Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
4. Februar 2001

Die Symbolik der Sakramente

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Bei jedem Sakrament ist das äußere Zeichen und die innere Gnade zu unterscheiden. Das äußere Zeichen ist eine Handlung, ein Ding und ein Wort, die Gnade ist eine geistliche Gabe, spezifisch je nach dem Sakrament, das gespendet und empfangen wird. Die Sakramente sind Zeichen. Es ist nicht falsch zu sagen: Sakramente sind Zeichen. Man kann auch sagen: Sakramente sind Symbole, denn sie haben eine hinweisende Kraft. Die Sakramente bezeichnen etwas, und deswegen kann man sie, ohne einen Fehler zu begehen, Zeichen nennen. Aber man muß freilich gleich dazu sagen, daß es wirksame Zeichen sind. Es sind Zeichen, die das, was sie bezeichnen, bewirken. Diese Zeichen sind also Werkzeuge, und deswegen muß man bei den Sakramenten zwei Seiten unterscheiden, nämlich die Zeichenhaftigkeit und die Werkzeuglichkeit, das, was sie sinnenfällig angeben, und das, was sie unsichtbar bewirken. Ein Symbol ist ein sinnenfälliges Zeichen einer dadurch angedeuteten Wirklichkeit. Wenn Liebende sich ihrer Liebe versichern wollen, überreichen sie sich einen Ring. Der Ring ist ein Symbol, nämlich ein Symbol für Liebe und Treue, denn der Ring hat keinen Anfang und kein Ende. Ähnlich soll es mit der Liebe sein, sie soll jedenfalls kein Ende haben.

Die naturhaften Zeichen und die naturhaften Symbole werden überboten durch die sakramentalen Symbole. Bei den sakramentalen Symbolen kommt etwas zu der Bezeichnung hinzu. Der Ring, den sich Liebende übergeben, bewirkt keine Liebe, sondern er ist nur der Ausdruck einer hoffentlich vorhandenen Liebe. Dagegen bewirken die Sakramente als Zeichen das, was sie bezeichnen. Sie sind also erfüllte Zeichen. Sie sind mit dem, was sie angeben, angefüllt. Die sakramentalen Zeichen sind wirklichkeitsmächtige Symbole, welche das, was sie andeuten, auch tatsächlich bewirken.

Wir kennen auch im religiösen Bereich mannigfache Symbole. Wenn der Priester seine Hände erhebt bei der heiligen Messe, dann soll dadurch angedeutet werden, daß er sich nach Gott sehnt und daß er sich zu Gott wendet. Man kann diese Bewegung noch unterstreichen durch den Weihrauch. Der Weihrauch ist ein Sinnbild dafür, daß unsere Herzen zu Gott gehen. Man kann die Hände falten, und das ist ein schöner Brauch. Das Händefalten ist auch ein Symbol, nämlich dafür, daß man sich von Gott binden läßt. Das Zusammenlegen der gefalteten Hände ist ein Zeichen dafür, daß wir bereit sind, uns von Gott binden zu lassen und uns ihm hinzugeben. Diese Hingabe kann man auch ausdrücken durch eine brennende Kerze, was geschieht, wenn unsere Gläubigen Kerzen oder Lichter anzünden, um damit ihre Hingabe an Gott auszudrücken. Das Kreuz ist ein Symbol, nämlich für den, der am Kreuze gestorben ist. Aber wir drücken auch mit diesem Symbol unser Vertrauen auf die Macht des Kreuzessieges aus. Das alles sind Symbole. Ähnlich-unähnlich sind die Sakramente Symbole. Sie sind Christuszeichen, denn sie drücken Christus aus. Christus hat diese Zeichen auserwählt, um dadurch den Menschen seine Gnade mitzuteilen. Er bedient sich dabei der Elemente, die in der Welt vorfindlich sind oder besser – was sage ich? – die er selbst geschaffen hat. Er wählt Wasser aus, er wählt Öl aus, er wählt Brot und Wein aus. Das sind Elemente dieser Welt, Schöpfungselemente, die von Gott herkommen und die wohl von Ewigkeit her dazu bestimmt sind, in den Sakramenten gebraucht zu werden. Denn Christus ist der Schöpfer der Welt; er hat den Gegenständen dieser Welt von vornherein die Eignung verliehen, Ausdruck und Werkzeug von Heilshandlungen zu werden. Die Sakramente nehmen insofern an der Werkzeuglichkeit der menschlichen Natur Jesu Christi teil. Jesus Christus ist selbst auch ein Werkzeug gewesen, ein Werkzeug Gottes für die Heimholung der Welt. Dieses Werkzeug verbreitet sich gleichsam, wenn es Gegenstände dieser Erde an sich heranzieht, um sie zu Trägern des Heils zu machen. Christus weitet seine Werkzeuglichkeit, die Werkzeuglichkeit seiner Natur, aus, indem er Brot und Wein, Wasser und Öl heranzieht, um dadurch in den Menschen das Heil zu wirken.

Wenn wir die Gegenstände näher betrachten, die Jesus auserwählt hat, um sie durch sein Wort mächtig zu machen, dann erkennen wir, daß sie eigentlich schon von Natur aus eine Eignung für das haben, was sie bezeichnen sollen im Sakrament. Das Wasser reinigt, und in der Taufe wird es dafür verwendet, eine Reinigung anderer, höherer Art zu gewähren, nämlich die Reinigung von der Erbsünde und von den persönlichen Sünden und von den Sündenstrafen. Das Öl wärmt und leuchtet. Kein Wunder, daß der Herr es verwendet hat für die Spendung des Sakramentes der Firmung und der Weihe. Durch das Sakrament der Firmung wird die Gabe des Heiligen Geistes vermittelt, die geistigerweise wärmt und leuchtet, wenn der Mensch sich dieser Gabe öffnet. Brot und Wein sind für den natürlichen Erhalt des Menschen notwendig, erforderlich, köstliche Gaben der Natur. Sie können aber auch dazu dienen, um das übernatürliche Leben zu nähren. Was Brot und Wein immer verheißen, das wird überboten, wenn sie verwendet werden im allerheiligsten Altarsakrament, denn hier ist das wahre Brot, der wahre Weinstock gegenwärtig, und er teilt Leben aus in Fülle.

Wir sehen also die Weisheit Gottes am Werk, wenn er Gegenstände dieser Welt mit göttlicher Kraft an sich heranzieht und sie zu Werkzeugen des Heils benutzt. Da kann sich freilich das Ärgernis aufrecken, wie es sich an Jesus aufgereckt hat: Ist das nicht des Zimmermanns Sohn? Sie nahmen Ärgernis an ihm. Und so können auch Menschen Ärgernis nehmen, daß sich das Heil vollziehen soll in so unscheinbaren Elementen wie Brot und Wein, ja daß das Heil daran gebunden sein soll. Daran können Menschen Ärgernis nehmen. Und dieses Ärgernis ist dann nur die Fortsetzung des Ärgernisses, das sie an Jesus Christus, dem Sohn des Zimmermanns, genommen haben.

Die Sakramente wirken verhängnisvollen Eigenschaften und Ideologien des Menschen entgegen. Sie haben die Kraft, diesen falschen Ansichten und Richtungen entgegenzuwirken. An erster Stelle überwinden sie den Subjektivismus. Subjektivismus ist jene Haltung, die alles von sich selbst aus bestimmen will. Nein, die Werkzeuge des Heiles wählen wir nicht aus; sie sind ausgewählt von Christus. Es gibt eine objektive Heilsordnung, und sie ist vorgebildet in den Sakramenten. Die Sakramente wirken auch entgegen dem Rationalismus und Spiritualismus, als ob alles mit dem Verstand zu ergründen sei oder der Mensch nur Geist sei. Nein, die Sakramente wenden sich an Leib und Geist, an den ganzen Menschen, und sie stellen gewissermaßen eine Wirklichkeitsmächtigkeit dar, nicht nur im Geiste, sondern auch in der Materie. Jawohl, hier ist heilige Materie, hier ist verwandelte Materie aus der Kraft Gottes zum Heil der Menschen. Die Sakramente wirken auch entgegen dem Individualismus, als ob der einzelne alles selbst schaffen könnte, als ob er auf niemanden angewiesen sei. Nein, ein Empfänger ist einem Spender zugeordnet. In der hierarchisch gegliederten Kirche gibt es Spender und Empfänger der Sakramente, und das ist eine Überwindung des Individualismus. Schließlich sind die Sakramente auch eine Überwindung des historischen Relativismus. Es könnte jemand sagen: Ja, die Heilstaten Jesu sind ja geschichtlich, sie sind deswegen einmalig und vergänglich. Wie kommen wir in Berührung mit den Heilstaten Jesu? Wer macht den Überschritt von der Vergangenheit in die Gegenwart? Diesen Überschritt, meine lieben Freunde, machen die Sakramente. Sie stellen die Repräsentation, die Gegenwärtigsetzung der Heilstaten Christi dar. Was einst und dort geschehen ist, das wird in den Sakramenten hier und jetzt Gegenwart. Sie holen – wir werden später versuchen, diese Weise der Repräsentation zu erklären – gleichsam das vergangene Ereignis in die Gegenwart hinein.

Bei den Sakramenten muß man, wenn man sie verstehen will, vom Zeichen ausgehen, von dem, was sie bezeichnen. Denn die Sakramente bewirken das, was sie bezeichnen, sie bewirken nur das, was sie bezeichnen, und sie bewirken es, indem sie es bezeichnen. Maßstab für den Gebrauch und für den Sinn der Sakramente ist deswegen das Zeichen. Man muß sich an das Zeichen halten, wenn man die Sakramente verstehen und wenn man einen dem Sakramente entsprechenden Gebrauch von ihm machen will. Ich will es an einem Beispiel erklären. Es könnte jemand sagen: Ja, ich gehe oft zur Beichte, weil ich da die Vermehrung der heiligmachenden Gnade erhalte. Es ist nicht falsch, zu erwarten, daß das Bußsakrament die heiligmachende Gnade vermehrt, aber eingesetzt ist es, damit Sünden vergeben werden. Und das sieht man ja am Zeichen: „Ich spreche dich los von deinen Sünden“, nicht: Ich vermehre dir die Gnade. Das Zeichen geht also eindeutig auf Gericht, nämlich auf Gericht über die Sünde, und zwar auf Gnadengericht, indem die Sünde verschlungen wird. Da sieht man: Man muß von dem Zeichen ausgehen, um Sinn und Gebrauch des Bußsakramentes zu verstehen. Die Unterschiedlichkeit der Sakramente läßt sich auch nur aus den Zeichen begründen. Die Krankensalbung oder die Letzte Ölung ist ein anderes Sakrament als das Bußsakrament, und es wäre ganz falsch, wenn man aus der Krankensalbung eine Altensalbung oder eine Gesundensalbung machen würde. Krankensalbung ist für solche bestimmt, die schwer krank und in der Gefahr des Todes sind. Alles andere ist Mißbrauch, vergeht sich auch gegen das Zeichen. Warum heißt es denn im Jakobusbrief: „Ist jemand krank unter euch, dann rufe er die Priester der Kirche, sie sollen über ihn beten und ihn mit Öl salben.“ Es heißt so, weil vorausgesetzt ist, daß der Kranke nicht selber gehen kann. Die Priester werden gerufen, weil er im Bett liegt. Das gehört zum Zeichen, und aus dem Zeichen ist der Gebrauch zu bestimmen.

Es gab einmal einen Mann namens Adolf Hitler. Dieser Mann hat einmal in einem seiner Tischgespräche im Führerhauptquartier erklärt: „Das ist die verrückteste aller Religionen, die ihren eigenen Gott auffrißt.“ So spottete er über das Altarsakrament. Er spottete, weil er es nicht verstanden hatte und weil er in den Sinn des Geschehens nicht eingedrungen war. Wir haben uns vorgenommen, jetzt und an den kommenden Sonntagen die Sakramente verstehen zu lernen, um in ihren Sinn einzudringen und ihren Gebrauch in geordneter Weise vorzunehmen. „Das Auge des Glaubens“, hat einmal der unvergeßliche Kardinal Faulhaber geschrieben, „sieht den Namen Jesu leuchten im Wasser der Taufe wie im Chrisam der Firmung, in der Hostie des heiligsten Altarsakramentes wie in den Absolutionsworten des Bußsakramentes, im Krankenöl der Letzten Ölung wie in der Handauflegung der Priesterweihe und im Jawort des Ehesakramentes. Von der Taufe bis zur Letzten Ölung, von der Taufkerze bis zur Sterbekerze, vom Morgenstern der Gnade über der Wiege des Neugeborenen bis zum Abendstern über dem Sterbebette Sterbenden leuchtet aus den heiligen Sakramenten ein ganzer Sternenhimmel göttlicher Liebe über dem Menschenleben.“

Amen.

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