Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
26. Dezember 1998

Wir haben seinen Stern gesehen

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wenn das Weihnachtsfest herankommt, ändern sich die Spielpläne der Theater. Statt der Opern von Verdi oder Wagner werden Märchenopern gespielt wie „Hänsel und Gretel“, und statt Schauspielen von Schiller oder Dürrenmatt werden Märchenspiele angekündigt wie „Schneewittchen und die sieben Zwerge“. Hat Weihnachten etwas mit Märchen zu tun? Warum ändern die Theater ihre Spielpläne, wenn Weihnachten herankommt? Warum setzen sie Märchen auf den Spielplan, wenn wir die Geburt unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus feiern? Es mag dahinter das unbewußte oder halbbewußte Mißverständnis stehen, daß Weihnachten eine – zumindest teilweise – märchenhafte Wirklichkeit ist. Ungläubige Theologen haben seit etwa 200 Jahren ein Stück nach dem anderen vom Weihnachtsgeschehen herausgebrochen und es als legendär erklärt. Die Erscheinung beginnt gewöhnlich an den Rändern und setzt sich von da bis zum Zentrum fort.

Ein besonders beliebter Gegenstand der Legendarisierung des Weihnachtsgeschehens ist der Stern von Bethlehem. Sogenannte Bibelkritiker verweisen ihn in das Reich der Legende. Die Weisen sagen zwar: Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenlande und sind gekommen, den neugeborenen König anzubeten, aber, so sagen diese ungläubigen Männer und Frauen, diese Worte sind den Weisen von dem Redaktor des Matthäusevangeliums in den Mund gelegt worden. Der Stern von Bethlehem ist eine Erfindung des fabulierenden Volkes, der fabulierenden Gemeinde. Doch hat es immer Menschen gegeben, die sich bei dieser billigen Auskunft nicht beruhigt haben. Gelehrte wie Johannes Kepler waren von der Existenz des Sterns von Bethlehem fest überzeugt. Kepler, der von 1571 bis 1630 lebte, hat sogar eine Vermutung geäußert, wie diese Erscheinung zu erklären sei. Nach seinen Berechnungen hat sich im Jahre 7 v. Chr. eine Konjunktion der Planeten Jupiter und Saturn zugetragen. Was ist eine Konjunktion? Eine Konjunktion ist ein Zusammentreten von zwei Sternen, die in einer Geraden von der Erde her gesehen hintereinander stehen. Konjunktionen von Sternen sind sehr selten, denn die Sterne haben ja eine sehr verschiedene Umlaufzeit um die Sonne. Die Erde braucht ein Jahr, der Jupiter braucht zwölf Jahre, um die Sonne zu umrunden. Und so muß also eine besondere Konstellation zustande kommen, damit Sterne hintereinander stehen. Aber im Jahre 7 v. Chr. ist das der Fall gewesen. Keplers Erkenntnis wurde durch Funde, die im Jahre 1925 der deutsche Astronom Paul Schnabel im Keilschriftmuseum zu London machte, bestätigt. Unter den Keilschrifttafeln von Sippar in Babylonien – das war eine antike Astrologen- oder wie wir heute sagen Astronomenschule –, in diesem Keilschriftarchiv von Sippar fanden sich, nachdem man die Keilschrifttafeln entziffert hatte, Angaben, daß im Jahre 7 eine Konjunktion der beiden Planeten Jupiter und Saturn sich zugetragen habe.

Die Konjunktion, also das Zusammentreten dieser beiden Planeten, hat sich nach den Berechnungen im September des Jahres 7 zum erstenmal zugetragen und war bis zum November des Jahres 7 sichtbar. Die Weisen aus dem Morgenlande waren offensichtlich Priesterastrologen, gelehrte Männer, die etwas von Sternenkunde verstanden. Jeder Stern hatte bei ihnen seine besondere Bedeutung. Der Jupiter war der Stern des babylonischen Obergottes Marduk. Der Saturn war der Stern des Volkes Israel. Wenn diese beiden Sterne also jetzt zusammentraten, so haben sie kombiniert, dann muß eine Erhöhung eines Israeliten bevorstehen, dann muß das geschehen, was sie in die Worte faßten: „Wir haben seinen Stern gesehen, den Stern des neugeborenen Königs von Israel.“ Und so machten sie sich auf den Weg. Sie folgten dem Stern, der tatsächlich vor ihnen herzog. Die Konjunktion hat eine Bewegung gemacht von Osten nach Westen; sie blieb dann im Westen stehen und wandte sich wieder von Westen nach Osten zurück. Sie suchten den König da, wo man einen König zu finden hoffte, in der Hauptstadt, in Jerusalem. Aber in Jerusalem fanden sie ihn nicht. Sie werden betrübt gewesen sein, als sie aus dem Palaste des Herodes herauskamen. Doch ihre Betrübnis wandelte sich in Freude, denn der Stern, den sie im Morgenlande gesehen hatten, er zog (wir müssen ergänzen: in südlicher Richtung) vor ihnen her und blieb über dem Hause stehen, wo das Kind war. Da, wo der Stern stehenblieb, wo die Konjunktion der beiden Planeten verharrte, da fanden sie den neugeborenen König. Und da waren sie von überaus großer Freude erfüllt. Sie wußte, sie waren nicht umsonst gelaufen. Es war ihnen klar geworden: Der Stern hatte sie nicht getrogen, er hatte sie zu dem König, dessen Stern sie gesehen hatten, geführt.

Nun gibt es freilich noch eine gewisse Schwierigkeit. Die Konjunktion von Jupiter und Saturn ereignet sich in großen Zeiträumen immer wieder. Sie ist zwar selten, aber wir können berechnen, wann die nächste Konjunktion eintreten wird. Sie ist allerdings nicht sehr stark in ihrem Schein. Im Matthäusevangelium wird aber berichtet, daß ein Lichtschein von dieser Konjunktion ausging. Wie ist dieser Lichtschein zu erklären? Darüber gibt uns Auskunft der österreichische Astronom Konradin Ferrari d’Occhieppo. „Am 20. Januar 1941“, schreibt er in einem Buche, „war ich als Gefreiter bei einer Flakbatterie in der Bretagne eingesetzt und zog in der Nacht auf Wache. Da stand am Himmel die Konjunktion, und vor ihr ging ein Licht aus, das Zodiakal-Licht.“ Das Zodiakal-Licht ging von dieser Konjunktion aus. Worin besteht dieses Zodiakal-Licht? Es besteht darin, daß Staubteilchen der Materie, Staubteilchen im All vom Sonnenlicht gebrochen werden, um dann wie ein Kegel zur Erde fallen. Ein tatsächlich zur Erde fallender Lichtschein, so berichtet uns d’Occhieppo, war am 20. Januar 1941 von ihm ganz eindeutig in seiner Flakstellung in der Bretagne zu erkennen. Also auch dieses Rätsel ist gelöst, daß die Konjunktion, die normalerweise eben nicht ein starkes Licht auswirft, durch das Zodiakal-Licht Strahlen auf die Erde warf.

Es hat andere Versuche gegeben, den Stern zu erklären. Man hat auf Kometen verwiesen, und Kometen sind ja in großer Zahl immer und zu allen Zeiten am Himmel erschienen. Man sprach von Supernovae, um die es sich gehandelt haben könnte. Möglich sind auch diese Erklärungen, aber wahrscheinlich ist die, die Kepler uns zuerst gegeben hat, nämlich daß die große Konjunktion von Jupiter und Saturn es war, die die Weisen aus dem Morgenlande als Stern am Himmel gesehen haben.

Da wird vielleicht jemand fragen: Aber ist nicht Jesus im Jahre 1 geboren? Wie kann er dann im Jahre 7 v. Chr. geboren sein? Nun, das ist keine Schwierigkeit, meine lieben Freunde, denn die Zeitrechnung ist durcheinandergeraten. Die heutige Zeitrechnung ist ja erst im 6. Jahrhundert entworfen worden von einem Mönch namens Dionysius, und er hat mit sehr unsicheren Angaben gearbeitet, so daß es nicht die geringste Schwierigkeit bedeutet, anzunehmen, daß Jesus Christus im Jahre 7 v. Chr. geboren worden ist.

Weihnachten und Märchen sind zwei ganz verschiedene Dinge. Das Weihnachtsgeschehen ist Geschichte, Märchen sind erfundene, manchmal sehr tiefsinnige Erzählungen, die eine bestimmte Wahrheit verdeutlichen wollen. Aber für unseren Glauben hängt alles davon ab, daß Weihnachten ein wirkliches Geschehnis ist, daß wir nicht einem Stern nachlaufen, den es nie gegeben hat, sondern daß wir einem Stern folgen, den Gott in wunderbarer Weise ausgesandt hat, um auf seinen eingeborenen Sohn aufmerksam zu machen. Unser Glaube an die Geburt Christi, an die Menschwerdung Gottes hängt nicht am Stern. Aber wir lassen uns auch den Stern nicht ausreden. Wir glauben das ganze Weihnachtsgeheimnis, und zu diesem Weihnachtsgeheimnis gehört auch die Botschaft der Weisen: „Wir haben seinen Stern im Morgenlande gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten.“

Amen.

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