7. Juni 1998
Geheimnis der Dreifaltigkeit
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Die Taufe wird im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes gespendet. Der Täufling wird gefragt, ob er an Gott den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist glaubt. Und er antwortet darauf: „Ich glaube.“ Die Taufe wird gespendet im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes – in der Einzahl! Im Namen, nicht auf die Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, in der Mehrzahl. Diese sprachliche Eigentümlichkeit weist darauf hin, daß es nur einen Gott gibt, einen einzigen, in seinem Wesen dreifaltigen Gott. Die Glaubenswahrheit der Dreieinigkeit ist die grundlegendste von allen christlichen Glaubensmysterien. Sie ist das zentrale Glaubensgeheimnis. Sie unterscheidet die christliche Religion von jeder anderen Religion. Das Geheimnis der Dreifaltigkeit ist in der Hierarchie der Glaubenswahrheiten die grundlegendste und die fundamentalste. Das Geheimnis der Dreifaltigkeit ist ein absolutes Geheimnis; das heißt: Auch wenn es geoffenbart ist, vermögen wir es nicht zu durchschauen, und es mußte offenbart werden, wenn wir es kennenlernen sollten. So sehr es auch in der Schöpfung und in der Heilsgeschichte Israels Andeutungen der Dreifaltigkeit gab, so gewiß ist, daß das Geheimnis selbst einer besonderen Offenbarung Gottes bedurfte. Das Geheimnis der Dreifaltigkeit ist weit über die Vernunft hinaus ein Geheimnis, das niemals vom Menschen in seinem Grunde erfaßt werden kann.
Wir wollen trotzdem versuchen, in dieses Geheimnis, soweit es menschlichem Denken zugänglich ist, einzudringen und dabei drei Fragen stellen, nämlich
1. Wie ist dieses Geheimnis geoffenbart worden?
2. Wie hat die Kirche dieses Geheimnis formuliert?
3. Wie hat Gott in seinem Schöpfungs- und Erlösungswerk dieses Geheimnis verwirklicht?
Die erste Frage lautet: Wie ist dieses Geheimnis der Dreifaltigkeit geoffenbart worden? Da müssen wir an erster Stelle sagen: Der Vater wird geoffenbart durch den Sohn. Jesus Christus, der Sohn Gottes, hat uns den Vater geoffenbart. Er hat ihn uns geoffenbart als Vater. Schon im Alten Bunde, beim Volke Israel, wurde Gott als Vater verehrt, und zwar meinte man damit seine Schöpfermacht – er ist Vater, weil er die Welt geschaffen hat, und man meinte seine Bundesherrschaft – er ist Vater, weil er mit dem Volk das Bündnis vom Sinai abgeschlossen hat. Er ist auch der Vater des Königs von Israel, und er ist der Vater der Waisen und Witwen. Das alles war schon dem Volk Israel bekannt. Aber Jesus überbietet diese Vaterschaft, indem er sagt: Gott hat von Ewigkeit her einen Sohn, einen eingeborenen, d.h. einen einziggeborenen Sohn. „Niemand kennt den Sohn als der Vater, und niemand kennt den Vater als der Sohn und wem der Sohn es offenbaren will.“
Man kann fragen: Warum ist uns Gott als Vater geoffenbart worden? Der Grund liegt in zwei Wirklichkeiten. Erstens soll damit der Ursprung und die Autorität ausgedrückt werden. Vaterschaft bedeutet eben Ursprung sein und Autorität besitzen. Zweitens sollte damit ausgesagt werden, daß Gott Güte und Sorge um seine Kinder ist; denn das ist Sache des Vaters, Güte und Besorgtheit um seine Kinder zu beweisen. Der Begriff Vater ist natürlich von dieser Welt genommen, aus der menschlichen Vaterschaft, aber wir müssen uns klarmachen, daß die Vaterschaft Gottes alle menschliche Vaterschaft weit übersteigt. Denn wir alle wissen, daß menschliche Väter ihre Schwächen und Fehler haben. Wir müssen also alle Schwächen und Fehler von der Vaterschaft Gottes wegdenken und müssen gleichzeitig alles, was wertvoll ist an der Vaterschaft, ins Unendliche ausdehnen. Dann beginnen wir in etwa zu begreifen, was es heißt, wenn wir sagen: Gott ist Vater. Gottes Vaterschaft ist auch insofern von jeder irdischen Vaterschaft verschieden, als er über alle Geschlechtlichkeit erhaben ist. Die Geschlechterverschiedenheit hat in Gott keine Stelle; er ist weder Mann noch Frau, er ist Gott. Er ist erhaben über jede irdische Vaterschaft, denn er ist das Maß und das Vorbild jeder Vaterschaft auf Erden.
Daß Gott Vater ist und einen Sohn hat, das wurde von Anfang an in der christlichen Verkündigung vorgetragen. Es wurde aufgenommen in den Konzilien, namentlich in dem ersten großen Konzil von Nizäa im Jahre 325. Gegen die Irrlehrer, vor allem Arius, hat sich dort die Kirche zu der Vaterschaft Gottes und zu der Sohnschaft Jesu Christi bekannt, hat sie Jesus als den eingeborenen, d.h. den einziggeborenen Sohn des Vaters ausgesagt und vor allem seine Ungeschaffenheit gelehrt. Er ist nicht ein Geschöpf des Vaters, sondern er ist – und so hat man einen Ausdruck gewählt, der von der Schöpfung, vom Schaffen verschieden ist –, „gezeugt“. Damit soll natürlich wiederum nicht etwas Geschlechtliches ausgesagt werden, sondern nur die Ähnlichkeit, wie eben der Erzeuger und der Erzeugte ähnlich sind. Es soll bekannt werden, daß der Vater einen Sohn zeugt, der ihm aber nicht nur ähnlich, sondern der ihm, abgesehen von der Ursprungsbeziehung, gleich ist. „Wesenseins mit dem Vater“ hat das Konzil von Nizäa gesagt. Das ist der berühmte Ausdruck „homousios“, um den Schlachten geschlagen worden sind, über den zahllose Bücher geschrieben worden sind, mit dem sich das Denken der besten Theologen befaßt hat. „Homousios“ – eines Wesens mit dem Vater, also unterschieden nur durch den Ursprung, weil er eben vom Vater gezeugt ist, aber nicht unterschieden in der Wesenheit, in der Allmacht, in der Güte, in der Unveränderlichkeit, in der Unsterblichkeit.
Vater und Sohn wurden dann geoffenbart durch den Heiligen Geist. Der Geist war schon tätig bei der Schöpfung. Er hat gesprochen durch die Propheten. Er war bei den Jüngern, und er bleibt bei den Jüngern. Er führt sie in alle Wahrheit ein. „Wenn der Geist der Wahrheit kommt, dann wird er euch in alle Wahrheit einführen“, hat der Herr verheißen. Seine zeitliche Sendung offenbart seinen ewigen Ursprung. Er geht vom Vater und vom Sohne aus. Er geht vom Vater als erstem Ursprung aus und wird vom Vater her und vom Sohne selbst gesandt. Der Heilige Geist wurde im Jahre 381 auf dem ökumenischen Konzil zu Konstantinopel in das Glaubensbekenntnis aufgenommen: „Ich glaube an den Heiligen Geist, den Herrn und Lebensspender, der vom Vater und vom Sohne ausgeht. Er wird mit dem Vater und dem Sohne zugleich angebetet und verherrlicht. Er hat gesprochen durch die Propheten.“ Jetzt ist die Dreifaltigkeit vollständig. Jetzt wissen wir vom Vater, jetzt wissen wir vom Sohne, jetzt wissen wir vom Heiligen Geiste. Durch die Sendungen hat Gott das Geheimnis der Dreifaltigkeit enthüllt und entfaltet. Er sendet seinen Sohn, und er und der Sohn senden den Heiligen Geist.
Die zweite Frage lautet: Wie hat die Kirche diese Wahrheit vom dreifaltigen Gott, dieses Geheimnis der Trintät formuliert? Die Kirche hat es sich nicht leicht gemacht, um Licht in dieses Geheimnis zu bringen. Sie hat drei Termini, drei Ausdrücke aus der griechischen Philosophie gewählt, aber diesen Ausdrücken – das sei gleich gesagt – einen ganz neuen Inhalt gegeben. Es ist das keine Gräzisierung oder Hellenisierung des Christentums, wie die Feinde des Glaubens sagen, sondern die Kirche hat sich der Worthülsen, welche die griechische Philosophie zur Verfügung gestellt hatte, bedient, um in sie einen ganz neuen Inhalt einzufüllen. Diese drei Ausdrücke sind Substanz, Person und Beziehung. Substanz bezeichnet das eine Wesen, die Einheit im Wesen, die Wesenseinheit. Person bezeichnet die Verschiedenheit: Vater, Sohn, Heiliger Geist. Beziehung gibt an, worin die Verschiedenheit besteht, nämlich in dem gegenseitigen Zueinander der göttlichen Personen. Wenn wir das Geheimnis der Dreifaltigkeit einigermaßen verstehen wollen, dann müssen wir uns diese drei Begriffe – Substanz, Person, Beziehung – vor Augen halten und in drei Sätzen das Verhältnis dieser Begriffe zueinander zu formulieren versuchen, nämlich erstens: Das Wesen Gottes ist eines. Weil das Wesen Gottes eines ist, müssen wir sagen: Der Vater ist dasselbe wie der Sohn, der Sohn ist dasselbe wir der Vater, der Heilige Geist ist dasselbe wie der Vater und der Sohn, nämlich Gott: der eine Gott in seiner Allmacht und in seiner Herrscherlichkeit, der eine Gott in seiner Unsterblichkeit und in seiner Anfangslosigkeit, der eine Gott in seiner Güte und Barmherzigkeit. Der zweite Satz lautet: Die Personen sind real voneinander verschieden. Der Sohn ist nicht der Vater, der Vater ist nicht der Sohn, und der Heilige Geist ist nicht der Vater oder der Sohn. Sie sind dasselbe, aber sie sind nicht derselbe. Wir bekennen die Einheit des Wesens, aber die Verschiedenheit der Personen. Wir trennen nicht das Wesen, aber wir vermischen auch nicht die Personen. So sagt es das Glaubensbekenntnis „Quicumque“, das Athanasianische Glaubensbekenntnis, das wir Priester einmal im Jahr, nämlich heute bei der ersten Hore des Breviergebetes beten. „Wir trennen nicht das Wesen, aber wir vermischen auch nicht die Personen.“ Und der dritte Satz lautet: Zwischen den Personen besteht die Verschiedenheit allein darin, daß sie in verschiedener Beziehung zueinander stehen; denn der Vater zeugt, der Sohn wird gezeugt, das sagt ja schon der Name. Der Geist wird gehaucht vom Vater und vom Sohn. Und in dieser Verschiedenheit liegt das Geheimnis der drei göttlichen Personen.
Die dritte und letzte Frage endlich ist: Wie verwirklicht die Dreifaltigkeit ihr göttliches Wesen und ihre Personhaftigkeit? Nun, der Sohn ist das Ebenbild des Vaters, Gott von Gott, Licht vom Lichte, wahrer Gott vom wahren Gott. Er ist das Abbild der Herrlichkeit und der Abglanz seines Wesens. Der Heilige Geist ist eines Wesens mit dem Vater und dem Sohn. Die göttlichen Personen wirken, wenn sie nach außen wirken, immer zusammen. So untrennbar wie das Wesen ist, so untrennbar ist auch ihr Wirken nach außen. Die Dreifaltigkeit ist immer beisammen. Freilich muß man dazu sagen: Das gemeinsame Wirken der Dreifaltigkeit vollzieht sich in der Weise, wie die Personen voneinander verschieden sind, also: Wir beten zum Vater durch den Sohn im Heiligen Geist. Oder: Wir preisen den Vater durch den Sohn im Heiligen Geist. Wir folgen Jesus, dem Herrn, weil der Vater uns zieht und der Geist uns treibt. Die göttlichen Personen sind eines Wesens und deswegen auch immer im äußeren Wirken beisammen. Aber dieses Wirken geschieht in der Verschiedenheit ihrer Beziehung.
Der Herr weist darauf hin, daß die göttlichen Personen beisammen sind, wenn er einmal sagt: „Jeder, der mich liebt, wird meine Gebote halten, und der Vater wird ihn lieben und wir werden kommen und Wohnung bei ihm nehmen.“ Wir werden kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Also wenn Gott in die Seele einzieht, dann ist die Dreifaltigkeit immer beisammen. Wenn wir Jesus empfangen, sind der Vater und der Sohn untrennbar dabei. In der heiligmachenden Gnade besitzen wir die Dreifaltigkeit in unserer Seele. Wir leben im Banne der heiligsten Dreifaltigkeit; jetzt noch im Dunkel des Glaubens, einstmals unverhüllt im Glanze der Herrlichkeit. Wir sollen einmal den dreifaltigen Gott in seiner wunderbaren Einheit und in der Verschiedenheit der Personen schauen. Ich bin mir darüber im klaren, meine lieben Freunde, daß kein Geheimnis des Glaubens schwerer zu verstehen ist als das der Dreifaltigkeit. Aber ich gestehe ebenso, daß ich noch niemals Schwierigkeiten hatte, daran zu glauben. Warum nicht? „Könntest du ihn verstehen, es wäre nicht mehr Gott“, sagt der heilige Augustinus. Wahrhaftig, das ist die Lösung unserer Schwierigkeit. Könntest du ihn verstehen, es wäre nicht mehr Gott.
Amen.