Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
11. Dezember 2005

Der neue Himmel und die neue Erde

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wenn das Weltgericht geschehen ist, dann ist die Erdgeschichte zu ihrem Abschluß gekommen; denn dann kommt der neue Himmel und die neue Erde; dann setzt die Ewigkeit ein. Wenn die Ewigkeit beginnt, dann ist für die Verdammten die Hölle bereitet, jenes traurige Weiterleben, das eigentlich gar kein Leben ist, sondern der zweite Tod. Und für die Erlösten und Geretteten ist sie der Beginn des ewigen Glückes. Aber wie gesagt, noch muss die Verwandlung der Schöpfung erfolgen. Wir haben dafür eindeutige Zeugnisse. Der Herr sagt es selber: „Himmel und Erde werden vergehen“ – mit dem Himmel ist natürlich der Wolkenhimmel gemeint, also die Schöpfung. Himmel und Erde werden vergehen. Und die Apostel schreiben dasselbe. Paulus bemerkt in seinem zweiten Korintherbrief: „Die Gestalt dieser Erde vergeht.“ Einmal ist sie vorbei. Einmal ist sie verändert. Und der Apostel Petrus spricht es in seinem zweiten Brief ganz deutlich aus: „Der jetzige Himmel – gemeint ist der Lufthimmel – und die Erde sind für das Feuer aufgespart. Dann wird der Himmel mit großem Getöse vergehen, die Elemente werden sich in Gluthitze auflösen, und die Erde samt allem, was darauf ist, wird verbrennen. Wir erwarten aber nach seinen Verheißungen einen neuen Himmel und eine neue Erde, worin die Gerechtigkeit wohnt.“

Womöglich noch deutlicher hat der Apostel und Apokalyptiker Johannes in seiner Geheimen Offenbarung die Veränderung gesehen: „Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde, denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und auch das Meer ist nicht mehr. Darauf sah ich die heilige Stadt, das neue Jerusalem, aus dem Himmel von Gott herniedersteigen, so herrlich wie eine Braut, die für ihren Bräutigam geschmückt ist. Vom Throne her hörte ich eine laute Stimme sagen: Siehe da, das Zelt Gottes unter den Menschen. Er wird bei ihnen wohnen. Sie werden sein Volk sein, und er, Gott, wird bei ihnen sein. Er wird von ihren Augen abwischen jede Träne. Es wird kein Tod mehr sein, keine Trauer, keine Klage und kein Schmerz. Denn was einst war, ist vergangen. Der auf dem Throne sitzt, sprach: Siehe, ich mache alles neu.“ Der Katechismus der katholischen Kirche, den verdienstvollerweise der Heilige Vater herausgegeben hat, drückt diese Wahrheit so aus: „Das sichtbare Universum ist dazu bestimmt, umgewandelt zu werden, damit die Welt, in ihren anfänglichen Zustand zurückversetzt, nunmehr unbehindert im Dienst der Gerechten stehe und so an deren Verherrlichung im auferstandenen Christus Jesus teilhabe.“

 Man kann diese neue Schöpfung, diesen neuen Himmel und diese neue Erde, als den Zustand des Friedens bezeichnen. Es ist dann endlich der von uns so heiß ersehnte Zustand des Friedens gekommen, und zwar eines vierfachen Friedens.

Erstens: Der Friede zwischen Mensch und Natur. Wir alle spüren doch, dass in der Natur etwas nicht mehr in Ordnung ist. Der Regen fällt nicht, wenn er fallen sollte. Die Sonne scheint nicht, wenn wir sie brauchen. Der Frost zerknickt die Blüten, wenn wir auf den Frühling warten. „Es geht ein allgemeines Weinen, soweit die stillen Sterne scheinen, durch alle Fasern der Natur.“ Die Erdbeben und die Seebeben wüten, Stürme und Hagel zerfetzen unsere Früchte, Hurrikans und Tornados zerstören die Behausungen der Menschen. Wahrhaftig, was auf Erden ist, das ist gefährdet durch die Natur. Die Natur ist häufig furchtbar und grausam für den Menschen. Und das soll nicht so bleiben. Einmal wird diese Grausamkeit aufhören; einmal wird die Natur willig sich den Menschen unterordnen. Auch die Natur harrt ihrer Erlösung entgegen. Die ganze Schöpfung wird zur Freiheit der Kinder Gottes gelangen. Sie ist dann keine Gefahr mehr für den Menschen, sondern sie hilft ihm, Gott zu preisen und zu verherrlichen.

Der zweite Friede, der dann sein wird, ist der im Menschen selber, nämlich der Friede zwischen Fleisch und Geist. Wir alle spüren in uns eine dumpfe Macht, die uns von Gott weglocken möchte. Wir spüren die Unholde in der eigenen Brust. Wir werden hin- und hergerissen zwischen Begehren und Verantwortung, zwischen Hemmungslosigkeit und Beherrschung. Es ist kein vollkommener Friede in uns. Wir spüren die Leidenschaften, die es zu beherrschen gilt. Unser großer Dichter Goethe hat einmal diese Sehnsucht nach Frieden im eigenen Herzen so ausgedrückt: „Der du von dem Himmel bist, alles Leid und Schmerzen stillest, den, der doppelt elend ist, doppelt mit Erquickung füllest: Ach, ich bin des Treibens müde, was soll all der Schmerz und Lust. Süßer Friede, komm, auch komm in meine Brust!“ Dieser Friede wird dann sein, wenn der neue Himmel und die neue Erde sich herabsenkt. Dann wird der von der Sünde erlöste und verklärte Auferstehungsleib nicht mehr gegen den Geist aufbegehren. Er trägt ja selbst die Eigenschaften des Geistes, soweit das einem Körper möglich ist. Er ist ganz und gar Freund und Diener der Seele.

Der dritte Friede, der dann sein wird, ist der Friede zwischen Mensch und Mensch. Wir wissen, wie viel Unfriede in unserer Welt ist, Unfriede in den Familien, zwischen den Eltern und den Kindern, zwischen den Gatten, zwischen den Geschwistern, Unfriede in der Sippe. Wie viele Sippenangehörige sprechen nicht miteinander, wollen nichts voneinander wissen, sind miteinander zerfallen und zerstritten! Wie viel Unfriede am Arbeitsplatz zwischen Kollegen, zwischen Untergebenen und Vorgesetzten, zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern! Wie viel Unfriede in der Gesellschaft! Die eine Partei gegen die andere, und jede weiß es besser und will es besser machen – angeblich. Und wie viel Unfriede zwischen den Völkern! Schauen Sie einmal hinüber nach dem Osten. In Polen und in der Tschechei, da lebt ein erbitterter Deutschenhaß, jawohl, ein erbitterter Deutschenhaß. Sie haben uns Unrecht getan, indem sie Millionen aus der Heimat vertrieben haben, und man haßt die, denen man unrecht getan hat! Wenn aber der neue Himmel und die neue Erde sich herabsenkt, dann wird dieser Haß verschwunden sein. Dann kommt der Weltfriede und der Friede zwischen den Menschen, zwischen den Familien und den Sippen. Dann kommt der Friede zwischen den Völkern, zwischen den Rassen und Religionen, denn dann wird alles eins in Gott sein. Dann ist kein Streit mehr zwischen Parteien und Gruppen und Organisationen, denn die Feigen, die Ungläubigen, die Unreinen, die Mörder, die Unzüchtigen, die Zauberer, die Götzendiener, alle Lügner erhalten ihren Anteil im brennenden Feuer- und Schwefelpfuhl. Das ist der zweite Tod, so sagt es Johannes in seiner Apokalypse. Nun wohnt also nicht mehr die Wahrheit neben der Lüge, nicht mehr der Haß neben der Liebe, nicht mehr die Tugend neben dem Laster. Nur edle und heilige Menschen bilden das Gottesreich.

Der vierte Friede, der dann einsetzt, ist der Friede zwischen Gott und den Menschen. In dieser Weltzeit, meine lieben Freunde, ist Unfriede zwischen Gott und den Menschen. Wie viele Menschen leben in Unkenntnis Gottes, in Unwissenheit Gottes! Sie wissen nichts von ihm, und sie wollen nichts wissen. Sie sind gleichgültig gegen Gott. Sie sind gottvergessen, oder sie missachten Gott und schätzen ihn gering. Immer wieder empören sich die Menschen gegen Gott, werfen seine Gebote ab, sind ungehorsam, spotten seiner und verleugnen ihn. Wenn aber der neue Himmel und die neue Erde kommt, dann wird Friede zwischen Gott und den Menschen sein. Dann ist das Heiligungswerk des Heiligen Geistes zu Ende. Dann wird jeder Mensch, der selig geworden ist, in vollendeter Weise mit Gott vereint sein und seinen Willen in heiliger Freude erfüllen. Dann kommt endlich zum Ziel unser ständiges Bitten: „Dein Wille geschehe!“ Nichts hemmt dann mehr die Liebe des Menschen zum dreifaltigen Gott. Nun darf der Mensch in Seligkeit erfahren, was kein Auge gesehen, was kein Ohr gehört, was in keiner Menschenherz gedrungen ist, nämlich das, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.

Am Ende aller Enden wird Gott alles in allem sein. Das ganze Gottesvolk ist geschmückt wie eine Braut, die Christus, der Bräutigam, heimführt zu Gott, dem Vater. Er ist ja das Haupt des mystischen Leibes. Ihm hat der Vater alle Gewalt gegeben, und jetzt gibt er die Gewalt dem Vater zurück. „Wenn ihm alles unterworfen ist“, schreibt Paulus, „dann wird sich auch der Sohn selbst dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei.“ Dann ist Christi Weltaufgabe erfüllt. Es tritt an die Stelle der christlichen Zeit die Zeit des dreifaltigen Gottes, in der alle Glieder des gottmenschlichen Hauptes an der Fülle der Erlösung teilnehmen in seligem Schauen und Genießen Gottes. Dann kommt die himmlische Offenbarung, jene Offenbarung, meine lieben Freunde, wo wir nicht mehr glauben, sondern schauen, wo wir nicht mehr hoffen, sondern besitzen, wo wir lieben in alle Ewigkeit.

Amen.

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