Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
30. Mai 2004

Pfingsten – Die Kraft aus der Höhe

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte, in heiliger Pfingstfreude Versammelte!

Der Geist des Herrn erfüllt den Erdkreis. Das ist die Botschaft des Pfingsttages. Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten bilden eine Einheit. Was an Ostern begonnen wurde, nämlich die Verklärung des Herrn, das fand seinen Abschluß in der Erhöhung zum Vater im Himmel und seine Krönung in der Sendung des Heiligen Geistes. Diese drei Feste sind vom Jubel des Erlösers und der Erlösten erfüllt. Der Jubel des Erlösers darüber, dass er den Tod endgültig besiegt hat, dass er einzieht in das Reich des Vaters und dass er sein Werk auf Erden krönt mit der Sendung des Geistes. Der Jubel der Erlösten, die wissen, sie partizipieren am Sieg des Erlösers. Für sie ist er vorangegangen, um Wohnungen zu bereiten, und ihnen sendet er den Geist, damit sie fruchtbar werden in ihrer Erlösungsgnade. Sie sollen Künder und Kämpfer für das Reich Gottes werden.

Die Anfänge geschahen am Pfingsttage in Jerusalem. Da war eine kleine Menge von Männern, über die der Heilige Geist kam. Seltener ist ein großes Unternehmen kümmerlicher begonnen worden als damals. Diese armen Fischer vom See Genesareth hatten kein Ansehen und keine Macht; sie gehörten zu den Ärmsten im Lande. Sie besaßen nicht das Wissen, das die Schriftgelehrten in Jerusalem besaßen und die Philosophen im römischen Reiche. Sie waren keine glänzenden Rhetoren, sie hatten keine Rhetorenschule besucht. Sie hatten auch keine zündenden, begeisternden Ideen, die die Menschen mitreißen und fortreißen, sondern sie predigten von Buße und von Entsagung, von Überwindung und von Kampf. Sie waren auch keine Helden. Die Leidensgeschichte des Herrn zeigt, wie es in ihnen aussah, als der Herr in seiner Not allein war. Niemals ist ein großes Unternehmen so kümmerlich begonnen worden wie damals. Sie wurden nun hinausgesandt und sollten das Erdreich für Christus erobern. Sie sollten das Evangelium bis an die Grenzen der Erde tragen, und sie sollten diese verfaulte, diese sittlich verfaulte Gesellschaft erneuern. Sie haben diesen Auftrag angenommen, und sie haben ihn erfüllt. Sie haben tatsächlich das Antlitz der Erde erneuert. Sie haben die Frohbotschaft nach Judäa und nach Samaria und bis an die Grenzen der Erde getragen. Sie haben das römische Reich sittlich, von unten her aus der Kraft des Geistes erneuert.

Dieser Petrus, der da vor die Volksmenge tritt und ihnen den Gottesmord vorhält, dieser Petrus, der sie zur Buße und zum Glauben auffordert, das ist nicht mehr derselbe, der im Vorhof des Hohenpriesters vor einer Magd zusammengeknickt ist. Dieser Petrus ist durch den Heiligen Geist ein anderer geworden. Und die Apostel, die sich scheu im Abendmahlssaal verkrochen und die Türen verschlossen, das sind nicht mehr dieselben furchtsamen Jünger des Herrn, sondern das sind begeisterte und furchtlose Männer, die sich freuten, wie es in der Apostelgeschichte heißt, für den Namen Jesu Schmach zu leiden. Der Geist des Herrn hat sie verwandelt. Er hat sie über sich selbst emporgehoben. Die Kraft aus der Höhe ist über sie gekommen, und so sind sie anders geworden.

Das Pfingstwunder ist vergangen, aber der Geist des Herrn ist nicht erloschen. Er lebt weiter in der Kirche. In der Kirche wirkt er wie die Seele im Leibe. Er macht diese Kirche unüberwindlich. Was ist schon in zweitausend Jahren, meine Freunde, über dieser Kirche gekommen: Angriffe von außen ohne Zahl, Ärgernisse von innen ebenfalls ohne Zahl. Und oft war der falsche Anhänger für die Kirche gefährlicher als der offene Feind. Was ist schon alles in zweitausend Jahren über die Kirche gekommen! Und immer wieder hat sie sich siegreich aus dem Niedergang erhoben. Gar nicht zu erklären ist es manchmal, wie es zu einer Erneuerung kommen konnte. Es war das ein geschichtliches Wunder wie am Pfingsttage, als die Kirche entstand, ein geschichtliches Wunder, dass diese Kirche trotz aller Verrätereien im Inneren und trotz aller Attacken von außen sich wieder glänzend erholte und erneuerte.

Wir alle wissen, und wir machen kein Hehl aus unserer Überzeugung, wir alle wissen, in welch beklagenswertem Zustand sich die Kirche, jedenfalls in Deutschland, im Augenblick befindet. Wir alle wissen um die wachsende Zerrüttung. Ein Priester schrieb mir einmal: „Ich habe die Kirche nur im unaufhörlichen Niedergang erlebt.“ Im Jahre 1961 bekannten sich 95 Prozent der Deutschen als Christen, 95 Prozent. Im Jahre 1996 waren es noch 67 Prozent. In wenigen Jahrzehnten war ein Drittel abgefallen, und täglich und stündlich und jedes Jahr verlassen Zehntausende die Kirche. Aber, meine lieben Freunde, das ist doch kein Schicksal, das muß doch nicht sein, dagegen kann man doch etwas tun. Es liegt nicht am Heiligen Geist, dass die Kirche daniederliegt, es liegt an den Menschen, denn das Schicksal der Kirche ist zu gutem Teil in die Hand der Menschen gelegt. Christus kommt so weit, wie die Menschen ihn tragen. An den Menschen liegt es, dass Gottes Reich auf Erden einen derartigen Niedergang erlebt hat und immer noch erlebt. Wir haben die Talsohle noch nicht erreicht!

Vor wenigen Tagen fragte mich ein Priesterkandidat: „Ja, wird denn der nächste Papst die Kirche wieder aufrichten?“ Ich habe ihm entgegnet: „Ich vertraue nicht auf Menschen, ich vertraue allein auf die Macht des Geistes.“ Er allerdings vermag Menschen zu erwecken. Er vermag Menschen über sich selbst emporzuheben. Er vermag aus Feiglingen tapfere Männer, ja Helden zu machen. Das ist die Kraft aus der Höhe, und ihrer gilt es sich anzuvertrauen. Die Menschen müssen offen werden für den Heiligen Geist, sie müssen sich nach ihm sehnen, und sie müssen auf seine Kraft vertrauen, und sie müssen in seiner Macht Künder und Kämpfer für das Reich Gottes werden.

Künder für das Reich Gottes. Durch das Bekenntnis, nicht durch Flucht in eine Nische verkündet man das Reich Gottes, nicht indem man sich irgendeinen ruhigen Winkel aussucht, wo man ungestört ist, sondern indem man hinausgeht und bekennt! Es ist noch zu viel Feigheit in unseren Christen; es ist noch zu viel beschämtes und feiges Sich-Zurückziehen. Es ist noch zu wenig Eroberungsgeist in unseren Christen. Und Kämpfer müßten sie sein. Also nicht schweigen, wenn der Heilige Geist gelästert wird, nicht schweigen, wenn die Kirche verunglimpft wird, nicht schweigen, wenn die Priester verdächtigt werden, sondern reden und bekennen, verteidigen und angreifen. Ja, Angriff ist immer die beste Verteidigung. Halten wir doch den anderen einmal ihr Versagen vor! Zeigen wir doch einmal, wie sie diese Welt zugrunde richten, weil sie sich nicht vom Geiste leiten lassen!

Die Wende, meine lieben Freunde, in der Kirche wird kommen. Sie wird kommen mit derselben Sicherheit, wie auf die Nacht der Tag folgt. Wir wissen nicht, wann die Stunde des Heiligen Geistes schlägt, aber wir wissen, dass wir bereit sein müssen, bereit für diese Stunde. Uns ist kein ruhiges Leben versprochen; wir werden keinen gemütlichen Lebensabend haben, sondern wir werden uns mit vermehrter Kraft für Gott und sein Reich einsetzen müssen. Wir dürfen es uns nicht bequem machen. Wir dürfen nicht nach Behaglichkeit streben. Wir müssen Künder und Kämpfer des Heiligen Geistes werden. Schauen Sie hinaus in die Natur, wie da alles grünt und blüht, was vorher dürr und abgestorben schien. Es ist alles wieder aufgeblüht, und auch das ist ja Wirkung des Heiligen Geistes, denn der Geist ist die Macht auch der Natur. Aber was in der Natur geschieht, ist nur ein schwaches Bild dessen, was der Geist in den Seelen wirken will. Er will sie aufwecken, er will sie bekehren, er will sie erfüllen, denn er ist die Kraft aus der Höhe, die der Kraft aus der Tiefe entgegengesetzt ist. Und mit dieser Kraft aus der Höhe müssen wir uns erfüllen lassen. Wir müssen rufen und uns sehnen und dürfen nicht aufhören zu flehen: „Komm, o Geist der Heiligkeit aus des Himmels Herrlichkeit, sende deines Lichtes Strahl!“

Amen.

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