Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
1. April 2002

Die „Osterbotschaft“ ungläubiger Theologen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Dem Osterfest droht eine Gefahr. Diese Gefahr ist der Unglaube. Daß Rudolf Augstein nicht an die Osterereignisse glaubt, verwundert uns nicht, denn er ist total vom christlichen Glauben abgefallen. Daß aber Theologen, beamtete Theologen, vom Bischof mit Sendung zu lehren ausgestattete Theologen, an der Auferstehung verräterische Ausstellungen machen, das ist betrüblich, und das ist geeignet, den einfältigen und einfachen Seelen den Glauben zu erschüttern.

Am heutigen Ostermontag wollen wir uns einer Ostergeschichte zuwenden, die von Theologen radikal geleugnet wird, nämlich der Geschichte von den Grabeswächtern. „Des anderen Tages nun, der auf den Rüsttag folgte, versammelten sich die Oberpriester und Pharisäer bei Pilatus und sprachen: ,Herr, wir haben uns erinnert, daß jener Verführer, als er noch lebte, gesagt hat: Nach drei Tagen werde ich auferstehen. Befiehl also, das Grab bis auf den dritten Tag sicher zu bewachen, sonst könnten seine Jünger kommen, ihn stehlen und dem Volke sagen: Er ist von den Toten auferstanden. So würde der letzte Betrug ärger als der erste.‘ Pilatus sprach zu ihnen: ,Ihr sollt eine Wache haben. Gehet hin, sorget für Sicherheit nach eurem Gutdünken.‘ Sie aber gingen hin und sicherten das Grab, indem sie den Stein versiegelten im Beisein der Wache.“

Gegen diese Ostergeschichte meldet sich der Unglaube zu Wort und sagt: Sie ist erfunden. Sie ist aus apologetischen Gründen erfunden, um die Betrugshypothese zu widerlegen, also jene Aufstellung, wonach die Jünger den Leichnam Jesu gestohlen hätten. Um diese Hypothese zu widerlegen, haben die Evangelisten, hat die Gemeinde diese Geschichte erfunden. Nun ist freilich zu fragen, wie eine Lüge durch eine andere Lüge aus der Welt geschaffen werden kann. Aber die Grabeswächtergeschichte ist keine Lüge, sondern sie ist Wahrheit. Wir werden sehen, meine lieben Christen, daß an dieser Geschichte weit mehr hängt als nur der historische Sinn, als die historische Glaubwürdigkeit. In dieser Geschichte geht es darum, wer Jesus gewesen ist, ob er ein harmloser Wanderprediger war, oder ob er der Sohn Gottes gewesen ist, der Wunder gewirkt hat und seine Auferstehung vorangekündigt hat. Das ist hier das Entscheidende: Hat Jesus seine Auferstehung angekündigt, und haben die Führer des jüdischen Volkes von dieser Ankündigung gehört?

Die Schriften des Neuen Testamentes bezeugen eindringlich und einmütig, daß Jesus wiederholt erklärt hat: „Wir gehen hinauf nach Jerusalem, dort wird der Menschensohn gegeißelt und angespuckt werden. Sie werden ihn kreuzigen, aber am dritten Tage wird er auferstehen.“ Jesus wurde bespitzelt; er wurde beobachtet. Die jüdische Obrigkeit hatte ihre Zuträger. Mit Sicherheit ist der jüdischen Obrigkeit Kunde geworden von dieser Ankündigung. Sie spielt ja sogar im Prozeß Jesu eine Rolle. „Reißt diesen Tempel nieder, und in drei Tagen werde ich ihn wieder auferbauen.“ „Das sagte er aber nicht von dem steinernen Tempel“, so bemerkt Johannes, „sondern das sagte er von dem Tempel seines Leibes.“ Jesus hat seine Auferstehung angekündigt. Er hat es noch auf andere Weise getan. „Dieses böse und ehebrecherische Geschlecht verlangt ein Zeichen. Es wird ihm aber kein Zeichen gegeben werden als das Zeichen des Jonas; denn so wie Jonas im Bauche des Fisches war, so wird der Menschensohn im Schoße der Erde sein bis zu seiner Auferstehung.“

Diese Ankündigungen sind ohne Zweifel an das Ohr der jüdischen Oberen gedrungen. Jesus war nicht der harmlose Wanderprediger, als den ihn die ungläubigen Theologen hinstellen. Anders als ein solcher Theologe den Hingang Jesu beschreibt, ist es in Wirklichkeit gewesen. Er sagt nämlich, das sei ein ganz unbeachtetes Ereignis am Rande des damaligen Tagesgeschehens gewesen. „So wird man am Freitag vor dem Paschafest in den Stufengassen Jerusalems einen Mann sehen, der einen erbärmlichen Anblick bietet, das Gesicht blutüberströmt und bespien. Auf den Schultern trägt er einen schweren Balken. Er schwankt unter dem Gewicht. Eine Abordnung römischer Hilfstruppen sowie einige Getreue, vor allem Frauen, werden ihn geleiten. Ob die Menge der Hausfrauen, die sich zum Markt begibt, um für den großen Sabbat und Pascha einzukaufen, ob die Gläubigen, die zum Tempel hinaufsteigen, die Handwerker, die Eseltreiber ihm viel Beachtung schenken? Ein Verurteilter, den man zur Stätte der Blutgerichtsbarkeit führt, ist kein seltener Anblick. Ob im Alltag des jüdischen Volkes nicht das wichtigste Ereignis der Geschichte unbemerkt vorübergegangen ist?“ So meint dieser Theologe den Karfreitag schildern zu sollen.

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Jesus war nicht der harmlose Wanderprediger, den man erledigt hatte und um den man sich nicht mehr kümmerte. Er war einer, der das Volk für sich gewonnen hatte. Man fürchtete sogar den Aufstand des Volkes. Nur nicht am Osterfeste, sagten die Hohenpriester, soll man ihn hinrichten, damit das Volk nicht zum Aufstand gelangt. Er war ein Haßgegner der jüdischen Obrigkeit. Und weil er beim Volke so viel Anklang fand, deswegen mußte man ihn durch Verrat auf die Seite schaffen. Selbst als er am Kreuze hing, haben es sich die Spitzen der jüdischen Behörden nicht nehmen lassen, hinauszugehen und ihn zu verspotten. Es gab doch sicher an diesen Tagen Wichtigeres zu tun, als diesen erledigten Mann noch zu erniedrigen. Aber nein, sie gingen hinaus, wo er gekreuzigt war, und verhöhnten ihn. Jesus war ein solcher Gegner, daß sie sogar noch Sorgen hatten, als er schon gestorben war. Sie erinnerten sich an seine Voraussagen, und wenn sie auch nicht daran glaubten, daß er auferstehen werde, so fürchteten sie doch, er könne durch einen Betrug der Jünger dem Grabe entrissen werden. Deswegen begehrten sie eine Wache.

Nun erhebt sich freilich die Frage: Wenn selbst die jüdische Obrigkeit von den Ankündigungen Jesu, er werde auferstehen, gehört hatte, warum zeigten sich die Jünger Jesu davon so wenig beeindruckt? Warum kamen sie so langsam zum Glauben? Sie erlebten das leere Grab; sie hatten das Zeugnis der Frauen; sie hörten den Bericht des Petrus. Jesus mußte wiederholt erscheinen, um ihren Unglauben zu zerstören. Ostern ist eben nicht nur das Fest eines unerhörten Wunders, nämlich daß der entseelte Leib Jesu lebendig und verklärt wurde, Ostern ist auch das Fest eines zweiten „Wunders“, nämlich des „Wunders“ des Unglaubens der Jünger. Aber dieser Unglaube hat uns mehr geholfen, als wenn sie leichtgläubig gewesen wären. Durch ihren Unglauben und durch ihr langsames zum-Glauben-Kommen haben sie uns sicher gemacht, daß sie nicht Illusionen und Visionen erlegen sind, sondern daß sie wirklich den Auferstandenen erlebt hatten.

Ein zweites Geschehnis wird ebenfalls von den ungläubigen Theologen in Zweifel gezogen, nämlich daß die jüdische Obrigkeit den Sabbat gebrochen hätte. Sie seien nach dem Evangelium am Sabbat zu Pilatus gegangen und hätten ihn um eine Wache gebeten. Ja, kann man sich das vorstellen, daß die jüdische Obrigkeit den Sabbat bricht? Dazu ist zweierlei zu sagen: Einmal ist nicht sicher, daß sie den Sabbat gebrochen haben, denn die Juden hatten einen sehr formalistischen Gesetzesbegriff. Danach war alles am Sabbat gestattet, was nicht verboten war, und ein Gang zur römischen Obrigkeit konnte ihnen als erlaubt erscheinen. Und selbst wenn sie den Sabbat gebrochen hätten, den jüdischen Behörden war ein solcher Sabbatbruch zuzutrauen. Sie, die sich beim Prozeß Jesu falscher Zeugen bedienten gegen Recht und Gesetz, sie werden nicht davor zurückgeschreckt haben, das Sabbatgebot zu übertreten.

Schließlich wird noch eine dritte Einzelheit bezweifelt, nämlich: „Als die Frauen vom Grabe hinweggegangen waren, kamen einige von der Wache in die Stadt und meldeten den Oberpriestern alles, was sich zugetragen hatte. Diese versammelten sich mit den Ältesten, hielten Rat, gaben den Soldaten viel Geld und sprachen: ,Saget: Seine Jünger sind in der Nacht gekommen und haben ihn gestohlen, da wir schliefen. Und wenn dieses dem Landpfleger zu Ohren kommen sollte, wollen wir ihn beschwichtigen und dafür sorgen, daß ihr nichts zu befürchten braucht.‘ Sie nahmen das Geld und taten, wie man sie angewiesen hatte.“ Ja, sagt man, die Wache war doch vom Landpfleger Pilatus aufgestellt worden. Wie kann es sein, daß jetzt einige von der Wache nicht zu Pilatus gehen, sondern zu den Oberpriestern, um zu melden: Der Leichnam ist verschwunden? Das ist unwahrscheinlich, ja das ist unmöglich, so sagen diese ungläubigen Theologen.

Meine Freunde, Pilatus hatte an dem Leichnam Jesu kein Interesse mehr. Für ihn war die Sache erledigt. Weil die Juden ihn baten, hat er ihnen eine Wache gegeben, aber damit war alles geschehen, was er seinerseits tun konnte und wollte. Was dann mit dem Leichnam geschah, war ihm völlig gleichgültig. Das war jetzt eine Sache der jüdischen Funktionäre. Ihnen hatte er die Wache gegeben, und sie haben sich ans Grab begeben, sie haben das Grab versiegelt, denn sie fürchteten, daß die Jünger kommen könnten, um den Leichnam zu entwenden. Was dann geschehen ist, ist also durchaus wahrscheinlich, daß nämlich einige von der Wache zu den Hohenpriestern gingen und ihnen meldeten: Der Leichnam ist verschwunden. Sie sahen in ihnen die Auftraggeber, wie sie es ja auch tatsächlich waren, denn sie hatten den Pilatus veranlaßt, die Wache zu geben, und hatten vielleicht einige von ihren Leuten dazugestellt, um der Wache Nachdruck zu verleihen. Warum haben sich überhaupt die Oberpriester bemüht, eine römische Wache zu finden? Vermutlich deswegen, weil, wenn die Jünger den Versuch gemacht hätten, den Leichnam zu entwenden, die römischen Soldaten gewissermaßen als neutrale „UNO“-Beobachter das hätten bezeugen können. Ihnen hätte man leichter abgenommen als jüdischen Bediensteten, daß die Jünger Jesu versucht hatten, den Leichnam zu entwenden.

So ist also auch diese Begebenheit durchaus wahrscheinlich. Es besteht gar kein Anlaß, sie zu leugnen, anders auszulegen und das Ganze als eine erfundene Legende zu betrachten. Die Grabeswächter-Geschichte hat ihren legitimen Platz in den Geschehnissen von Ostern. Lassen wir uns, meine lieben Freunde, nicht irremachen in unserem Glauben an die Zuverlässigkeit der Berichte der Evangelien! Halten wir uns an das, was das Zweite Vatikanische Konzil in der Konstitution über die Offenbarung sagt: „Die Kirche hat entschieden und unentwegt daran festgehalten und hält heute daran fest, daß die Evangelisten, daß die Evangelien, deren Geschichtlichkeit sie ohne Bedenken bejaht, zuverlässig überliefern, was Jesus, der Sohn Gottes, in seinem Leben unter den Menschen getan und gelehrt hat bis zu dem Tage, da er aufgenommen wurde.“

Amen.

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