9. Mai 1991
Er sitzet zur Rechten Gottes
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte, zum Gedächtnis der Auffahrt unseres Herrn in den Himmel Versammelte!
Mit dem heutigen Fest scheint der Unglaube leichtes Spiel zu haben. Er verweist darauf, daß das antike Weltbild nicht mehr das unsere sei. Und der Glaube, so behauptet er, an die Himmelfahrt Christi hänge am antiken Weltbild. Mit dem Verschwinden dieses Weltbildes müsse deswegen auch der Glaube zusammenbrechen. Die Folgerung daraus wurde schon im 18. Jahrhundert gezogen. Im Preußen Friedrichs II. war zeitweilig das Fest Christi Himmelfahrt abgeschafft. Und der Spott klingt uns noch in den Ohren, den der Weltraumfahrer Gagarin für die Himmelsvorstellung der Christen übrig hatte, als er von seinem Weltraumflug zurückkehrte und behauptete, er habe Gott nicht getroffen.
Die Kirche bekennt am heutigen Tage: Christus ist mit Leib und Seele in den Himmel aufgefahren und sitzet zur Rechten Gottes. Die Himmelfahrt Christi ist ein historisches Ereignis. Sie ist geschehen in Raum und Zeit. Wir wissen den Tag, an dem sie vollzogen wurde, und wir kennen den Ort, wo sie stattfand. Vierzig Tage nach Ostern hat der Herr seine Jünger auf den Berg bestellt, von dem aus er die Rückkehr in die Herrlichkeit des Vaters antrat. Die menschliche Natur Christi ist an irgendeinen Ort versetzt worden. Sie ist zwar nicht mehr den Gesetzen von Raum und Zeit unterworfen, aber sie ist doch irgendwie ortsgebunden, und deswegen muß es einen Ort geben, wo die menschliche Natur Christi, also sein verklärter Leib, sich befindet. Wir wissen nicht, wo das ist. Es ist uns nicht geoffenbart, die Stätte zu kennen, wo die Himmel Christus aufbewahren bis zu seiner Wiederkunft. So sehr auch die menschliche Natur Christi durch die Auferstehung verwandelt worden sein mag, und das ist sie ja, so ist sie doch noch stofflicher Natur und muß deswegen an irgendeinem Orte verweilen. Wir kennen diesen Ort nicht.
Gleichzeitig muß man aber sagen, die Geste des Emporschwebens deutet die andere, die veränderte, die gewandelte Seinsweise der menschlichen Natur Christi an. Wir haben ja seine veränderte Seinsweise schon kennengelernt in den vierzig Tagen von Ostern bis zur Himmelfahrt; denn da ging er durch die Türen, da erschien er plötzlich und verschwand wieder, und er war den Jüngern unkenntlich, er war verändert. Also, die Seinsweise des verklärten Christus ist anders als die von uns irdischen Wesen; sie ist erhaben über die Gesetze von Raum und Zeit, und weil seine Existenzweise verändert ist, ist sie der Erfahrung nicht zugänglich. Deswegen ist es ein völlig unmögliches Verlangen, durch Raumfahrzeuge bis zum Himmel vorstoßen zu wollen. Der Himmel muß nicht räumlich weit von uns entfernt sein. Der Himmel kann uns möglicherweise ganz nahe sein, wir wissen es nur nicht. Die Seinsform des Himmels ist von einer anderen Qualität als das, was wir mit unseren Geräten, mit unseren Apparaten und mit unseren Sinnen erfassen und begreifen können. Die Himmelfahrt Christi ist deswegen völlig unabhängig vom antiken Weltbild. Die Alten stellten sich ja bekanntlich das All so vor, daß unten die Unterwelt ist, wo die Verdammten sind; in der Mitte sind wir, die auf der Erde leben, und oben, da, wo die Wolken sind, da sind die seligen Geister. Das ist eine Vorstellung, aber das ist nicht der Inhalt des Glaubens. Der Inhalt des Glaubens ist von der Vorstellung völlig unabhängig. Der Inhalt des Glaubens besagt nur: Die Welt über der Erde ist ein Sinnbild, ist ein Gleichnis für die Erhabenheit der verklärten Existenzform, für das himmlische und Gott vorbehaltene Wirklichkeitsfeld. Wenn also Christus emporschwebt, dann besagt das nicht, daß sein Wohnort über den Wolken ist, sondern bedeutet, daß er Platz genommen hat in einer Wirklichkeit, die über alles Irdische, über alles Weltliche weit erhaben ist. Das soll damit ausgedrückt werden.
Die Himmelfahrt Christi ist auch in keiner Weise zu vergleichen mit den Apotheosen von Heroen und Kaisern, also mit der Vergottung von Kaisern, wie sie ja eine Zeitlang im Schwange war. Die Vergottung von Kaisern wurde von den eigenen Leuten nicht ernst genommen. Wir haben am letzten Sonntag gesehen, daß die gebildeten Kreise niemals an eine wirkliche Qualitätsveränderung der Kaiser, die man mit göttlichen Ehren bedachte, geglaubt haben. Bei Jesus dagegen kam in der Erhöhung hervor, was immer in ihm war, nämlich daß seine menschliche Natur hineingenommen war in die göttliche Herrlichkeit. Bei ihm trat nur das heraus, wurde nur das offenbar, was schon immer vorhanden war seit seiner Menschwerdung, nämlich die Verbindung der menschlichen Natur aus Maria mit der Wirklichkeit Gottes in der Einheit des Logos, der zweiten göttlichen Person.
Die Himmelfahrt Christi ist die höchste Verherrlichung, die Gott erwiesen werden kann; denn Gott wird verherrlicht dadurch, daß er seine Geschöpfe an seiner Herrlichkeit teilnehmen läßt. Und in der Himmelfahrt hat Christus nicht nur die Rückkehr vollzogen in die Wirklichkeit, aus der er gekommen ist, sondern weil ihn die irdischen beschränkten Existenzformen dieser Welt nicht mehr halten konnten, weil er nicht mehr dazu paßte, deswegen ist er in die himmlische Herrlichkeit zurückgekehrt. Gleichzeitig sieht man an dem in den Himmel aufgenommenen Christus, wozu die gesamte Menschheit bestimmt ist, denn er geht ja hin, wie er sagt, um uns Wohnungen zu bereiten. Er geht hin, damit wir ihm nachfolgen können. Er geht hin, damit wir an seiner Herrlichkeit auch einmal teilnehmen können.
Da könnte jemand sagen: In dem Epheserbrief ist die Rede davon, daß wir schon mit Christus auferstanden und in den Himmel versetzt sind. Da könnte es den Anschein haben, als sei die Himmelfahrt an uns schon geschehen, und wir spüren doch nichts davon. Wie ist das zu verstehen? Wie ist das gemeint, daß wir schon mit Christus in den Himmel versetzt sind? Es wäre zu wenig, zu sagen, daß Christus nur hingegangen ist, um uns Wohnungen zu bereiten. Gewiß, das ist richtig, aber das ist zu wenig. Nein, wir sind schon seit der Taufe durch die heiligmachende Gnade aus den begrenzten und beschränkten Existenzformen dieser Welt herausgenommen, wir sind schon in unserem Personenkern mit den himmlischen Kräften erfüllt, die einmal offenbar werden sollen. Was noch aussteht, das ist ihr Offenbarwerden. Aber die Kräfte sind in uns und wirken in uns. Wir sind in diesem Sinne tatsächlich schon teilhaftig nicht nur der Auferstehung, sondern auch der Himmelfahrt Christi.
Man könnte auch spotten über die Rede: „Er sitzet zur Rechten Gottes.“ Natürlich hat Gott keine rechte und keine linke Hand. Gott ist kein Mensch. Was bedeutet darum die Rede: „Er sitzet zur Rechten Gottes“? Die rechte Seite ist der Ehrenplatz. Die rechte Seite ist immer dort, wo man einen besonders zu ehrenden Gast niedersetzen läßt, und wenn es heißt: „Er sitzet zur Rechten Gottes“, dann ist damit sein sicheres Ruhen in der Macht und Herrlichkeit des Vaters ausgedrückt, sein sicherer Besitz der Herrlichkeit des Vaters.
Christus ist kein ohnmächtiger, von den Menschen erfundener Gott, sondern er ist Gott von Gott, wahrer Gott vom wahren Gott, und deswegen gebührt ihm die Herrschaft. Er ist der Herr, und von diesem Herrn sagt der Brief an die Philipper, daß sich in seinem Namen ein jedes Knie beugen muß im Himmel, auf der Erde und unter der Erde. Er hat Platz genommen, so sprechen wir in bildlicher Redeweise, in der Herrlichkeit des Vaters, weil er wahrer Gott ist und weil ihm dieser Platz kraft seiner Wesenheit gebührt. Von dort wird er wiederkommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Er ist schon einmal erschienen, und das war die Erscheinung in Niedrigkeit. Er wird noch einmal erscheinen, und das wird sein Erscheinung in Herrlichkeit.
In den vierzig Tagen, die zwischen Ostern und Himmelfahrt vergingen, hat der Herr seine Jünger eingeführt in die Geheimnisse des Gottesreiches. Er hat sie belehrt über die Wirklichkeit Gottes und über ihre Aufgabe auf Erden. Er hat sie gleichzeitig losgelöst von seiner irdischen Existenzform und ihnen gesagt, daß jetzt der Abschluß der Erscheinungen bevorsteht. Das ist auch die letzte Bedeutung von Christi Himmelfahrt. Jetzt gibt es keine Erscheinung Christi mehr bis zum Ende der Zeiten. Dann wird er wiederkommen, sichtbar für alle, für seine Freunde und für seine Feinde. Die werden ihn sehen, die ihn durchbohrt haben, und die werden ihn schauen, die ihn mit ihrem Spott verhöhnt haben. Bis dahin muß der Himmel ihn behalten, bis der Tag gekommen ist, den der Vater in seiner Macht und Güte, in seiner Weisheit und Liebe bestimmt hat.
So können wir also, meine lieben Freunde, ohne den Schatten eines Zweifels Christi Himmelfahrt feiern. Unser Glaube ist nicht mit dem antiken Weltbild zusammengebrochen. Christus ist erhöht worden in die Herrlichkeit des Vaters, ob das oben ist oder unten, das spielt überhaupt keine Rolle. Wir wissen es nicht. Und wenn wir davon sprechen, daß Christus nach oben emporgefahren ist, daß eine Wolke ihn verhüllte, dann soll damit die Erhabenheit seiner Position, die Herrlichkeit seiner neuen Daseinsform angedeutet werden. Deswegen sind auch Engel, Boten des himmlischen Reiches, bei seiner Auffahrt zugegen. Glauben wir dem Evangelium, und in diesem Evangelium werden wir das Leben haben.
Amen.