Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
22. Januar 1995

Die von Gott gegebene Aufgabe des Mannes in der Ehe

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Am vorigen Sonntag, an dem das Evangelium von der Hochzeit zu Kana verlesen wird, haben wir begonnen, über die Ehe nachzudenken. Wir haben uns die eheliche Gemeinschaft in ihren Grundzügen vor Augen geführt und wollen nun daran gehen, die Ehegatten zu betrachten, heute den Ehemann. Um dieses Thema zu behandeln, habe ich einen Vers aus dem 1. Briefe des einzigen Apostels ausgewählt, von dem wir mit Sicherheit wissen, daß er verheiratet war, nämlich aus dem 1. Brief des Apostels Petrus. Er hat den Ehegatten in diesem Brief einen einzigen Vers gewidmet, aber dieser Vers ist gefüllt mit Inhalt. „Ihr Männer“, so heißt es da, „ seid verständig im Verkehr mit euren Frauen als dem schwächeren Teil! Erweist ihnen Achtung, denn sie sind mit euch Erben der Gnade des Lebens. Dann wird euer Gebet nicht behindert sein.“ In diesen wenigen Worten ist ein dreifacher Aufruf an den Ehegatten enthalten, nämlich ein Appell an den Ehegatten als Mann, ein Appell an den Ehegatten als Ritter und ein Appell an den Ehegatten als Christ.

Der erste Appell an den Ehegatten ist an ihn als Mann gerichtet. „Ihr Männer, seid verständig mit euren Frauen als dem schwächeren Teil!“ Die Frauen hören es nicht so gern, wenn von ihnen als dem schwächeren Teil gesprochen wird. Aber der Sinn dieser Redeweise im Munde des Apostels – als inspiriertes Gotteswort – ist klar: Die Frau ist zarter als der Mann, sie ist körperlich und seelisch nicht so robust wie der Mann. Das ist gemeint mit dem „schwächeren Teil“. Es besagt nicht, daß die Frau nicht viele Eigenschaften, Qualitäten und Anlagen hat, in denen sie sich als stärker erweist, etwa in ihrer Leidensfähigkeit. „Ihr Männer, seid verständig im Umgang mit euren Frauen!“ Hier ist ein Appell an die Kraft des Mannes gerichtet, die man die Vernunft nennt. Und die Vernunft zerfällt in den Verstand und in den Willen. Der Mann soll als Ehegatte die Vernunft bewähren. Das bedeutet ein Dreifaches: Einmal muß er mit der Vernunft erkennen, daß er dazu aufgerufen ist, durch Arbeit den Unterhalt für seine Frau und seine Kinder zu erwerben. Der Mann ist für die Arbeit geschaffen, für die Leistung; und dem Manne ist die Pflichterfüllung aufgetragen. Eine Frau kann von ihrem Manne erwarten, daß er durch Arbeit den Unterhalt für seine Familie verdient. Das ist eine klare Forderung der Vernunft. Dazu hat Gott ihm seine körperliche Kraft und seine seelischen Befähigungen gegeben, daß er durch Arbeit den Unterhalt für seine Familie beschafft.

Die Vernunft lehrt ihn aber auch an zweiter Stelle die Gerechtigkeit. Er vermag mit der Vernunft zu begreifen, daß man von einem anderen nicht etwas erwarten kann, nicht erwarten soll, was man selbst zu leisten nicht gewillt ist. Die Vernunft fordert vom Manne Gerechtigkeit, Gerechtigkeit zuerst im Verhältnis zu seiner Frau. Und diese Gerechtigkeit drückt sich darin aus, daß der Mann der Frau etwas gewähren muß, bevor er etwas von ihr verlangt. Der selige Adolf Kolping hat einmal das schöne Wort gesagt: „Wenn der Mann will, daß seine Frau eine sehr gute Frau sei, dann sei er zuerst ein sehr guter Mann; und wenn eine Frau will, daß ihr Mann ein sehr guter Mann sei, dann sei sie zuerst eine sehr gute Frau! Jeder muß zuerst anfangen, und keiner darf auf den anderen warten, sonst kommen beide zu spät, viel zu spät!“ Wie klug hat der Gesellenvater Kolping hier gesprochen! Er lebte ja mitten unter dem Volke und kannte seine Gesellen und deren Familien. Er wußte, wenn der eine mit dem Gutsein auf den anderen wartet, dann kommt es nie zu einer wahren, gerechten Ehe, sondern jeder muß von sich aus anfangen, gut zu sein, ohne auf den anderen zu warten, um in dem anderen das Gutsein gleichsam aufzuwecken. Nichts weckt das Gutsein des anderen leichter auf als das eigene Gutsein.

Die Vernunft lehrt den Mann an dritter Stelle die Besonnenheit. Sie zeigt ihm, daß Raschheit, Übereiltheit, Unbesonnenheit nur Unfrieden und Unordnung in eine Familie bringen. Wo die Vernunft einen Mann beherrscht, da ist er in seinen Handlungen, in seinen Reden, in seinen Planungen besonnen. Er hat sich also vorher über das, was er tun oder sagen will, Rechenschaft gegeben, und dann redet und dann handelt er. Die Besonnenheit vermeidet den Streit. Der Streit ist Gift für eine Familie, der Streit ist Gift auch für eine Ehe. Nichts richtet eine Gemeinschaft so leicht zugrunde wie unbesonnener Streit. Ein alter, kluger Pfarrer gab beim Brautunterricht, den er für die angehenden Eheleute hielt, immer den Rat: „Wenn es zwischen Ihnen zu einem Wortwechsel kommt, wenn Streit auszubrechen droht, dann sagen Sie zueinander: Wir wollen den Streit auf übermorgen vertagen. Nach zwei Tagen werden Sie die Sache nicht mehr als wichtig ansehen, womöglich haben Sie sie inzwischen ganz vergessen.“ Ein wie kluger Rat! Durch Besonnenheit, von der Vernunft gelenkt, den Streit zwischen Gatten vermeiden. In der deutschen Armee gab es eine weise Anordnung. Man durfte sich beschweren über einen Vorgesetzten, aber, so hieß es in der Anordnung, man solle erst eine Nacht über der Beschwerde schlafen. Und wenn man dann am anderen Tage die Beschwerde noch als angebracht ansehe, dann solle man sie vorbringen. Wie weise ist dieser Rat auch, wenn man ihn auf die Familie, wenn man ihn auf die Gatten anwendet. Ein Appell an den Ehegatten als Mann.

Ein Appell aber auch an den Ehegatten als Ritter. „Ihr Männer, seid verständig im Umgang mit euren Frauen! Erweist ihnen Achtung!“ Es war immer das Ziel und das Kennzeichen des mittelalterlichen Ritterideals, daß der Mann, der zum Ritter geschlagen wurde, Zucht und Maß in seinem ganzen Leben gelobte und bewies. Die Eigentümlichkeit des deutschen Rittertums des Mittelalters sind Zucht und Maßhalten auf allen Gebieten. Wo und wann sind Zucht und Maßhalten notwendiger als in einer Gemeinschaft, die so innig, so nah und so eng ist wie die Ehe? Hier kommt auf Zucht und Maßhalten beinahe alles an. Die unaufhörliche Arbeit an sich selbst, die eben zur Zucht und zum Maßhalten führt, darf dem Manne, darf dem Ehegatten nicht abgenommen werden. Es gibt ein bekanntes Buch über den Umgang mit Menschen, von Knigge. In diesem Buch stehen manche Weisheiten, unter anderem auch die: „Wenn du willst, daß deine Frau dich vor allen anderen ehren und lieben soll, dann verlaß dich nicht darauf, daß sie es dir am Altare versprochen hat, sondern biete alle Kräfte auf, daß du besser seiest als jeder andere, und das in jeder Hinsicht!“ Ein wie kluger Rat des Herrn von Knigge! Wenn du willst, daß deine Frau dich über allem ehren und lieben soll, dann trachte danach, daß du besser bist als jeder andere, und zwar in jeder Hinsicht! Das gehört zum Ideal des Ritters, daß er unermüdlich an sich selbst arbeitet, daß er die eigenen Leidenschaften erkennt und niederhält und überwindet, daß er die Tugenden herausarbeitet, auf die jede Gemeinschaft, am meisten aber natürlich die Ehe, angewiesen ist. Zum ritterlichen Ideal gehört aber auch der Schutz. Die Ritter verpflichteten sich zum Schutz der Schwachen, Bedrängten und natürlich erst recht der Frauen. Der Mann, der das ritterliche Ideal in seiner Ehe verwirklichen will, muß ein Schützer seiner Frau sein. Dieser Schutz kann extreme Formen annehmen, etwa in Zeiten des Krieges, wo sich mancher Mann vor seine Frau gestellt und dadurch den Tod erlitten hat. Der Schutz ist aber auch im täglichen Leben zu leisten, etwa angesichts von Schwächen der Frau. Wie leicht wird sie das Opfer von Klatschsucht, übler Nachrede! Dann muß ein Mann sich schützend vor seine Frau stellen. Er muß ein Schutz seiner Gattin sein. Das verlangt seine ritterliche Pflicht. Am meisten aber wird der Mann das ritterliche Ideal erfüllen, wenn er seine Frau ehrt, wenn er ihr Ehrerbietung erweist. „Erweist ihnen Achtung!“, so heißt es im 1. Petrusbrief, und Achtung ist ja etwa dasselbe wie Ehrerbietung. Der Mann muß also – für die ganze Dauer seines Ehelebens! – mit Achtung und Ehrerbietung seiner Frau gegenübertreten. Die Kaiserin Maria Theresia, die ihrem Manne 16 Kinder geboren hat, hat einmal an eine ihrer Töchter geschrieben: „Die törichte Liebe vergeht, aber man muß sich gegenseitig achten und ehren!“ Achten und ehren ist nicht immer leicht, wenn man so intim zusammen ist, wie es in der Ehe der Fall ist, wo man sich bis ins letzte kennt. Und gerade deswegen ist es so notwendig, Achtung und Ehrerbietung zu bewahren, damit man sich nicht gemein macht, damit die Ehe nicht im Schlamme versinkt, damit nicht das Schäbige, Niedrige im Menschen die Oberhand gewinnt, daß man sich nicht im Schmutz findet. Die Ehrung und die Achtung muß der Mann seiner Gattin erweisen bis zum Ende des Lebens. „Wenn du willst, daß nicht andere deine Frau ehren, dann mußt du sie ehren“, schreibt einmal der heilige Chrysostomus, der offenbar auch ein Kenner der Menschen und der Ehen war. Wenn du deine Frau ehrst, hat sie es nicht nötig, von anderen geehrt zu werden. Damit deutet er auf eine Gefahr. Wenn ein Mann gleichgültig wird gegenüber seiner Frau, wenn er rücksichtslos und teilnahmslos wird, dann besteht die Gefahr, daß die Frau die vermißte Ehre dort sucht, wo sie sie nicht suchen darf.

Der dritte Appell geht an den Christen im Mann. „Ehret eure Frauen, denn sie sind Miterben der Gnade des Lebens!“ Das ist also die tiefste Verbindung zwischen den Gatten, die Gemeinschaft mit Gott. Sie haben sich ja am Altare nicht nur in einem menschlichen Vertrag gebunden, sondern sie haben sich am Altare durch Gott und mit Gott zu einem immerwährenden Bunde zusammengeschlossen. Die tiefste Vereinigung der Gatten ist jene, die in Gott gründet. Und diese Gemeinschaft müssen sie auch pflegen. Sie bewähren sie im gemeinsamen Gebet, im gemeinsamen Sakramentenempfang, auch in der gemeinsamen Erinnerung, nicht nur an die Taufe, sondern an jenen Tag, wo sie vor dem Altare standen und knieten und sich gegenseitig Treue, unverbrüchliche Treue, gelobten. Diese Gemeinschaft ist die tiefste, und sie muß immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden, damit man sich nicht allmählich voneinander entfernt. Die Gemeinschaft in Gott läßt sich wunderbar ausdrücken mit dem schönen Satz: „Ein Weg, auf dem wir ziehen, ein Gott, vor dem wir knien, ein Himmel dir und mir.“ Ja, diese Gemeinschaft in Gott hier auf Erden ist nur ein Anfang . Sie soll sich fortsetzen und vollenden in der Ewigkeit. Die Frauen sind Miterben der Gnade des Lebens. Über ihnen liegt der Schimmer, der Glanz der ewigen Herrlichkeit. Mann und Frau sind geschwisterlich verbunden durch das gemeinsame Harren auf die Vollendung in der Ewigkeit. Wenn der Mann das bedenkt, dann wird er mit Ehrfurcht vor seiner Frau stehen, dann wird er ihr mit Ehrfurcht begegnen, dann wird er begreifen, daß die Frau nicht die Spielpuppe des Mannes ist.

Die Gemeinschaft auf Erden wird einmal abgebrochen. Die Ehe ist ja nur für diese Weltzeit eingerichtet. Sie dient der Fortpflanzung und der Erhaltung des Lebens. Wenn nicht mehr gestorben wird, dann braucht auch nicht mehr geboren zu werden, und in der Ewigkeit wird nicht mehr gestorben. Deswegen ist dort die Ehe hinfällig geworden. Wenn die Ehe aber eine Gemeinschaft für diese Zeit ist, dann teilt sie das Schicksal dieser Zeit, und dies ist in dem Wort zusammengefaßt: Die Gestalt dieser Welt vergeht. Und deswegen kann sogar der Apostel Paulus einmal mahnen: „Diejenigen, die Frauen haben, seien wie solche, die keine haben!“ Eine unüberhörbare Aufforderung auch zur Enthaltsamkeit. Diejenigen, die Frauen haben, sollen sein wie solche, die keine haben. Die Ehe, wie jede irdische Wirklichkeit, mahnt durch ihre Vergänglichkeit den Menschen, sie in der rechten Weise zu gebrauchen. Es gibt ein versprengtes Jesuswort, das nicht in den Evangelien steht, und dieses Wort lautet: „Die Welt ist eine Brücke. Gehe hinüber, aber baue dein Haus nicht auf ihr!“ Ja, die Welt, auch die Ehe, ist eine Brücke. Gehe hinüber, aber baue dein Haus nicht auf ihr! Das gibt dem Manne die nötige Distanz auch gegenüber seiner Gattin, die nötige Distanz auch im intimen Bereich der Ehe. „Ein jeder“, so mahnt der Apostel Paulus, „soll seine Frau in Ehrbarkeit und Heiligkeit besitzen, nicht in wilder Leidenschaft wie die Heiden, die Gott nicht kennen.“

Dreifach, meine lieben Freunde, ist der Appell, der von dem Worte des Apostels Petrus an die Gatten ausgeht: Ein Appell an den Mann, ein Appell an den Ritter und ein Appell an den Christen. Im Laufe der Kirchengeschichte – und das muß ja auch einmal gesagt werden – haben viele, haben zahllose Männer sich bemüht, diesen dreifachen Appell zu hören und nach ihm zu leben, haben ihr Leben ausgerichtet nach diesem dreifachen Aufruf, nämlich die Frau in einer Weise zu betrachten, wie sie Petrus fordert. „Ihr Männer, seid verständig im Umgang mit euren Frauen als dem schwächeren Teil! Erweist ihnen Ehre und Achtung, denn sie sind Miterben der Gnade des Lebens.“ Lebt mit euren Frauen als wahre Männer, als echte Ritter und als lebendige Christen!

Amen.

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