Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
1. Juni 1998

Sinnbilder des Heiligen Geistes

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Als ich am Anfang meines Studiums für das Priestertum stand, fragte mich ein älterer Priester: „Verehrst du die Muttergottes? Liebst du die Einsamkeit? Bist du ein Verehrer des Heiligen Geistes?“ Er hielt diese drei Fragen – und die entsprechenden Antworten – für wesentlich, ja entscheidend, um Priester zu werden. Ein Priester muß die Muttergottes verehren, er muß die Einsamkeit lieben, er muß aber auch ein Verehrer des Heiligen Geistes sein. Wenn man einen Menschen schätzt, sucht man ihn kennenzulernen. Man ist bemüht, seine Gesinnungen, Schicksale, Bestrebungen in Erfahrung zu bringen. Erst recht muß es von Gott gelten, daß wir ihn, wenn wir ihn lieben, kennenlernen wollen, immer mehr in sein Geheimnis eindringen wollen, ohne es aufzulösen; denn wir können nur lieben, was wir kennen. Und je besser wir ihn kennen, um so mehr werden wir ihn lieben. So wollen wir am heutigen zweiten Pfingstfeiertag drei Gegenstände betrachten, nämlich

1. den Namen des Heiligen Geistes,

2. die Benennungen des Heiligen Geistes und

3. die Sinnbilder des Heiligen Geistes.

Der Name des Heiligen Geistes ist, wie gesagt, Heiliger Geist. Er ist also aus zwei Bestandteilen zusammengesetzt. Das Hauptwort ist „Geist“. Der Heilige Geist ist Geist, wie der Vater und wie der Sohn Geist ist. Mit dem auf Gott angewendeten Worte Geist wird nicht etwa dasselbe ausgesagt, wie wir vom Menschen sagen: Er besteht aus Körper und Seele, also Geist. Wenn wir von Gott aussagen, er sei Geist, dann meinen wir damit die vollständige Andersartigkeit Gottes. Gott als Geist ist nicht nur über den Körper des Menschen überlegen, er ist auch über den Geist des Menschen überlegen, er ist der ganz andere, und die Geistigkeit Gottes will sagen, daß er der souveräne, weltüberlegene, überirdische Schöpfer, Herr und König ist. Das Begleitwort „heilig“ besagt, auf Gott angewandt, nicht zuerst die ethische Heiligkeit, daß also Gott sündlos ist. Nein, die Bezeichnung „heilig“, auf Gott angewandt, will besagen: Er ist von allem Irdischen, Weltlichen, Geschöpflichen geschieden. Es ist die ontische Heiligkeit gemeint, die im Sein verwurzelte und im Sein gegebene Weltüberlegenheit Gottes. Wenn wir also die Worte „heilig“ und „Geist“ auf die dritte göttliche Person anwenden, dann müssen wir daran denken, daß er der wahre Gott ist, der jenseits alles Irdischen, alles Weltlichen, alles Menschlichen steht, auch jenseits jeder menschlichen Vorstellung und Phantasie. Er ist der ganz andere, überlegene, unendlich weite und unendlich erhabene Gott über uns.

Der Heilige Geist wird zweitens in bestimmter Weise benannt. Jesus nennt ihn den Geist der Wahrheit. Damit soll ausgedrückt werden, daß der Heilige Geist die Wahrheit in sich trägt, die Wahrheit liebt und die Wahrheit befördert. Er ist der Feind jeder Unwahrheit, und deswegen kann es in alle Ewigkeit nicht gleichgültig sein, was einer glaubt. Er muß den wahren Glauben haben, weil der Geist der Wahrheit will, daß wir in der Wahrheit stehen. „Das habe ich gern“, schreibt der Apostel Johannes, „daß meine Kinder in der Wahrheit wandeln,“ er, der Künder des Heiligen Geistes, des Geistes der Wahrheit. Der Herr nennt den Heiligen Geist auch den Parakleten. Das ist ein griechisches Wort, das im Lateinischen übersetzt wird mit advocatus und im Deutschen entsprechend mit Anwalt, Fürsprecher, Beistand, Tröster. Der Heilige Geist hat also eine unterstützende, helfende und beistehende Funktion. Er ist der Tröster, der dem Menschen in seinem Elend, in seiner Gebrechlichkeit, vor allem in seiner Sündhaftigkeit zu Hilfe kommt.

Der Apostel Paulus fügt diesen beiden Namen weitere hinzu. Er nennt den Heiligen Geist Geist der Verheißung, Geist der Sohnschaft, Geist des Herrn, Geist Christi, Geist Gottes. Fünf verschiedene Benennungen gibt der Apostel Paulus dem Heiligen Geist. Geist der Verheißung besagt, daß er von Gott vorherverkündet wurde und selbstverständlich, weil Gott treu ist in seinen Verheißungen, auch gesandt wurde, und zwar in Fülle in seinem Sohne. Deswegen heißt er Geist des Sohnes. Er ist der Geist, in dem Jesus lebt und webt. Er ist der Geist, in dem Jesus seine Machttaten und Wunder vollbringt. Er ist der Geist, der Jesus aus dem Grabe gerissen hat und verklärt hat. Deswegen ist der Heilige Geist Geist des Sohnes, Geist des Herrn, Geist Christi. Der Apostel Petrus fügt noch eine weitere Benennung hinzu,  nämlich: Geist der Herrlichkeit. Der Heilige Geist ist derjenige, der die Herrlichkeit in sich trägt und sie den Menschen vermittelt. Er hat die Verklärung der menschlichen Natur Jesu gewirkt, und er ist es auch, der unsere armselige Natur verklären kann, anfanghaft und vorläufig unsichtbar in dieser Zeit, in Fülle und in Vollendung einmal, wenn wir in die andere Welt, in die Welt Gottes übergegangen sein werden. Das sind also die Benennungen des Heiligen Geistes.

Ebenso aufschlußreich sind sodann die Sinnbilder des Heiligen Geistes. Das erste Sinnbild ist das Wasser. Wir sind, so wird oft gesagt in der Heiligen Schrift, mit dem Heiligen Geiste „getränkt“. Tränken tut man mit Wasser. Wir sind mit dem Heiligen Geiste getauft. Der Heilige Geist wurde uns vermittelt im Wasser der Taufe. Das Wasser der Taufe ist das Medium, durch das Gott uns den Heiligen Geist schenken will. Wasser ist das belebendste Element, das es gibt. Es ist vielleicht das notwendigste Element, das es gibt; wir wissen, ohne  Wasser gibt es kein Leben. Und so ist also ein sehr treffendes Symbol des Heiligen Geistes das Wasser. Es gibt kein übernatürliches Leben ohne Heiligen Geist. Uns wurde es vermittelt durch das Wasser der Taufe.

Eine weitere sinnbildliche Bezeichnung des Heiligen Geistes ist die Salbung. Die Salbung geschieht mit Öl, und wenn uns der Bischof bei der Firmung mit Öl salbte, dann wurde damit angedeutet, daß uns der Heilige Geist geschenkt wurde, sofern unsere Herzen aufnahmebereit waren. Christus ist der Gesalbte in einem eminenten Sinne. Er hat den Heiligen Geist nicht stückweise wie wir Armen, er hat ihn in Fülle. „Der Herr ist der Geist“, sagt sogar der Apostel Paulus an einer Stelle, die geheimnisvoll und schwer verständlich ist. Aber auch uns hat der Herr den Geist durch die Salbung vermittelt. Wir bezeichnen dieses Sakrament der Salbung nicht umsonst als confirmatio oder Firmung, denn die Salbung bedeutet Kraftvermittlung, Kraftübertragung, Kraftimpuls, der uns geschenkt wurde.

Ein weiteres Sinnbild des Heiligen Geistes ist das Feuer. In Feuerzungen kam der Geist am Pfingsttage über die Apostel herab, und Feuer spielt bei allen geistbegabten und geistbegeisterten Menschen immer einer große Rolle. Elias rief Feuer vom Himmel, welches das Opfer verzehrte. Und der Herr hat einmal gesagt: „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen, und wie wünschte ich, es wäre schon längst entbrannt!“ Der Vergleich mit dem Feuer ist wohl so zu deuten, daß hier die verwandelnde und verzehrende Kraft des Feuers gemeint ist. Das Feuer soll ausbrennen, was mit dem Heiligen Geist unverträglich ist, und das Feuer soll uns mit der Begeisterung versehen, die der Heilige Geist in den Herzen zu wecken vermag. Die verwandelnde und verzehrende Kraft des Feuers soll uns vom Heiligen Geiste zuteil werden. Man sagt nicht umsonst, daß die Kleriker Geistliche sein sollen. Geistlich, das heißt, sie sollen vom Heiligen Geist erfüllt sein. Aber nicht nur die Kleriker sind Geistliche, alle Getauften sind Geistliche, sind vom Heiligen Geist geprägt und erfüllt.

Eine weitere sinnbildliche Erscheinung des Geistes ist die Wolke. Immer, wenn Theophanien, Gotteserscheinungen, sich ereignen, tritt eine Wolke auf. Von Maria heißt es: Sie wurde „überschattet“, das heißt eben mit einer Wolke überschattet vom Heiligen Geist, als sie ihr Kind empfing. Und eine Wolke trat auf, als auf dem Berge der Verklärung Jesus und seine drei Apostel Gemeinschaft hielten mit Elias und mit Moses. Das war die lichte Wolke, die sie überschattete, ein Zeichen, ein Symbol der wirksamen Gegenwart des Heiligen Geistes. Eine Wolke war es schließlich, die Jesus aufnahm, als er zum letzten Mal den Jüngern erschienen war und seinen Platz zur Rechten des Vaters einnahm.

Ein weiteres Sinnbild des Heiligen Geistes ist das Siegel. Wir wissen, wozu ein Siegel dient. Es beglaubigt etwas, es bestätigt etwas. Mit dem Siegel werden amtliche Schriftstücke ausgefertigt. Auch der Heilige Geist prägt und beglaubigt. Man kann es erkennen, ob einer im Heiligen Geiste lebt, oder ob er vom Ungeist getrieben wird. Man kann es äußerlich erkennen, ob einer versiegelt ist mit dem Heiligen Geiste, oder ob er fern vom Heiligen Geiste ein dürftiges Leben vollzieht. Der Heilige Geist beglaubigt unser Leben, und er prägt unser Leben. Vor allem ist er wirksam in den sogenannten Standessakramenten, wo dem Menschen ein unauslöschliches Siegel eingeprägt wird: in der Taufe, in der Firmung, in der Weihe. Weil diese Sakramente ein Siegel einprägen, den Menschen also umgestalten, ein für allemal, deswegen sind sie unwiederholbar. Man kann nicht zweimal geweiht werden, man kann nicht zweimal getauft werden, man kann auch nicht zweimal gefirmt werden, sondern einmal prägt der Geist sein Siegel ein, und dann ist man für immer, für Zeit und Ewigkeit von ihm geprägt.

Auch die Hand dient als Symbol des Heiligen Geistes. Durch die Handauflegung haben die Apostel den Geist vermittelt. Noch heute wird durch Handauflegung der Heilige Geist gegeben, etwa bei der Firmung oder bei der Priesterweihe. Aber auch wenn der Priester vor dem heiligsten Augenblick der heiligen Messe steht, nämlich vor der Wandlung, und Sie achten einmal genau auf sein Tun, dann werden Sie finden, daß er die Hände über Brot und Wein ausbreitet als ein Zeichen, daß jetzt die Epiklese erfolgt, die Herabrufung des Heiligen Geistes. Denn nicht der Priester wandelt, sondern der Heilige Geist wandelt, freilich durch den Priester. Aber er muß herabgerufen werden. Ohne seine Macht sind wir ohnmächtig. Aber wenn er kommt, dann ist er allmächtig. Und wenn er sagt: „Das ist mein Leib, das ist mein Blut“, dann ist es der Leib und das Blut des Herrn und Heilandes.

Auch der Finger ist ein Symbol des Heiligen Geistes. Im Alten Bunde hat der Finger Gottes die beiden Tafeln des Moses beschrieben mit den Zehn Geboten. Im Neuen Bunde rührt der Finger Gottes die Herzen an und schreibt in die Herzen. Er schreibt seine Schrift in die Herzen, also die Schrift der Liebe, der Gerechtigkeit, der Keuschheit, der Tapferkeit. Das ist seine Schrift. Nicht mehr auf Tafeln von Stein, sondern in den Herzen von Fleisch schreibt er seine Schrift ein.

Noch ein letztes Bild des Heiligen Geistes, das wir alle kennen: Es ist die Taube. Wie etwas Taubenähnliches kam der Heilige Geist auf Jesus herab. Meine lieben Freunde, nicht als Taube, sondern es heißt im griechischen Text „hos“ – wie eine Taube, ähnlich wie eine Taube kam der Heilige Geist auf Jesus herab, und seitdem wird ja der Heilige Geist meistens als Taube dargestellt. Wie ist dieses Bild zu erklären? Nun, zunächst einmal ist sicher, daß die Taube ein Bild der Einfalt und der Unschuld ist. Der Herr sagt ja, wir sollen einfältig wie die Tauben sein, d.h. eben arglos, ohne Arglist, lauter. Aber darüber hinaus besagt die Taube noch mehr. Die Taube ist ein Vogel, der die Rettung ankündigt, nämlich bei der Sintflut. Da brachte eine Taube einen Ölzweig in die Arche des Noe und kündigte an: Die Sintflut ist vergangen, die Errettung ist da. Jetzt ist der Friede mit Gott hergestellt. So ist die Taube gewissermaßen der Verkündigungsvogel des Heiles. Und so müssen wir es wohl auch auf den Heiligen Geist deuten. Er ist derjenige, der das Heil wirkt und der das Heil verbürgt. Wenn der Heilige Geist kommt,  dann ist das Heil da, und in wem er Wohnung nimmt, der ist gerettet, der kann ohne Furcht und ohne Sorge sein. In der Kraft des Geistes hat Jesus die Dämonen besiegt, und in der Kraft des Geistes vermögen wir unser Leben zu bewältigen. Wer den Geist in sich trägt, ist unüberwindlich.

Das waren der Name, die Benennungen und die Sinnbilder des Heiligen Geistes. Sie sollen in uns die Kenntnis und die Liebe zum Heiligen Geist vermehren. Sie sollen uns wachhalten für die Aufnahme der Wirkungen des Heiligen Geistes. Sie sollen die Sehnsucht in uns erwecken nach den Gaben des Heiligen Geistes, und sie sollen dafür sorgen, daß, soweit es an uns ist, wir alles aufbieten, uns vom Heiligen Geiste treiben zu lassen. „Denn“, so sagt Paulus; „die sich vom Heiligen Geiste treiben lassen, die sind Kinder Gottes.“

Amen.

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