Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
20. März 1994

Die Zeugen Jehovas

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Wenn ich aus dem Fenster meines Arbeitszimmers schaue, dann blicke ich auf ein Haus, in dem eine Familie mit vier Kindern lebt. Sie gehören den Zeugen Jehovas an. Es sind also Personen aus der großen Zahl derer, die einmal Christen, Katholiken waren, dann abgefallen sind. Im vergangenen Jahre sind in dieser Pfarrei Budenheim 59 Personen aus der Kirche ausgetreten. Damit hat sich die Zahl der Austritte gegenüber 1992 verdoppelt. Ich weiß nicht, wie viele von diesen Ausgetretenen den Weg zu den Zeugen Jehovas genommen haben, aber es ist durchaus denkbar, daß einige darunter sind. Es ist dies nicht nur in Budenheim so.

Im Herbst vorigen Jahres weilte ich in einem kleinen Ort bei Regensburg, und eines Tages kam ein Herr zu mir und fragte: „Was sollen wir bloß machen, die Zeugen Jehovas laufen uns die Häuser ein?“ Er erklärte mir, daß diese Menschen auch bei Abweisung immer wieder kämen, aufdringlich werbend für ihre Sekte.

In einem oberbayerischen Dorfe ist einer der schönsten Höfe im Besitz eines Mannes, den die übrigen Dorfbewohner als den „Bischof“ der Zeugen Jehovas bezeichnen. Er ist mit seiner ganzen Familie abgefallen und bemüht sich, in dem Dorfe Propaganda für seine Sekte zu betreiben. Vor einigen Jahren besuchte ich meinen Freund, den Stadtpfarrer von Bad Tölz in Oberbayern. Er erzählte mir, daß jedes Jahr in seiner Pfarrei, die einmal ganz katholisch war, nicht wenige zu den Zeugen Jehovas übergehen, vor allem Italiener.

Wir haben also Anlaß, meine lieben Freunde, uns am heutigen Sonntag mit dieser Bewegung der Zeugen Jehovas zu befassen. Wir wollen fragen nach ihrem Ursprung, nach ihrer Tätigkeit und nach ihrer Lehre.

Die Zeugen Jehovas sind entstanden im vorigen Jahrhundert. Ihr Gründer hieß Charles T. Russell, ein Amerikaner aus Pittsburgh. Er wurde im Jahre 1852 geboren. Er stammt aus einer presbyterianischen Familie. Presbyterianer sind Calvinisten, also ein Zweig der Protestanten. Bei den Presbyterianern lernte er die Hochschätzung der Bibel und das Bibellesen auf eigene Faust. Er hat sich in die Bibel vertieft -  ein religiöser Mann, wie er war – und über dem Grübeln und Lesen beinahe seinen Glauben verloren. Er wurde aber vor dem Unglauben bewahrt durch den Anschluß an die Adventisten. Er hat sich also zunächst dieser Sekte der Adventisten zugeneigt, aus der er die Eschatologie, die Lehre von den Letzten Dingen, bezog, die in seiner Religionsgemeinschaft noch eine große Bedeutung erlangen sollte. Er hat dann sich mit anderen zusammengetan zu einem Bibelkränzchen, etwa zwanzig Personen kamen regelmäßig zusammen, lasen in der Bibel und legten sie aus ohne jede Vorkenntnisse, wie es ihnen einkam, und gelangten zu der Überzeugung, daß alle bisherigen Bibelleser die Bibel falsch gelesen hätten, daß erst sie in den Geist und in den Sinn der Bibel eingedrungen seien.

Russell war ein geschickter und raffinierter Geschäftsmann, und mit den amerikanischen Geschäftsmethoden war er bedacht, seine Bewegung auszubreiten. Er war unaufhörlich auf Reisen; er ist in einem Schnellzug gestorben, auf einer Propagandareise. Auf seinen ausgedehnten Reisen kam er auch nach Deutschland, überall bedacht, seine Bewegung zu verbreiten.

Im Jahre 1916 ist Russell gestorben, aber seine Bewegung war bis dahin fest begründet. Ein amerikanischer Rechtsanwalt namens Rutherford kam an seine Stelle und führte die Gemeinschaft weiter, freilich indem er sie von ihrem bisherigen demokratischen Status in einen streng zentralistischen überführte. So ist die Sekte der Zeugen Jehovas entstanden.

Sie hat sich in der Folgezeit ausgebreitet durch eine phänomenale Werbetätigkeit. Schon Russell hatte 70 hauptamtliche Verkündiger bestellt und 700 weitere ehrenamtliche Verkündiger. Man bediente sich des gedruckten und des gesprochenen Wortes. In Brooklyn in den USA wurde eine riesige Druckerei gegründet, die Tausende von Büchern an einem Tage drucken konnte. Die Schallplatte wurde in den Dienst der Bewegung gestellt, über Hunderte von Rundfunksendern wurden und werden die Platten dieser Sekte verbreitet, Zeitschriften wurden gegründet, vor allem die Zeitschriften „Wachtturm“ und „Volkskanzel“, später auch noch die Zeitschrift „Erwachet“. All diese Druckschriften werden und werden in Millionen und Abermillionen von Exemplaren unter die Menschen geworfen. Russel selbst hat sieben Bände Bibelstudien verfaßt, die in Millionen von Exemplaren, in alle Sprachen übersetzt, verbreitet werden. Eigene Rundfunksender wurden erworben und betrieben. Gleichzeitig wurden die Anhänger der Sekte geschult in der Rede, im Dialog mit anderen, das packende Wort wurde ihnen durch diese Schulung vermittelt. Kein Wunder, daß diese Sekte zugenommen hat.

Im Jahre 1927 zählte sie 88.000 Mitglieder, im Jahre 1948 waren es 207.000, im Jahre 1993 sind es viereinhalb Millionen. Das alles ist geschehen in einer Zeit, in der die katholische Kirche und auch die protestantischen Gemeinschaften fortlaufend Mitglieder verlieren. In Deutschland gibt es 160.000 aktive Verkündiger der Zeugen Jehovas, davon 35.000 in der früheren DDR. Der Hauptsitz ist in unserer Nähe, in Wiesbaden-Dotzheim. Eine zweite Niederlage ist in Magdeburg, dort gab es zumindest eine eigene Wachtturmstraße.

Die Bewegung wurde von den Nationalsozialisten heftig bekämpft. Der Grund lag darin, daß sie jüdisches Gedankengut weitertrug, daß sie kommunistischen Ideen zuneigte, daß sie den Wehrdienst verweigerte und den Staat ablehnte. 6.000 Zeugen Jehovas wurden in Konzentrationslager verbracht, 2.000 sind darin gestorben. In allen Büchern über die Konzentrationslager liest man von der tapferen Haltung der Zeugen Jehovas. Sie hätten die Freilassung erwirken können, wenn sie zugesagt hätten, sich von ihrer Sekte zu trennen, aber die allermeisten blieben standhaft und lehnten die Zumutung, sich von der Bewegung loszusagen, ab. Fast alle Verfasser von Büchern über die Konzentrationslager sind deswegen sehr angetan von der Haltung der Zeugen Jehovas. Einer macht eine Ausnahme, das ist der ostpreußische Dichter Ernst Wiechert. Er war ja selbst im Konzentrationslager Buchenwald und hat darüber sein Buch „Totenwald“ geschrieben und ist dort den Zeugen Jehovas begegnet. Was er von ihnen schreibt, ist nun hochinteressant: „Hier befand sich eine große Zahl jener Unglücklichen, die das Dritte Reich mit besonderer Erbarmungslosigkeit verfolgte, nämlich die Sekte der „Ernsten Bibelforscher“. Was bei näherem Zusehen auf dem Grunde ihrer Weltanschauung lag, war so beschaffen, daß es sich jeder ernsthaften Diskussion völlig entzog. Wer bis auf das Jota genau weiß, wann die Welt erschaffen wurde, und fast ebenso genau auf das Jota, wann sie zugrunde gehen wird, wer die chinesische und die ägyptische Kultur für eine lügenhafte Erfindung wissenschaftlicher Schwindler hält, da ja vor 6.000 Jahren erst Adam zu leben begonnen habe, wer gar die Zahlen der Erdgeschichte, und seien sie noch so gering angenommen, für das Erzeugnis einer höllischen Idiotie hält, mit dem ist schwer zu disputieren und noch schwerer zu rechten, weil ein anderes Zeitalter, ja ein anderer Stern unter seinen Füßen zu liegen scheint, und weil ein prophetischer Glanz sein Auge trübt, in dem er alle Tatsachen nur wie kindliche und kindische Lehmfiguren erblickt. Doch waren von allen Insassen des Lagers sie die einzig Unbeugsamen. Es gab solche unter ihnen, die nach ein oder zwei oder drei Jahren Haft freigelassen werden sollten, wenn sie eine Erklärung unterschrieben, daß sie sich ihrer Sekte fortan fernhalten wollten. Keiner von ihnen tat es, obwohl sie weder Post noch Geld empfangen durften und nicht nur sie, sondern auch ihr Gott Jehova auf eine wahrhaft verruchte Weise gequält wurden. Auch verweigerten sie nach ihrem Glauben den Kriegsdient, und man zweifelte bei keinem von ihnen, daß er aufrecht und des Paradieses gewiß in den Tod gehen würde.“ Jetzt kommt der entscheidene Satz: „Doch lag begreiflicherweise keine beispielgebende Kraft in der Starrheit dieser Haltung, weil ihre Wurzel in einen zu dumpfen Boden reichten. Man konnte sie alle achten, aber man mußte sie auch alle bedauern. Der Martyrer, der für den Glauben stirbt, daß man nur Gras essen dürfe, begibt sich des Heiligenscheines um seine Stirn.“

Ernst Wiechert hat tatsächlich etwas vom Wesen dieser Sekte erfaßt, nämlich die unbegreifliche Sturheit, die Unzugänglichkeit gegenüber jedem Argument und vor allem das völlige Durcheinander in der Lehre.

Und die wollen wir uns jetzt, als dritten Punkt, näher ansehen. Die Zeugen Jehovas haben ihren Namen nach dem Gott des Alten Testamentes, Jahwe, den sie aber mit bestimmten Vokalen versehen haben, so daß Jehova daraus geworden ist. Das zeigt schon, daß sie das Alte Testament weit mehr in ihrer Religion benutzen als das Neue Testament. Sie lesen das Neue Testament im Lichte des Alten, statt wie wir das Alte Testament im Lichte des Neuen zu lesen. Ihr Gottesbegriff ist unhaltbar; denn ihr Gott hat einen Körper. Ihr Gott ist nicht nur Geist, ihr Gott hat auch einen Körper, und damit ist natürlich ausgeschlossen, daß er der actus purus, die reine Verwirklichung des Seins, sein kann, als den wir ihn notwendig bekennen müssen, wenn wir ihn von der Schöpfung absetzen wollen.

Mit Erbitterung bekämpft die Sekte die Trinität, die Dreifaltigkeit. Alle Stellen, die davon sprechen in der Bibel, werden zu entwerten versucht. Sie hat ein Verhältnis zu Jesus Christus, aber auch da liegt die Verkehrung zutage. Nach ihr hat Jesus drei Stadien durchgemacht. Im ersten Stadium war er als Geschöpf Gottes im Himmel und identisch mit dem Erzengel Michael. Im zweiten Stadium war er auf der Erde, und hier war er ein echter Mensch, ist aber in seinem Menschsein völlig vernichtet worden durch den Tod. Im dritten Stadium ist er göttlichen Wesens und göttlicher Natur teilhaftig geworden, er hat einen göttlichen Leib empfangen und ist also jetzt in der Herrlichkeit Gottes, des ewigen Jehova.

Von Kirche und Sakramenten halten die Zeugen Jehovas nichts. Wenn man überhaupt bei ihnen von einer Kirche sprechen kann, dann ist es diese Gemeinschaft. Alle anderen religiösen Verbände werden scharf abgelehnt, am schärfsten die katholische Kirche. Mit infernalischem Haß wird über diese Kirche hergefallen. Die Zeugen Jehovas kennen auch keine Sakramente. Zwar gibt es bei ihnen eine Taufe durch Untertauchen, aber es ist keine sakramentale Wirksamkeit, die diesem Geschehen zugesprochen wird, sondern es ist nur ein Symbol dafür, daß man sich Jehova übergeben hat. Einmal im Jahre, am 15. Nisan, also an einem jüdischen Festtag, feiern die „Auserwählten“ das Abendmahl als Gedächtnismahl an Jesus.

Das größte Gewicht liegt in ihrer Lehre wahrscheinlich auf der Eschatologie, auf der Lehre von den Letzten Dingen. Sie unterscheiden da verschiedene Zeitalter. Das erste Zeitalter reicht von der Erschaffung der Welt bis zur Sintflut. Die Erschaffung der Welt hat nach den Zeugen Jehovas im Herbst 4217 stattgefunden, und die Sintflut war nach ihrer Meinung im Herbst 2463. Das zweite Zeitalter reicht von der Sintflut bis zum Jahre 1914, doch werden da noch verschiedene Unterteilungen vorgenommen. Seit dem Jahre 1914 hat die Endzeit begonnen. Sie zerfällt in zwei Phasen, zunächst das Millennium, das tausendjährige Reich, das von 1914 bis 2914 geht, und daran schließt sich dann der neue Himmel und die neue Erde. In dem tausendjährigen Reiche stehen die Toten auf. Gerettet und auf dem Heilsweg gegangen sind nur 144.000 Auserwählte, die Brautschaft, wie sie genannt werden. Die anderen Menschen, die gestorben sind, fallen in einen todesähnlichen Schlaf, denn es gibt keine unsterbliche Seele. Sie verfallen in einen todesähnlichen Schlaf, aus dem sie Gott aufwecken wird. Nicht alle, denn eine Reihe von ihnen, die Bösewichte, werden vernichtet; nicht in einer Hölle, in einem Strafzustand, sondern gänzlich vernichtet, so daß nichts von ihnen übrigbleibt.

Man rühmt an den Zeugen Jehovas gewisse Tugenden wie Ehrlichkeit, Verläßlichkeit. Es ist ohne weiteres einzuräumen, daß eine relativ kleine Bewegung, die aus persönlich zu ihnen gestoßenen Menschen besteht und einer strengen Disziplin und Kontrolle unterworfen wird, imstande ist, einen gewissen sittlichen Standard zu halten; doch sollte man die Tugenden nicht isoliert sehen und nicht übertreiben. Der Gründer der Sekte, Russell, wurde von seiner Frau schuldig geschieden, und in einem Verleumdungsprozeß wurde er des Betrugs bezichtigt. Gerade die geschlechtliche Sittlichkeit ist aber ein gewichtiger Prüfstein für den sittlichen Stand von Menschen. Außerdem lehnt die Sekte jede staatliche Tätigkeit ab, verwirft selbstverständlich den Wehrdienst und versagt sich auch jeder sozial-caritativen Tätigkeit. Für einander sorgen sie, aber darüberhinaus kümmern sie sich um niemanden. Zur Verbreitung ihrer Irrtümer verlangen sie viel von ihren Angehörigen. Jeder, der dieser Sekte aktiv angehört, muß im Monat 8 Stunden Dienst leisten, in der Woche also 2 Stunden, und die Pioniere müssen 100 Stunden Felddienst im Monat ableisten. Sie werden streng kontrolliert, ob sie auch diese Dienste tatsächlich erbringen.

Die Zeugen Jehovas verfügen über enorme Geldmittel, denn die Anhänger müssen den Zehnten abgeben. Mit diesen Geldmitteln können sie ihre gewaltigen Aktivitäten bestreiten. Wegen ihrer sektiererischen Mentalität ist die Anhängerschaft nicht so gewachsen, wie es anzunehmen wäre angesichts der gewaltigen Mittel, die sie verwandt haben, aber sie haben etwas Negatives erreicht, nämlich bei vielen, die sie besucht, die sie heimgesucht haben, den Glauben an die Religion, an die Kirche erschüttert. Das Wachstum ist angesichts der eingesetzten Mittel relativ bescheiden, aber die zerstörerische Wirksamkeit der Sekte ist überhaupt nicht hoch genug anzusetzen.

Wir können von den Zeugen Jehovas etwas lernen, meine lieben Freunde, und zwar, indem wir ihre Übertreibungen und dann die gesunde Mitte vergleichen.

1. Ihr Fanatismus ist selbstverständlich dumpfer, dunkler, unerleuchteter Eifer, aber wir könnten dagegen eine wahre Glaubensüberzeugung setzen, die begründet ist in Erkenntnis der Richtigkeit und der Wahrheit der Offenbarung und der Lehre der Kirche. Nicht Fanatismus, aber tief begründete, unerschütterliche Glaubensüberzeugung.

2. Sie treiben Proselytismus, suchen also auf jede Weise und mit allen Mitteln Menschen für sich zu gewinnen. Wie es innerlich in ihnen aussieht, das spielt keine Rolle. Wir sollten dem proselytischen Treiben missionarischen Eifer entgegensetzen. Auch wir sollten uns bemühen, unsere Umgebung, wo immer wir können, von der Wahrheit und der Berechtigung unserer Religion zu überzeugen, die Lauen und Abständigen wiederzugewinnen, die Abgefallenen zurückzurufen zur Gemeinschaft der heiligen Kirche. Wir sollten uns an Eifer, an erleuchtetem Eifer, von diesen Leuten nicht übertreffen lassen.

3. Sie haben einen Servilismus, d.h. eine blinde Ergebenheit gegenüber den Ideen ihrer Lehrmeister, vor allen Dingen Russells, und gegenüber ihren Vorgesetzten. Wir sollten uns nicht übertreffen lassen an treuer und erleuchteter Ergebenheit gegenüber der Lehre unserer Kirche und gegenüber den recht gebietenden Hirten unserer Kirche. Aufstand gegen den Papst, Mißmut gegen die Kirche, abweichende Lehren, das sollte bei uns keine Stelle haben. Wir sollten aus Überzeugung und mit Ergebenheit unserer Kirche, der Lehre unserer Kirche, den Hirten unserer Kirche, wenn immer sie richtig gebieten, die Treue halten. Das ist der einzige Weg, wie wir auch die Irrlehre anderer überwinden können.

Amen.

Schrift
Seitenanzeige für große Bildschirme
Anzeige: Vereinfacht / Klein
Schrift: Kleiner / Größer
Druckversion dieser Predigt