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Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
17. August 2003

Das Glück im Leben

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir sprachen an den vergangenen Sonntagen von den Abenteuern des Lebens. Diese Abenteuer sind außerordentlich mannigfaltig. Auch das Glück ist ein solches Abenteuer. Ich meine jetzt nicht jenes Glück, das die Menschen nicht haben, sondern das Glück, das sie haben. Das ist voll von Spannungen, von Überraschungen, von Unwägbarkeiten. Das kann man schon in der Zeitung lesen, wenn wieder die Meldung begegnet, daß jemand, der das große Los gewonnen hat, tragisch geendet hat, daß jemand, der in Monte Carlo in der Spielhölle anfangs fabelhaftes Glück hatte, beim ersten Absturz sich erschossen hat. Aber das Glück ist noch in einer viel tieferen Weise ein Abenteuer, weil es tief innerlich in der Seele die Entscheidungen und das Schicksal des Menschen in sich birgt.

Das Glück ist sehr mannigfaltig. Man kann die verschiedenen Arten des Glücks vielleicht in drei Sätzen zusammenfassen.

1. Es gibt ein Glück, dessen Narren wir sind.

2. Es gibt ein Glück, dessen Herren wir sind.

3. Es gibt ein Glück, dessen Schöpfer wir sind.

Es gibt ein Glück, dessen Narren wir sind. Damit ist jene Vorstellung gemeint, die vor uns herläuft und der die Menschen nachjagen. Ja, wenn ich das erreiche, ja, wenn ich das schaffe, ja, wenn ich das gewinne, dann bin ich glücklich. Eine lächelnde Göttin, die vor den Menschen herzieht und der sie nachlaufen. Es ist wie ein Lotterielos. Die Gewinnchance ist minimal, aber die Menschen meinen, wenn sie mit diesem Los gewinnen, dann seien sie glücklich. Und so rennen sie, und so jagen sie diesem Glück nach. Wir erleben es immer wieder bei der Ehe. Ja, wenn ich diesen Partner gewinne, wenn ich diese Partnerin mir zu eigen mache, dann bin ich glücklich. Und dann haben sie sich gefunden; und sehr bald stellen sie fest, daß das Glück nicht mit dem anderen eingezogen ist. Ja, es kann sein, daß sich in solcher Ehe furchtbar der Schrei erhebt, frei zu werden von dem, den sie so lange gesucht und dann endlich gewonnen haben. Aber sie hören dann nicht auf, nach dem Glück zu suchen, dann muß es ein zweiter, ein dritter Partner sein, und der bringt dann angeblich endlich das Glück.

O,  meine lieben Freunde, das Glück ist trügerisch. Ich erinnere mich an wenige Predigten, die ich als Knabe gehört habe, aber eine ist mir unvergeßlich im Gedächtnis geblieben, als unser Pfarrer einmal predigte über den Satz: „Glück und Glas, wie leicht bricht das!“ Mit diesem Jagen und Haschen nach dem Glück vergeht kostbare Zeit. Das Glück, das man sucht, flieht vor einem; das Glück, das man drangeben will, heftet sich einem an die Fersen. Das ist die Erfahrung, die wir haben.

Nun gibt es freilich, und alle Neider werden das bezeugen, nun gibt es freilich Menschen, die Glückskinder sind, die Glückspilze sind, die unvorstellbares Glück besitzen, denen alles gelingt, die bei allem Erfolg haben, denen sich alles zu Füßen legt, Geschäfte, Frauen, Spiele – Menschen, die wahrhaft vom Glück verfolgt scheinen. Es gibt solche Menschen, denen anscheinend mühelos alles zufällt. Sie brauchen der holden Verführerin Glück nicht nachzujagen, sondern sie wirft sich ihnen an den Hals. Und doch sind sie die Narren dieses Glücks, denn sie werden innerlich und äußerlich abhängig von ihm. Selbst wenn das Glück ihnen treu bleibt ein Leben lang, sind sie doch betrogen und mißbraucht und getäuscht. Sie werden nämlich vom Glück seelisch verdorben. Wer immer Glück hat, der wird – fast notwendig – ein spielerischer, ein leichtsinniger, ein taumelnder, ein schwankender Mensch. Er wird durch das Glück geradezu verhindert, Tiefgang und Fülle zu gewinnen. Es wird ihm zu leicht gemacht im Leben, und deswegen wird nichts aus ihm. Ein solcher Mensch wird fast notwendig anspruchsvoll, launisch, tyrannisch, selbstsüchtig, eitel, oberflächlich und unbedeutend. Er ist ein Geschöpf der Launen des Glückes.

Das wahre Leben, die wahre Lebenskunst besteht darin, daß wir zu Herren des Lebens werden, daß wir uns zu Herren des Lebens machen, daß wir das Schicksal gestalten, in unsere Hand nehmen. Und so ist es auch mit dem Glück. Wir sollen zu Herren des Glücks werden; wir sollen das Glück in unsere Hand bekommen; wir sollen darüber verfügen können. Es gibt ein Glück, dessen Herren wir sind, und dieses Glück steht uns dann jederzeit zur Verfügung. Was ist das für ein Glück,  meine lieben Freunde, dessen Herren wir sind? Nun, die Welt Gottes ist voll von Glückstropfen, ist voll von Glücksbächen. Es gibt eine unerschöpflich reiche Glücksfülle in der Natur. Die Pflanzen, die Bäume, die Tiere, sie alle sind so schön und so wohlgestaltet und so angelegt, daß sie gleichsam für unser Glück geschaffen sind. Man muß sie nur sehen, man muß nur die Augen offen halten, man muß nur den Blick für diese Glückswirklichkeit in unserer Natur haben. Man muß aber auch das Glück sehen, das in den Menschen liegt. Wenn man die Menschen von außen, oberflächlich, betrachtet, dann meint man, sie seien abstoßend, die meisten seien abstoßend und widerwärtig. Aber das ist nur der erste Eindruck. Wenn man sie näher kennenlernt, wenn man in sie hineinschaut, dann sieht man, wie erschütternd sie in ihrer Tapferkeit sind, wie ergreifend sie in ihrer Kindlichkeit sind, ja, wie begeisternd die in ihrer Geistigkeit sind. Wenn man die Menschen zu Studienzwecken näher betrachtet, wird man von der allgemeinen Abneigung gegen Menschen geheilt werden. Ich gestehe Ihnen,  meine lieben Freunde, ich bin 52 Jahre Beichtvater, aber diese Beichtstuhltätigkeit hat mir nicht die Menschen verleidet, sondern hat sie mich achten und lieben gelehrt.

Schließlich gibt es noch eine andere Glücksquelle, nämlich das ist unsere eigene Seele. Wenn man in die Seele hineinschaut, dann stellt man fest, daß doch nicht nur Ekel und Widerwärtigkeit darin ist, sondern daß in der Seele auch eine Hoffnung ist und eine Schönheit und ein guter Wille, und daß in der Seele auch Liebe und Dankbarkeit wohnen. Wer sich wirklich ganz tief kennt, wird nicht nur Ekel und Widerwärtigkeit vor sich selbst empfinden.

Und schließlich das Glück, das Gott uns bereitet. Wir wissen, daß Gott ein anspruchsvoller Herr ist, daß er Leiden, manchmal Leiden ohne Maß über uns kommen läßt. Aber wir wissen auch, daß Gott mit seinen Fügungen und Führungen auf das Glück der Menschen in der Ewigkeit zielt. Mag auf Erden das Glück gering sein, der Weg führt zum Glück in die Ewigkeit. Und auch auf Erden kann doch alles, was Gott ist und mit Gott zusammenhängt, uns Glück bereiten. Eine gute Beicht ist ein Glück für einen Menschen. Eine würdige Kommunion ist ein Glück für uns. Eine Begegnung mit einem wirklich heiligmäßigen Menschen ist ein Glücksfall. Diese Glücksfälle bereitet uns Gott. Er ist es, der all das geschaffen hat und uns zur Verfügung stellt.

Die Fähigkeit, das Glück zu empfinden, ist zunächst in uns eine Anlage, und diese Anlage muß entwickelt werden. Wir müssen die Glücksgegenstände sehen, sehen wollen, hören, hören wollen. Das ist es ja: Es hängt von uns ab, was wir sehen und hören wollen. Wir müssen uns so einstellen, daß wir nicht nur Schmerz und Wut empfinden, sondern daß wir auch die Freude und das Glück in unserer Umgebung sehen. Dazu ist notwendig, daß wir unsere Fähigkeit, das Glück zu empfinden, steigern. Dazu gehört, daß man seine Sinne schärft, daß man sehen lernt und hören lernt, nicht achtlos vorübergeht, nicht stumpf und stumpfsinnig an all dem vorbeigeht, was Gott an Glück an unseren Weg gestellt hat. Noch wichtiger ist es, auch die Empfindungsfähigkeit in uns auszubilden, die Vorstellungskraft, das Vorstellungsvermögen, die Kraft des Fühlens, die Fähigkeit, Lust und Unlust zu empfinden. Das kann man in sich ausbilden. Man kann ein Misanthrop werden, der alles nur in grau und grau und schwarz und schwarz sieht. Man kann aber auch ein empfindungsfähiger Mensch sein, der die Unterschiede zu schätzen weiß und der das Glück zu erkennen versteht.

Vor allem aber kommt es darauf an, daß wir in uns, in unserem Geist, die Kraft zur Freude ausbilden, daß wir die Kunst, sich zu freuen, in uns ausbilden; und die ist einer großen Steigerung fähig. Wenn ein Mensch sich aller Freude, alles Staunens entschlagen will, dann verliert er diese Fähigkeit, während ein Mensch, der sich bemüht, freudenfähig zu sein. sich nicht nur ärgern und nicht nur verdrießen wird, er wird nicht überall nur sich aufregen über alles mögliche, sondern er wird seine Fähigkeit, sich zu freuen, stärken und dadurch ein Herr über ein großes Glück werden. Das gilt sogar,  meine lieben Freunde, für den alten Menschen. Gewiß, die umfangreichsten Freudenmöglichkeiten haben junge Menschen, aber auch der alte Mensch ist nicht ohne Freudenchancen. Ja, er kann Freuden viel tiefer empfinden als ein junger Mensch, denn er ist durch Erfahrungen und durch Erprobungen hindurchgegangen, und sie haben, wenn er sie bestanden hat, seine Freudenkraft vermehrt. Von solchen Menschen sagt man dann: Seht, dieser alte Mensch kann sich freuen wie ein Kind. Er kann sich noch viel mehr freuen, weil eben seine Fähigkeit, zu empfinden, tiefer und stärker und reifer geworden ist.

Es gibt ein Glück, dessen Narren wir sind. Es gibt ein Glück, dessen Herren wir sind. Es gibt auch ein Glück,  dessen Schöpfer wir sind. Das Glück, dessen Schöpfer wir sind, besteht darin, daß wir eine Einstellung unserer Seele erschaffen, die uns zu Herren über das Glück machen kann. Wenn wir die Möglichkeit haben, unser Glück selber zu schaffen aus dieser Einstellung der Seele, dann sind wir Schöpfer des Glückes. Das Glück besteht in dieser geistigen Haltung, in dieser Einstellung, die überall das Schöne und Gute sieht und anerkennt. Es gibt Menschen, die sehen überall nur das Schwache und das Fehlerhafte und das Mangelhafte. Man darf sich nicht betrügen: So sehr wir unter den Mängeln der Welt und der Menschen leiden, so sehr sind wir auch gehalten, das Förderliche, das Treffliche, das Gelingende im Menschen und in der Welt anzuerkennen. Das Glück, dessen Schöpfer wir sind, besteht in der kraftvollen und bewegten Haltung unserer Seele, in einer Verfassung der Seele, die überall fähig ist, das Glück zu erkennen und zu sehen.

Und noch mehr. Eine solche Seele ist auch fähig, durch ihr Schaffen das Glück zu finden. Es gibt einen Tatenfreude, es gibt eine Schaffensfreude, es gibt eine Arbeitsfreude. Ich fürchte, meine lieben Freunde, daß derjenige Mensch, der keine Freude an der Arbeit hat, auch das Glück nicht finden kann, und schon gar nicht ein Herr über das Glück und ein Schöpfer des Glückes werden kann. Man muß Freude an der Arbeit haben, Freude auch an der geringen Arbeit, an der Erledigung von Aufgaben, an der Erfüllung von Pflichten. Wer dazu fähig ist, diese Freude zu empfinden, der findet in seinem Schaffen auch das Glück. Er sucht es nicht, aber es kommt zu ihm. Er jagt ihm nicht nach, aber er bereitet es sich. Es gibt ein Glück, das durch eigene Leistung, durch eigenes Schaffen hervorgebracht wird. Es gibt ein Künstlerglück, es gibt ein Schöpferglück, es gibt eine Tatenfreude, und es gibt selbstverständlich auch ein Liebesglück. Aber es ist das jene Liebe, die nichts für sich begehrt, sondern die alles dem anderen schenken will. Diese Liebe kommt als Glück zu dem Liebenden zurück. Wer nichts will, dem wird alles gegeben. Wer nichts begehrt, dem fällt alles zu.

Glücklich ist also der Mensch, der tiefinnerlich in seiner Seele etwas ist und für andere etwas bedeutet, wer sagen kann: Ich bin nichts, und doch, ich bin alles durch die Gnade Gottes. Durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin, ein Mensch, der tiefinnerlich sich selbst erkennt und zu schätzen weiß, der für sich und für andere etwas bedeutet, das ist ein wahrer Schöpfer des Glückes. Freilich, wer ein Schöpfer des Glückes sein will, muß gleichzeitig auch dessen Diener sein. Das ist immer so. Auf der Höhe des Schaffens wird der Mensch allemal ein Diener. Ob er ein Diener der Kunst oder der Wissenschaft oder des Gottesdienstes ist, ein Mensch, der auf der Höhe seines Schaffens steht, ist allemal ein Diener, ein Diener seiner Berufung, ein Diener des Rufes, den Gott an ihn hat ergehen lassen. Ein solcher Mensch ist dann ein Abbild seines Schöpfers. Und da er selbst dazu beigetragen hat, daß er das geworden ist, was er wirklich ist, so ist er der Schöpfer seines Glückes. Er ist Schöpfer seines Wesens, eines erfüllten, eines starken, eines bewegten Wesens, das fähig ist, sich und andere zu erfreuen und zu beglücken.

Amen.

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