Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
12. November 2006

Die streitende Kirche

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir hatten uns vorgenommen, die wesentlichen Gemeinschaften dieser Erde zu betrachten. Wir waren ausgegangen von der Ehe und hatten uns dem Volke zugewandt. Wir müssen heute die letzte dieser Gemeinschaften uns vor Augen führen, nämlich die Kirche. Das Volk der getauften Kinder Gottes reicht hinüber von der Erde bis zu den Heiligen in der Seligkeit. Wir sprechen von einer kämpfenden, von einer leidenden und von einer triumphierenden Kirche. Heute aber soll die Rede sein allein von der kämpfenden, von der streitenden Kirche. Auch diese Gemeinschaft hat eine Autorität, besitzt eine Gewalt, und diese Gewalt ist in die Hände des geweihten Priestertums gelegt.

Das Priestertum, das einzige Priestertum, das es gibt, nämlich das Priestertum der katholischen Kirche, ist nach Gottes Willen und nach der Weisung Christi dem Manne vorbehalten. Niemals in der zweitausendjährigen Geschichte der Kirche sind Frauen zu Priestern oder zu Bischöfen geweiht worden. Welche Gründe gibt es für den Vorbehalt des Priestertums an den Mann? Man sagt, es entspricht der Natur des Mannes, zu führen. Er soll Führer im Reiche Gottes sein. Gott hat dem Manne eine natürliche Führerstellung gegeben. Das ist ja unbestreitbar, was die Ehe angeht. Der Mann ist nach Gottes Willen und dem Zeugnis des Apostels Paulus das Haupt der Familie. Als zweiten Grund führt man an, dass er das natürliche Leben wecken soll und deswegen besonders geeignet ist, auch das übernatürliche Leben zu wecken. Er soll das übernatürliche Leben des Glaubens und der Gnade weiterleiten und der Gottesfamilie ein Vater sein. Das dritte und für mich entscheidende Argument ist ein anderes. Nämlich der Logos, also die zweite Person in Gott, Christus, ist als Mann erschienen, nicht als Frau. Er ist als Mann erschienen. Und darin liegt eine Verpflichtung, liegt eine Vorbildfunktion, liegt ein Gebot; denn derjenige, der Christus repräsentiert, der also Christus darstellt, der Priester, muss Christus soweit wie möglich angeglichen sein. Diese Angleichung vollzieht sich im natürlichen Bereich dadurch, dass nur der Mann geweiht wird. Um dieser Ähnlichkeit willen muss der Priester ein Mann sein.

Mich hat ein ganzes Leben lang, meine lieben Freunde, diese Argumentation überzeugt. Es gibt Menschen, die sagen: Das überzeugt mich nicht. Da muss man sich eben zurückziehen auf das untrügliche Lehramt der Kirche, das niemals zugelassen hat, dass andere als Männer zu Priestern geweiht werden.

Jeder getaufte Mann kann Priester werden, wenn er den Beruf hat und die Voraussetzungen erfüllt. Wir sprechen von der Berufung zum Priestertum. Berufung gibt es auch in anderen Ständen; es gibt berufene Ärzte, es gibt berufene Krankenpfleger. Vor allem aber gibt es berufene Priester. Die Berufung besteht in zwei Elementen: Neigung und Eignung. Die Neigung ist der Wunsch des jungen Mannes, Gott in seiner Kirche als Priester zu dienen. Wenn dieser Wunsch geprüft und als echt befunden wird, dann ist die Neigung vorhanden. Dazu aber muss kommen die Eignung. Der Priester muss bestimmte Eigenschaften besitzen, die ihn befähigen, das Priestertum auf sich zu nehmen. Ich zähle die wesentlichen Eigenschaften auf.

An erster Stelle: Er muss gesund sein. Die Belastungen, die auf den Priester zukommen, sind derart groß, dass nur ein gesunder Mann ihnen standhalten kann. Er muss einen belastungsfähigen Geist und einen belastungsfähigen Körper besitzen. Kränkliche Menschen, labile Typen, Hypochonder sind für das Priestertum nicht geeignet.

Der Priester soll Führer sein. Ein Führer muss vorangehen. Er kann sich nicht anlehnen. Er muss ja stehen, damit andere sich an ihn lehnen können. Ein Führer muss entscheidungsfähig und entscheidungsbereit sein. Er muss alleinstehen und vorangehen können. Und damit ist das Urteil gesprochen: Ein stark anlehnungsbedürftiger Mensch ist nicht zum Priestertum geeignet.

Die heilige Religion, die Kirche, der Glaube, das Priestertum selber sind ständig angefochten. Um diese Anfechtungen zu bestehen, muss der Priester ein mutiger Mensch sein. Er muss, um die Botschaft Gottes unverkürzt und ungeschminkt vortragen zu können, Mut besitzen. Ein Feigling, ein Leisetreter, ein Kopfnicker sollte nicht Priester werden.

Der Priester muss ein Mann des Glaubens sein, denn das Priestertum und die ganze Kirche ruht auf dem Glauben. Das priesterliche Tun, das priesterliche Sein ist eine Angelegenheit des Glaubens. Glaube ist das feste Vertrauen auf das, was man erhofft, das Überzeugtsein von dem, was man nicht sieht. Nur wer diesen Glauben, diesen unerschütterlichen Glauben besitzt, vermag ein Priesterleben durchzutragen. Ich habe einmal hier in Mainz einen Priester aus dem Bistum Berlin erlebt. Er wurde geweiht. Nach einem Jahr, ein Jahr nach der Weihe warf er das Handtuch, d.h. schied aus dem Priestertum aus. Mit welchem Glauben mag dieser junge Mann an den Weihealtar getreten sein?

Eine weitere Voraussetzung ist die Liebe zur Keuschheit, denn der Priester ist zu einem enthaltsamen Leben verpflichtet. Der Zölibat besagt völlige geschlechtliche Enthaltsamkeit, ob es sich nun hier um Männer oder um Frauen dreht, da ist gar kein Unterschied. Ich bin überzeugt, dass jeder normale Mensch fähig ist, zölibatär zu leben. Ich wiederhole noch einmal: Ich bin überzeugt, dass jeder normale Mensch fähig ist, zölibatär, geschlechtlich enthaltsam zu leben. Die Rede von der Übermacht des Geschlechtlichen ist eine Ausrede. Der Priester braucht diese Enthaltsamkeit, weil er frei sein soll von den Bindungen an die Welt. Er soll Gott allein hingegeben sein in männlich starker Liebe, frei für Gottes heiliges Reich und für seine Aufgabe. Wo andere Menschen Rücksicht nehmen müssen auf Frau und Kinder, da kann er in die vorderste Front treten und sein Leben wagen. Niemand in der Welt hat Anspruch auf ihn. Im Jahre 1955 kam der spätere Generalinspekteur der Bundeswehr, Förtsch, aus russischer Gefangenschaft zurück. 1955! Er sagte, zwei Bevölkerungsgruppen haben die Gefangenschaft am besten überstanden, die Förster und die katholischen Priester. Als Abbild Christi muß der Priester seinem Vorbild, dem Meister ähnlich sein, eben vermählt mit der Gemeinde, wie es Christus war, vermählt mit der Kirche. An die Stelle der Familiensorgen soll er die Sorge für das Reich Gottes setzen. Das sind einige der wesentlichen Eigenschaften, die bei einem Priester vorhanden sein müssen, wenn er geeignet sein soll, das Priestertum anzustreben.

Dazu kommt aber die Ausbildung. Die Priester sollen nach dem Willen der Kirche Männer des Wissens sein. Sie sollen sich ausweisen können; sie sollen Rechenschaft geben können von ihrer Hoffnung, und sie müssen deswegen ein hohes Maß von Wissen angesammelt haben. Sie müssen in der heiligen Wissenschaft ausgebildet sein. Allgemeinwissen und theologisches Wissen, beides ist dem Priester vonnöten. Deswegen verlangt die Kirche ein Studium, ein langes Studium und weiht gewöhnlich die Priester erst im 24. oder 25. Lebensjahr. Über das Wissen hinaus stellt sie die Charakterbildung, also die sittliche Reife und Festigung. Dazu dient das Priesterseminar. Im Priesterseminar sollen die Priester die Tugenden lernen, wenn sie sie nicht schon vorher gelernt haben, die Tugenden lernen, die dem Priester unerlässlich sind, die natürlichen und die übernatürlichen Tugenden, also beispielsweise Ehrlichkeit, Pünktlichkeit, Höflichkeit, Frömmigkeit, Selbstbeherrschung, Selbstlosigkeit. Wer diese Haltungen nicht spätestens im Priesterseminar lernt, der lernt sie im ganzen Leben nicht. Das Priesterseminar muss eben eine echte Pflanzschule sein, denn das ist ja die Übersetzung von seminarium: Pflanzschule. Telefon und Fernseher im Zimmer, wie das in Mainz üblich ist, halte ich für verfehlt. Der Priester soll eingezogen leben. „Wer Hohes einst zu künden hat, schweigt viel in sich hinein. Wer Blitze einst zu zünden hat, muss lange Wolke sein.“ Und das sollte der Priester im Seminar lernen: schweigen zu können, nicht ein ausgegossenes Leben zu führen, sondern sich in Gott zu sammeln und für seinen schweren Beruf vorzubereiten.

Auch in anderer Hinsicht ist Beherrschung unerlässlich. Ich war bestürzt, wie mir einmal ein Seminarist aus dem Mainzer Seminar erzählte, abends nimmt er sich zwei Flaschen Bier, und dann setzt er sich vor den Fernseher. Ja, was ist denn das für eine Ausbildung? Mit zwei Flaschen Bier vor dem Fernseher als Priesterkandidat? Ich habe auch erlebt, wie in Mainz Priesterkandidaten ins Restaurant gingen, wenn ihnen das Essen im Seminar nicht schmeckte. Das ist keine Ausbildung, wie wir sie von Priestern erwarten!

Langsam führt die Kirche die Kandidaten zum Weihealtar. Wir älteren Priester haben noch alle sieben Weihen empfangen, die vier niederen Weihen und die drei höheren Weihen: Ostiariat, Lektorat, Exorzistat, Akolythat, das waren die vier niederen Weihen, und dann kam der Subdiakonat, der Diakonat und die Priesterweihe. Von allen diesen Weihen sind zwei übrig geblieben, nämlich der Diakonat und der Presbyterat. Der Diakonat ist heute ausgehöhlt, weil alles, was ein Diakon tun darf, heute auch von Laien getan wird. Damit macht man das Priestertum nicht attraktiv. Alles, was ein Diakon tun darf, wird heute von Nichtgeweihten getan, also Kommunion austeilen, predigen, das Evangelium verlesen, die Taufe spenden, das alles hat man dem Diakon entzogen und den Laien, den Nichtgeweihten übertragen.

Der Höhepunkt der Vorbereitung zum Priestertum ist selbstverständlich die Priesterweihe. Sie wird vom Bischof gespendet. Die Priesterweihe besteht aus zwei Elementen, aus der Handauflegung des Bischofs und aus dem Weihegebet. Mit diesen beiden Vorgängen ist alles an Vollmachten übertragen, auch wenn der Ritus dann noch eigens die Wandlungsvollmacht und die Lossprechungsvollmacht nennt. Aber die eigentliche Übertragung – auch dieser Vollmachen – geschieht  in diesen beiden Vorgängen, nämlich in der Handauflegung und in dem Weihegebet. In diesem Augenblick kommt der  Heilige Geist auf den zu Weihenden nieder. In diesem Augenblick geht in ihm eine innere Umwandlung vor, wird er fähig gemacht, am Priestertum Christi teilzunehmen und ist für immer Werkzeug des ewigen Hohenpriesters.

Der Priester wird nicht nur mit Vollmachten ausgestattet, Gott gibt ihm auch die Kraft, um diesen Vollmachten gewachsen zu sein. Er gibt ihm die Weihegnade. Es wird ihm die heiligmachende Gnade vermehrt, noch mehr göttliches Leben als bei der Taufe, bei der Firmung wird in ihn eingegossen, und er wird dadurch in besonderer Weise gottverbunden und christusähnlich. Es wird ihm aber auch ein unauslöschliches Siegel eingeprägt, ein „character indelebilis“, wie es die Theologie nennt; er wird zum Stellvertreter Christi geprägt. Er wird dazu gemacht, dass er die Repräsentation, die Darstellung Christi übernehmen kann. Deswegen hat kein Geringerer als Pius XI. den Priester einen „alter Christus“, einen zweiten, einen anderen Christus, genannt. Ein schreckliches Wort, aber ein Wort, das einen richtigen Sachverhalt richtig wiedergibt. Dazu kommt die helfende Gnade. Der Priester ist nicht allein. In seinem ganzen Leben gibt ihm Gott göttliches Licht und göttliche Kraft. Aus dem Weihesakrament kommt die Fähigkeit und das Anrecht, immer neue Standesgnaden zu empfangen. Man soll es deswegen auch nicht übertreiben, wenn man von den Schwierigkeiten des Priestertums spricht. Gott lässt den Priester nicht allein. Er macht ihn fähig, ein Leben lang in diesem Stande auszuharren.

Dann hat der Priester dieses Amt übernommen. Jetzt repräsentiert er als Haupt Christus. Jetzt hat er Autorität. Kein Pfarrgemeinderat kann ihm diese Autorität streitig machen. Der Pfarrer ist das Haupt der Gemeinde und nicht eine Hydra von sieben oder neun Leuten! Gewiß, der Priester soll, muss und kann sich helfen lassen. Alle Gläubigen sind aufgerufen zu dieser Hilfeleistung. Sie reichen vom Schmücken und Säubern der Kirche bis zum Dienst am Altare. Aber die wichtigste und einzig unerlässliche Aufgabe ist die Sorge für den Erhalt und das Wachstum der Gemeinde. Wenn eine Gemeinde nicht zunimmt, dann nimmt sie ab, dann stirbt sie. Und da sollten die Gläubigen dem Priester helfen: Abständige herbeibringen, Abgefallene zurückführen. Eine Gemeinde, die nicht wächst, stirbt. Das sehen Sie in Budenheim jeden Tag.

Meine lieben Freunde, die Welt braucht Arbeiter, sie braucht Angestellte, sie braucht Ärzte. Sie braucht aber auch Priester. Denn in tausend Gestalten geht die Unbegriffenheit, die Not menschlichen Lebens über die Welt. So braucht sie Priester, Menschen, die sich mühen, ein Wort zu sprechen, wenn alle Worte dieser Welt nutzlos sind, dann einen Brunnen zu öffnen, wenn alle Ströme versiegen, dann den Augen Glanz zu geben, wenn alle Sterne verlöschen. Amen.

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