Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
30. November 1997

Die Wundertaten Jesu

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Das Leben Jesu war im buchstäblichen Sinne ein wunderbares Leben. Die Wunder, die das Leben Jesu begleiten, stammen entweder vom Vater im Himmel oder sie wurden von Jesus selbst gewirkt. Der Wunderstern, der den Weg zur Krippe wies, die Erdbeben, die das erschütternde Sterben des Gottessohnes begleiteten, wurden vom Vater im Himmel bewirkt. Aber Jesus selbst war auch ein Wundertäter. An 20 Stellen der Heiligen Schrift wird davon gesprochen, daß Jesus Zeichen und Wunder getan hat. Insgesamt zählt man in den Evangelien 35 Wunder Jesu. Alle Evangelisten berichten von der Brotvermehrung. Drei Evangelisten melden 12 Wunder, zwei berichten von 6 Wundern, und die übrigen werden nur jeweils von einem Evangelisten uns überliefert. Zu den Wundern gehörem 3 Totenerweckungen, 9 Naturwunder, und viele Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen.

Gegen die Wunder steht das Rationalistendogma auf: Es kann keine Wunder geben. Angefangen von liberalen Protestanten wie Adolf von Harnack bis zu den die Wunder leugnenden sogenannten katholischen Theologen der Gegenwart gibt es eine erhebliche Schar von „Schriftgelehrten“, welche die Wunder schlechthin bestreiten. Sie geben ganz offen zu: nicht, weil die Quellen sie nicht berichten, sondern weil nach ihrer Meinung Wunder nicht möglich sind.

Die Wunder sind mit den Evangelien eng verknüpft. Man kann sie nicht herauslösen, ohne die Evangelien zu zerstören. Man kann die Wunder nicht als eingestreute Stücke bezeichnen, die man ohne Schaden für das Ganze entfernen könnte. Die Wunder sind mit Aufbau, Zweck und Charakter der Evangelien aufs engste verknüpft. Mit dem Aufbau. Die Evangelien sind eben aus zwei Massen gebildet, nämlich aus dem Redestoff und aus dem Tatenstoff. Die Wunder sind mit dem Zweck der Evangelien eng verbunden. Der Zweck ist nämlich, zu zeigen, daß Jesus der Messias ist. Er kann aber nur der Messias sein, wenn er sich auch als Messias verhalten hat, nicht nur, wenn er als Messias geredet hat. Die Wunder sind schließlich auch mit dem Charakter der Evangelien verflochten; es sind nämlich Augenzeugenberichte, und von den Augenzeugen gilt: „Wir können nicht von dem schweigen, was wir gesehen und gehört haben.“ Wer die Wunder verwirft, der muß die Evangelien verwerfen.

Die Wunder sind auch mit den Reden Jesu aufs engste verknüpft, und deswegen muß man sagen: Wer die Wunder zurückweist, muß auch die Reden Jesu zurückweisen. Jesus benutzt nämlich die Wunder, um an sie anknüpfend den Volksmassen oder den Aposteln Lehren zu unterbreiten. Er benutzt sie auch als Beweis für seine Lehren. Nach dem reichen Fischfang erklärt er den Aposteln, daß er sie zu Menschenfischern machen werde. Als Johannes die Frage stellt, ob er der Messias sei, da sagt er nicht: Ja, das bin ich, sondern da sagt er: Seht auf die Taten! „Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf, Armen wird Heilsbotschaft verkündet, und Heil dem, der sich an mir nicht ärgert!“ Die beiden Städte Chorazin und Bethsaida werden vom Herrn deswegen mit einem Weheruf bedacht, weil in ihnen so viele Wunder geschehen sind. „Weh dir, Chorazin! Weh dir, Bethsaida! Denn wenn zu Tyrus und Sidon (in den heidnischen Lasterstädten) die Wunder geschehen wären, die bei euch geschehen sind, längst hätten sie in Sack und Asche Buße getan.“ Ja, wie kann er so etwas sagen, wenn in Chorazin und Bethsaida keine Wunder geschehen wären, aufsehenerregende, unerhörte Wunder? Auch die Dispute mit den Pharisäern und Schriftgelehrten lassen sich nur erklären, wenn sich die Heilungen Jesu am Sabbat tatsächlich zugetragen haben. Denn sie sind ja der Anlaß für die Streitgespräche.

Ganz eng ist die Verknüpfung zwischen Brotvermehrungswunder und eucharistischer Rede. Der Herr will den Aposteln klarmachen, daß er ihnen wirklich sein Fleisch geben kann, er, der eine, den vielen. Wie kann er das beweisen? Er beweist es damit, daß er aus den wenigen Broten eine unabsehbare Menge speist. Der Schluß liegt nahe: Wer das kann, nämlich eine große Menge mit wenigen Broten sättigen, der kann auch das andere, nämlich mit seinem verklärten Leib eine unabsehbare Menge für das ewige Leben speisen.

Die Wunder Jesu sind sodann ganz eng mit seinem Leben verknüpft. Die Gefolgschaft, die er bei seinen Jüngern fand, und die Anhänglichkeit der Massen lassen sich nur erklären, wenn er nicht nur ein Prediger, sondern auch ein Wundertäter war. Und tatsächlich wird in den Evangelien oft und oft bezeugt, daß es gerade die Wundertaten waren, die das Volk von seiner messianischen Würde überzeugt haben. Als er das Wunder der Verwandlung von Wasser in Wein in Kana wirkte, da bemerkt der Evangelist Johannes: „So wirkte Jesus sein erstes Wunder, offenbarte dadurch seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn.“ Also der Glaube kam aus dem Wunder, aus dem Erleben des Wunders. An einer anderen Stelle berichtet der Evangelist Johannes, warum die Massen des Volkes ihn umdrängten. „Eine große Menge folgte ihm, da sie die Wunder sahen, die er an den Kranken wirkte.“ Und ein andermal sprachen die Menschen: „Kann wohl der Messias, wenn er kommt, mehr Wunder wirken als dieser tut?“ Sie begaben sich zu dem auferweckten Lazarus, weil sie das Wunder nachprüfen wollten. Viele Juden gingen zu dem Lazarus hin und glaubten an Jesus, weil sie die Bestätigung sahen von dem Ruf, der ihm vorausging, nämlich daß er den Lazarus ins Leben zurückgerufen hatte. Als Jesus den Jüngling von Naim ins Leben rief, da sprachen die Volksmassen: „Ein großer Prophet ist unter uns aufgestanden, und Gott hat sein Volk heimgesucht.“ Die Heimsuchung geschah durch das Auftreten Jesu und durch dieses unerhörte Wunder.

Auch die Gegner Jesu haben die Wunder Jesu als Tatsachen angenommen. Sie haben sich überzeugt gezeigt, daß er ein Wundertäter sei. Als man dem Vierfürsten Herodes von Jesu Auftreten berichtete, da sagte er: „Johannes der Täufer ist auferstanden, und darum wirken die Wunderkräfte in ihm.“ Wir wissen, daß er, als ihm Jesus im Prozeß vorgeführt wurde, ein Wunder von Jesus sehen wollte, denn er hatte eben schon von seiner Wundertätigkeit gehört. Ebenso haben die Pharisäer und Schriftgelehrten sich von der Tatsächlichkeit der Wunder Jesu überzeugt gezeigt. „Was tun wir, da dieser Mann viele Wunder wirkt?“ Sie waren ratlos, denn diese Wunder haben eben die Massen für ihn begeistert und gewonnen. Die Feinde Jesu haben die Wunder Jesu nicht geleugnet. Sie haben sie nur verkehrt erklärt. „Durch Beelzebul, den obersten der Teufel, treibt er die Teufel aus.“ Also die Teufelaustreibungen selbst waren ihnen gewiß, aber sie schrieben sie dem bösen Geist zu, nicht dem guten, von dem Jesus geführt war.

Besonderer Bezweiflung unterliegen die Naturwunder Jesu. Sie werden von den modernistischen Schriftgelehrten durch die Bank abgelehnt. Die Naturwunder Jesu, meine lieben Christen, sind historisch genauso gut beglaubigt wie alle anderen Wunder Jesu. Es besteht überhaupt kein Anlaß, eine irgendwie geartete Unterscheidung zwischen von Jesus gewirkten Naturwundern und anderen zu machen. Man ist großzügig auf seiten der Modernisten. Man sagt: Durch seine Suggestivkraft kann Jesus Kranke geheilt haben. Durch seine Suggestivkraft, also durch den starken Eindruck seiner Persönlichkeit! Ja, meine lieben Freunde, Suggestivkraft ist keine Wundermacht. Durch  Suggestivkraft erzeugte Heilungen sind keine Wundertaten. Das können andere auch. Vor über 40 Jahren trat in München der Herr Gröning auf, der sich als Wundertäter ausgab und durch seinen starren Blick und durch seine Gewandtheit angeblich – wie sich später herausstellte, ohne nachhaltigen Erfolg – Menschen heilte. Suggestion ist keine Wundermacht. Gegen die Naturwunder können keine Argumente beigebracht werden, solange man die Texte, die davon berichten, ernstnimmt. Contra facta non valent argumenta – Es lassen sich gegen Tatsachen keine Gründe vorbringen. Tatsachen muß man hinnehmen, denn Tatsachen sind, wie Lenin einmal sagte, „hartnäckige Dinge“. Aber diese Modernisten konstruieren sich von vornherein ein Bild von Jesus ohne seine Wundertätigkeit. Wenn er ein Mensch wie alle anderen ist, dann kann er auch keine Wunder gewirkt haben. Aber das ist er gerade nicht. Es ist eben in diesem Nazarener einmal und ein einziges Mal die Welt Gottes in die Welt der Menschen eingebrochen, und deswegen gibt es diese Wundertaten. Man kann sie deswegen auch nicht vergleichen mit den angeblichen Wundertaten, die von antiken Heroen, von Apollonius von Tyana, von Kaiser Vespasian usw. berichtet werden. Denn das sind Legenden. Das sind erfundene Geschichten. Für diese angeblichen Wundertaten ist niemand in den Tod gegangen – wie die Apostel. Also der Versuch, durch religionsgeschichtliche Vergleiche die Wundertaten Jesu zu entwerten, wie es meinetwegen Weinreich und Fiebig tun, dieser Versuch ist restlos zum Scheitern verurteilt.

Man sucht eine andere Ausflucht. Man sagt: Ja, die Evangelien wurden allmählich durch Wundertaten Jesu angereichert. Zunächst sind wenige dagewesen, dann hat man immer mehr erfunden und diese Wundertaten Jesus zugeschrieben. Aus diesem Wachstum der Überlieferung erkennt man ihre Ungeschichtlichkeit. Meine lieben Christen, das älteste Evangelium ist jenes des Markus. Das jüngste ist das Evangelium des Johannes. Das älteste Evangelium, nämlich das des Markus, berichtet viel mehr Wundertaten als das Evangelium des Johannes. Also nicht eine Zunahme, sondern, wenn man will, eine Abnahme von Wundertaten ist in den Evangelien zu konstatieren. Das Markusevangelium ist das Evangelium der Wundertaten Jesu.

Die ganze Aufmachung der Evangelien spricht für die Echtheit. Da wird nicht geprahlt, und da fehlt jede Selbstverherrlichung. Da wird keine phantasievolle Ausschmückung vorgenommen und keine legendenhafte Steigerung. Nein, schlicht und einfach werden die Fakten hingesetzt. Und viele einzelne Züge tragen den Charakter der Echtheit. Es werden die Namen genannt. Der Blinde von Jericho hieß Bartimäus; der Synagogenvorsteher, dessen Töchterlein Jesus vom Tode zurückgerufen hat, hieß Jairus; der Mann, den er vom Tode erweckt hatte, hieß Lazarus. Ja, das sind doch historische Namen! Man konnte sie nachprüfen, man konnte Familienforschung betreiben, und da würde man auf diese Namen stoßen und feststellen, ob sich diese Ereignisse zugetragen haben oder nicht. So weit sind die Evangelien von den Ursprüngen nicht entfernt.

Auch die Quellen, die außerhalb der Evangelien stehen, berichten uns von der Wundertätigkeit Jesu. Ich erwähne die Predigten des Petrus. Sie sind älter als die Aufzeichnung der Evangelien. Petrus beweist die Messianität Jesu nicht mit der Wahrheit seiner Lehre, sondern er beweist sie mit seinen Macht- und Wundertaten. „Ihr Männer aus Israel, hört diese Worte! Jesus, der Nazarener, einen Mann von seiten Gottes bei euch beglaubigt durch Machterweise, Wunder und Zeichen, die Gott durch ihn unter euch wirkte, wie ihr selbst wißt, den habt ihr ausgeliefert.“ An einer anderen Stelle wieder dieselbe Argumentationsweise: „Dieser ist aller Herr. Ihr wißt, welches Ereignis sich zugetragen hat im ganzen Judenland, angefangen von Galiläa nach der Taufe, die Johannes predigte, wie Gott ihn, Jesus von Nazareth, salbte mit Heiligem Geiste und Kraft, wie er umherzog, Wohltaten spendete und alle vom Teufel Überwältigten heilte.“

Auch andere Quellen bezeugen die Wundertätigkeit Jesu, auch jüdische Quellen. Der Talmud bestreitet nicht, daß Jesus Wundertaten gewirkt hat, aber sagt: Er wirkte sie durch Zauberei. Auch Flavius Josephus hat ein klares Zeugnis für die Wundertätigkeit Jesu. In der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts lebte in Afrika der Bischof Quadratus. Er bezeugt aus dieser Zeit, daß die Erinnerung an Jesu Machterweise durchaus noch bei den Zeitgenossen, die es von ihren Vorfahren erzählt bekommen hatten, lebendig war. Ja sogar Celsus, der grimmige Feind des Christentums, räumt die Wunder Jesu ein. Nur erklärt er sie durch den Einfluß von Dämonen.

Meine lieben Freunde, wir haben keinen Anlaß, auch nur eines der Wunder Jesu als unhistorisch zu bezeichnen, auch nur eines aus dem Evangelium zu streichen. Nach dem reichen Fischfang fiel Petrus vor Jesus auf die Knie und sagte: „Herr, geh weg von mir, ich bin ein sündiger Mensch!“ Er wollte damit seinen Kleinglauben bekennen. Aber Petrus hat zum Glauben gefunden. Nach der wunderbaren Brotvermehrung sprach derselbe Petrus zu Jesus: „Wir haben geglaubt und erkannt, daß du der Heilige Gottes bist.“

Amen.

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