Königs in seine Stadt, die leibhaftige Ankunft unseres Herrn. Diese erleuchtete Stadt mitten im Dunkel der Zeit, das ist unsere Kirche. Die Kirche ist wahrhaftig ein Abglanz des Vaters, ein Abglanz der Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, der Weg, die Wahrheit und das Leben. In der Kirche ist wahrhaftig die Gnade und die Wahrheit Gottes anwesend. Deswegen ist Epiphanie auch ein Fest der Kirche, nicht nur ein Fest der Herrlichkeit des Heilandes, die uns erschienen ist, sondern auch ein Fest der Kirche. Was Isaias in der Lesung, die wir gehört haben, vorträgt, geht freilich über die Kirche der Gegenwart hinaus zur Kirche der Zukunft, nämlich zu der Kirche, die sein wird, wenn einmal Gott alles in allem ist, wenn sich das neue Jerusalem auf die Erde herabgesenkt hat. Wir gehen ja einer Zeit oder einem Ereignis entgegen, wo die Erde verwandelt wird, wo es einen neuen Himmel und eine neue Erde geben wird. Und eben diese Welt zeigt uns Isaias in seinen Prophezeiungen, die in der heutigen Epistel uns vorgetragen werden. Gottes Herrlichkeit in der neuen Stadt ist schon wirklich gegenwärtig. Aber auch wenn  sie verborgen ist, kann an ihrer Existenz nicht gerüttelt werden. Wir sind Bürger des Gottesreiches, wir sind das priesterliche Volk, wir sind seine Stellvertreter für die ganze Menschheit. Wir tragen das Licht und die Wahrheit Gottes in uns und in die Welt hinein. Wir sind die Spitzengruppe der großen Heimkehr zu Gott.

Der Herr hat uns aufgefordert, Licht der Welt zu sein. Es soll also aus uns etwas strahlen. Wir sollen Menschen sein, die nicht Finsternis und Dunkel verbreiten, sondern um die es hell wird, weil in ihnen etwas von der Flamme der Gottesliebe entzündet wurde, die der Herr in die Welt gebracht hat. Seine Herrlichkeit muss in uns leuchten, nicht durch trübe Fenster, sondern durch wahrhaft glänzende, hellgemachte Scheiben unseres Herzens.

Die Herrlichkeit des Herrn ist aufgegangen über uns. Wir können uns nur in dieser Welt behaupten, wenn wir in der Herrlichkeit Gottes leben. Denn um uns ist Dunkel, um uns ist Finsternis, um uns ist Chaos, um uns ist Anarchie. Aber wir sollen in einem Leben das irdische Dasein verbringen, in dem die Herrlichkeit Gottes sichtbar geworden ist. Die Kirche ist nie ein Zufluchtsort, in dem sich der Herr verbirgt. Nein, die Kirche ist der Weg, auf dem uns der Herr in seine Herrlichkeit führen will.

Amen.

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