Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
18. Februar 2001

Die Einsetzung der Sakramente durch Christus

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Sakramente sind von Christus eingesetzte, mit Gnade erfüllte Zeichen unseres Heiles. Wir hatten an den vergangenen Sonntagen das äußere Zeichen betrachtet. Dieses Zeichen muß, wenn es ein Sakrament werden soll, von Christus eingesetzt sein. Ohne die Einsetzung von Christus kann niemand ein Sakrament entstehen lassen, auch nicht die Kirche. Nur Gott allein, der auf Erden erschien, ist imstande, aus Gegenstand und Wort ein Zeichen entstehen zu lassen, das Gnade in sich birgt. Die Verknüpfung des Zeichens mit der Gnade ist allein Gottes Werk.

Und deswegen hat das Konzil von Trient gegen die Glaubensneuerer erklärt: „Wer sagt, die Sakramente des Neuen Bundes seien nicht alle von Christus Jesus, unserem Herrn, eingesetzt, oder es seien mehr oder weniger als sieben, nämlich Taufe, Firmung, Eucharistie, Buße, Letzte Ölung, Weihe und Ehe, oder eines von diesen sieben sei nicht eigentlich und wirklich ein Sakrament, der sei ausgeschlossen.“ Beim Altarsakrament und bei der Buße hat das Konzil noch eigens die Einsetzung durch Christus hervorgehoben: „Dieser unser Gott und Herr hat zwar einmal auf dem Altar des Kreuzes sich selbst im Tod Gott dem Vater als Opfer dargebracht, um ewige Erlösung zu wirken; weil aber durch den Tod sein Priestertum nicht ausgelöscht werden sollte, so wollte er beim letzten Mahl in der Nacht des Verrates der Kirche ein sichtbares Opfer hinterlassen. Er setzte das neue Opferlamm ein, sich selbst, auf daß er von der Kirche durch die Priester unter sichtbaren Zeichen geopfert werde zum Gedächtnis an seinen Hinübergang aus dieser Welt.“ Und ähnlich beim Bußsakrament: „Der Herr aber setzte das Sakrament der Buße damals vor allem ein, als er nach seiner Auferstehung seine Apostel anhauchte mit den Worten: ,Empfanget Heiligen Geist. Denen ihr die Sünden nachlaßt, denen sind sie nachgelassen, und denen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.‘“

Christus hat die Sakramente eingesetzt. Aber diese Einsetzung, meine lieben Freunde, ist ein gestufter Vorgang; er vollzieht sich in zwei Stufen. Die erste Stufe ist er selbst und sein Heilswerk. Indem er erschienen ist und das Unheil der Menschen aufgearbeitet hat, ist er selbst das große Sakrament, d. h. das Geheimnis, das durch seine sichtbare Gegenwart unsichtbares Heil schafft. Wir bezeichnen deswegen Christus selbst als Sakrament, als Ursakrament, denn von ihm gehen alle Sakramente aus, von ihm, seiner Person und seinem Heilswerk. Das ist das ontologisch-historische Element, die ontologisch-historische Stufe der Einsetzung der Sakramente. Aber sie allein genügt nicht; dazu muß die Einsetzung der einzelnen Sakramente kommen. Es muß ein willentliches, stiftungsmäßiges Element hinzutreten, eine zweite Stufe, damit die Sakramente entstehen.

Die Einsetzung der Sakramente durch das ganze Heilswerk Christi wird von den Kirchenvätern immer wieder in bewegender Weise beschrieben. Sie gehen nämlich davon aus, daß aus der geöffneten Seitenwunde Jesu die Sakramente herausgeströmt sind. Aus der Seitenwunde wurde die Kirche geboren, aus der Seitenwunde wurden aber auch die Sakramente geschaffen. Mit ergreifenden Worten schildert das der heilige Augustinus. Er nimmt Bezug auf das Wort im Johannesevangelium, wonach der Soldat in die Seite des Herrn stieß und Blut und Wasser herausfloß. „Eines vorsichtigen Wortes bediente sich der Evangelist, indem er nicht sagte: Er durchbohrte seine Seite oder verwundete sie, sondern: Er öffnete sie, damit dort gewissermaßen die Tür des Lebens aufgetan würde, woher die Sakramente der Kirche flossen. Er öffnete seine Seite, um dadurch die Tür aufzutun, die die Sakramente der Kirche entließ.“

Daß sieben Sakramente von Christus eingesetzt sind, hat einen tiefen Sinn. Sie entsprechen nämlich den Bedürfnissen des menschlichen Geistes und des menschlichen Lebens. Sie entsprechen den Bedürfnissen des menschlichen Geistes. Nämlich, wenn er ohne Gnade ist, dann muß er begnadet werden in der Taufe, und das göttliche Leben, das er in der Taufe empfängt, muß gestärkt werden in der Firmung, und es wird zur Vollendung geführt in der Eucharistie. Wenn der Mensch es verloren hat, wird es wiederhergestellt in der Buße und in der Letzten Ölung. Und damit es weitergegeben wird für kommende Generationen, sind das Weihesakrament und das Ehesakrament eingesetzt. Wir sehen, die Sakramente entsprechen den Bedürfnissen des menschlichen Geistes. Aber sie entsprechen auch den Bedürfnissen des menschlichen Lebens. Nämlich, wenn er eintritt in das Leben nach der Geburt, empfängt er die Taufe. Wenn er heranwächst, wenn er allmählich mündig wird, dann empfängt er die Firmung, und wenn er ermattet auf dem Wege, dann wird er gespeist mit dem Leibe und Blute des Herrn. Wenn er in Sünde gefallen ist, dann wird er befreit durch die Sakramente der Buße und der Ölung, und damit eben neue Stände in der Kirche entstehen, gibt es das Weihesakrament und das Ehesakrament.

Die Nachweisung der einzelnen Sakramente aus der Heiligen Schrift ist nicht ganz leicht. Gewiß lassen sich Stiftungsbefehle Christi für Taufe und Eucharistie nachweisen. Auch das Bußsakrament ist mit Sicherheit beglaubigt. Aber die übrigen Sakramente haben zwar Anhaltspunkte in der Heiligen Schrift, aber sie sind nicht in dieser Klarheit ausgesprochen, d. h. wir müssen hier auf das katholische Prinzip zur Erkenntnis der Offenbarung zurückgreifen, das in den letzten Jahren immer mehr verdunkelt worden ist: Die Kirche empfängt das Wissen um das, was Christus angeordnet hat, nicht nur aus der Schrift; sie empfängt es auch aus der Überlieferung. Schrift und Überlieferung sind die beiden Säulen, auf denen der Glaube der Kirche ruht.

Daß Christus sieben Sakramente eingesetzt hat, wird auch durch eine geschichtliche Tatsache bezeugt; denn im 5. Jahrhundert haben sich große Teile der Christenheit von der katholischen und römischen Kirche getrennt, die sogenannten Monophysiten und Nestorianer. Diese Gemeinschaften, die sich im 5. Jahrhundert von der Großkirche getrennt haben, besitzen sieben Sakramente wie die Großkirche. Also die Sakramente waren schon damals vorhanden, sind nicht erst später erfunden oder eingeführt worden. Wir werden selbstverständlich, wenn wir auf die einzelnen Sakramente zu sprechen kommen, die Einsetzung durch Christus noch im einzelnen behandeln, aber hier sei schon soviel gesagt: Dieses geschichtliche Begebnis, daß nämlich die getrennten Gemeinschaften die sieben Sakramente besitzen, ist ein starker Hinweis darauf, daß sie von Anfang an in der Kirche vorhanden waren. Wenn Paulus sagt: „Man erachte uns als Verwalter der Geheimnisse Gottes“, dann spielt er vermutlich auf die Sakramente an, und wenn es in der Schrift heißt: „Niemand kann einen anderen Grund legen als den, den Christus gelegt hat“, dann ist wiederum vermutlich auf die Sakramente hingewiesen. Vor allen Dingen aber hat Jesus den Aposteln vor seiner Auffahrt in den Himmel gesagt: „Ich bin bei euch alle Zeit bis ans Ende der Welt.“ Ja, wie denn? Vorzüglich in den Sakramenten. In den Sakramenten ist Christus uns nahe; das sind keine leeren Zeichen, das sind gefüllte Zeichen. Das sind nicht bloß Hinweise, sondern das sind Werkzeuge. In ihnen wirkt Christus seine Gegenwart, und in ihnen ist uns seine Gegenwart verbürgt. Solange Sakramente gespendet und empfangen werden, ist Christus uns nicht fern. Durch seine Sakramente gestattet er uns, an seinem Leben teilzuhaben, in sein Leben einzugehen und mit ihm den Pilgerweg bis zum Ende zu wandern.

Nun ist freilich von Christus nicht im einzelnen angeordnet worden, wie die Sakramente zu handhaben sind. Nicht alle Einzelheiten sind von Christus festgelegt worden. Er hat offensichtlich der Kirche die Durchführung seines Stiftungsauftrags hinterlassen. Er hat nicht alle Einzelheiten der Sakramente, auch nicht alle Einzelheiten der sakramentalen Zeichen festgelegt. Er hat der Kirche eine Vollmacht übertragen, die sie auch immer als solche erkannt und benutzt hat. Wiederum erklärt das Konzil von Trient: „Stets hatte die Kirche die Vollmacht, in der Spendung der Sakramente unter Beibehaltung ihres Wesens Bestimmungen und Abänderungen zu treffen, die entsprechend dem Wechsel von Verhältnissen, von Zeit und Ort, das Seelenheil der Empfänger oder die Ehrfurcht vor den Sakramenten förderten.“ Die Kirche hat die Vollmacht, Bestimmungen oder Abänderungen zu treffen, freilich in einem engen Rahmen. Den Kern des Sakramentes hat Christus festgelegt; das Kernsymbol ist von der Kirche nicht zu ändern. Aber das Kernsymbol hat eine gewisse Variationsbreite, und in dieser Variationsbreite vermag die Kirche Änderungen durch ihre gottgeleitete Autorität zu treffen. Ich will Ihnen gleich Beispiele für diese Änderungen nennen.

Im Jahre 1947 hat Papst Pius XII. eine Konstitution erlassen, in der er das Weihesakrament neu ordnete. In dieser Konstitution steht der gewichtige Satz, daß die Übergabe der Instrumente an den Neuzuweihenden, also Kelch und Patene, nicht zum Wesen des Weihesakramentes gehöre, d. h. auch jemand, dem die Instrumente nicht übergeben würden, wäre gültig zum Priester geweiht. Gleichzeitig läßt Pius XII. es offen, ob nicht in früherer Zeit die Übergabe der Instrumente zur Gültigkeit des Sakramentes des Weihe gehört haben könnte. Hier hat also zweifellos der Papst eine Änderung getroffen, wobei er es – ich sage es noch einmal – offen läßt, ob diese Handlung, nämlich die Übergabe der Instrumente, früher einmal zur Sakramentenspendung notwendig war. Noch deutlicher ist die Gewalt der Kirche, die Vollmacht der Kirche etwa beim Ehesakrament. Was ist notwendig, damit das Ehesakrament zustande kommt? Notwendig ist die Erklärung des Ehewillens, nicht, wie manche ungenau sagen, der Ehewille. Der innere Ehewille bewirkt keine Ehe, sondern er muß erklärt werden, denn ein Sakrament ist eben ein äußeres Zeichen, und da genügt der innere Wille nicht. Damit eine Ehe zustande kommt, muß eine Erklärung, also eine äußere Kundgabe des Ehewillens, erfolgen. Aber diese Kundgabe kann auf mannigfache Weise geschehen. Sie kann dadurch geschehen, daß der Mann zur Frau sagt: Ich nehme dich zur Ehefrau, und daß die Frau dem Manne sagt: Ich nehme dich zum Ehemann. Das ist sehr klar. Aber es kann auch geschehen – wir haben ja diesen Ritus in unserem Rituale –, daß der trauende Priester fragt: Willst du diese hier anwesende Frau zu deiner Ehefrau nehmen? Und er antwortet mit Ja. Und umgekehrt: Willst du diesen hier anwesenden Mann zum Ehemann nehmen? Und sie antwortet mit Ja. Das ist eine andere Weise, wie das Ehesakrament zustande kommt. Aber wir werden zugeben müssen, das ist keine wesentliche Änderung. In beiden Fällen wird der Ehewille erklärt. Noch eine andere Möglichkeit gibt es etwa bei Stummen, die nicht sprechen können. Wie sollen diese ihren Ehewillen erklären? Auch sie vermögen ihn zu erklären durch Zeichen, indem sie etwa den Ehering nehmen und ihn dem Gegenüber anstecken. Das wäre ein schlüssiges Zeichen, durch das der Ehewille erklärt wird.

An diesem Beispiel, meine lieben Freunde, mögen Sie sehen, daß es sehr weise war, wenn Christus der Kirche die Möglichkeit gegeben hat, an dem Kernsymbol Ausdeutungen vorzunehmen. Die Kirche mußte von Christus so mit den Sakramenten beschenkt werden, daß sie je nach Umständen und Verhältnissen gewisse Modifikationen anbringen konnte. Die Sakramente bleiben von Christus eingesetzte Heilszeichen, aber seine Braut, die Kirche, vermag über diese Zeichen eine gewisse Vollmacht auszuüben. Das Entscheidende freilich ist, daß Christus in den Sakramenten uns gegenwärtig bleibt. Da hat das Zweite Vatikanische Konzil eine treffliche Aussage gefunden: „Christus ist seiner Kirche immerdar gegenwärtig, gegenwärtig im Opfer der Messe, sowohl in der Person dessen, der den priesterlichen Dienst vollzieht, wie vor allem unter den eucharistischen Gestalten. Gegenwärtig ist er mit seiner Kraft in den Sakramenten, so daß, wenn immer einer tauft, Christus selber tauft. Gegenwärtig ist er in seinem Wort, das er selber spricht, wenn die heiligen Schriften in der Kirche gelesen werden. Gegenwärtig ist er schließlich, wenn die Kirche betet und singt, weil er versprochen hat: Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“

Die Sakramente sind wunderbare Geheimnisse und Verbürgungen unseres Heiles. Was die Sakramente bedeuten, vermag mancher nur zu schätzen, wenn er einmal ihrer entbehren mußte. Fragen Sie einmal unsere lieben Brüder und Schwestern aus Rußland, die jahrelang, jahrzehntelang der meisten Sakramente entbehren mußten. Sie besaßen nur zwei Sakramente, nämlich Taufe und Ehe, denn es waren keine Priester da, die ihnen die übrigen Sakramente spenden konnten. Wie waren sie glücklich, wenn wieder ein Priester zu ihnen fand, der ihnen das sakramentale Leben vermitteln konnte! Die Sakramente sind kostbare Erfindungen Gottes selbst. Christus konnte sie schaffen, weil er Gott ist, weil er irdische Gegenstände und Worte mit seiner göttlichen Kraft erfüllen konnte. Kein Mensch und kein Engel konnte Sakramente erfinden. Sie stammen von Gott selbst, und Gott selbst wirkt in ihnen bis zur Stunde.

Amen.

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