30. September 2001
Die bleibende Gegenwart Christi im eucharistischen Sakrament
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Wir hatten uns mit dem Zentralgeheimnis der heiligen Messe befaßt, nämlich mit der heiligen Wandlung. In der Messe wird durch die Macht Gottes, vermittelt durch das Wort des Priesters, Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi verwandelt. Durch diese Verwandlung wird das Opfer Christi gegenwärtiggesetzt. Christus ist in den Gestalten, an denen sich äußerlich nichts ändert, wahrhaft, wirklich und wesentlich gegenwärtig.
Manchmal treibt die Sehnsucht der Menschen und auch ihr Unvermögen den Wunsch hervor: Ja, wenn sich doch sichtbar etwas wandeln würde! Wenn doch die Gestalten von Brot und Wein auch sichtbar und wahrnehmbar Leib und Blut Christi zeigen würden! Das hat Gott vermieden. Er will nicht, daß Hokuspokus getrieben wird. Er will nicht, daß Zauberei geschieht. Er will, daß dem Glauben sein Verdienst gewahrt bleibt, und der Glaube ist eben die Zuversicht auf das, was wir erhoffen, die Überzeugung von dem, was wir nicht sehen. Christus wird in der heiligsten Eucharistie wahrhaft, wirklich und wesentlich gegenwärtig. Durch die Wandlung geschieht ein unfaßbares Wunder. Christus bleibt auch gegenwärtig. Er ist nicht nur im Augenblick der Wandlung gegenwärtig, sondern seine Gegenwart dauert an.
Die Kirche hat diese Wahrheit gegen die Glaubensneuerer des 16. Jahrhunderts auf dem Konzil von Trient in drei Lehrsätzen ausgesprochen:
Wer sagt, im wunderbaren Sakrament der Eucharistie sei nach vollzogener Weihe nicht der Leib und das Blut unseres Herrn Jesus Christus, sondern nur beim Gebrauch, wenn es genossen wird, nicht aber vorher oder nachher, und in den geweihten Hostien oder Brotteilchen, die nach der Kommunion aufbewahrt werden oder übrig bleiben, bleibe nicht der wahre Leib des Herrn zurück, der sei ausgeschlossen.
Wer sagt, im heiligen Sakrament der Eucharistie dürfe Christus, der eingeborene Sohn Gottes, nicht auch mit der äußeren Huldigung der Gottesverehrung angebetet werden, und deshalb solle er auch nicht durch eine besondere äußere Feierlichkeit verehrt werden, und man solle ihn nicht nach der lobenswerten und allgemein verbreiteten Sitte und Gewohnheit der Kirche bei Prozessionen feierlich umhertragen oder nicht öffentlich dem Volk zur Anbetung zeigen, und seine Anbeter seien Götzendiener, der sei ausgeschlossen.
Wer sagt, es sei nicht erlaubt, die heiligste Eucharistie im heiligen Schrein aufzubewahren, sondern sie müsse sogleich notwendig nach der Weihe an die Umstehenden ausgeteilt werden, oder es sei nicht erlaubt, sie feierlich zu Kranken zu tragen, der sei ausgeschlossen.
Es ist klar, gegen wen sich diese Sätze richten. Sie wenden sich gegen die Meinung Luthers, der die Ansicht vertrat, die Gegenwart Christi sei nur im Augenblick des Vollzugs gegeben, nicht vorher und nicht nachher. Vollzug, das ist die Einheit von Konsekration, Austeilung und Genuß. Nur in „usu“, im Genuß, im Gebrauch, sei die Gegenwart Christi gegeben. Wenn, wie auf dieser Seite gesagt wird, Speisereste übrig blieben, dann sind sie eben zu behandeln wie jede andere Speise, d.h. entweder zu genießen oder wegzuwerfen, jedenfalls ist ihnen keine Verehrung zu erweisen. Ich habe es erlebt, als im Jahre 1960 der Eucharistische Kongreß in München war. Da warfen die Protestanten uns „Brotanbetung“ vor. Das ist eine Beleidigung. Wir beten nicht Brot an, sondern wir beten den im Brote gegenwärtigen Herrn und Heiland Jesus Christus an, unseren Gott und Meister! Wenn Gott durch seine Macht die Gestalten verwandelt, dann nimmt er sein Wort nicht zurück. Was einmal verwandelt ist, bleibt verwandelt; es wird nicht rückgängig gemacht.
Zwischen dem Opfer, dem Mahl und der Gegenwart Christi im heiligsten Sakrament besteht ein inniger Zusammenhang. Christus ist unabhängig von unserem Essen gegenwärtig. Er ist wirklich und wahrhaft und wesentlich gegenwärtig, aber selbstverständlich nicht ohne Beziehung zu uns. Denn er macht sich ja gegenwärtig, um uns als Speise und Trank zu dienen, um unsere Nahrung, um unsere Seelenspeise zu sein. Die Gegenwart Christi ist – ich sage es noch einmal – unabhängig von uns, aber sie ist hingeordnet auf uns; sie dient dem Zweck, uns als Nahrung, zu himmlischer Speise zu dienen. Wenn Christus im eucharistischen Opfersakrament gegenwärtig ist, dann ist er gegenwärtig als der Geopferte, als der sich Opfernde. Die eucharistische Wirklichkeit ist immer eine Gegenwart des Opfers. Christus bleibt gegenwärtig als der Geopferte, um uns als Speise und Trank zu dienen.
Solange die Gestalten gegenwärtig sind, ist Christus als der Geopferte gegenwärtig. Die Gestalten sind ja das äußere Zeichen des Sakramentes, und das äußere Zeichen ist wahrnehmbar, es ist mit den Sinnen wahrnehmbar. Deswegen gilt: Wenn die Gestalten so klein und unscheinbar wären, daß sie mit den Sinnen nicht mehr wahrgenommen werden können, dann ist davon auszugehen, daß die Gegenwart Christi nicht mehr vorhanden ist. Wir haben den kleinsten sichtbaren Teilen des eucharistischen Opfersakramentes die gleiche Ehrfurcht zu erweisen wie der großen Hostie oder dem im Kelch befindlichen Blut des Herrn. Aber ich sage noch einmal: Wenn die Gestalten derart winzig sind, daß sie mit den Sinnen nicht mehr wahrgenommen werden können, dann dürfen wir davon ausgehen, daß die Gegenwart Christi nicht mehr gegeben ist. Solange die Gestalten andauern, ist die Gegenwart des Herrn vorhanden.
Sie ist immer vorhanden als die eines Geopferten. Christus bleibt gegenwärtig, um uns in seiner Opferbewegung hineinzuziehen. Diese Hineinziehung in die Opferbewegung Christi geschieht in mannigfacher Weise. Wir wissen ja, daß hier nicht der bloße Leib und das bloße Blut des Herrn sind, sondern der Herr selbst mit Leib und Seele, mit seiner Gottheit und Menschheit, und deswegen erhebt sich aus dieser Überzeugung die persönliche Frömmigkeit, die Anbetung.
Vor 14 Tagen weilte ich in einem kleinen bayerischen Ort, wo ein frommer, ein heiligmäßiger Priester wirkt. Als in diesem Ort das Kapuzinerkloster aufgelöst wurde wegen Mangels an Patres, da hat er etwas getan, um diesem Mangel abzuhelfen, nämlich er hat in seiner Pfarrei, in seiner Pfarrkirche die Anbetung des Allerheiligsten, die Anbetung des in der Monstranz gegenwärtigen Herrn eingeführt. Und er hat seine Gemeinde aufgerufen, sich mit einer Stunde wenigstens in der Woche an dieser Anbetung zu beteiligen. Es haben sich Menschen in beträchtlicher Zahl gemeldet, die es auf sich genommen haben, sich zu verpflichten, jede Woche eine Stunde vor dem Tabernakel, nein, vor dem ausgesetzten Herrn in der Monstranz zu beten. Diese Weise, sich in die Opferbewegung des Herrn hinein zu begeben, ist legitim. Denn da der Herr als der Geopferte, als der sich Opfernde, als der in der Hingabe an den Vater Befindliche in der Eucharistie gegenwärtig ist, werden alle die, die ihn anschauen, die sich mit ihm vereinigen, die ihn anbeten in der heiligsten Eucharistie, in seine Opferbewegung hineingezogen. Ob es die Aussetzung ist, ob es der sakramentale Segen ist, ob es die Prozession mit dem Allerheiligsten ist, immer ist Christus als der in der Hingabe an den Vater Befindliche gegenwärtig, um uns in seine Opferbewegung hineinzuziehen. Sie müssen also immer, wenn Sie den Herrn anbeten, sagen: Herr, nimm mich mit! Nimm mich mit durch deinen Kreuzestod und deine Auferstehung zum Vater! Nimm mich mit und stelle mich dem Vater vor!
Zwischen Altar und Tabernakel besteht kein Gegensatz, sondern ein Zusammenhang. Die Akt-Gegenwart Christi im Opfergeschehen setzt sich fort in der Seins-Gegenwart in den Tabernakeln. Er weilt im Tabernakel, weil er wartet. Er wartet auf solche, die vielleicht noch kommunizieren wollen. Er wartet, daß er zu den Kranken gebracht wird. Er wartet, daß sich Menschen vor ihm einfinden und ihn anbeten und ihm die Verehrung geben, die er verdient. Er muß warten, weil noch längst nicht alle begriffen haben, welches Geheimnis, welchen Schatz Gott uns vermacht hat. Da muß er warten. Zwischen Tabernakel und Altar besteht kein Gegensatz, sondern das Geschehen auf dem Altar begründet die bleibende Gegenwart des Herrn im Tabernakel. Und so ist auch die Kirche, das Kirchengebäude, einem doppelten Zwecke dienstbar. Das Kirchengebäude dient einmal dazu, damit die Gemeinde das Opfergeschehen vollzieht, also das Opfer Christi darbringt zur Ehre des Vaters im Himmel und zum Heile der Menschen auf dieser Welt. Das Kirchengebäude dient aber auch dazu, um dem Herrn eine Wohnstatt zu bereiten. Katholische Kirchen sind Wohnstätten unseres Herrn und Heilandes, und der Katholik, der eine Kirche betritt, schaut zuerst, ob das rote Licht brennt, ob die rote Lampe brennt, die ihm anzeigt, daß der Herr gegenwärtig ist.
So wollen wir also, meine lieben Freunde, in dieser Stunde unseren Vorsatz erneuern, den Herrn im heiligsten Sakrament anzubeten. „Das Sakrament“, sagt das Konzil von Trient, „der Eucharistie ist deswegen nicht weniger anzubeten, weil es von Christus dem Herrn als Speise eingesetzt ist. Es ist aber eine Speise besonderer Art; es ist eine Speise, die den Herrn und Heiland wirklich, wahrhaft und wesentlich enthält.“ Und so sollten wir unseren Vorsatz erneuern, häufig und gern und auch mit Dauer vor dem Tabernakel zu verweilen und den Herrn anzubeten. Wir singen ja im Kirchenlied:
„Das Heil der Welt, Herr Jesus Christ, wahrhaftig hier zugegen ist.
Im Sakrament das höchste Gut verborgen ist mit Fleisch und Blut.
Hier ist das wahre Osterlamm, das für uns starb am Kreuzesstamm.
Das nimmt hinweg der Sünde Schuld und schenkt uns wieder Gottes Huld.
Das wahre Manna, das ist hie. Davor der Himmel beugt die Knie.
Dies ist das rechte Lebensbrot, das schützt uns vor dem ew’gen Tod.
O Ars, o Manna, o Monstranz, in dir hast du die Gottheit ganz.
In dir ist Gott und Mensch zugleich. O Sakrament, wie gnadenreich!“
Amen.