29. Juli 1990
Die Wesenselemente des Meßopfers
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Geliebte im Herrn!
Die Eucharistie ist die in Zeichen sich vollziehende Epiphanie des Kreuzesopfers. Sie ist ein Gedächtnisopfer, in dem das Kreuzesopfer vergegenwärtigt wird. Dieses Opfer ist eingesetzt in den Zeichen von Brot und Wein. Das deutet darauf hin, daß dieses Opfer bestimmt ist, genossen zu werden, denn Brot und Wein sind Speise und Trank. Die Opferelemente sind gleichzeitig Opferspeise und Opfertrank. Das ergibt sich schon aus der Einsetzung der Eucharistie im Abendmahlssaal. Der Herr hat dieses Geheimnis im Rahmen eines Mahles, eines Opfermahles, eingesetzt. Das im Tempel geopferte Lamm lag auf dem Tische und wurde verzehrt. Es war Opferfleisch, Opfergabe, die dem Menschen dann, nachdem sie geopfert war, zufiel.
Ähnlich ist es auch beim eucharistischen Opfersakrament. Das Opfer ist dazu bestimmt, genossen zu werden. Der Herr nahm Brot, das auf dem Tische war, gab es seinen Jüngern und sagte, sie sollten sich davon bedienen, sollten essen, denn das, was er ihnen gebe, das sei sein Leib. Und ähnlich machte er es mit dem Becher, der auf dem Tische war. Er reichte ihn den Jüngern und forderte sie auf, ihn zu trinken, denn was darin sei, das sei sein Blut für das Leben der Welt. Das sollten sie tun zu seinem Gedächtnis. Sie sollten also, wie der Herr es getan hatte, das Opfer darbringen und die Opferelemente genießen. Anschließend an das Opfer sollte das Opfermahl gehalten werden. Davon ist besonders die Rede in der Verheißung der Eucharistie im 6. Kapitel des Johannesevangeliums, wo der Herr fast nur von dem Genuß seines Leibes und seines Blutes spricht. „Mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise, mein Blut ist wahrhaft ein Trank.“ Nur an einer einzigen Stelle kommt er kurz auf das Opfer zu sprechen: „Mein Fleisch ist das Brot für das Leben der Welt.“ Für das Leben der Welt – das ist der Opfergedanke. Aber aus dem Opfer wächst das Mahl heraus. Das Opfer ist die Grundlage, die Wurzel, die Quelle für das Mahl.
So gehören also beim eucharistischen Opfersakrament Opfer und Mahl zusammen. Sie bilden eine Einheit. Diese Einheit ist so innig, daß der Vollzieher des Opfers, der amtliche, der beauftragte, Christus verähnlichte Vollzieher des Opfers sich verfehlen würde, wenn er das Opfer feiern würde, ohne zu essen und zu trinken. Der Priester muß - die Gläubigen können –, der Priester muß an diesem Mahle teilnehmen. Das Mahl ist für den Priester ein integrierender Bestandteil des Opfers. Wenn der Priester entgegen dem, was der Sinn des Opfers ist und was die Kirche ihm einschärft, bei der von ihm gefeierten Messe auf das Mahl verzichten wollte, dann käme zwar das Opfer zustande, aber es wäre verstümmelt, es wäre verkürzt. Die Kommunion des Priesters ist ein integrierender, d. h. ein zur Vollständigkeit gehörender Bestandteil des Opfers Jesu Christi.
Auch für die Gläubigen vollendet sich die Teilnahme am Opfer im Opfermahl. Die Kirchenversammlung von Trient hat diesen Zusammenhang in folgender Weise ausgeführt: „Es wäre zwar der Wunsch der hochheiligen Kirchenversammlung, daß die anwesenden Gläubigen an den Messen nicht nur mit geistigem Verlangen, sondern auch durch den sakramentalen Empfang der Eucharistie teilnehmen, auf daß bei ihnen um so reichere Früchte dieses hochheiligen Opfers erwachsen. Wenn dies aber nicht immer geschieht, so verurteilt sie deshalb jene Messen nicht als privat und unerlaubt, in denen der Priester allein sakramental kommuniziert, sondern sie billigt und empfiehlt sie. Denn auch jene Messen muß man wirklich öffentlich nennen, teils deshalb, weil das Volk geistigerweise daran teilnimmt, teils deshalb, weil sie vom Priester als dem öffentlichen Diener der Kirche nicht nur für sich allein, sondern für alle Gläubigen, die zum Leib Christi gehören, gefeiert werden.“ Also die Kirche wünscht, daß die Gläubigen in der vollendeten Weise am eucharistischen Opfer teilnehmen, die durch das sakramentale Mahl ausgedrückt wird. Aber das ist kein absoluter Zwang. Man kann am eucharistischen Opfer auch teilnehmen, ohne zu kommunizieren. Das ist eine gültige, sogar heilswirksame Teilnahme. Es ist ganz verkehrt – und das geschieht heutzutage mancherorts –, die Zusammenhänge so darzustellen, als ob es keinen Zweck habe, an der heiligen Messe teilzunehmen, ohne zu kommunizieren. Nein, auch wer nicht sakramental kommuniziert, nimmt wirksam, ja heilswirksam an der heiligen Messe teil. Wir sprechen bei der heiligen Kommunion von der sakramentalen und von der geistlichen Kommunion. Die sakramentale Kommunion empfängt jener, dem der Leib des Herrn auf die Zunge gelegt wird mit den Worten: „Das ist der Leib Christi.“ Geistlicherweise kommuniziert, wer sich in Sehnsucht, Glaube, Liebe, Hingabe und Gehorsam mit dem Heiland verbindet, wer also die Gedanken erweckt: „Mein Heiland, ich möchte bei dir sein“, wer das Gebet spricht: „Jesus, Jesus, komm' zu mir, o wie sehn' ich mich nach dir! Meiner Seele bester Freund, wann werd' ich mit dir vereint?“ Das ist geistliche Kommunion, das Verlangen, mit Jesus vereinigt zu sein, der Wille, ihm zu gehören, der Glaube an seine Gegenwart und die Bereitschaft, ihm zu folgen. Wer also in geistlicher Weise der heiligen Messe beiwohnt, hat Großes getan. Und die sakramentale Kommunion nützt gar nichts, wenn man nicht auch geistlich kommuniziert. Der reine Empfang des Leibes des Herrn ist fruchtlos, wenn man nicht mit Liebe, mit Innigkeit, mit Eifer und Bereitschaft diese Gabe entgegennimmt.
Nun hat die Kirche ein Minimum festgesetzt, ein Minimum für die vollendete Teilnahme an der Eucharistie. Es gibt nämlich ein Kirchengebot, das lautet: „Du sollst wenigstens einmal im Jahre die heilige Kommunion empfangen!“ Das ist das Minimum, das Allernotwendigste, die eiserne Ration. Ohne diesen wenigstens einmaligen Empfang kann man schwerlich das göttliche Leben in der Seele erhalten. Und deswegen hat die Kirche dieses Gebot gegeben, daß man sich erinnert: Die vollendete Weise, wie man am eucharistischen Opfer teilnimmt, ist der sakramentale Genuß der Opferspeise, ist die heilige Kommunion in wirklicher und wahrhaftiger Weise.
Aus der Tatsache, daß die Kommunion des Priesters notwendig zum Opfer gehört, lassen sich verschiedene Folgerungen ableiten. Wenn nämlich die Kommunion des Priesters unerläßlich ist, damit das Opfer vollständig wird, dann muß der Priester zuerst den Leib des Herrn empfangen. Es ist falsch, was in der Diözese Mainz sich ausbreitet wie eine Epidemie, nämlich daß zuerst die Gläubigen die Kommunion empfangen und dann der Priester. Es ist deswegen falsch, weil der Priester notwendig kommunizieren muß und weil die Kommunion der Gläubigen nicht notwendig ist, damit das Opfer vollständig wird. Und wenn man sagt: Bei einer Einladung zu einem Mahl ist es doch auch nicht so, daß der Einladende zuerst ißt, dann ist darauf zu antworten: Die Einladung, die sich in der heiligen Eucharistie vollzieht, geht nicht vom Priester aus, sondern von Christus. Christus ist der, der einlädt, und er hat es so bestimmt, daß der Priester zuerst die heilige Kommunion empfangen muß. Dagegen kann man sich nicht auflehnen. Also die Reihenfolge des Kommunionempfanges ist von einem tiefen theologischen Sinn erfüllt. Nur die Kommunion des Priesters ist erforderlich, damit das eucharistische Opfersakrament vollständig wird. Deswegen muß der Priester als erster kommunizieren.
Die Zusammengehörigkeit von Opfer und Opfermahl zeigt sich darin, daß in der heiligen Messe die Kommunion ausgeteilt wird. Die Gläubigen haben ein Recht auf Empfang der heiligen Kommunion in der Messe. Selbstverständlich kann man die Kommunion auch außerhalb der heiligen Messe austeilen, etwa wenn der Priester zu einem Kranken geht oder wenn jemand so spät kommt, daß keine heilige Messe mehr ist, er aber notwendig kommunizieren will oder muß. Aber der eigentliche Ort der Austeilung der Kommunion ist die heilige Messe, denn das Opfermahl wächst eben aus dem Opfer heraus. Es hat auch einen guten Sinn, die Gläubigen mit den heiligen Hostien zu speisen, die in der heiligen Messe selbst, in dieser heiligen Messe, konsekriert werden. Dadurch wird es noch besonders deutlich, daß Opfer und Opfermahl innig zusammengehören, daß das Opfer die Grundlage des Opfermahles ist.
Dieser Zusammenhang kommt sehr schön zum Ausdruck im dritten Gebet nach der Wandlung. „Demütig bitten wir dich, allmächtiger Gott, dein heiliger Engel möge dieses Opfer zu deinem himmlischen Altar emportragen vor das Angesicht deiner göttlichen Majestät. Laß uns alle, die wir gemeinsam von diesem Altare“ – von diesem Altare, von dieser Opferfeier – „das hochheilige Fleisch und Blut deines Sohnes empfangen, mit allem Gnadensegen des Himmels erfüllt werden!“ In diesem Gebet wird also ausgedrückt, daß wir von dieser Opferfeier das Opfermahl entgegennehmen, daß ein inniger Zusammenhang besteht zwischen Opferdarbringung und Opfermahl. Wenn das nicht immer geschieht, dann hat es praktische Gründe. Man weiß ja nicht immer, wie viele Leute zur heiligen Kommunion gehen, wie viele Hostien man also auflegen muß und wie viele dann übrig bleiben. Deswegen ist es genauso gültig, mit den Hostien gespeist zu werden, die aus einer anderen Opferfeier stammen und die im Tabernakel aufbewahrt werden.
Die heilige Messe ist ein Opfer in den Zeichen von Brot und Wein. Brot und Wein sind dazu bestimmt, genossen zu werden. Unter den Gestalten von Brot und Wein verbergen sich der geopferte Leib und das geopferte Blut unseres Heilandes. Wenn wir uns die Gestalten einverleiben, dann nähren wir uns mit dem Leibe und mit dem Blute des Herrn. Die Gläubigen sind eingeladen, möglichst oft an dieser heiligen Feier teilzunehmen, aber sie wissen auch: Selbst die Teilnahme an der Opferfeier, die ohne sakramentalen Genuß geschieht, ist wertvoll und heilswirksam. Wir wollen uns dazu bereiten, daß wir erstens wirksam und heilswirksam am heiligen Opfer teilnehmen, daß wir aber auch zweitens würdig werden, die heilige Kommunion zu empfangen. Aber noch einmal: Die sakramentale Kommunion nützt nichts, wenn sie nicht im Inneren begleitet ist von der geistlichen Kommunion, von dem innigen Verlangen, von der verzehrenden Sehnsucht, dem Heiland zu folgen, seinem Gesetz anzuhangen und von ihm nimmer getrennt zu werden.
Jetzt verstehen wir, meine lieben Freunde, was es bedeutet, wenn der Priester bei der Austeilung der heiligen Kommunion außerhalb der heiligen Messe betet: „O heiliges Gastmahl, in dem Christus genossen wird, das Andenken seines Leidens erneuert wird, die Seele mit Gnade erfüllt wird und uns ein Unterpfand der künftigen Herrlichkeit gegeben wird.“
Amen.