Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
4. Juli 2004

Über Einwände gegen die Glaubwürdigkeit der Evangelien

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Sie haben soeben beobachtet, wie der Priester das Buch, in dem die Evangelien enthalten sind, mit Weihrauch beräuchert. Diese Geste hat den Sinn, die Ehrfurcht vor diesem heiligen Buch, vor dem Inhalt dieses heiligen Buches, auszudrücken. Wir wissen, die Heilige Schrift ist Gottes Wort, und deswegen geziemt ihr Ehrfurcht. Es gibt aber Schriftgelehrte der heutigen Zeit, die diese Ehrfurcht vor der Bibel verlernt haben. Sie betrachten dieses Buch wie eine Schrift, die von anderen Schriftstellern hergestellt worden ist. Sie haben vergessen, dass dieses Buch Gott zum ersten Verfasser hat, der freilich durch menschliche Werkzeuge uns diese Schrift geschenkt hat. Aber Gott ist und bleibt der ursprüngliche Verfasser der Heiligen Schrift. Die Kritiker der Schrift, die ungläubigen Theologen, suchen sie ihres göttlichen Glanzes zu entkleiden. Vor allem, sie wollen die Glaubwürdigkeit der Schrift erschüttern. Sie wollen die Schrift als ein Buch darstellen, dem man nicht unbesehen Glauben schenken kann. Dazu wenden sie verschiedene Mittel an.

Erstens, sie sagen, in der Heiligen Schrift wird übertrieben; es kommen in der Heiligen Schrift übertreibende Wendungen vor. Ich antworte: Ja, selbstverständlich, das ist üblich. In jeder volkstümlichen Redeweise wird mit übertreibenden Wendungen gearbeitet. Ich habe einen Freund, der schnelle Autos liebt. Einmal wurde er mitgenommen in einem Auto nach Berlin. Als der Tachometer 100 Kilometer anzeigte, sagte er zu seinem Begleiter: „Wir stehen ja!“ Das ist übertreibende Redeweise. Er wollte nicht sagen, wir haben angehalten, sondern er wollte bemerken, wir könnten auch noch viel schneller fahren, wir können es auf 150 km/h bringen. „Wir stehen ja“, sagte er. Solche Redeweisen finden Sie auch in der Heiligen Schrift; die sind üblich. Es ist das die volkstümliche Weise, sich auszudrücken. Zum Beispiel sagen die Johannesjünger über die Jünger Jesu: „Alle laufen ihm zu.“ Natürlich sind nicht alle Menschen zu Jesus gekommen, aber ein Teil, vielleicht auch ein beträchtlicher Teil. Aber sie sagen: „Alle laufen ihm zu“, das ist übertreibende Redeweise; so spricht man unter dem Volke. Jesus sagte von Johannes dem Täufer: „Er aß und trank nicht.“ Damit sollte selbstverständlich nicht gesagt werden, dass Johannes der Täufer auf Essen und Trinken verzichtet hat, sondern es sollte ausgesagt werden, dass er eine aszetische, harte, strenge Lebensweise führte, bei der Genussmittel keine Rolle spielten. Als Jesus in Kapharnaum im Hause des Petrus weilte, da strömte die Menge zu ihm, und Markus berichtet in seinem Evangelium: „Die ganze Stadt war vor der Tür versammelt.“ Das ist selbstverständlich nicht wörtlich gemeint. Viele aus Kapharnaum, vielleicht sehr viele haben sich eingefunden vor dem Hause, in dem sie wussten, Jesus weilt dort. Aber der Volksmund sagt eben in übertreibender Weise: „Die ganze Stadt ist vor dem Hause versammelt.“ Die Glaubwürdigkeit des Evangeliums wird dadurch nicht gemindert. Die Evangelisten passen sich eben der üblichen Redeweise an, und selbst Jesus hat, wie wir gesehen haben, diese volkstümliche Redeweise benutzt.

Zweitens, man behauptet, im Evangelium gibt es Dubletten, also Erzählungen, die auf ein und dasselbe Geschehen zurückgehen, die aber mehrfach literarisch gefasst sind. Ein Geschehen, aber zwei Erzählungen von ein und demselben Geschehen, also Verdoppelungen literarischer Art, Berichte über ein und denselben Vorgang, die sich  wiederholen. Man verweist auf die zwei Brotvermehrungen und sagt, es habe nur eine stattgefunden, aber die Berichte seien eben zwei. Man verweist auf die Sabbatheilungen, auch da habe die „Sage“ – so sprechen diese Leute! – die Erzählungen vervielfältigt. Meine lieben Freunde, wenn Jesus einmal eine wunderbare Brotvermehrung gehalten hat, warum soll er es nicht zweimal getan haben? Und dass die Umstände bei den beiden Brotvermehrungen ähnlich sind, wen wundert das? Die Leute kommen in die Wüste, in die Steppe, wo es keine Kaufläden gibt, und sie haben Hunger, und der Herr sieht es und erbarmt sich ihrer. Ja, das wiederholt sich dann eben. Wenn die Situationen ähnlich sind, wird sich auch der Vorgang ähnlich gestalten. Und was die Sabbatheilungen angeht: Der Sabbat ist eben arbeitsfrei, da haben sich die Menschen bei Jesus eingefunden, haben ihre Kranken mitgebracht, und sie hat Jesus eben am Sabbat geheilt, nicht bloß einmal, sondern viele Male. Wenn er nicht oft am Sabbat geheilt hätte, hätten ihn seine Feinde nicht als Sabbatschänder verdächtigen können. Er muß also wiederholt Sabbatheilungen vorgenommen haben.

Ebenso ist es, wenn die Gegner sagen: „Im Bunde mit Beelzebul treibt er die Teufel aus.“ Das wird nämlich zweimal gesagt. Ich bin überzeugt, dass die Gegner es noch viel öfter gesagt haben, denn sie wollten ja Jesus verdächtigen, sie wollten ihn im Angesichte des Volkes herabsetzen, und so mussten sie ihn mit dem Teufel in Zusammenhang bringen. Das gelang nur, wenn sie wiederholt sagten: Er ist mit Beelzebul im Bunde. Das sind keine Dubletten, sondern das sind Wiederholungen, die sich in der Wirklichkeit zugetragen haben. Ähnlich ist es bei Gleichnissen. Sie kennen das Gleichnis vom verlorenen Schaf und das Gleichnis von der verlorenen Drachme. Man sagt, das ist ein und dieselbe Rede, die eben in zweifacher Form umlief. Nein! Der Herr hat ja doch monate-, jahrelang gesprochen, und er wird viele Gleichnisse in ähnlicher Weise wiederholt haben, er wird sie abgewandelt haben. Das sind keine Dubletten, das sind verschiedene Reden Jesu, die aufgenommen worden sind. So etwas kommt eben vor. Im Jahre 1939 heiratete der persische Kronprinz eine ägyptische Prinzessin. Die deutsche Regierung versprach ihm als Hochzeitsgeschenk einen Daimler-Benz, einen Sportwagen. Der Sportwagen wurde über Russland in den Iran geschafft, geriet aber dort in eine Kamelkarawane und war nicht mehr brauchbar. Die Regierung in Deutschland versprach ein zweites Mal einen Daimler-Benz und lieferte ihn. Aber er kam nur bis Bulgarien, denn inzwischen war der Iran von den Russen und von den Engländern besetzt. In Bulgarien fiel er den Russen 1944 in die Hände. Zweimal derselbe Vorgang, zweimal wurde aus demselben Anlaß ein Daimler-Benz-Sportwagen geschenkt. Keine Erfindung, sondern ein wirkliches Geschehnis. Es gibt im Leben solche Merkwürdigkeiten, die sich wiederholen.

Drittens, man verdächtigt die Evangelien, weil über ein und denselben Vorgang in verschiedener Weise berichtet wird. Gewöhnlich ist man geneigt, die ausführlichere Erzählung als erfunden anzusehen. Meine lieben Freunde, es ist allgemein üblich, ein Geschehnis entweder ausführlich oder knapp zu erzählen. Wir haben die Möglichkeit, je nach den Kreisen und je nach der Zeit, die uns zur Verfügung steht, ein Begebnis mit allen Einzelheiten zu schildern oder es eben nur knapp zusammenzufassen. Und so machen es die Evangelisten. Ein Beispiel! Im Matthäusevangelium wird berichtet, dass Jesus misshandelt wurde, und die Peiniger forderten ihn auf, zu weissagen, wer ihn geschlagen habe. Dieses Ersuchen um eine Prophezeiung hat aber nur dann Sinn, wenn Jesu Antlitz verhüllt war, so dass er seine Peiniger nicht sehen konnte. Diese Verhüllung übergeht Matthäus, doch sie findet sich im Evangelium nach Lukas. Dort wird erwähnt, dass sie ihn verhüllten und dass dann eben die Aufforderung kam: Jetzt weissage, wer dich geschlagen hat! Beide berichten die Wahrheit, aber Matthäus hat etwas ausgelassen, um die Erzählung abzukürzen. Es gibt eben verschiedene Gesichtspunkte, die einen bestimmen bei einem Bericht, und diese Gesichtspunkte sind von den Evangelisten verschieden gehandhabt worden.

Der Tod des Johannes des Täufers wird nur von einem Evangelisten ausführlich erzählt, nämlich von Markus. Die anderen Evangelisten verfahren damit in ihrer Weise. Matthäus faßt die Geschichte kurz zusammen, Lukas übergeht sie ganz, er lässt sie weg. Sie war für ihn ohne wesentliche Bedeutung, und deswegen übergeht er sie. Aber keiner will sie leugnen, keiner sagt etwas Falsches, jeder hat unter seinen Gesichtspunkten eben eine bestimmte Auswahl getroffen.

Viertens sagt man, es lasse sich ein schneeballartiges Anwachsen der Tradition beobachten. Am Anfang steht eine kurze Erzählung, die aber schließlich angereichert wird, durch Erfindungen angereichert wird, und mit zeitlichem Abstand wird die Erzählung immer ausführlicher und reicher. Die Überlieferung, so sagt man, wächst an durch Erfindungen. Die genaue Prüfung der Evangelien zeigt ein anderes Bild. Häufig ist der ältere Bericht der umfangreichere und der jüngere der weniger umfangreiche. Nach dem Evangelium des Markus und des Matthäus schmähen die Mitgekreuzigten den Herrn. Lukas berichtet, dass der eine den anderen zurechtgewiesen hat, Johannes, der jüngste Evangelist, erwähnt gar nichts von ihrem Verhalten. Es ist also nicht diese Erzählung angereichert worden, sondern sie ist verdünnt, ja, sie ist ausgelassen worden. Kein schneeballartiges Anwachsen, sondern eine Verminderung der Geschichte. Ein anderes Beispiel! Die ersten drei Evangelisten nennen den Namen der Mutter Jesu, nämlich Maria. Im ganzen Johannesevangelium fehlt der Name Maria. Johannes will nicht leugnen, dass die Mutter Jesu Maria geheißen hat, er hat sie ja zu sich genommen unter dem Kreuze. Aber er hielt es offenbar nicht für notwendig, den Namen Maria zu erwähnen. Auch hier nicht ein schneeballartiges Anwachsen der Tradition, eine größere Ausführlichkeit bei dem späteren Evangelium. Außerdem muß eine Zunahme an Einzelheiten in einem Bericht nicht auf Erfindung beruhen; sie kann auch darauf zurückgehen, dass man sich näher um die Fakten gekümmert hat, dass man Zeugen befragt hat, dass man in den Archiven nachgeschaut hat. Viele von uns, von uns Älteren, erinnern sich an den sogenannten Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953. Es drangen zunächst nur wenige Nachrichten in den Westen. Der eine oder andere, der geflohen war, berichtete. Aber dann hat man sich bemüht, die Geschehnisse aufzuhellen. Man hat systematisch Zeugen befragt, vor allem, nachdem die Mauer gefallen war, konnte man an die Archive der DDR herankommen, und jetzt weiß man genau, wie sich das zugetragen hat. Die Tradition ist also gewachsen; die Einzelheiten haben zugenommen, aber nicht durch Phantasie, sondern durch genaues Zusehen.

Fünftens, die „Sage“ – so wird von den Neuerern des Glaubens behauptet – erfindet Kontraste und ergreifende Szenen. Sie liebt Kontraste, also Gegensätze, und ergreifende Szenen. Man verweist beispielsweise auf den reichen Jüngling. Das ist ein ehrbarer junger Mann, der alle Gebote gehalten hat und der zu Jesus kommt und fragt, was er noch tun soll, worauf ihm der Herr entgegnet: „Eines fehlt dir noch. Verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen.“ Aber da ging der junge Mann traurig davon, denn er war sehr reich. Das wollte er nun doch nicht tun, alles verkaufen und den Armen geben. Das ist ein Kontrast, eine kontrastreiche Geschichte. Aber jedermann wird fragen: Warum soll eine solche Geschichte erfunden sein? Die Wahrhaftigkeit des Erzählers steht ihr gleichsam ins Gesicht geschrieben. Ähnlich ist es bei ergreifenden Szenen. Wir wissen alle um die Begebenheit mit der Ehebrecherin. Die Juden stellen eine Ehebrecherin vor den Herrn hin und fragen ihn, was mit ihr geschehen soll. Er zeichnet mit dem Finger in den Sand und sagt dann zu ihnen: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!“ Dann gingen sie alle davon Er fragt dann die Frau: „Hat dich keiner verurteilt?“ Sie antwortet: „Nein, Herr, keiner.“ „Also gehe hin und sündige nicht mehr!“ Das ist wahrhaft eine ergreifende Szene. Aber jedermann wird sich fragen: Warum soll eine solche Szene erfunden worden sein? Sie ist doch gleichsam auf den Herrn zugeschnitten. Sie zeigt doch genau, wie er war. Ergreifende Szenen schreibt auch das Leben, meine lieben Freunde. Kontraste hat auch das Leben in reicher Fülle für uns bereit. Im Mai 1945 eroberte die Rote Armee Berlin. Der erste Stadtkommandant hieß Bersarin. Einer der ersten Befehle des bolschwistischen Stadtkommandanten von Berlin lautete: „Die Kinder in der Schule sind darüber zu unterrichten, dass ein Gott existiert.“ Ist das kein Kontrast? Wenn ein Generaloberst der Roten Armee als einen seiner ersten Befehle ausgibt, Religionsunterricht zu erteilen? Aber nicht erfunden, sondern geschehen.

Sechstens, der stärkste Trieb der „Sage“, so sagen wiederum unsere Kritiker, sei der, zu verherrlichen. Der bedeutende, große Mensch wird umgeben mit einem Kranz von Erfindungen, die ihn als rühmenswert darstellen sollen. Meine lieben Freunde, von wirklich großen Menschen ist in der Tat etwas Rühmenswertes auszusagen. Es wird nicht erfunden, sondern es entspricht der Wirklichkeit. Wer große Menschen rühmt, der anerkennt das, was Gott in ihnen und durch sie gewirkt hat. Das sind keine Phantastereien, sondern das ist die Wiedergabe der Wirklichkeit. Von unserem Herrn und Heiland wird doch berichtet: „Er hat alles heil gemacht. Die Tauben macht er hören, und die Stummen lässt er reden.“ Als die Evangelien entstanden, lebten noch Tausende der Menschen, die Jesus gesehen und gehört hatten. Sie hätten Einspruch erhoben, wenn in den Evangelien etwas geschrieben gewesen wäre, was der Wirklichkeit nicht entspricht. Die Entstehung des Christentums ist doch nur erklärlich, wenn Jesus eine ungewöhnliche, außergewöhnliche, außerordentliche Persönlichkeit war. Wenn weiter nichts geschehen wäre als bei allen anderen Predigern, dann wäre das Christentum nie entstanden. Er war eben eine herrliche Persönlichkeit, und was von ihm erzählt wird, ist keine von Menschen gemachte Verherrlichung, sondern die Wiedergabe der Wirklichkeit, die Treue zu dem, was Gott durch Jesus und in Jesus gewirkt hat.

Siebtens behauptet man, das Wunderhafte nehme im Evangelium zu; in den älteren Evangelien weniger Wunderhaftes, in den jüngeren mehr Wunderhaftes. Auch dieser Kanon der Kritiker versagt. Es gibt viele Geschichten im Evangelium, die im ältesten Evangelium, also bei Markus, ausführlich geschildert sind und in jüngeren weniger ausführlich. Ich erinnere zum Beispiel an den Besessenen von Gadara. Er wird von Markus folgendermaßen beschrieben: „Ein Mann hauste in den Grabhöhlen. Man konnte ihn nicht einmal mit Ketten binden, denn oft war er mit Fußfesseln und Ketten gefesselt worden, aber die Ketten waren von ihm zerrissen und die Fußfesseln zerrieben worden, und niemand konnte ihn bändigen. Immerfort, Tag und Nacht, hielt er sich in den Grabhöhlen auf und im Gebirge, schrie und schlug sich selbst mit Steinen.“ Das ist eine ganz außerordentliche Beschreibung der Besessenheit, und man sollte annehmen, dass die anderen Evangelisten sie von Markus übernommen hätten. Keineswegs. Die anderen lassen diese Beschreibung weg, und damit vermindern sie gewissermaßen das Wunder, das Jesus gewirkt hat, als er ihn heilte. Also die größere Wunderhaftigkeit ist am Anfang, nicht bei späteren Evangelisten. Ähnlich ist es bei der Geschichte von dem Gelähmten in Kapharnaum. Die Menschen drängten sich um Jesus; er war im Hause, alles war gerammelt voll. Sie konnten nicht mit dem Gelähmten zu ihm vordringen. Was machten sie? Sie deckten das Dach ab und ließen ihn aus dem Dach vor ihn nieder. So berichtet der älteste Evangelist Markus. Die jüngeren lassen diese Einzelheiten weg. Aber die spannendere Geschichte ist doch die erste. Die späteren Erzählungen lassen gerade das spannende Element fallen. Oder noch ein anderes Beispiel. Nach Markus und Matthäus ereigneten sich beim Tode Jesu Wunderzeichen. Die Sonne verfinsterte sich, der Vorhang des Tempels zerriß, die Felsen spalteten sich, Tote kamen aus den Gräbern. Johannes – der unter dem Kreuze stand! – berichtet von dem nichts. Er lässt alle diese Ereignisse weg. Also diese großen, diese ungeheuren, diese ungeheuerlichen Wunder werden von ihm einfach beiseite gelassen. Also wiederum keine Zunahme der Wunderhaftigkeit bei dem späteren Evangelium, sondern ein Rückgang der Wunderhaftigkeit.

Und schließlich noch achtens. Man sagt auf seiten der Kritiker, es werde eine unbestimmte Bezeichnung durch eine bestimmte ersetzt. Am Anfang handelt es sich also um eine unbekannte Persönlichkeit, später fügt man einen Namen dazu. Nun, das kann sich sehr gut erklären. Man hat eben Nachforschungen angestellt: Wie heißt denn der? Und so ist es tatsächlich gewesen. Man hat bei manchen Evangelisten Namen gefunden, die bei früheren Evangelisten fehlen. Andererseits gibt es die Erscheinung, dass bei älteren Evangelisten der Name angegeben wird und bei jüngeren fortfällt. Bei Markus wird der Name des Synagogenvorstehers, Jairus, genannt. Matthäus lässt den Namen weg. Ihm kommt alles auf das Geschehen an, aber nicht auf die Namen. Der Name spielt keine Rolle. Bei Markus gibt Jesus den beiden Söhnen des Zebedäus, also Johannes und Jakobus, einen Beinamen: Boanerges, Donnersöhne. Eine bedeutsame Sache. Sie erhalten von Jesus einen eigenen Namen. Matthäus und Lukas lassen die Namengebung weg. Sie interessiert sie nicht; sie ist für sie nicht wesentlich. Sie wollen das Geschehen nicht dadurch leugnen, sie wollen es nicht bestreiten, aber dem Zweck ihres Evangeliums dient es nicht, wenn dieser Name erwähnt wird.

Sie sehen an diesen Beispielen, die man vervielfältigen kann, meine lieben Freunde, dass die Einwände gegen die Glaubwürdigkeit der Evangelien hohl und leer sind. Die Evangelien wollen Geschichte berichten, und sie berichten Geschichte. Die Evangelien sind nicht durch Phantasien und durch berechnende Absicht angereichert worden, sie geben zuverlässig wieder, was Jesus getan und gesprochen hat. Wir wollen uns deswegen an den heiligen Paulus halten, der in seinem zweiten Brief an Timotheus schreibt: „Ich weiß, wem ich geglaubt habe.“ Geglaubt hat er dem Herrn, der durch seine Apostel und seine Jünger, durch seine Evangelisten das Evangelium ihm vermittelt hat. Und im Brief an die Galater schreibt er: „Es gibt kein anderes Evangelium. Es sind nur gewisse Leute, die euch verwirren und darauf ausgehen, das Evangelium Christi zu verdrehen.“

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt