Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
17. März 2002

Der Gottmensch und Gottesknecht Jesus Christus

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wir haben an den vergangenen Sonntagen betrachtet, was es um Gott ist und was es um den Menschen ist. Wir wollen heute und an weiteren Sonntagen bedenken, was es um den Gottmenschen ist. Wir wollen uns klar werden über das Wesen unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus: am heutigen Tage, indem wir die Weissagungen über Jesus uns vor Augen führen, die der Prophet Isaias, der Evangelist des Alten Bundes, uns hinterlassen hat. Wir wollen drei Fragen stellen und sie zu beantworten versuchen, nämlich erstens, was Gott von Jesus, seinem Knecht, erwartet hat, zweitens, was Jesus, der Knecht Gottes, geleistet hat, und drittens, was Jesus, der Knecht Gottes, erreicht hat.

Die erste Frage lautet: Was hat Gott von Jesus, dem Knecht Gottes, erwartet? Darauf gibt uns die Weissagung des Isaias die Antwort: „Siehe da mein Knecht, den ich liebe, mein Auserwählter, der mir gefällt. Ich lege auf ihn meinen Geist. Die Wahrheit wird er den Völkern künden. Er wird nicht schreien und lärmen noch seine Stimme hören lassen auf den Straßen. Das geknickte Rohr wird er nicht brechen, den glimmenden Docht nicht löschen. In Treue wird er die Wahrheit verkünden. Er wird nicht ermatten und nicht erliegen, bis er die Wahrheit auf Erden begründet. Seiner Lehre harren die Völker. So spricht Gott der Herr, der den Himmel geschaffen und ausgespannt: Ich, der Herr, rief dich in Güte. Ich faßte dich bei der Hand und behütete dich. Ich machte dich für das Volk zum Mittler des Bundes, zum Lichte der Heiden, blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Gefängnis zu führen, aus dem Kerker, die in Finsternis sitzen. Ich bin der Herr, dies ist mein Name.“

Die Aufgabe, die Gott seinem Knechte gegeben hat, lautet: Er soll das Reich der Wahrheit aufrichten. Die Menschen haben wenig Achtung vor der Wahrheit; es liegt ihnen nicht viel an der Wahrheit. Ja, es hat sogar einmal einer gesagt: „Die Wahrheit ist den meisten Menschen das Gleichgültigste.“ Worum es ihnen zu tun ist, das ist leben, das Leben genießen, überleben und aus dem Leben soviel herausholen, wie möglich ist. Aber die Wahrheit ist den Menschen, den meisten Menschen gleichgültig. Und da kommt nun der Gottgesandte, der Messias, der Knecht Gottes, und soll das Reich der Wahrheit aufrichten. Er soll die Menschen von dem Irrtum, von der Lüge, von den Illusionen befreien. Die Menschen haben nichts lieber als Illusionen, rosarote Illusionen, die ihnen eine glänzende Zukunft vorgaukeln. Und diese Illusion zerstört der, welcher die Wahrheit bringt. Er soll das Reich der Wahrheit unter den Menschen aufrichten.

Und das ist die Aufgabe der Kirche seit 2000 Jahren, dem Reiche der Wahrheit zu dienen. Dem Dienst an der Wahrheit sind wir verpflichtet. Und wenn Bischof Lehmann sagt, man könne heute nicht mehr sagen, daß das Christentum die absolute Religion sei, dann widersprechen wir ihm öffentlich und feierlich! Wir haben die Pflicht, die Wahrheit zu verkünden, und diese Wahrheit lautet: Christus ist die endgültige und die einzig gültige Offenbarung.

Wenn ein Mensch Gott dienen soll, um das Reich der Wahrheit aufzurichten, dann muß er es unter den Menschen tun. Sein Dienst richtet sich also notwendig an die Menschen. Das Apostolat ist das Wesen des christlichen Wahrheitsdienstes. Das Reich der Wahrheit muß unter den Menschen aufgerichtet werden; man darf nicht aufhören, ihnen die Wahrheit zu verkünden. Wer die Wahrheit verkündet, der tut einen schweren Dienst, denn von nichts wollen die Menschen weniger hören als von der Wahrheit. Er tut einen schweren Dienst, und das ist auch in den Gottesknechts-Liedern aus dem Propheten Isaias vorausgesagt: Der Messias, der Wahrheitskünder, wird seine Stimme nicht hören lassen auf den Straßen. Er wird nicht schreien und lärmen. Das heißt: Dort, wo um die Güter und die Schätze dieser Erde gekämpft wird, da ist er nicht zu finden. Er ist dort, wo es um die Wahrheit geht, wo der Wahrheit Zeugnis gegeben wird, wo für die Wahrheit gekämpft und für die Wahrheit eingetreten wird. Den Kampf um den Mammon und um den Genuß der Erde, den macht er nicht mit. Er ist ein selbstloser Künder der Wahrheit. Er wird das geknickte Rohr nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen. Das besagt: Er wird eine segnende Hand und ein tröstendes Wort haben. Es gibt ja nichts so Klägliches wie ein geknicktes Rohr und einen glimmenden Docht. Aber der Messias, der Künder der Wahrheit, wird die Menschen nicht aufgeben. Er wird die Menschen nicht verstoßen, er wird die Menschen nicht verlassen; er wird niemanden aufgeben und fallen lassen. Er wird eine tröstende Hand und ein segnendes Wort haben.

„Der Messias wird in seinem Leben nicht müde werden und nicht ermatten.“ So heißt es in dem Gottesknechts-Lied des Isaias. Er wird nicht müde werden, er wird nicht mutlos werden. Er wird nicht aufgeben. Denn das ist ja die große Versuchung aller Wahrheitskünder: Wenn sie feststellen, daß die Wahrheit nicht angenommen wird, daß sich die Menschen um die Wahrheit nicht scheren, daß sie dann müde werden, daß sie den Mut verlieren, daß sie aufgeben, daß sie sagen: Es hat ja alles keinen Zweck; es ist ja alles vergebens; es ist ja alles umsonst. Alle sind sie müde geworden, die Propheten, die Wahrheitskünder. Nur einer ist nicht müde geworden, der Messias. Er hat gearbeitet, solange er konnte, bis er am Kreuze sprechen konnte: „Es ist vollbracht!“ Dann erst hat er sein Werk beendet. Das ist es, meine lieben Freunde, was Gott von seinem Knecht erwartet hat.

Jetzt wollen wir sehen an zweiter Stelle, was Jesus, der Gottesknecht, geleistet hat. Auch dafür können wir uns auf ein Lied aus dem Propheten Isaias stützen: „Er wuchs auf vor ihm wie ein Schößling, wie eine Wurzel aus lechzendem Land. Nicht Gestalt ist an ihm, nicht Schönheit, daß wir ihn anschauen möchten, und kein Aussehen, daß wir Gefallen fänden an ihm. Verachtet war er, der Letzte der Menschen, ein Mann der Schmerzen, mit Leiden vertraut. Wie einer, vor dem man sein Antlitz verhüllt, so war er verachtet. Wir schätzten ihn nicht. Er aber hat unsere Leiden getragen, unsere Schmerzen auf sich genommen. Wir hielten ihn für geschlagen, für getroffen von Gott und geplagt, doch ob unserer Sünden ward er verwundet, ob unserer Frevel zerschlagen. Zu unserem Heile lag Strafe auf ihm. Durch seine Striemen wurden wir geheilt. Wie Schafe irrten wir alle umher, jeder ging seinen eigenen Weg. Der Herr aber legte auf ihn die Sündenschuld von uns allen. Er wurde mißhandelt, doch gab er sich willig darein, tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtung geführt wird. Wie ein Schaf, das vor seinen Scherern verstummt, tat er den Mund nicht auf.“

Das ist es, was der Gottesknecht geleistet hat. Sein Leben ist von großer Düsternis erfüllt. Seine Eltern stammten aus einem Königsgeschlecht, aber es war ein verarmtes Königsgeschlecht. Der Pflegevater war ein armer Bauhandwerker, die Mutter ein armes Mädchen aus Nazareth. Und so fing es an, als er seine Laufbahn betrat: Es war kein Platz für ihn. Das kleine Sätzchen aus der Kindheitsgeschichte Jesu: „Sie fanden keinen Platz in der Herberge“, ist vielsagend, denn so wird es weitergehen. Die Welt, die Erde, hat für alles Platz. Sie hat Platz für Rennfahrer und Schönheitsköniginnen, sie hat Platz für korrupte Politiker, aber sie hat keinen Platz für Jesus. Sie hat keinen Platz für das Wichtigste und Schönste und Heiligste an seiner Lehre, an seiner Innerlichkeit, an seiner Ethik; dafür ist kein Platz. Die Erde hat Platz für Stammzellenforscher, aber nicht für den, der Himmel und Erde erfüllt und trägt.

Als er zum Sterben kam, da hatte er noch fünf Menschen, die zu ihm hielten, vier Frauen und einen Mann. Die Großen des Landes, Besitz, Bildung, Intelligenz wollten von ihm nichts wissen, und schließlich schafften sie ihn aus dem Wege. Nur fünf Menschen standen bei seinem Kreuze. Er war verlassen von allen. Ein Jünger hat ihn verraten, ein anderer hat ihn verleugnet. Es ist doch merkwürdig und tief betrüblich, meine lieben Freunde, daß bei seinem Prozeß niemand für ihn ein gutes Wort eingelegt hat. Wo waren sie denn alle, die Kranken, die Lahmen, die Blinden, die Aussätzigen, die er geheilt hat, die Menschen, die er gesättigt hat, die ihn zum König ausrufen wollten – wo waren sie denn alle? Warum sind sie denn nicht aufgetreten und haben gesagt: Wir kennen ihn, wir wissen, wie er Gutes getan hat, wie er Wohltaten spendend durch die Lande zog. Warum ist denn keiner für ihn eingetreten? Nein, gehaßt und verfolgt und verfemt, ist er den schmerzlichsten, den schimpflichsten, den qualvollsten Tod gestorben. Es war ein blinder Haß, denn die Masse wußte ja gar nicht, worum es geht. Sie haben nur mitgeschrien, weil alle geschrien haben. Es war ein höhnischer Haß, denn sie verhöhnten ihn wegen seiner Lehre, wegen seiner Jünger, wegen seiner Wunder. Es war ein heuchlerischer Haß. Sie taten so, als müßten sie Gott vor ihm in Schutz nehmen: „Er hat Gott gelästert!“ Welche Satire! „Er hat Gott gelästert!“ So starb dieser Knecht Gottes, der doch nichts gespart hatte, der alles aufgeopfert hatte, seine Ruhe, seine Zeit, seine Kraft, sein Beten und Flehen, sein Bitten, sein Lieben, sein Drohen. Er hatte doch nichts gespart, und so ist Gott mit ihm verfahren, daß er am Kreuze hing und im letzten Augenblick den Vater rief: „Vater, Vater, verzeihe ihnen, sie wissen nicht, was sie tun.“

Die dritte Frage, die wir stellen, lautet: Was hat er denn erreicht? Nun, auch darauf gibt die Prophezeiung des Isaias eine Antwort: „Dem Herrn gefiel es, ihn mit Leiden zu schlagen. Wenn er sich selbst als Schuldopfer darbringt, wird er Nachkommen sehen, und der Wille des Herrn wird gelingen durch ihn. Für die Qual seiner Seele wird er reichliche Sättigung schauen. Durch seine Erkenntnis wird als Gerechter mein Knecht Gerechtigkeit bringen den Vielen. Ihre Frevel lädt er sich auf. Dieweil er die Sünden der Vielen trug, für die Frevler fürbittend eintrat, wird er zahlreiche zu eigen empfangen dafür, daß in den Tod er sein Leben gab. Darum will ich die Vielen als Anteil ihm geben."

Derjenige, der der Wahrheit und dem Zeugnis für die Wahrheit zum Opfer fiel, hat doch etwas erreicht. Es war doch nicht ein Scheitern, ein Untergang am Kreuze. Er hat sich das Wohlgefallen des Vaters errungen. Schon in seinem Leben hatte der Vater ja mehrfach sich zu ihm bekannt: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe.“ Und auch jetzt ist er gewiß: Der Vater liebt mich. In einer stillen Stunde hat Jesus einmal verraten, was der Stern über seinem Leben ist, nämlich: Der Vater liebt mich. Das ist es, was ihn getragen hat, was ihn das schwere Leben aushalten ließ, was ihm das Kreuz erträglich machte: Der Vater liebt mich. Da sehen wir, meine lieben Freunde, woran wir uns halten müssen in unseren Trübsalen und Bedrängnissen: Der Vater liebt mich. Wenn alles um uns zusammenbricht, wenn wir uns an keinen mehr halten können, wenn auf niemanden mehr Verlaß ist, dann müssen wir uns von Jesus vorsagen lassen: Der Vater liebt mich.

Und der Vater schenkt ihm jetzt die Vielen. Das heißt, er gibt ihm die Menschen. Er gibt ihm die Menschen, die sich zu ihm bekehren, die der Wahrheit folgen, die auf die Stimme der Wahrheit hören, die werden Jesus zu eigen gegeben. Wer sich an ihn hält, der kommt zum Ziele: Wer seiner Wahrheit folgt, der erreicht die Seligkeit. Er gibt ihm die Vielen zu eigen, und Jesus ist der Weg, auf dem die Menschen gehen müssen, wenn sie zum Ziele kommen wollen. Der Wille des Herrn wird durch ihn gelingen. Das heißt, Gott tritt ihm gleichsam seinen Willen ab. Was Jesus will, das wird durchgeführt. Wenn Jesus sagt: Das ist mein Kind, dann ist es ein Kind Gottes. Wenn Jesus sagt: Diesen Menschen will ich retten, dann wird er gerettet werden. Der Wille des Herrn wird durch ihn gelingen. Der Dienst an der Wahrheit, das Opfer für die Wahrheit waren nicht umsonst.

Er hat auch etwas erreicht bei uns, nämlich einmal: Der Prophet sagt, daß die Menschen ihn nicht anschauen wollen, weil sein Aussehen wie das eines von Gott Geschlagenen ist. Aber diese Prophezeiung wollen wir nicht erfüllen. Wir wollen ihn anschauen, auch wenn sein Aussehen wie das eines zertrümmerten und geschlagenen Menschen ist. Für uns ist das Kreuz das Gnadenbild, das Segensbild, das wir endlos küssen können, das Bild, vor dem wir leben und vor dem wir sterben mögen. Und wenn es heißt, daß die Menschen ihr Antlitz von ihm abwenden: Wir wollen es nicht abwenden. Wir wollen ihn anschauen, seine Qualen, seinen Mantel der Einsamkeit, seine Dornenkrone. Wir wollen keinen Blick von ihm wenden, bis uns das Auge im Tode bricht. Und wir wollen ihm demütig vertrauen. Das war ja, wenn man so sagen kann, gewissermaßen seine Religion, nämlich das demütige Vertrauen auf den Vater. Das muß auch unsere Religion sein. Wir gehen mit Jesus zum Vater. Man kann die christliche Religion in einen einzigen Satz zusammenfassen, nämlich: Mein Jesus, nimm mich mit zu deinem Vater! Ich klammere mich an dich, ich halte deine Hand, ich fasse dein Gewand, nimm mich mit zum Vater! Und wenn Jesus uns mitnimmt, dann kommen wir zum Vater. Wenn er uns den Vater vorstellt, dann dürfen wir vor dem Vater stehen. Wenn er sagt: Das sind die, die an mich geglaubt haben, das sind die, die mich geliebt haben. Siehe, Vater, deine Kinder, dann sind das die Kinder Gottes, dann sind das diejenigen, die am Ziele ankommen, dann sind das diejenigen, die im Reich der Wahrheit des himmlischen Vaters sich eine Ewigkeit freuen werden.

Amen.

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