Die Wahrheit verkündigen,
den Glauben verteidigen

Predigten des H.H. Prof. Dr. Georg May

Glaubenswahrheit.org  
11. Oktober 1992

Verfehlungen gegen das Eigentumsrecht

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Geliebte im Herrn!

Vor einiger Zeit saßen sich in einem Eisenbahnabteil zwei Herren gegenüber. Der eine fing an, von der Kirche zu sprechen und fiel über die Priester her. „Wozu sind die Priester zunutze? Die sollte man abschaffen. Die sind zu nichts nutze.“ Sein Gegenüber entgegnete: „Ich will Ihnen sagen, wozu die Priester nützlich sind: Ich habe gesehen, daß Sie in Ihrer Brieftasche einen hohen Geldbetrag mit sich führen. Ich könnte jetzt – wir sind ja allein – diesen Geldbetrag entwenden und mich davonmachen. Daß ich das nicht tue, das verdanke ich der Belehrung durch einen Priester.“ Es ist nicht die letzte Aufgabe der Kirche und ihrer Diener, über die Sittenordnung zu wachen, die Sittenordnung zu verkünden und die Sittenordnung zu erläutern. Ein nicht unerheblicher Bestandteil der Sittenordnung ist die Ordnung des Eigentums. Das Eigentum ist nun einmal der Weg, auf dem der Mensch sich selbst verwirklicht, wie er seine Ziele und Aufgaben auf dieser Welt erfüllen kann. Deswegen sind die Eingriffe gegen die Eigentumsordnung sündhaft, unter Umständen schwer sündhaft. Die Verfehlungen gegen das Eigentumsrecht kann man in zwei große Gruppen einteilen, in die ungerechte Schädigung und in die ungerechte Aneignung. Jede unbefugte Minderung des Eigentums ist verboten. Aber sie tritt, wie gesagt, in zwei Formen auf, in der unbefugten Schädigung und in der unbefugten Aneignung.

Unbefugte Schädigung ist jede Zerstörung oder Verletzung fremden Eigentums, die durch nichts gerechtfertigt ist. Sie geht häufig aus Haß und Feindseligkeit oder Mutwillen hervor. Der Betreffende hat selbst nichts davon, er beabsichtigt nicht die Aneignung des fremden Eigentums, sondern er will nur dem anderen Schaden zufügen. Diese Untat ist heutzutage leider außerordentlich häufig. Die deutsche Bundespost hat in den Gebieten der ehemaligen DDR 7000 Telefonzellen aufgestellt; davon ist ein Drittel absichtlich zerstört worden. Wir lesen immer wieder von Brandstiftungen; Brandstiftung an Industriewerken, Brandstiftung an Bauernhöfen, Brandstiftung an Wäldern. Die Statistik sagt uns, daß die meisten Fälle von Brandstiftung mutwillig geschehen sind, in böser Absicht, häufig auch durch einen unverantwortlichen Leichtsinn. So ist die Schädigung fremden Eigentums in weitem Umfange in unserem Volk und in anderen Völkern eingerissen, und auf diese Weise wird das Volksvermögen oder das Vermögen des Privateigentümers vernichtet. Die Folgen sind Verarmung, Vernichtung der Existenz, Schädigung der Natur, Unfälle. Man denke nur an die Gefährdung der Verkehrswege. Immer wieder liest man, wie Verkehrswege mutwillig beschädigt werden, wie Steine auf Schienen gelegt oder Nägel auf Straßen gestreut werden in der mutwilligen Absicht, anderen Schaden zuzufügen. Es ist nicht leicht denkbar, meine lieben Freunde, daß solche Untaten nur läßliche Sünden sein könnten. In aller Regel muß man hier von schweren Sünden ausgehen, weil die Bosheit und das Übelwollen in der Regel deutlich erkennbar sind.

Weit umfangreicher ist die Gruppe der Aneignung fremden Eigentums beabsichtigenden Verfehlungen. An erster Stelle steht der Diebstahl. Der Diebstahl ist die geheime, eigenmächtige, ungerechte Aneignung fremden Eigentums auf heimliche Weise gegen den vernünftigen Willen des Eigentümers. Der Diebstahl ist ein Eingriff in fremdes Eigentumsrecht und deswegen gegen die Gerechtigkeit, häufig auch gegen die Nächstenliebe gerichtet. Die Schwere des Diebstahls richtet sich nach dem Gegenstand sowie nach den Umständen des Ortes und der Zeit. Je gewichtiger der Gegenstand für den betreffenden Geschädigten ist, um so schwerer ist die Sünde. Man geht im allgemeinen davon aus, daß die Wegnahme eines Tagesverdienstes eine schwere Sünde begründet. Je nachdem, wie der Betreffende durch den Diebstahl getroffen wird, um so schwerer wird die Sünde. Es ist etwas im Menschen, was ihn zur Aneignung fremden Eigentums drängt. Deswegen sind die Diebstähle so ungeheuer zahlreich. Im ersten Halbjahr 1992 wurden in der Bundesrepublik Deutschland 63.000 Autos gestohlen. In einem Jahre rechnet man mit etwas 250.000 Fahrrädern, die gestohlen werden. Die Zahl der kleineren Diebstähle, vor allen Dingen der Ladendiebstähle, geht in die Millionen.

Soeben ist die Doktorarbeit einer Frau in Hamburg erschienen. In dieser Dissertation wird mit wissenschaftlicher Akribie nachgewiesen, daß die meisten Diebstähle von Gebildeten verübt werden, nicht von einfachen Menschen, sondern von gebildeteren. Am reellsten sind nach dieser Studie die weiblichen Arbeiter, und am meisten Diebstähle verüben die mit akademischer Bildung ausgestatteten Selbständigen.

Die Heilige Schrift hat gegen den Diebstahl an vielen Stellen Stellung genommen. Es gibt ja ein eigenes Gebot unter den zehn Geboten: „Du sollst nicht stehlen!“ Der Apostel Paulus erinnert immer wieder warnend an die heidnische Zeit, in der die jetzt Christen gewordenen Menschen sich gegen die Ordnung des Eigentums verfehlt haben.

Kein Diebstahl, meine lieben Freunde, ist die Notaneignung und die Nothilfe. Das Gut der Erde, die Schätze der Erde sind ja für den Unterhalt aller Menschen bestimmt. Das Eigentumsrecht ist nur der Weg, wie sie den einzelnen nutzbar gemacht werden. In der äußersten Not gewinnt der primäre Zweck des Eigentums den Vorrang. Da wird alles gemein, und dann darf man sich aneignen, was zur Bewältigung dieser Not erforderlich ist, wenn man nicht einen anderen dadurch in die gleiche Not bringt. Aber grundsätzlich darf man von den Gütern der Erde in einem solchen Falle nehmen, was unbedingt notwendig ist. Und solche Not haben wir ja erlebt. In der Zeit nach 1945, als unser Land durch den Krieg darniederlag und die Menschen nicht die notwendigsten Lebensbedürfnisse befriedigen konnten, war es unter Umständen erlaubt, Eingriffe in fremdes Eigentum vorzunehmen. Bekannt wurde die Erklärung des Erzbischofs von Köln, der den Menschen im Ruhrgebiet ein gutes Gewissen dazu machte, daß sie sich die unbedingt notwendige Kohle von Kohlenlagern und Zügen besorgten. Die Notaneignung ist aber auf den äußersten Notfall beschränkt. Sie wirkt nicht nur zugunsten dessen, der in Not ist, sondern kann auch zugunsten anderer, die in Not sind, geschehen. Man spricht dann von Nothilfe.

Es gibt auch die geheime Schadloshaltung. Wenn jemand einen strengen Rechtsanspruch auf bestimmte Güter hat, aber diese Güter ihm ungerecht vorenthalten werden, dann darf er unter Umständen in geheimer und eigenmächtiger Weise sich diese Güter verschaffen. Das nennt man geheime Schadloshaltung. Wir haben oft gelesen, daß unter dem Kommunismus die Menschen außerordentlich diebstahlfreudig seien. Ich meine, daß ein Großteil der unter der Herrschaft des Kommunismus begangenen Entwendungen zu der geheimen Schadloshaltung zu rechnen sind; denn die kommunistischen Staatswesen haben dem Staat, der Partei und dem Heer alles zugewiesen an Gütern und das Volk darben lassen. Da hat das Volk eben, vermutlich zu Recht, gemeint, daß man sich nehmen kann, was einem zu Unrecht vorenthalten wird. Geheime Schadloshaltung wurde und wird auch im privaten Bereich geübt, bei einer unzureichenden Belohnung etwa. Aber wie gesagt: Es ist damit immer eine große Gefahr verbunden, weil man nämlich selbst abschätzen muß, ob ein strenger Rechtsanspruch besteht und ob es keine anderen Wege und Mittel gibt, ihn zu befriedigen; dabei kann man in die Irre gehen.

Neben den Diebstahl tritt der Raub. Der Raub ist die gewaltsame Aneignung. Wir wissen, daß diese Verfehlung außerordentlich häufig ist. Wir lesen immer wieder von Raubzügen von Jugendlichen. Jugendliche, ja sogar Kinder von 12 und 13 Jahren werden dabei ertappt, wie sie alten Menschen, vor allem alten Frauen, Handtaschen entreißen oder auf andere Weise sich gewaltsam an deren Eigentum vergreifen. Der Raub ist schlimmer als der Diebstahl, weil hier der Schimpf zu beachten ist, der dem anderen angetan wird, und weil seine Freiheit beeinträchtigt wird.

Weiter ist auf den Betrug hinzuweisen. Betrug ist die Vermögensschädigung des anderen, die in eigener Bereicherungsabsicht durch Täuschung vorgenommen wird. Der Betrug ist außerordentlich häufig im Geschäftsleben. Wer falsche Maße oder falsche Gewichte verwendet, der begeht Betrug. Wer betrügerischen Bankrott begeht, der begeht Betrug. Wer unlauteren Wettbewerb betreibt, der begeht Betrug. Alle diese Verfehlungen im Wirtschaftsstrafrecht sind heute außerordentlich häufig.

Schließlich ist noch an den Wucher zu erinnern. Der Wucher im strengen Sinne ist die Überziehung bei Kreditgeschäften. Wer den zulässigen Zinssatz überschreitet, der begeht Wucher. Im weiteren Sinne kann man auch Wucher begehen, indem man übermäßige Forderungen stellt oder fremde Not bzw. Unerfahrenheit ausnutzt. Denken wir etwa, meine lieben Freunde, an den heute so häufigen Mietwucher. Wohnungsnot zwingt dazu, Beträge für Wohnungen zu zahlen, die weit überhöht sind. Und in Zeiten der Hungersnot wurden oft übermäßige Preise für Lebensmittel verlangt. Wucher ist eine der Verfehlungen, die im Alten Testament an vielen Stellen verurteilt wurden, so daß die Kirche im Mittelalter sogar das Zinsverbot verhängt hat, um die Menschen nicht in den Wucher hineinzutreiben.

Die Eigentumsordnung, meine lieben Freunde, ist gewiß nicht das erste und oberste unter den Sittengeboten. Aber das Eigentum ist für den Menschen von großer Bedeutung, für sich selbst, für seine Familie. Und wer in diese Eigentumsordnung eingreift, der vergeht sich gegen Gottes Ordnung. Der Apostel Paulus schreibt im 1. Korintherbrief: „Wisset ihr nicht, daß Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Täuschet euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Weichlinge, weder Knabenschänder noch Diebe, weder Habsüchtige noch Trunkenbolde, weder Lästerer noch Räuber werden das Reich Gottes erben.“ Er zählt also die schweren Eigentumsverfehlungen zu den Sünden, die vom Reiche Gottes ausschließen. Wir wissen, wieviel Unheil durch Eigentumsverfehlungen über die Menschen kommt, wie sie Familien entzweien, wie Haß und Feindschaft dadurch entstehen, daß Eigentumsverfehlungen vorgekommen sind, vor allen Dingen bei Erbauseinandersetzungen. Das soll uns dazu ermahnen, das Eigentum heiligzuhalten, im Eigentum den Willen Gottes zu erkennen, unser Eigentum gerecht zu erwerben, gerecht zu verwalten und so die himmlische Herrlichkeit zu gewinnen.

Amen.

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